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70/06 SchulunterrichtNorm
SchUG 1974 §56 Abs1 idF 1977/231Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des KL in W, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 23. Jänner 1985, Zl. 1047/3-III/4/85, betreffend den nicht erfolgreichen Abschluß der letzten Stufe der besuchten Schulart, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Entscheidung vom 12. September 1984 sprach der Schulleiter des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums L aus, daß der - zum damaligen Zeitpunkt bereits eigenberechtigte (volljährige) - Beschwerdeführer die letzte Stufe eines Oberstufenrealgymnasiums nicht erfolgreich abgeschlossen habe, weil dessen Jahreszeugnis auch nach Durchführung einer Wiederholungsprüfung im Pflichtgegenstand Mathematik in diesem Fach eine auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung enthalte.
2. Über die gegen diese Entscheidung - die vom Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt worden ist - erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom 13. September 1984 wurde vom Landesschulrat für Oberösterreich als Schulbehörde erster Instanz nicht innerhalb der ihm nach § 73 Abs. 4 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 139/1974 idF BGBl. Nr. 231/1977 (in der Folge: SchUG), eingeräumten Frist von drei Wochen nach Einlangen der Berufung bei der Schule entschieden.
3. Auf Grund eines vom Beschwerdeführer am 12. Oktober 1984 beim Bundesminister für Unterreich und Kunst als der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eingebrachten Devolutionsantrages entschied diese Behörde (die nunmehr belangte Behörde) mit Bescheid vom 23. Jänner 1985 über die Berufung des Beschwerdeführers vom 13. September 1984 dahingehend, daß sie diese gemäß § 25 Abs. 1 und 2 und § 71 Abs. 4 und 6 SchUG abwies. In der Begründung ihres Bescheides kam die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensablaufes, Bejahung ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung im Grunde des § 73 Abs. 2 AVG 1950 und Wiedergabe der für die Sachentscheidung herangezogenen Gesetzesbestimmungen zu folgendem - zusammengefaßten - Ergebnis: Auf Grund der vorgelegten und überprüften Unterlagen betreffend die Wiederholungsprüfung in Mathematik ergebe sich, daß diese nicht zur Beurteilung ausreichten, ob die auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung richtig oder unrichtig gewesen sei, da im Hinblick auf das zu schwere erste Beispiel der mündlichen Prüfung der Wiederholungsprüfung nicht habe festgestellt werden können, ob der Beschwerdeführer nicht doch jenes Wissen besitze, welches eine auf „Genügend“ lautende Beurteilung der Wiederholungsprüfung gerechtfertigt hätte. Das Berufungsverfahren sie deshalb unterbrochen und der Beschwerdeführer im genannten Pflichtgegenstand zu einer kommissionellen Prüfung zugelassen worden. Da der Beschwerdeführer - aus von ihm im einzelnen angeführten Gründen, mit denen sich die belangte Behörde in der Folge auseinandersetzte und als nicht stichhältig erkannte - die kommissionelle Prüfung nicht abgelegt und somit am Beweisverfahren nicht mitgewirkt habe, sei die auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung der Wiederholungsprüfung im Pflichtgegenstand Mathematik aufrecht zu erhalten gewesen. Das Jahreszeugnis des Beschwerdeführers weise sohin auch nach Durchführung einer Wiederholungsprüfung in Mathematik in diesem Gegenstand die Note „Nicht genügend“ auf, weshalb die Voraussetzungen gemäß § 25 Abs. 1 SchUG zum erfolgreichen Abschluß der letzten Stufe der vom Beschwerdeführer besuchten Schulart nicht gegeben seien.
4. Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf „positiven Abschluß der achten und letzten Klasse eines Oberstufenrealgymnasiums gemäß den Bestimmungen des SchUG“ verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (teilweise) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG ist eine Schulstufe erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.
Nach § 71 Abs. 2 lit. b SchUG ist gegen die Entscheidung (hier: des Schulleiters gemäß § 56 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 1 leg. cit. nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen), daß der Schüler die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat, die Berufung an die Schulbehörde erster Instanz zulässig. Gemäß § 71 Abs. 4 SchUG hat die Schulbehörde erster Instanz in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich die Berufung auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit „Nicht genügend“ stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, daß eine auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Berufungswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs. 5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilung bzw. die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt. Zufolge des § 71 Abs. 6 leg. cit. ist der der Berufung stattgebenden oder diese abweisenden Entscheidung die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw. die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf „Nicht genügend“ lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält. Gemäß § 71 Abs. 8 SchUG idF BGBl. Nr. 367/1982 geht in den Fällen des § 71 Abs. 2 lit. b der Instanzenzug bis zur Schulbehörde zweiter Instanz.
2.1. Den in Ausführung des Beschwerdepunktes (oben I.4.) vorgetragenen Beschwerdegründen ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer eine Verletzung subjektiver Rechte in erster Linie in der Annahme der belangten Behörde erblickt, es hätten die Unterlagen zur Überprüfung im Sinne des § 71 Abs. 4 SchUG nicht ausgereicht. Nach Ansicht des Beschwerdeführers zeige das von ihm vorgelegte Gutachten des Univ.Doz. Dr. X, Institut für Mathematik der Y-Universität vom 2. Oktober 1984 eindeutig, daß die Gesamtleistung bei der Wiederholungsprüfung mit „Genügend“ zu beurteilen gewesen wäre. Hätte die belangte Behörde alle vorliegenden Beweisergebnisse verwertet, hätte sie - ohne kommissionelle Prüfung - eine positive Entscheidung treffen müssen. Die belangte Behörde habe sich mit dem genannten Gutachten in keiner Weise auseinandergesetzt und damit ihre Begründungspflicht verletzt. Bereits dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.
2.2. Aus der Begründung des bekämpften Bescheides (oben I.3.) ist nicht ersichtlich, ob und bejahendenfalls mit welchem Ergebnis die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer vorgelegte Privatgutachten des Univ.Doz. Dr. X vom 2. Oktober 1984 in ihre Entscheidungsfindung miteinbezogen hat. Die in der Bescheidbegründung gebrauchte Wendung die „vorgelegten und überprüften Unterlagen der Wiederholungsprüfung“ seien nicht ausreichend im Sinne des § 71 Abs. 4 SchUG gewesen, gibt nicht in hinlänglicher Weise Aufschluß darüber, welche Unterlagen der Überprüfung zugrunde gelegt wurden. Sollte die zitierte Formulierung dahin zu verstehen sein, daß die belangte Behörde - was allein dem Gesetz entspräche - alle von ihr eingeholten und ihr zur Verfügung gestellten, auf die vom Beschwerdeführer bei der Wiederholungsprüfung im Pflichtgegenstand Mathematik erbrachten Leistungen bezughabenden „Unterlagen“, somit auch das auf der Grundlage des Prüfungsprotokolls erstattete, mehrfach genannte Privatgutachten, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes herangezogen hat, so ist sie im angefochtenen Bescheid jene Erwägungen schuldig geblieben, die sie dazu führten, der gutächtlichen Stellungnahme ihrer für das allgemeinbildende höhere Schulwesen zuständigen pädagogischen Fachabteilung vom 21. November 1984 zu folgen und das den Standpunkt des Beschwerdeführers stützende Privatgutachten zu verwerfen. Die Tatsache, daß dieses Gutachten der vorbezeichneten Fachabteilung der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht wurde und diese in ihrer Äußerung vom 21. November 1984 - hinsichtlich welcher im übrigen entgegen § 45 Abs. 3 AVG 1950 Parteiengehör nicht gewährt wurde - darauf (freilich auch nur mit einer ganz allgemein gehaltenen Bemerkung) Bezug nahm, vermag eine den Anforderungen der §§ 60, 67 AVG 1950 genügende Bescheidbegründung nicht zu ersetzen; gleiches gilt für die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zu dem besagten Privatgutachten angestellten Überlegungen.
3. Im Hinblick auf die dargelegten Verfahrensmängel ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, den bekämpften Bescheid auf die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit - in Ansehung der Frage, ob die Zulassung zur kommissionellen Prüfung dem Gesetz entsprach - zu überprüfen. Aus demselben Grund müssen im derzeitigen Stadium die in der Beschwerde vorgebrachten Einwände bezüglich der Form der Unterbrechung des Verfahrens sowie der Form und des Zeitpunktes der Anberaumung der kommissionellen Prüfung unüberprüft bleiben.
4. Was schließlich die Rüge des Beschwerdeführers anlangt, es sei unklar, über welche der zwei von ihm erhobenen Berufungen die belangte Behörde entschieden habe, ist zu bemerken, daß aus dem angefochtenen Bescheid in seiner Gesamtheit eindeutig der (ausschließliche) Abspruch über die Entscheidung des Schulleiters vom 12. September 1984 erkennbar ist. Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Nichterledigung der gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 14. September 1984 gerichteten Berufung in seinen Rechten verletzt erachten sollte, genügt es auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG zu verweisen.
5. Da die belangte Behörde aus den unter II. 2.2. dargestellten Erwägungen Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 24. Juni 1985
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1985100052.X00Im RIS seit
30.06.2021Zuletzt aktualisiert am
30.06.2021