TE Vwgh Erkenntnis 2018/5/8 Ro 2018/08/0007

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Veröffentlicht am 08.05.2018
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ABGB §6
ABGB §7
ASVG §341
ASVG §342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des DDr. W E in K, vertreten durch Mag. Dr. Alexander Klaus, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 19, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Dezember 2017, Zl. W178 2157410-1/27E, betreffend einzelvertragliche Honorarabrechnung nach dem ASVG (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Paritätische Schiedskommission für Kärnten; mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 30. März 2017 hat die belangte Behörde die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dazu verpflichtet, dem Revisionswerber (an Honorar für seine zahnärztliche Tätigkeit iZm der Erbringung von Sachleistungen an Versicherte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) € 529.151,91 samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 2017 und 4 % Zinsen aus € 264.560,95 vom 1. April 2016 bis 10. Jänner 2017 zu zahlen. Das Mehrbegehren von € 190.956,86 samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 2017 sowie das Zinsenmehrbegehren wurden abgewiesen. Der Revisionswerber habe aus Honorarabrechnungen für den Zeitraum ab dem vierten Quartal 2015 unter Berücksichtigung einiger Akontozahlungen € 720.078,77 begehrt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe eingewendet, dass die Leistungen des Revisionswerbers in Bezug auf die Honorarposition 10 nicht honorierungsfähig wären. Rein rechnerisch würden nur € 666.865,32 zustehen, dies nach Abzug von Beiträgen an die Ärztekammer und Streichung von unberechtigt verrechneten Leistungen. Sie habe zudem einen Rückforderungsanspruch (von zu Unrecht ausbezahlten Honoraren iZm der Honorarposition 10) von € 704.427,05 kompensando eingewendet. Der Rückforderungsbetrag sei auch Gegenstand eines anderen Verfahrens vor der belangten Behörde zwischen den Streitteilen. Nach § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages könne dem Kompensando-Einwand nicht nähergetreten werden. Das bedeute allerdings nicht, dass dem Revisionswerber die geltend gemachte Forderung zur Gänze zustünde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe einen Anspruch von € 666.865,32 betragsmäßig anerkannt. Davon seien Abzüge für Ärztekammerbeiträge zu tätigen. Es müsse der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zugebilligt werden, Streichungen gemäß den Bestimmungen des Gesamtvertrages in Verbindung mit der Honorarordnung vorzunehmen. In dem bereits genannten anderen Verfahren vor der belangten Behörde sei nach Prüfung „der Position 10“ (noch nicht rechtskräftig) festgestellt worden, dass der Revisionswerber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für die Quartale April 2015 bis März 2016 € 137.743,41 - weil ungerechtfertigt verrechnet - zurückzuzahlen habe. Somit sei der Betrag von € 666.865,32 auf € 529.151,91 zu reduzieren gewesen. Eine exakte Berechnung der Staffelzinsen sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. In sinngemäßer Anwendung des § 273 ZPO hätten für die Zeit vom 1. April 2016 bis 10. Jänner 2017 die gesetzlichen Zinsen von der Hälfte des zuerkannten Betrages zugesprochen werden können.

2        Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Revisionswerber als auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Beschwerde.

3        Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den erstinstanzlichen Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 „Abs. 2 und 3“ VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

4        Beim Landesgericht Graz sei auf Grund einer Anzeige durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ein Strafverfahren gegen den Revisionswerber wegen § 146, §147 Abs. 3, §148 ua StGB anhängig. Weiters sei gegen den Vorsitzenden der belangten Behörde, Herrn Hofrat Dr. O., im Zusammenhang mit der Frage seiner Befangenheit Disziplinaranzeige eingebracht worden. Der Landeshauptmann von Kärnten habe mit Bescheid vom 11. September 2014 dem Revisionswerber gemäß § 46 Zahnärztegesetz die Ausübung des zahnärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des bei der Staatsanwaltschaft Graz geführten Strafverfahrens vorläufig untersagt. Gemäß Abs. 6 leg.cit. habe eine Beschwerde gegen diesen Ausspruch der vorläufigen Untersagung keine aufschiebende Wirkung. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 25. Oktober 2017 sei dem Revisionswerber gemäß § 62 Ärztegesetz auch die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des bei der Staatsanwaltschaft Graz geführten Strafverfahrens untersagt worden. Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde sei ausgeschlossen worden. Gegen beide Bescheide habe der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten erhoben, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.

5        Mit Schreiben vom 14. September 2015 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den mit dem Revisionswerber bestehenden Einzelvertrag gekündigt. Dagegen habe der Revisionswerber am 1. Oktober 2015 Einspruch nach § 343 Abs. 4 ASVG erhoben. Als Kündigungsgründe seien die ungerechtfertigte Verrechnung von Leistungen der Position 10 der Honorarordnung für Vertragsärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie der Umstand angegeben, dass der Revisionswerber die Position 34 vertragswidrig verrechnet habe (die Position 10 beinhalte „Eckenaufbau bzw. Aufbau einer Schneidekante an Front- und Eckzähnen“; die Position 34 beinhalte die „Entfernung von Schleimhautwucherungen und chirurgische Taschenabtragung innerhalb eines Quadranten inklusive Anästhesie und Injektionsmittel“). Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 habe die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter den mit dem Revisionswerber bestehenden Einzelvertrag gekündigt. Dem dagegen erhobenen Einspruch habe die Landesschiedskommission für Kärnten mit Bescheid vom 14. September 2017 keine Folge gegeben und die Kündigung bestätigt.

6        Am 21. Juni 2016 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei der belangten Behörde vom Revisionswerber die Rückzahlung von Honoraren für die Zeit vom ersten Quartal 2013 bis zum vierten Quartal 2015 in Höhe von € 704.427,05 anhängig gemacht. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 2017 sei der Revisionswerber verpflichtet worden, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse € 440.014,46 zu zahlen. Darüber sei beim Bundesverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren anhängig. Am 20. September 2017 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei der belangten Behörde vom Revisionswerber die Rückzahlung von Honoraren in Höhe von € 725.260,37 begehrt.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, strittig sei, ob dem Revisionswerber nach § 32 des Gesamtvertrages ohne weitere Prüfung der Einwendungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine Auszahlung der Honorare für den streitgegenständlichen Zeitraum zustünde und - soweit man diese Frage verneine - die Anspruchshöhe.

8        Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1999, 1951/97, die vorläufige Einbehaltung strittiger Honorarforderungen eines Arztes aus einem Einzelvertrag durch die Gebietskrankenkasse mangels Aufrechnungsmöglichkeit mit späteren Honorarforderungen nicht als Verletzung von verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten beurteilt. Im dort zu Grunde liegenden Verfahren sei der Einzelvertrag bereits rechtskräftig gekündigt worden. Im vorliegenden Fall sei wegen der Untersagung der ärztlichen Berufsausübung durch den Revisionswerber, der aufschiebende Wirkung nicht zukomme, ein Austausch von Leistungen und Gegenleistungen zwischen dem Revisionswerber und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse derzeit nicht möglich. Wenn einem Arzt - so wie derzeit dem Revisionswerber - jegliche ärztliche Berufsausübung untersagt sei, gelte das uneingeschränkte Auszahlungsgebot des § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages nicht mehr. Diese Bestimmung gehe davon aus, dass eine aufrechte Leistungs- und Gegenleistungsbeziehung zwischen dem Versicherungsträger und dem Arzt bestehe, und dass es eine nächste Honorarauszahlung geben werde. Die ungeprüfte Auszahlung der geforderten Gesamtsumme - wie vom Revisionswerber begehrt - sei rechtlich nicht geboten. Nicht abschließend zu klären sei die Frage, ob auch die (nicht rechtskräftige) Kündigung des Einzelvertrages dazu führen würde, dass § 32 Abs. 2 Gesamtvertrag nicht anzuwenden sei.

9        Für das weitere Verfahren komme es daher darauf an, ob der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom Revisionswerber nicht erbrachte oder medizinisch nicht indizierte Leistungen verrechnet worden seien. Diese Frage sei auch in anderen Verfahren, so zB im Kündigungsverfahren, entscheidungsrelevant. In diesen Verfahren sei ein Gutachten zu dieser Frage in Arbeit. Prüfungsgegenstand sei, in welcher Höhe der Revisionswerber bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu Recht Honorar für Leistungen der Honorarpositionen 10, 34, 35 und 17 geltend gemacht habe. Wenn auch eine andere Behörde (Landesschiedskommission) für dieses Kündigungsverfahren zuständig sei, so könne doch das in diesem Verfahren erstellte Gutachten - unter Umständen mit Ergänzungen und nach Parteiengehör - der Beurteilung zu Grunde gelegt und im gegenständlichen Verfahren herangezogen werden. Sollte die persönliche Befragung von Patientinnen und Patienten notwendig werden, wäre eine Bestellung dieser Personen nach Wien jedenfalls mit größerer Zeit und Mühe verbunden als eine Befragung im eigenen Bundesland. Die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit sei eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Ausreichende Feststellungen, wie sich die im Spruch zugesprochene Summe zusammensetze und wie sie ermittelt worden sei, würden sich im angefochtenen Bescheid und im Akt nicht finden. Es seien keine Ermittlungen vorgenommen und keine Feststellungen getroffen worden, wie das abgelehnte Begehren ermittelt worden sei. Über das Begehren des Revisionswerbers wäre ein Beweisverfahren durchzuführen gewesen. Beiden Seiten hätte Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden müssen. Eine Außerstreitstellung von Teilforderungen, wie im erstinstanzlichen Bescheid angeführt, habe nach der Aktenlage nicht stattgefunden. Vielmehr sei schon in den Beschwerden die gesamte Summe strittig gestellt worden, und zwar nicht nur in Bezug auf das Auszahlungsgebot des § 32 Abs. 2 Gesamtvertrag, sondern auch in Bezug auf die Höhe des Begehrens des Revisionswerbers. Der Betrag von € 666.865,32 sei insofern nicht unbestritten, als der von der belangten Behörde getätigte Abzug von € 137.743,41 an zurückzufordernden Honoraren für die Position 10 aus den genannten Verfahren vor der belangten Behörde weder rechtskräftig festgestellt noch in einem Ermittlungsverfahren überprüft worden sei. Der Revisionswerber stelle die Rückforderbarkeit von Honoraren für die Position 10 grundsätzlich in Frage. Auch der Betrag von € 666.865,32 sei insofern noch strittig, als auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse weitere Honorarposten (z.B. 34) strittig gestellt habe. Der erstinstanzliche Bescheid lasse nicht erkennen, auf welchen Beweisergebnissen die Festlegung der zugesprochenen bzw. abgelehnten Honorarsumme basiere. Es seien bezüglich der Berechtigung zur Abrechnung, insbesondere der Position 10 der Honorarordnung, keine Ermittlungen gepflogen worden. Es sei auch kein Gutachten eingeholt worden. Da weitere Verfahren zwischen dem Revisionswerber und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse (betreffend den im vorliegenden Verfahren kompensando eingewendeten Betrag) anhängig seien, sei die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Es sei sinnvoll, dass die fehlenden Ermittlungen durch die Erstinstanz nachgeholt würden. Die besonderen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung würden vorliegen.

10       Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auslegung des § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages fehle.

11       Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

12       Die Revision ist aus dem vom Verwaltungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

13       Der Revisionswerber bringt vor, § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages sei nach §§ 914 und 915 ABGB auszulegen. Eine vom Wortsinn abweichende Auslegung komme erst dann in Frage, wenn eine vom Wortlaut der Urkunde abweichende Parteienabsicht festgestellt worden sei. § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages diene dem Schutz des Vertragsarztes vor der wirtschaftlichen Übermacht des Krankenversicherungsträgers. Der Vertragsarzt sei auf die laufenden Honorarzahlungen angewiesen, um die laufenden Kosten zu decken. Dem Krankenversicherungsträger sei die vorläufige Zahlung bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung zumutbar. Vor dem Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung würde ein Kompensationsverbot bestehen. Daran ändere das vorläufige Berufsverbot nichts, denn dieses würde erlöschen, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt werde. Eine Gefahr der Uneinbringlichkeit allfälliger Rückforderungsansprüche bestehe nicht. Seine ausreichende Bonität ergebe sich aus dem unbelasteten Eigentum an den Ordinationsräumlichkeiten. Das Verwaltungsgericht hätte in merito entscheiden müssen. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG würden nicht vorliegen.

14       Die §§ 30, 31, 32 und 36 des zwischen der Ärztekammer für Kärnten einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ua für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse andererseits abgeschlossenen Gesamtvertrages vom 1. August 1972 lauten samt Überschrift:

„Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit

§ 30

(1) Die Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit wird durch die Honorarordnung geregelt; diese bildet einen Bestandteil des Gesamtvertrages und enthält insbesondere:

a)   die Grundsätze über die Verrechnung und Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen;

b)   das Verzeichnis der vertragsärztlichen Leistungen;

c)   die Bewertung der einzelnen Leistungen in Punkten und, soweit dies vorgesehen ist, in Euro-Beträgen.

(2) Der Geldwert des einzelnen Punktes wird in einem Anhang zur Honorarordnung von den Vertragsparteien vereinbart. Verändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse oder die sonstigen Voraussetzungen, die für die Festsetzung der Tarife maßgebend waren, kann jede Vertragspartei eine Abänderung der Tarife verlangen.

Rechnungslegung

§ 31

(1) Die Rechnungslegung durch den Vertragsarzt wird in der Honorarordnung geregelt. Im Falle einer Stellvertretung verrechnet der Versicherungsträger nur mit dem vertretenen Vertragsarzt.

(2) Rechnet der Vertragsarzt ohne triftige Begründung später als einen Monat nach Ablauf des Einsendetermins ab, kann der Versicherungsträger die Honorarvorauszahlung bis zur Vorlage der Abrechnung einstellen. Für mehr als drei Jahre zurückliegende Zeiträume werden Honorare vom Versicherungsträger nicht bezahlt.

Honorarabzüge und Honorareinbehalt

§ 32

(1) Der Versicherungsträger wird von dem dem Vertragsarzt zustehenden Honorar jene Beträge einbehalten, die rechtzeitig von der Kammer schriftlich bekannt gegeben werden; diese Beträge sind ehestens der Kammer zu überweisen. Die Überweisungstermine werden zwischen den Vertragsparteien vereinbart.

(2) Wird vom Versicherungsträger eine Überprüfung der Honorarabrechnung durch den Schlichtungsausschuss (die paritätische Schiedskommission) beantragt, so ist der strittige Honoraranteil als vorläufige Zahlung anzuweisen. Der Honoraranteil, der vom Schlichtungsausschuss (von der paritätischen Schiedskommission) rechtskräftig gestrichen wird, kann bei der nächsten Honorarauszahlung in Abzug gebracht werden.

(...)

Vorbehandlung von Streitigkeiten im Schlichtungsausschuss

§ 36

(1) Streitigkeiten zwischen dem Vertragsarzt und dem Versicherungsträger sollen einvernehmlich beigelegt werden. Hierbei wird der Versicherungsträger, soweit Fragen der ärztlichen Behandlung berührt werden, durch den Leitenden Arzt/Leitende Ärztin vertreten (§ 35). Kommt eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeiten nicht zustande, so wird der Streitfall in einem Schlichtungsausschuss nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen vorbehandelt.

(2) Der Schlichtungsausschuss besteht aus je einem ärztlichen Vertreter der Kammer und des Versicherungsträgers. Dem Schlichtungsausschuss können Referenten beigezogen werden; der beteiligte Vertragsarzt kann zu einer schriftlichen Stellungnahme oder zur Teilnahme an der Verhandlung eingeladen werden.

(3) Der Schlichtungsausschuss trifft bei übereinstimmender Auffassung beider Mitglieder eine Vorentscheidung; er bestimmt die vom Versicherungsträger dem Vertragsarzt zu zahlende Vergütung für Leistungen aus dem Vertragsverhältnis, wobei er einzelne Leistungen als nicht begründet streichen oder die Honorarabrechnung in angemessener Weise kürzen kann. Der Schlichtungsausschuss ist überdies berechtigt, den Ersatz zu bestimmen, den der Vertragsarzt bei Nichtbeachtung der Bestimmungen des § 21 dem Versicherungsträger zu leisten hat.

(4) Die Vorentscheidung ist entsprechend zu begründen und dem Vertragsarzt sowie dem Versicherungsträger mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, wobei auf die Möglichkeit eines Einspruches gemäß Abs.5 hinzuweisen ist.

(5) Der Vertragsarzt und der Versicherungsträger können binnen 14 Tagen nach Erhalt der Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses mittels eingeschriebenen Briefes bei der paritätischen Schiedskommission eine Entscheidung dieser Kommission beantragen. Wird ein solcher Antrag nicht fristgerecht gestellt, so gilt die Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses als bindender Schiedsspruch.

(6) Einwendungen gegen die Honorarabrechnung müssen von den Parteien des Einzelvertrages bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten geltend gemacht werden. Die Sechs-Monate-Frist beginnt für den Vertragsarzt mit der Zahlung des Honorars, für den Versicherungsträger mit dem Einlangen der Honorarabrechnung. Wenn der Arzt die Bestimmungen des § 21 nicht beachtet, ist eine Beanstandung des Versicherungsträgers nur innerhalb von neun Monaten nach Einlangen der Verschreibung beim Versicherungsträger zulässig.“

15       Punkt A. Allgemeine Bestimmungen der Honorarordnung abgeschlossen gemäß § 30 Abs. 1 des Gesamtvertrages vom 1. August 1972 zwischen der Ärztekammer für Kärnten und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger lautet auszugsweise:

„III. Akontozahlungen und Restzahlungen

(1) An die Ärzte werden bis zum 10. jedes Monats für den laufenden, noch nicht abgerechneten Monat Akontozahlungen angewiesen. Diese bleiben während eines Kalenderjahres unverändert und betragen 25 % des Durchschnittes der Honorare des IV. Quartals des vorletzten und der ersten drei Quartale des letzten Jahres. 50 % der Akontozahlung für Dezember werden zusammen mit der Akontozahlung für November angewiesen. Bei Neuzulassungen werden die Akontozahlungen für das erste Jahr der Kassentätigkeit für jedes Quartal einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien festgelegt. Die monatlichen Akontozahlungen werden auf € 100,-- auf- oder abgerundet. Für die Ermittlung der Akontozahlung sind die Honorare der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu berücksichtigen.

(2) Für Zeiten, während welcher ein Arzt sich auf Urlaub befindet, ohne einen Vertreter namhaft gemacht zu haben, besteht kein Anspruch auf Akontozahlungen in der bisherigen Höhe.

(3) Kann der Arzt seine Ordinationstätigkeit wegen Krankheit vorübergehend nicht ausüben und hat er auch keinen Vertreter, so werden, falls der Ordinationsbetrieb nur innerhalb eines Quartals ruht, die Akontozahlungen in bisheriger Höhe weitergewährt. Unterbleibt die Ordinationstätigkeit auch im darauf folgenden Quartal, so können Akontozahlungen für dieses Quartal über Antrag des erkrankten Arztes geleistet werden.

(4) Allenfalls für ein Quartal sich ergebende Überzahlungen werden von den im übernächsten Quartal zu leistenden Akontozahlungen abgezogen bzw. auf anderem Wege rückgefordert.

(5) Die Restzahlung für ein abgerechnetes Quartal wird spätestens drei Monate nach Quartalsende angewiesen.

(6) Bei den monatlich zu leistenden Akontozahlungen an die dem Kärntner Gesamtvertrag angehörigen Vertrags(fach)ärzte handelt es sich um Gutschriften im Sinne des § 11 Abs. 7 des UstG 1972 für getätigte ärztliche Leistungen; gemäß § 11 Abs. 8 Z. 2 leg. cit. gelten solche Gutschriften als Rechnungen.

IV. Rechnungslegung, Abzüge und Honorarüberweisungen

(1) Die Abrechnungsunterlagen sollen bis zum 10. des dem Abrechnungszeitraum folgenden Monates bei der Vertragspartnerabteilung der Kärntner Gebietskrankenkasse eingereicht werden.

(2) Für Vertragsärzte, deren Abrechnung über ärztliche Leistungen ohne triftige Begründung erst nach Ablauf des Einreichungsmonates bei der Vertragspartnerabteilung der Kärntner Gebietskrankenkasse einlangt, werden die weiteren monatlichen Akontozahlungen bis zum Eintreffen der Abrechnungen aufgeschoben. Wenn die Abrechnung jedoch erst nach dem 15. des dem Abrechnungszeitraum zweitfolgenden Monats bei der Vertragspartnerabteilung der Kärntner Gebietskrankenkasse einlangt, so wird die Honorarabrechnung nicht in der laufenden, sondern erst in der nächsten Abrechnungsperiode bearbeitet.

(3) Sämtliche durch die Vertragspartnerabteilung an den Vertragsarzt zu leistenden Zahlungen werden auf ein Bankkonto des Vertragsarztes überwiesen.

(4) Die Vertragspartnerabteilung überweist jene Beträge, die sie von den Honoraren der Vertragsärzte für die Ärztekammer einbehält, bis zum 15. des der Abrechnungsperiode folgenden Monats der Ärztekammer für Kärnten.“

16       Bei den Regelungen eines Gesamtvertrages ist zwischen den schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien des Gesamtvertrages und den normativen, die Vertragsärzte bindenden Regelungen zu unterscheiden. Die Auslegung des normativen Teiles des Gesamtvertrages erfolgt nach § 6 und § 7 ABGB (VwGH 30.1.2018, Ro 2017/08/0019; OGH 19.2.2009, 2 Ob 48/08k; RIS-Justiz RS0124647). § 32 sowie die in ihm erwähnte Honorarordnung gehören dem normativen Teil des Gesamtvertrages an.

17       Gemäß § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages sind „strittige“ Honorarteile vom Versicherungsträger als vorläufige Zahlung anzuweisen; Honorarteile, die vom Schlichtungsausschuss (bzw. von der paritätischen Schiedskommission) rechtskräftig „gestrichen“ worden sind, können bei der nächsten Honorarzahlung in Abzug gebracht werden. Gemäß § 36 Abs. 6 des Gesamtvertrages müssen Einwendungen gegen die Honorarabrechnung von den Parteien des Einzelvertrages bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten geltend gemacht werden. Eine Auslegung des § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages dahin, dass eine vorläufige Anweisung strittiger Honorarteile dann nicht in Betracht kommt, wenn es zu einer Aufrechnung mit späteren Honorarforderungen infolge (rechtskräftigen) Wegfalls des Einzelvertrages nicht mehr kommen kann oder wenn der Versicherungsträger schon anhand der Abrechnung und der Honorarordnung ohne besonderen Aufwand nachweisen kann, dass die Abrechnung unrichtig ist, ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes weder denkunmöglich, noch unterstellt sie der Bestimmung einen gleichheitswidrigen Inhalt; auf einen Zusammenhang dieser Norm mit § 36 Abs. 6 des Gesamtvertrages kommt es in diesen Fällen nicht an (VfGH 17.12.1999, B1951/97, VfSlg 15704; 27.9.2005, B1548/04-B1611/04; B610/05, VfSlg 17627-17628).

18       Wenn dem Vertragsarzt wie im vorliegenden Fall - wenn auch noch nicht rechtskräftig, so doch ohne aufschiebende Wirkung des dagegen ergriffenen Rechtsmittels - die Berechtigung zur Berufsausübung bescheidmäßig entzogen wurde, so ist dies einem Wegfall des Vertragsverhältnisses insofern gleichzuhalten, als ab diesem Zeitpunkt (zumindest bis auf Weiteres) keine neuen Honorarforderungen mehr entstehen können und es zu einer Aufrechnung gegen solche nicht mehr kommen kann. Mit der Aufrechungsmöglichkeit wird dem Krankenversicherungsträger jene Sicherungsmöglichkeit genommen, die es in Abwägung der Interessen des Vertragsarztes mit den Interessen des Krankenversicherungsträgers rechtfertigen konnte, den Krankenversicherungsträger zur vorläufigen Zahlung von bestrittenen Honorarforderungen zu verpflichten und ihn darauf zu verweisen, die Berechtigung der Honorarforderung ex post prüfen zu lassen bzw. ungerechtfertigte Honorarzahlungen beim Vertragsarzt einbringlich zu machen. § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick darauf, dass sich ab dem Verlust der Berufsausübungsberechtigung des Vertragsarztes das Einbringlichkeitsrisiko erhöhen würde, dahin auszulegen, dass der Krankenversicherungsträger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur vorläufigen Auszahlung bestrittener Honorarforderungen verpflichtet ist. § 32 Abs. 2 des Gesamtvertrages steht in einem solchen Fall auch der aufrechnungsweisen Geltendmachung einer Gegenforderung aus dem Titel früherer ungerechtfertigter Honorarzahlungen nicht im Weg. Der Einbehalt von Honorar dient auch der Sicherung der Schadenersatzforderungen des Krankenversicherungsträgers (VfGH 17.12.1999, B1678/98; B1749/98, VfSlg 15709).

19       Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, rechtfertigen keine Zurückverweisung der Sache, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung zu vervollständigen sind (VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005, mwN).

20       Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde auf Grund ihrer unzutreffenden rechtlichen Annahme einer Pflicht zur vorläufigen Honorarzahlung durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse keine Ermittlungen gepflogen und keine Feststellungen getroffen, die eine rechtliche Beurteilung des Bestehens von Forderungen des Revisionswerbers bzw. des Bestehens von Gegenforderungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zumindest im Ansatz erlauben würden.

21       Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG liegen vor. Die vom Verwaltungsgericht dabei überbundene Rechtsansicht ist zutreffend. Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein Nr. 56422/09).

22       Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 8. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018080007.J00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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