TE Vwgh Beschluss 2021/5/11 Ra 2021/21/0107

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Eraslan, über die Revision des D R, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das am 21. Dezember 2020 mündlich verkündete und mit 11. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W281 2236698-1/5E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), denBeschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1994 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste im Jänner 2015 illegal in das Bundesgebiet ein um hier zu leben und zu arbeiten. Im Februar 2015 bezahlte er einem Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über einen Mittelsmann 3.000 EUR für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG, der ihm am 3. Februar 2015 ausgestellt wurde. In der Folge wurden dem Revisionswerber Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erteilt, zuletzt mit Gültigkeit bis 4. Februar 2018. Der Revisionswerber stellte rechtzeitig einen Verlängerungsantrag.

Der Revisionswerber war ab April 2016 im Inland immer wieder als Arbeiter beschäftigt. Die Eltern des Revisionswerbers, ein Bruder, zwei Schwestern sowie seine Verlobte leben im Kosovo. Zu diesen pflegt der Revisionswerber teilweise täglichen telefonischen Kontakt. Er durchlief in seinem Heimatstaat seine gesamte Schullaufbahn sowie Berufsausbildung und war dort als Tischler tätig.

2        Am 21. Dezember 2018 wurde gegen den Revisionswerber aufgrund der illegalen Erlangung des Aufenthaltstitels Anklage wegen des Verbrechens der Bestimmung zum Amtsmissbrauch gemäß § 302 Abs. 1 StGB iVm § 12 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Bestechung gemäß § 307 Abs. 1 StGB erhoben. Das Strafverfahren wurde diversionell erledigt, weil der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt junger Erwachsener gewesen war, und nach Bezahlung eines Geldbetrages durch den Revisionswerber eingestellt.

3        Im Hinblick auf das strafrechtliche Fehlverhalten sprach das BFA mit Bescheid vom 2. Oktober 2020 zunächst aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (von Amts wegen) nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers „nach Kosovo“ zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich setzte das BFA gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 30 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

4        Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung am 21. Dezember 2020 mündlich verkündeten und mit 11. Februar 2021 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt I. des Bescheids ersatzlos und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7        In dieser Hinsicht wendet sich der Revisionswerber nur gegen die vom Bundesverwaltungsgericht nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings - wie auch der Revisionswerber erkennt - eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie (wie hier) auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 5.2.2021, Ra 2020/21/0387, Rn. 16).

9        Von einer Unvertretbarkeit des vom Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - erzielten Ergebnisses kann keine Rede sein. Es berücksichtigte bei der Interessenabwägung die in der Revision ins Treffen geführten, für den Revisionswerber sprechenden Umstände ausreichend, insbesondere den Aufenthalt seit 2015 und seine teilweise Erwerbstätigkeit. Zu Recht hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Aspekten die in fremdenrechtlicher Hinsicht gravierenden Delikte zur widerrechtlichen Erlangung eines Aufenthaltstitels als maßgeblich relativierend entgegen gehalten (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0226, Rn. 13). Das wird in der Revision völlig ausgeblendet. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte daher jedenfalls vertretbar aus den in der Revision angeführten Umständen kein Überwiegen des Interesses des erwachsenen und ledigen Revisionswerbers mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Kosovo an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem besonderen öffentlichen Interesse an seiner Aufenthaltsbeendigung.

10       Die in der Revision wiederholt, jedoch unsubstantiiert behauptete „antizipierende Beweiswürdigung“ ist nicht ersichtlich.

11       Vor dem Hintergrund der unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den engen familiären und privaten Beziehungen des Revisionswerbers im Kosovo kann an der in der Revision lediglich pauschal bestrittenen Möglichkeit der Reintegration kein Zweifel bestehen.

12       Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210107.L00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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