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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §49 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/08/0041 97/08/0042Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des W in X, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen zwei aufgrund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigte Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 16. Oktober 1996, jeweils mit Zl. Abt. 12/7022/7100 B, (Zlen. 97/08/0040 und 0041), und gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. April 1996, Zl. Abt. 12/7022/7100 B (Zl. 97/08/0042), alle betreffend Verlust der Notstandshilfe gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus den vorliegenden Beschwerden und den angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde unter Hinweis auf § 49 AlVG aus, daß der Beschwerdeführer wegen der Unterlassung einer Kontrollmeldung für die Zeit vom 21. Mai bis 27. Mai 1996 keine Notstandshilfe erhalte.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde wegen der Unterlassung einer Kontrollmeldung den Verlust der Notstandshilfe für die Zeit vom 18. Juni bis 1. Juli 1996 aus.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen drittangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde schließlich wegen der Unterlassung einer Kontrollmeldung den Verlust der Notstandshilfe für die Zeit vom 5. März bis 11. März 1996 aus.
In den Begründungen der drei angefochtenen Bescheide wurde im wesentlichen darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer einen Meldetermin nicht eingehalten habe. Als Grund dafür habe der Beschwerdeführer angegeben, er hätte Antworten auf seine Bewerbungen abwarten müssen bzw. sei ihm der Meldetermin zu früh gewesen. Das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste habe darin keinen triftigen Grund für das Kontrollmeldeversäumnis erblickt und jeweils mit Bescheid festgestellt, daß dem Beschwerdeführer für die in den Absprüchen der angefochtenen Bescheide angeführten Zeiten keine Notstandshilfe gebühre. In seinen Berufungen gegen diese Bescheide habe der Beschwerdeführer als triftigen Grund für das Unterbleiben von Kontrollmeldungen seine mangelnde Vermittelbarkeit infolge hohen Alters und Krankheit angeführt. Laut amtsärztlichem Gutachten vom 7. September 1995 wäre er nur noch zu "leichten Tätigkeiten ohne Streß und Aufregung" fähig. Da es aber einen Arbeitsmarkt für "leichte Tätigkeiten ohne Streß und Aufregung" nicht gebe, wäre der Beschwerdeführer trotz Arbeitswilligkeit und eingeschränkter Arbeitsfähigkeit nicht mehr vermittelbar. Ein weiterer triftiger Grund wäre die gesetzlos willkürliche Verweigerung einer Kontrollmeldenachsicht sowie der Umstand, daß er von seiner Betreuerin bei den Kontrollmeldeterminen beschimpft würde und diesbezügliche Beschwerden wirkungslos geblieben seien.
In der weiteren Folge der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, daß es eine der primären Aufgaben des Arbeitsmarktservice sei, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Um den Zustand der Arbeitslosigkeit zu beenden, scheine ein persönlicher Kontakt mit dem Arbeitslosen (u.a. zwecks Erfolgskontrolle allfälliger vorangegangener Vermittlungsversuche, Abklärung allfällig vorhandener Vermittlungshindernisse bzw. Defizite, Planung von Maßnahmen allfälliger Nach- oder Umschulung bzw. Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und nicht zuletzt: Ausfolgung neuer Vermittlungsvorschläge) unerläßlich. Wenn der Beschwerdeführer meine, für die Nichteinhaltung solcher Kontrollmeldetermine wäre sein Alter bzw. Krankheit ein triftiger Grund, so verkenne er die Sach- und Rechtslage. In seiner Berufung räume er selbst ein, "eingeschränkt arbeitsfähig" - also nicht arbeitsunfähig - zu sein. Selbst wenn es so wäre, daß in seinem Fall - sei es aufgrund seines Alters oder aufgrund der lange andauernden Arbeitslosigkeit - eine Arbeitsaufnahme in seinem ursprünglichen Beruf schwierig erscheine, so bestehe doch die Möglichkeit (allenfalls nach vorausgehender Schulung) Vermittlungsversuche in anderen Berufssparten zu unternehmen. Gerade in Wien mit dem größten Arbeitsmarkt Österreichs erscheine es durchaus vorstellbar, auch für den Beschwerdeführer eine zumutbare Beschäftigung zu finden. Damit aber die Bemühungen des Arbeitsmarktservice, auch für Personen mit den vom Beschwerdeführer selbst angegebenen Vermittlungshindernissen zu einem Erfolg, d.h. letztlich zu einer Arbeitsaufnahme führten, erscheine gerade ein besonders enger Kontakt zwischen Arbeitssuchendem und Arbeitsmarktservice unerläßlich. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sich das Arbeitsmarktservice weigere, über seinen Antrag vom 20. Oktober 1995 auf Nachsicht von der Einhaltung von Kontrollmeldungen zu entscheiden, sei zu erwidern, daß dies nicht geeignet sei, das Nichteinhalten der vorgeschriebenen Kontrollmeldetermine zu rechtfertigen. Bis zu einer (im Sinne des Beschwerdeführers lautenden) Entscheidung des Arbeitsmarktservice seien die vorgeschriebenen Kontrolltermine jedenfalls zu beachten. Auch das Vorbringen, wonach er bei Kontollmeldeterminen von seiner Betreuerin beschimpft würde und diesbezügliche Beschwerden wirkungslos blieben, sei nicht geeignet, das Nichteinhalten von Kontrollmeldeterminen zu rechtfertigen. Diese Frage sei in einem anderen Verfahren abzuhandeln, wobei jedoch darauf hingewiesen werde, daß eine entsprechende Beschwerde der Leitung des Arbeitsmarktservice Angestellte zur Überprüfung weitergeleitet worden sei.
Gegen diese Bescheide hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschlüssen vom 25. November 1996, B 4141 und 4142/96, und B 1438/96, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. In den Beschwerden beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Seine Anträge begründet er in den im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden wie folgt:
Der Beschwerdeführer sei seit 1991 arbeitslos, aber infolge hohen Alters (53 Jahre) und Herzerkrankung laut amtsärztlichem Gutachten vom 7. September 1995 weder vermittelbar noch umschulbar und in den Arbeitsmarkt eingliederbar. Trotzdem "terrorisiere" ihn die Arbeitsmarktverwaltung mit Kontrollmeldeterminen und verweigere ihm die Auszahlung der Notstandshilfe, wenn er diese Termine verstreichen lasse. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß der Beschwerdeführer noch durchaus vermittelbar sei. Nach Auffassung der belangten Behörde sei es daher vorstellbar, daß auch für ihn noch eine zumutbare Beschäftigung gefunden werden könne, gerade in Wien mit dem größten Arbeitsmarkt Österreichs. Diese Sachverhaltsannahmen seien jedoch aktenwidrig bzw. unschlüssig. Es gebe in ganz Wien und Österreich keinen einzigen Arbeitgeber, der einem herzkranken 53-jährigen, der laut Gutachten nur noch zu leichten Arbeiten ohne Streß und Aufregung fähig und daher auf andere Tätigkeiten nicht umschulbar sei, irgendeine Beschäftigung gebe. Auch bei keiner einzigen Vorsprache bei Kontrollmeldeterminen habe dem Beschwerdeführer eine Beschäftigung angeboten bzw. vermittelt werden können. Daraus folge logisch schlüssig und zwingend, daß der Beschwerdeführer entgegen der Annahme der belangten Behörde am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar und auch nicht mehr umschulbar sei. In der mangelnden Vermittelbarkeit des Beschwerdeführers liege zweifelsfrei ein triftiger Grund, sinn- und zwecklos gewordene Kontrollmeldungen zu unterlassen. Ebenso stellten die Schikanen, denen der Beschwerdeführer bei Kontrollmeldeterminen ausgesetzt sei und die durch Beschwerden nicht abgestellt werden könnten, einen triftigen Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG dar, den Kontakt mit dem Arbeitsmarktservice zu unterlassen. Auch der Umstand, daß die belangte Behörde über seinen Antrag auf Kontrollmeldenachsicht nicht entschieden habe, stelle einen weiteren triftigen Grund im Sinne der genannten Bestimmung dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 49 AlVG idF der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 lautet auszugsweise:
"§ 49.(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. ...
(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."
§ 49 Abs. 2 AlVG in der ab 1. Mai 1996 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lautet auszugsweise:
"(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. ... Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."
Dem § 49 Abs. 1 AlVG kann nicht entnommen werden, daß die (die gesetzliche Verpflichtung nach § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG konkretisierende) Vorschreibung einer einmaligen Kontrollmeldung pro Monat nur dann zulässig ist, wenn dies die Situation auf dem Arbeitsmarkt bedingt. Es besteht auch keine Verpflichtung der Behörde, die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachzusehen oder die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabzusetzen. Die Vorschreibung einer Kontrollmeldung pro Monat entspricht jedenfalls dem ersten Satz des § 49 Abs. 1 leg. cit. (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 5. September 1995,
Zlen. 95/08/0191, 0192).
Daß dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden kann, wenn er aufgrund seines Alters eine Vermittlungstätigkeit grundsätzlich ausschließt, wurde in dem bereits genannten Erkenntnis vom 5. September 1995 zum Ausdruck gebracht. Da sein Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld erschöpft ist und bei ihm - nach seinem eigenen Vorbringen - keine Aussicht besteht, daß er in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet, erscheint auch eine Beschäftigung zumutbar, die eine künftige Verwendung in seinem Beruf wesentlich erschweren könnte (vgl. § 9 Abs. 2 AlVG). Daß eine solche Möglichkeit auf dem Arbeitsmarkt in Wien gegeben sein könnte, erscheint weder unschlüssig, noch widerspricht dies jeglicher Lebenserfahrung.
In dem Umstand, daß die belangte Behörde auf das vom Beschwerdeführer erwähnte amtsärztliche Gutachten vom 7. September 1995 nicht weiter eingegangen ist, liegt kein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Verfahrensmangel: Aus diesem Gutachten ergibt sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nämlich nur, daß er zu "leichten Tätigkeiten ohne Streß und Aufregung" fähig ist. Daß dem Beschwerdeführer jegliche Arbeitsfähigkeit mangelt, was im übrigen den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nach sich zöge (vgl. § 7 AlVG), bringt der Beschwerdeführer nicht vor (vgl. dazu das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 19. November 1996, Zlen. 96/08/0016 bis 0019).
Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertritt, der Beschwerdeführer habe vorgeschriebene Kontrollmeldetermine solange einzuhalten, bis sein Antrag auf Nachsicht von der Einhaltung von Kontrollmeldungen (in seinem Sinne) entschieden ist, so kann dies ebenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden. Im übrigen ergibt sich aus einem Hinweis im angefochtenen Bescheid vom 19. April 1996, daß darüber bereits entschieden worden ist.
Was die vom Beschwerdeführer behaupteten Beschimpfungen durch Bedienstete des Arbeitsmarktservice anläßlich der Wahrnehmung von Kontrollterminen anlangt, so stellen diese nach der oben wiedergegebenen Rechtslage - selbst wenn sie den Tatsachen entsprechen sollten - keinen Nachsichtsgrund dar. Über diese Angelegenheit ist vielmehr - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden.
Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, weshalb sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997080040.X00Im RIS seit
18.10.2001