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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Widmung bestimmter Grundstücke als Freiland; Entscheidungsgrundlagen ausreichend erkennbarSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Antragsteller beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Mieders (Tirol) vom 4. März 1982, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Juli 1983, kundgemacht vom 7. bis 22. Juli 1983, soweit der Plan die Grundstücke Nr. 1055 bis 1059, 1067 bis 1071 und 1091/2, KG Mieders, als Freiland ausweist.
Hinsichtlich der Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, er sei "Eigentümer in EZ 102 Grundbuch 81119 Mieders, Bezirksgericht Innsbruck, in welchem die Grundstücke 1055, 1056, 1057, 1058 und 1059 vorkommen".
Die Grundstücke Nr. 1055 bis 1059, 1067 bis 1071 und 1091/2 seien mit Gemeinderatsbeschluß vom 26. Mai 1971 im Verbauungsplan der Gemeinde Mieders in "Betriebsgebiet" umgewidmet und diese Änderung mit Bescheid "des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 27. August 1971" genehmigt worden. Im Flächenwidmungsplan vom 4. März 1982 seien "die Grundstücke 1055 bis 1059" wieder als Freiland gewidmet worden.
Auf Grund der "Widmung 'Betriebsgebiet' wurde auf den Grundstücken 1055 bis 1057 mit Baubescheid vom 26.1.1972 der Gemeinde Mieders ... ein Gebäude errichtet". Dieses Gebäude sei als Lagergebäude und Garage genutzt worden. Von einer "Rückwidmung" seiner Grundstücke in Freiland habe der Antragsteller erst viele Jahre später erfahren. Die "Rückwidmung" in Freiland widerspreche den Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes, wonach "als Grundlage für die örtliche Raumordnung, die hiefür bedeutsamen Gegebenheiten zu erheben und in einer Bestandaufnahme festzuhalten sind". Vor Erstellung und Abänderung eines Flächenwidmungsplanes seien demnach ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu beschaffen.
Aus dem Flächenwidmungsplan könne überhaupt nicht ersehen werden, "warum die Grundstücke des Antragstellers sowie auch die Grundstücke 1067 - 1071 und 1091/2 von 'Betriebsgebiet' in Freiland zurückgewidmet wurden". Die Grundstücke würden sich in geradezu idealer Weise für Betriebsansiedlungen anbieten. Das Gebiet liege südlich an der Stubaital-Bundesstraße, in einem ebenen Abraumgelände. Die Wasserversorgung erfolge durch Anschluß an die Gemeindetrinkwasserleitung im Mühltal, die Abwasserbeseitigung über eine normgerechte Kläranlage in eine Sickergrube auf eigenem Grund. Im Bereich des Betriebsgebäudes des Antragstellers sei bis zum Jahr 1976 Schotter abgebaut, danach sei dieses Gelände als Deponie und Lagerplatz genützt worden. Hätte der Gemeinderat "sämtliche nach den gesetzlichen Zielen berücksichtigungswürdige Umstände überprüft", hätten die genannten Grundstücke "als Bauland-, Gewerbe- und Industriegebiet" gewidmet werden müssen. Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall auch dem "Gebot der Interessenabwägung in keiner Weise Genüge getan worden".
2. Die Tiroler Landesregierung hat in einer Äußerung die Abweisung des Antrags begehrt. Der "Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 1055 bis 1059, 1067 bis 1071 und 1091/2 KG Mieders". Die vor der Erlassung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Mieders bestandene Widmung der Grundstücke des Antragstellers als "gewerbliches Gebiet" entspreche jedenfalls aus heutiger Sicht nicht den aktuellen Raumordnungszielen. Die Grundstücke lägen außerhalb des Siedlungsgebietes der Gemeinde Mieders in der Nähe eines Kiesabbaues; ansonsten erfolge im fraglichen Bereich keine Grundstücksnutzung zu gewerblichen Zwecken. Die Widmung als "gewerbliches Gebiet" habe seinerzeit daher eine "Inselwidmung" dargestellt, die auf Betreiben der "Fa. Mussmann KG" vorgenommen worden sei. Deshalb könne der Gemeinde Mieders nicht entgegengetreten werden, wenn sie anläßlich der erstmaligen Erlassung des Flächenwidmungsplanes von einer "Baulandwidmung" im fraglichen Bereich Abstand genommen habe. Dabei habe sich der Gemeinderat mit den raumordnungsfachlich relevanten Umständen ausreichend auseinandergesetzt und darauf aufbauend entsprechende planerische Überlegungen angestellt. Die strukturellen Gegebenheiten der Gemeinde seien ebenso wie das Ausmaß des bestehenden Baulandes erhoben worden. Demnach handle es sich bei der Gemeinde Mieders um eine Wohngemeinde mit überwiegend kleingewerblichen und agrarischen Strukturen. Weiters weise die Gemeinde einen relativ großen Baulandüberhang aus.
Selbst wenn das fragliche Gebiet "insgesamt für eine ... Widmung als Gewerbe- und Industriegebiet geeignet gewesen wäre", wäre es innerhalb des der Gemeinde zustehenden Planungsermessens gelegen, anläßlich der Erlassung des Flächenwidmungsplanes von einer entsprechenden Widmung abzusehen; dies um so mehr, als es sich bei der Gemeinde Mieders um eine relativ finanzschwache Gemeinde handle und die im Falle der Widmung des betreffenden Gebietes als Gewerbe- und Industriegebiet erforderliche umfassende Erschließung erhebliche Finanzmittel erfordert hätte.
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Mieders beantragt ebenfalls die Abweisung des Antrags. Entgegen der Darstellung des Antragstellers handle es sich bei dem am 4. März 1982 beschlossenen Flächenwidmungsplan nicht um eine Änderung, sondern um eine erstmalige Erlassung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Mieders. Dabei habe der Gemeinderat "gemäß §9 TROG durchaus berücksichtigt, daß die Grundstücke des Antragstellers schon durch den geänderten Verbauungsplan als Bauland ausgewiesen waren". Eine Widmung als "Bauland" im Flächenwidmungsplan sei jedoch ausgeschlossen, da die Erschließung dieser Grundflächen für die Trinkwasserversorgung sowie für die Abfall- und Abwasserbeseitigung wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes unwirtschaftlich wäre. In Wahrheit bestehe im Bereich der betroffenen Grundstücke keine Trinkwasserversorgung und sei auch nicht geplant. Weiters müßte ein entsprechender Abwasserkanal Aber extrem steiles Gelände zum - in erheblicher Entfernung liegenden - Klärwerk geleitet werden. Auf Grund der Finanzlage der Gemeinde wäre eine Erschließung der gegenständlichen Grundflächen nach wie vor unmöglich.
Eine nähere Ausführung darüber, warum eine Widmung in Bauland gemäß "§11 Abs2 litb) TROG" ausgeschlossen gewesen sei, sei im Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan unterblieben, zumal seitens des Antragstellers trotz Auflage des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes und ortsüblicher Bekanntgabe der Auflegung keine Stellungnahme eingelangt sei. Dem Erläuterungsbericht sei aber zu entnehmen, daß sowohl die Bestandsaufnahme als auch die Ermittlungen zur Durchführung der örtlichen Raumordnung ausgehend vom Kern des Siedlungsgebietes erfolgt sei und daß für die Erhaltung einzelner bestehender Gewerbebetriebe landwirtschaftliche oder gewerbliche Mischgebiete ausgespart worden seien. Die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlage für den Flächenwidmungsplan sei im ausreichenden Maße erkennbar und es sei "vollkommen unpraktisch und denkunmöglich, daß für jedes Grundstück auch außerhalb des Siedlungsgebietes umfangreiche Begründungen im Erläuterungsbericht dargelegt werden, weshalb gerade ein bestimmtes Grundstück als Freiland oder als Bauland" gewidmet werde.
Außerdem lasse der Antrag "nicht mit Sicherheit erkennen, hinsichtlich welcher Verordnungsstellen die Aufhebung tatsächlich begehrt" werde, da der Antragsteller einerseits ausführe, Eigentümer (lediglich) der Grundstücke Nr. 1055 bis 1059 zu sein, andererseits die Aufhebung auch bezüglich der Grundstücke Nr. 1067 bis 1071 und 1091/2 beantrage.
4. In einem zusätzlichen Schriftsatz bestreitet der Antragsteller im wesentlichen den Einwand der "Inselwidmung", weil zwischen den Grundstücken und dem Wohngebiet lediglich eine unbebaubare Geländesenke liege. Der dadurch gegebene Abstand vom Wohngebiet sei "geradezu als ideal im Hinblick auf allfällige Immissionen anzusehen".
5. Diesem Vorbringen tritt die Tiroler Landesregierung in einer weiteren Äußerung entgegen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Trotz des unklaren Vorbringens des Antragstellers ergibt sich - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Tiroler Landesregierung - aus dem dem Verwaltungsakt beiliegenden Grundbuchsauszug, daß der Antragsteller der Eigentümer sämtlicher Grundstücke ist, deren Widmung im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Mieders von ihm angefochten wurde. Der Antrag ist somit zulässig (s. VfSlg. 11850/1988 mwH sowie die mit dem Erkenntnis VfSlg. 9260/1981 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer).
2. Dem bekämpften Flächenwidmungsplan vom 4. März 1982 ist zu entnehmen, daß die umstrittenen Grundstücke erheblich außerhalb des Ortsgebietes liegen, im Norden teilweise angrenzend an die Stubaitalstraße, ansonsten umgeben von Freiland. Die Erschließung der Grundstücke mit Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung wäre mit hohen Aufwendungen verbunden.
3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9659/1983 mit Hinweis auf VfSlg. 8330/1978) ist als Prüfungsmaßstab in Ansehung des Verfahrens, in welchem die Verordnung erlassen wurde, die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Fassung des Tiroler Raumordnungsgesetzes maßgeblich, als Prüfungsmaßstab in Ansehung der inhaltlichen Gesetzmäßigkeit jedoch die derzeit geltende Fassung des Tiroler Raumordnungsgesetzes.
Deshalb ist für die Beurteilung der behaupteten mangelhaften Erkennbarkeit der Entscheidungsgrundlagen für die in Rede stehenden Grundstücke die Rechtslage nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz, LGBl. 10/1971 idF LGBl. 12/1979, (im folgenden: TROG), maßgebend, während die Frage der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Widmung nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. 81/1993, (im folgenden: TROG 1994) zu beurteilen ist.
3.1. Der Verfassungsgerichtshof kann - im Gegensatz zum Antragsteller - nicht finden, daß die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers für die Normierung der bekämpften Grundflächen nicht in ausreichendem Maße erkennbar sind. Wie der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 10711/1985) festgestellt hat, ist bei final determinierten Planungsnormen eine Begründung "ähnlich der Begründung eines Bescheides" nie als erforderlich erachtet worden. Der Verfassungsgerichtshof hält eine Verordnung vielmehr nur dann für gesetzwidrig, wenn die Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft sind, daß eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint (VfSlg. 8280/1978, 8330/1978). Wie aus dem Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan hervorgeht, "folgt der gegenständliche Flächenwidmungsplan im wesentlichen den Gegebenheiten des ... Verbauungsplanes" aus dem Jahr 1969. Neu seien lediglich "kleinere Ergänzungen, wo sie sinnvoll zu einer noch deutlicheren Abrundung des Baulandes beitragen". Schwerpunktmäßig ist die Planung - wie die Gemeindevertretung in ihrer Äußerung zu Recht vorgebracht hat - "vom Kern des Siedlungsgebietes" bestimmt gewesen, das es zu erhalten und abzurunden galt.
Im vorliegenden Fall ist der Verordnungsgeber bei der von ihm getroffenen Lösung von den gesetzlichen Zielen der örtlichen Raumplanung, insbesondere von §11 Abs2 litb TROG, ausgegangen und ist sodann - auch mangels einer Einwendung des Antragstellers - zu einer Entscheidung gelangt, deren Grundlage (Abrundung des bestehenden Siedlungsgebietes unter besonderer Berücksichtigung der für weitere Aufschließungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden beschränkten Finanzmittel der Gemeinde) deutlich erkennbar ist.
3.2. Bei der Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Planungsmaßnahme kann es nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht darauf ankommen, ob die vom Verordnungsgeber getroffene Lösung die bestmögliche ist. Im Rahmen der Normenkontrolle nach Art139 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof nicht darüber zu befinden, welche der dem Verordnungsgeber im Rahmen seines planerischen Gestaltungsspielraumes offenstehenden Möglichkeiten die zweckmäßigste ist; sie muß (nur) mit dem Gesetz in Einklang stehen (VfSlg. 10711/1985).
Schon die "Umwidmung" in Freiland bei erstmaliger Erlassung des Flächenwidmungsplanes war rechtmäßig. Die vorhergehende Widmung bzw. Nutzung der Grundstücke nach dem Verbauungsplan war zwar bei der Bestandsaufnahme im Sinne des §9 Abs1 TROG zu berücksichtigen, sie bedeutete jedoch nicht, daß eine in der Folge vorzunehmende Widmung ihr gleichsam automatisch und in jedem Fall entsprechen mußte (vgl. hiezu VfSlg. 9951/1984, 9975/1984, 10278/1984, 11850/1988 sowie VfGH 29.11.1993, V111/92).
Gemäß §108 Abs2 TROG 1994 bleiben die "im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Flächenwidmungspläne nach §10 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 ... weiterhin aufrecht" und gemäß §109 Abs1 TROG 1994 gelten die dort festgelegten Widmungen als Widmungen im Sinne des TROG 1994.
Die bekämpften Widmungen finden nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes insbesondere unter Berücksichtigung der hohen Erschließungskosten auch in den Bestimmungen des §§27 Abs2, 37 Abs1 litc TROG 1994 eine hinreichende gesetzliche Deckung.
4. Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsmaßstab, Raumordnung, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), Flächenwidmungsplan, FreilandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V120.1994Dokumentnummer
JFT_10049387_94V00120_00