TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/18 96/04/0265

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Veröffentlicht am 18.03.1997
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Index

50/04 Berufsausbildung;

Norm

BAG 1969 §2a Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten in Klagenfurt, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 21. Oktober 1996, Zl. 7W-104/3/96, betreffend Feststellung nach § 3a des Berufsausbildungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: M OEG in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Begehren der Beschwerdeführerin auf Ersatz von Aufwendungen wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 21. Oktober 1996 wurde festgestellt, daß der Betrieb der mitbeteiligten Partei so eingerichtet ist und geführt wird, daß die für die praktische Erlernung im Lehrberuf Kraftfahrzeumechaniker (Kraftfahrzeugmechanikerin) nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden können. Darüber hinaus wurde gemäß § 2a Abs. 2 BAG festgestellt, daß eine ergänzende Ausbildung in einem anderen hiefür geeigneten Betrieb oder einer anderen hiefür geeigneten Einrichtung zu erfolgen habe. Es wurde folgende Auflage vorgeschrieben:

"2. Lehrjahr:

Wartungsaufgaben an der Karosserie

Kenntnis von Einspritzpumpen (Diesel)

3. Lehrjahr:

Auswuchten von Rädern

Einstellen von Achsschenkeln

Mechanische und optische Vermessung der Lenkgeometrie Einstellen von Scheinwerfern, Richtungs- und Warnblinkanlagen Kenntnis von halb- und vollautomatischen Getrieben"

Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, aus § 8 Abs. 2 BAG ergebe sich, daß die Ausbildungsvorschriften die für den jeweiligen Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu enthalten hätten. Daraus sei zu schließen, daß sämtliche in einer Ausbildungsvorschrift enthaltenen Fertigkeiten und Kenntnisse als wesentlich zu qualifizieren seien. Nach § 2 Abs. 1 BAG müßten im Lehrbetrieb die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden können. Es sei also von der Behörde eine Gewichtung in der Weise durchzuführen, daß eine quantitative Zählung der vermittelbaren Berufsbildpositionen erfolge. Diesem Erfordernis werde die Behörde nur dadurch gerecht, daß sie anhand des für den entsprechenden Lehrberuf erlassenen Berufsbildes die für die Berufsausbildung bestehenden fachlichen Erfordernisse darlege und diese den tatsächlichen Gegebenheiten im Betrieb gegenüberstelle. Demgemäß sei von der belangten Behörde das ergänzende Gutachten vom 2. September 1996 eingeholt worden, welches ergeben habe, daß in einem Zeitraum von vier Lehrjahren insgesamt 83 Berufsbildpositionen zu vermitteln seien, von denen unbestritten im gegenständlichen Betrieb die in Rede stehenden sieben Berufsbildpositionen nicht vermittelt werden könnten. Bei einem Verhältnis von 83:7 bedeute dies im Sinne der Bestimmung des § 2a Abs. 6 BAG, daß im gegenständlichen Betrieb die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst vermittelt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, wenn man sich die einzelnen Positionen des gegenständlichen Berufsbildes im ersten Lehrjahr vor Augen halte, so könne man ersehen, daß es sich hiebei um Kenntnisse und Fertigkeiten handle, die praktisch in allen Metallberufen die Grundvoraussetzungen darstellten. Es handle sich hiebei jedoch nicht um fachspezifische Tätigkeiten für einen Kraftfahrzeugmechaniker. Gerade eine Reihe wesentlicher Fertigkeiten und Kenntnisse für den Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker könnten im Betrieb der mitbeteiligten Partei nicht unmittelbar vermittelt werden. Bei der mitbeteiligten Partei handle es sich um ein Fachgeschäft für den Handel und die Reparatur von einspurigen Kraftfahrzeugen. Die Werkstätte sei so ausgelegt, daß eine Reparatur von PKW bzw. anderen mehrspurigen Fahrzeugen nicht möglich sei. Allein daraus sei zwanglos ableitbar, daß sich der Betrieb der mitbeteiligten Partei für die Ausbildung von Kraftfahrzeugmechanikern nicht eigne. Der Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß sämtliche in einer Ausbildungsvorschrift enthaltenen Fertigkeiten und Kenntnisse als wesentlich zu qualifizieren seien und daher nur eine quantitative Zählung der vermittelbaren Berufsbildpositionen zu erfolgen habe, könne nicht beigepflichtet werden. § 8 Abs. 2 BAG lege fest, daß Berufsbilder zu erlassen seien, die die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, die während der Lehrzeit zu vermitteln seien, enthalten. § 2a BAG normiere, daß die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst ausgebildet werden müßten. "Wesentlich", im Sinne des § 2a leg. cit. und "wesentlich" im Sinne des § 8 Abs. 2 leg. cit. sei somit nicht gleichbedeutend. Wenn man der Auslegung der belangten Behörde folgen würde, so wäre der Passus "die für den Lehrberuf wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse" in § 2a BAG überflüssig. Innerhalb der Berufsbilder sei nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine inhaltliche Gewichtung vorzunehmen. Bestimmte Berufsbildpositionen seien von ihrer Bedeutung her für die Erreichung des Ausbildungszieles gewichtiger. Das Berufsbild sei in seiner Gesamtheit zu betrachten. Für eine solche Betrachtungsweise spreche unter anderem auch die Unterteilung in den Berufsbildern nach "Kenntnissen", "Grundkenntnissen" und "Fertigkeiten". Mit der Bestimmung des § 2a BAG solle nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der zu erbringenden Ausbildungsleistungen durch den Lehrbetrieb gewährleistet sein. Einer ganzheitlichen Betrachtung werde aber durch eine rein mathematische Zählung der Berufsbildpositionen der Boden entzogen und es würde eine solche Betrachtung die Lehrlingsausbildung qualitativ weiter verschlechtern. Folgte man der Argumentation der belangten Behörde, so führte dies letztlich dazu, daß fast 50 % der nach den Ausbildungsvorschriften festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse ausgelagert werden könnten. Dies könnte zur Folge haben, daß in einem solchen Lehrbetrieb nur mehr Kenntnisse und Grundkenntnisse zu vermitteln seien, wofür keine Einrichtungen notwendig wären. Alles anderes, also insbesondere die Erlernung von fachspezifischen Fertigkeiten müßte jedoch ausgelagert werden. Ein solches Ergebnis stünde mit dem bisherigen Verständnis über die duale Ausbildung und Vollziehung des Berufsausbildungsrechtes in Widerspruch. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin handle es sich bei jenen Berufsbildpositionen, die ausgelagert werden müßten, um elementare Sachgebiete der KFZ-Technik. Bei Fehlen der angeführten Positionen im Lehrbetrieb könnten die für den Lehrberuf KFZ-Mechaniker wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht mehr überwiegend im Lehrbetrieb ausgebildet werden. Es sei daher ungeachtet der Möglichkeit des Ausbildungsverbundes daran zu zweifeln, daß im Betrieb der mitbeteiligten Partei überhaupt KFZ-Mechaniker ausgebildet werden könnten. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde einerseits keine Feststellungen über die Ausstattung der Werkstätte der mitbeteiligten Partei getroffen und andererseits entgegen der Bestimmung des § 52 Abs. 2 AVG einen nichtamtlichen Sachverständigen beigezogen habe, obwohl Amtssachverständige zur Verfügung gestanden wären.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/04/0145, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, ist die nach § 2a Abs. 1, letzter Satz BAG zu klärende Frage, ob die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst im Lehrbetrieb vermittelt werden können, nicht durch eine quantitative Zählung der Berufsbildinhalte zu ermitteln. Vielmehr ist dieses Tatbestandselement anhand einer Bewertung und Abwägung sämtlicher Berufsbildpositionen des Lehrberufes im Verhältnis zu jenen Ausbildungsinhalten, welche im Lehrbetrieb vermittelt werden können, zu ermitteln.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Abweisung des Zuspruches auf Aufwandersatz stützt sich auf § 47 Abs. 4 VwGG i.V.m. § 3a Abs. 3 vorletzter Satz BAG (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/04/0149).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040265.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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