TE Vwgh Beschluss 2021/5/21 Ra 2021/02/0067

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Veröffentlicht am 21.05.2021
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Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg
WettenG Wr 2016 §16a litb
WettenG Wr 2016 §25
WettenG Wr 2016 §25 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das mit 7. Dezember 2020 datierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23. November 2020, 1. VGW-104/048/10339/2020-11 und 2. VGW-104/V/048/10340/2020, betreffend Betriebsschließung nach dem Wiener Wettengesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. G in K und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien Folge und behob die behördliche Schließung einer näher genannten Betriebsstätte, u.a. weil es die inkriminierten Wetten „Wer gewinnt die 2. Halbzeit?“ konkret bezeichneter Fußballspiele als zulässiges Abstellen auf ein Teilergebnis ansah. Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die hier vorliegenden Livewetten seien unabhängig von der Ergebnisdarstellung zulässig, weil der maßgebliche Zeitraum zwischen möglichen Wetten gegenüber dem Wetten auf traditionell dargestellte Spielstände zur Halbzeit oder am Spielende nicht verkürzt werde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Als zulässig erachtet der revisionswerbende Magistrat die Revision, weil es im Fußball lediglich ein Teilergebnis in Form der ersten Halbzeit gebe, das Ergebnis der zweiten Halbzeit im Hinblick auf das Endergebnis lediglich auf dem Ergebnis der ersten Halbzeit aufbaue und nicht eigens ausgewiesen werde, somit eine Unterform einer verbotenen Restzeitwette darstelle. Das Verwaltungsgericht habe keinerlei Unterscheidung zwischen „Over/Under-Wetten“ und Nullstandwetten zu erkennen vermocht und mit seiner Schlussfolgerung, die gegenständliche Wette ziele auf das Ergebnis der zweiten Spielhälfte ab, jedwede Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt und der tatsächlich angebotenen Wettart vermissen lassen.

6        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist vor dem Hintergrund, dass die schnelle Abfolge von einzelnen Spielen mit schneller Entscheidung über Gewinn und Verlust ein erhöhtes Spielsuchtpotential in sich birgt, z.B. der Satz im Tennis das kleinste Teilergebnis, auf das gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz erlaubterweise gewettet werden darf (VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0025). Teil- und Endergebnisse eines Liveereignisses können nur solche sein, die nach den Regeln des jeweiligen Spiels als solche vorgesehen sind (z.B. Halbzeit im Fußball, Drittel im Eishockey, Satz im Tennis). „Restzeitergebnisse“ fallen jedenfalls nicht darunter. Sie stellen weder ein Teilergebnis noch ein Endergebnis im Sinne der in Rede stehenden Bestimmung dar (VwGH 4.3.2020, Ro 2019/02/0018).

7        Mit diesen Grundsätzen im Einklang steht das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses. Die vom Magistrat vorgenommene Differenzierung zwischen erster und zweiter Halbzeit vermag hingegen nicht zu überzeugen, weil beide Halbzeiten jeweils einen regulären Teilabschnitt des betreffenden Spieles darstellen. Beide Teilergebnisse (der ersten und der zweiten Halbzeit) wirken sich auf das Endergebnis in der gleichen Art mit der Summe der insgesamt von der jeweiligen Mannschaft erzielten Tore aus und es kommt nicht darauf an, wer die eine oder die andere Halbzeit gewann.

8        Dass das Ergebnis der zweiten Halbzeit nicht eigens ausgegeben werde, ist nicht von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Sachverhaltsannahmen gedeckt. Ein dahingehender Feststellungsmangel wird nicht aufgezeigt. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich die revisionswerbende Partei bei der Zulässigkeitsbegründung aber vom festgestellten Sachverhalt, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (VwGH 6.7.2018, Ra 2017/02/0106, mwN).

9        Da beide Halbzeiten im Fußball der Hauptunterteilung des Spiels entsprechen, werden mit der Wette auf ein Ergebnis der einzelnen Halbzeit keine in schneller Abfolge entstehenden Restzeitwetten gebildet. Beim Ergebnis der zweiten Halbzeit handelt es sich um ein zulässiges Teilergebnis im Sinne der §§ 16a lit. b, 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz.

10       Die Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zu den angeblich im angefochtenen Erkenntnis nicht erkannten Wettarten lassen einen näheren Bezug zum festgestellten Sachverhalt vermissen, sodass daraus eine Rechtsfrage, von der die Revision abhinge, nicht ersichtlich ist.

11       Soweit das Zulässigkeitsvorbringen schließlich die Subsumtion im angefochtenen Erkenntnis, wonach die gegenständliche Wette auf das Ergebnis der zweiten Spielhälfte abziele, als begründungslos beanstandet, werden die näheren Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zu den verschiedenen Informationsgehalten von möglichen Ergebnisdarstellungen übergangen.

12       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Mai 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020067.L00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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