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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
EStG 1988 §20 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dipl. Ing. B in W, vertreten durch die Rohregger Rechtsanwalts GmbH & Co KG in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Jänner 2020, Zl. RV/7100136/2020, betreffend Einkommensteuer 2018, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 führte der Revisionswerber aus, er habe im Jahr 2018 ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen. Er beantrage die Besteuerung dieser privaten Kapitalerträge nach dem allgemeinen Steuertarif (Regelbesteuerungsoption). Im Hinblick auf diese Tarifveranlagung mache er Werbungskosten in näher genannter Höhe geltend.
2 Mit Bescheid vom 4. November 2019 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2018 gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig fest. In der Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass Werbungskosten nicht berücksichtigt worden seien.
3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, er habe im Jahr 2018 ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 27 EStG 1988 erzielt. Die Einnahmen seien durch Werbungskosten vermindert worden; er habe nach § 27a Abs. 5 EStG 1988 zur Regelbesteuerung optiert und eine Veranlagung des nach dem objektiven Nettoprinzip ermittelten Überschusses beantragt. Das Finanzamt habe diese Werbungskosten nicht berücksichtigt; überdies habe es auch die Einnahmen abweichend von der Erklärung angenommen. Die Besteuerung auf Basis der Bruttoeinnahmen führe im vorliegenden Fall zu einer Steuerlast von mehr als 100% des Überschusses.
4 Das Finanzamt legte die Beschwerde, entsprechend dem Antrag des Revisionswerbers ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen (§ 262 Abs. 2 lit. a BAO), dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht führte das Finanzamt u.a. aus, betreffend das in der Beschwerde vorgebrachte Argument einer exzessiven Steuerlast sei erwähnt, dass eine etwaige Schlechterstellung durch die Ausübung der Regelbesteuerungsoption gemäß § 27a Abs. 5 EStG 1988 gegenüber der „Veranlagung zum Fixsatz“ noch im Rechtsmittelverfahren durch Zurückziehen des Antrages auf Regelbesteuerung beseitigt werden könne.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise (betreffend die Höhe der Einnahmen) Folge und änderte den angefochtenen Bescheid ab; weiters erfolgte die Festsetzung der Einkommensteuer 2018 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Gesetzgeber spreche in § 20 Abs. 2 EStG 1988 ausdrücklich von nicht abzugsfähigen Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 „anwendbar“ sei, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Die herrschende Rechtsauffassung gehe davon aus, dass dieses Abzugsverbot auch dann gelte, wenn mit den entsprechenden Einkünften aus Kapitalvermögen in die Regelbesteuerung optiert werde. Der Ausdruck „anwendbar“ sei abstrakt zu verstehen. Damit solle das Abzugsverbot also auch bei der Regelbesteuerungsoption gelten; ansonsten hätte die Gesetzesformulierung „anzuwenden ist“ gelautet. Gegen diese Auffassung lasse sich zwar sprachlich einwenden, dass im Falle der Regelbesteuerungsoption der Sondersteuersatz tatsächlich nicht mehr „anwendbar ist“; dennoch werde das Abzugsverbot im Sinne eines abstrakten Verständnisses auch bei der Regelbesteuerungsoption gelten. Auch nach den Gesetzesmaterialien zu § 20 Abs. 2 EStG 1988 (981 BlgNR 24. GP 115) solle entsprechend der bisherigen Rechtslage der Abzug von Aufwendungen und Ausgaben auch dann nicht möglich sein, wenn die Einkünfte aufgrund der Regelbesteuerungsoption des § 27a Abs. 5 EStG 1988 mit dem allgemeinen Steuertarif besteuert würden. Das Bundesfinanzgericht schließe sich dieser durch den Gesetzeswortlaut eindeutig gedeckten Rechtsauffassung an. Das Bundesfinanzgericht teile weiters nicht die in der Beschwerde geäußerten Zweifel an der Verfassungskonformität dieser Regelung. Dem Abgabepflichtigen wäre im Übrigen auch noch im Rechtsmittelverfahren eine Rückziehung der Regelbesteuerungsoption möglich gewesen, worauf das Finanzamt den Revisionswerber im Vorlagebericht zutreffend hingewiesen habe.
7 Die Berechnung der Einnahmen sei entsprechend der Abgabenerklärung des Revisionswerbers zu korrigieren gewesen. Die vorläufige Festsetzung sei überdies gemäß § 200 Abs. 2 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen gewesen.
8 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
9 Mit Beschluss vom 24. November 2020, E 631-632/2020-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beschwerde rüge die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes in jeder Hinsicht dem Gesetz entspreche, insoweit nicht anzustellen. Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften (§ 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich EStG 1988) behauptet werde, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 20.167/2017) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe: Der Verfassungsgerichtshof habe bereits in VfSlg. 20.167/2017 das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 für den Fall der Regelbesteuerungsoption bestätigt, zumal dies durch das Endbesteuerungsgesetz verfassungsgesetzlich vorgegeben sei. Schon vor diesem Hintergrund vermöge der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 Art. 18 B-VG verletzen würde.
10 Mit Beschluss vom 4. Jänner 2021, E 631-632/2020-9, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof ab.
11 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Jänner 2020 wendet sich die nunmehrige Revision. Zur Zulässigkeit wird u.a. geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der Frage noch nicht auseinandergesetzt, ob das Abzugsverbot nach § 20 Abs. 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 lediglich dann greife, wenn der lineare Steuersatz nach § 27a Abs. 1 EStG 1988 tatsächlich angewendet werde, oder ob das Abzugsverbot auch dann gelte, wenn man sich für eine Besteuerung nach § 27a Abs. 5 EStG 1988 entscheide, wonach angesichts der §§ 33 bis 38 EStG 1988 ein Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten ermöglicht werden solle.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
14 Gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, durften bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie u.a. mit „Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist“, in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 115) wurde hiezu u.a. ausgeführt, künftig sollten für sämtliche Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz des § 27a Abs. 1 EStG 1988 unterliegen, weder im betrieblichen noch im außerbetrieblichen Bereich unmittelbar damit im Zusammenhang stehende Aufwendungen und Ausgaben abgezogen werden können. Entsprechend der bisherigen Rechtslage solle der Abzug von Aufwendungen und Ausgaben auch dann nicht möglich sein, wenn die Einkünfte aufgrund der Regelbesteuerungsoption des § 27a Abs. 5 EStG 1988 mit dem allgemeinen Steuertarif besteuert werden.
15 Mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22, wurde die Bestimmung des § 20 Abs. 2 EStG 1988 dahin geändert, dass das Abzugsverbot nunmehr auch für Einkünfte, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 (besonderer Steuersatz für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen) „anwendbar ist“, galt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1680 BlgNR 24. GP 9 f) wurde dazu ausgeführt, im Gleichklang mit der Besteuerung von Kapitalvermögen sei der Abzug von Werbungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns - abweichend von der bisherigen Rechtslage - nicht mehr möglich. Das Verbot des Werbungskostenabzuges gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 gelte auch für Einkünfte, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 grundsätzlich anwendbar sei; somit gelte das Werbungskostenabzugsverbot auch für den Fall der Regelbesteuerung.
16 In der im vorliegenden Verfahren anwendbaren (vgl. § 124b Z 276 EStG 1988: 1. Jänner 2016) Fassung des Steuerreformgesetzes 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, lautet § 20 Abs. 2 EStG 1988:
„(2) Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit
- nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder
- Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 anwendbar ist oder
- Einkünften, auf die der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 angewendet wird,
in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“
17 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (684 BlgNR 25. GP 16) wurde hiezu ausgeführt, anders als bisher solle bei Immobilienveräußerungen künftig der Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption nicht durch § 20 Abs. 2 EStG 1988 ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund soll das Abzugsverbot nur mehr dann Anwendung finden, wenn der besondere Steuersatz des § 30a Abs. 1 EStG 1988 auch tatsächlich angewendet wird.
18 Der Gesetzgeber unterscheidet in der hier anwendbaren Fassung somit ausdrücklich zwischen Einkünften, auf die ein besonderer Steuersatz „anwendbar ist“, und Einkünften, auf die der besondere Steuersatz „angewendet wird“. Nach der aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 2015/2016 hervorleuchtenden Absicht sollte damit (nur) im Hinblick auf Grundstücksveräußerungen - anders als nach der bisherigen Rechtslage - erreicht werden, dass bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption das Abzugsverbot nicht mehr angewendet werde.
19 Der Verfassungsgerichtshof hat zu § 20 Abs. 2 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2012) dargelegt, bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich, dass das Abzugsverbot auch in Fällen der Regelbesteuerung zu beachten ist. Einer (betreffend Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen erforderlichen) verfassungskonformen Einschränkung sei diese Bestimmung angesichts ihres klaren Wortlautes nicht zugänglich (VfGH 30.11.2017, G 183/2017, VfSlg. 20.219, Rn. 37 und 40).
20 Nach dem mit dem – klaren - Wortlaut übereinstimmenden Willen des Gesetzgebers besteht somit das Abzugsverbot bei Einkünften aus Kapitalvermögen (iSd § 27a Abs. 1 EStG 1988) auch dann, wenn die Regelbesteuerungsoption ausgeübt wird. Eine höhere Besteuerung dieser Einkünfte durch die Ausübung der Regelbesteuerung kann (anders als nach der Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2011) nur dadurch verhindert werden, dass der Antrag auf Regelbesteuerung rechtzeitig zurückgezogen wird (vgl. Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 27a Tz 174 f); eine derartige Rücknahme erfolgte nicht.
21 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist das angefochtene Erkenntnis auch nicht mit einem relevanten Begründungsmangel (vgl. dazu etwa VwGH 9.4.2020, Ra 2020/13/0011) belastet.
22 Da bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. Mai 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021130036.L00Im RIS seit
21.07.2021Zuletzt aktualisiert am
19.11.2021