TE Vwgh Beschluss 2021/5/31 Ra 2021/10/0054

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Veröffentlicht am 31.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

ApG 1907 §10 Abs2 Z3
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/10/0055

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision 1. der L apotheke M G KG und 2. der U D, beide in M, beide vertreten durch Mag. Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Februar 2021, Zlen. 1. LVwG-AV-580/001-2019 und 2. LVwG-AV-581/001-2019, betreffend Apothekenkonzession (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: C G in M, vertreten durch Mag. Andreas Stieger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dametzstraße 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis erteilte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) im Beschwerdeverfahren der Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke unter Festlegung eines bestimmten Standorts in der Gemeinde M, wobei es Einsprüche der Revisionswerberinnen zurück- bzw. abwies sowie weiters den Antrag der Zweitrevisionswerberin auf Errichtung einer Filialapotheke abwies. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2        Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung die ua. auf ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gestützte Feststellung zugrunde, dass der öffentlichen Apotheke der Erstrevisionswerberin auch nach Aufnahme des Betriebs der neu bewilligten Apotheke weiterhin mehr als 5.500 (nämlich 5.514) zu versorgende Personen verbleiben würden. Aus der von der Apothekerkammer herangezogenen „TU-Studie“ ergebe sich, dass dieses Versorgungspotenzial auch 743 Einwohnergleichwerte aus dem Tourismus in der Gemeinde M umfasse. Dem von den Revisionswerberinnen dazu im Verfahren vorgebrachten Einwand, dass der Fremdenverkehr infolge der Corona-Pandemie massiv eingebrochen sei, sei zu entgegnen, dass diese Auswirkungen infolge der zu erwartenden Impfmöglichkeiten und der damit bedingten Wiederkehr des öffentlichen Lebens nur als vorübergehend anzusehen seien. Im Rahmen der Bedarfsprognose sei das Kundenpotenzial zu berücksichtigen. Das Potenzial der Gemeinde M als Tourismusanziehungspunkt sei aber unbestritten und könne nach Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen wieder „umgesetzt“ werden. Gleiches gelte für die Beschäftigtenzahlen.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele etwa VwGH 29.9.2020, Ra 2019/08/0115; 11.1.2021, Ra 2020/01/0473, jeweils mwN).

7        Die Revision wendet sich im Zulässigkeitsvorbringen gegen die Heranziehung der sog. TU-Studie. Diese entspreche insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der [743] Einwohnergleichwerte aus dem Tourismus infolge des „de facto vorhandenen und auch im Verfahren nachweislich bewiesenen Entfalls von zu versorgenden Touristen aufgrund der Corona-Epidemie“ nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Der Begründung des Verwaltungsgerichts, dass es sich dabei nur um eine vorübergehende Erscheinung handle, könne angesichts der tatsächlich vorhandenen und auch noch bevorstehenden Einschränkungen des Fremden- und Reiseverkehrs nicht gefolgt werden. Zur Frage „der uneingeschränkten Anwendbarkeit der TU-Studie“ fehle es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

8        Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulässigkeit der Revision.

9        Gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 Apothekengesetz besteht ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke nicht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

10       Die nach dieser Bestimmung vorzunehmende Bedarfsprüfung hat sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf eine - auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken zu gründen (vgl. etwa VwGH 21.5.2008, 2006/10/0017; 27.9.2018, Ra 2017/10/0069, jeweils mwN).

11       Bei der von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht dabei anzustellenden Prognose sind auch konkret absehbare, in naher Zukunft zu erwartende Umstände zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen ist ein insbesondere in seiner Dimension völlig ungewisses künftiges Ereignis (vgl. etwa VwGH 18.4.1994, 92/10/0477, mit Hinweis auf VwGH 1.6.1983, 83/08/0015, 0016; VwGH 25.11.2015, 2013/10/0173; vgl. auch VwGH 11.8.2015, Ro 2014/10/0112).

12       Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht seiner Bedarfsprüfung die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Verminderung der Kundenanzahl der Apotheke der Erstrevisionswerberin aus dem Tourismus ebenso wie die Beschäftigtenzahl infolge der Covid-19-Pandemie nur vorübergehender Natur sei und das diesbezügliche Kundenpotenzial nach dem Ende der geltenden Covid-19-Maßnahmen wieder ausgeschöpft werden könne.

13       Mit dem bloßen Vorbringen, dass dieser Begründung „angesichts der tatsächlich vorhandenen und auch noch bevorstehenden Einschränkungen des Reise- und Fremdenverkehrs“ nicht gefolgt werden könne, wird ein Abweichen von der genannten hg. Rechtsprechung nicht aufgezeigt. Insbesondere wird nicht dargelegt, dass es sich bei dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Wiederaufleben des Tourismus bzw. des daraus resultierenden Kundenzustroms nach dem Ende der sog. Covid-19-Maßnahmen um ein „völlig ungewisses künftiges Ereignis“ handle.

14       Das gleiche gilt für das pauschale weitere Zulässigkeitsvorbringen, dass es auch „mit dem als allgemein bekannten Zusammenbruch des Tourismus zusammenhängenden Fragen der Berücksichtigung von Beschäftigten, des Versandhandels und Verkehrsknoten ... an einer Judikatur in der Sache“ fehle.

15       In Bezug auf die Abweisung des Antrags der Zweitrevisionswerberin auf Errichtung einer Filialapotheke enthält das Zulässigkeitsvorbringen keine gesonderten Ausführungen.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. Mai 2021

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021100054.L00

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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