TE Vwgh Erkenntnis 2021/6/1 Ra 2020/10/0095

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Index

L92054 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Oberösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
67 Versorgungsrecht

Norm

ABGB §158 Abs1
ABGB §183 Abs1
ABGB §21 Abs2
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z1 idF 2020/006
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z2 idF 2020/006
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z2 lita idF 2020/006
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs2 Z3 idF 2020/006
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs3 idF 2020/006
SHG AusführungsG OÖ 2020 §7 Abs8 idF 2020/006
Sozialhilfe-GrundsatzG 2019
Sozialhilfe-GrundsatzG 2019 §5 Abs2 Z4 idF 2019/I/108
Sozialhilfe-GrundsatzG 2019 §5 idF 2019/I/108
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. April 2020, Zl. LVwG-350767/2/KLi, betreffend Sozialhilfe (mitbeteiligte Partei: Z G in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes I.2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt I. 2. des angefochtenen Erkenntnisses vom 22. April 2020 wurde - im Beschwerdeverfahren - der Mitbeteiligten der Zuschlag für Alleinerzieher für ihren minderjährigen Sohn gemäß § 7 Abs. 3 lit. a) Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) zugesprochen.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe für sich selbst und ihre im gemeinsamen Haushalt lebenden beiden Kinder die Erteilung einer Leistung der Sozialhilfe zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung des Wohnbedarfs beantragt. Die volljährige Tochter (geboren am 2. Jänner 2002) erhalte eine Lehrlingsentschädigung von durchschnittlich netto € 790,85 monatlich. Der minderjährige Sohn (geboren am 11. April 2003) der Mitbeteiligten sei beim AMS als lehrstellensuchend gemeldet und erhalte eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts zuzüglich Kursnebenkosten von durchschnittlich € 418,50 monatlich.

3        Auf die Mitbeteiligte und ihre volljährige Tochter sei der Richtsatz gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a) Oö. SOHAG (70 % bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende) anzuwenden, das seien monatlich je € 642,15.

4        Auf den minderjährigen Sohn der Mitbeteiligten sei der Richtsatz gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 lit. a) Oö. SOHAG (25 % bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende) anzuwenden, das seien monatlich € 229,34.

5        Für die Berechnung der Sozialhilfe im vorliegenden Fall ergebe sich daraus:

6        Die Mitbeteiligte beziehe Leistungen nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz und erhalte ein Einkommen aus fähigkeitsorientierter Aktivität in Höhe von monatlich € 250,--. Sie habe Anspruch auf Sozialhilfe in Höhe von insgesamt € 367,35, bestehend aus einer Aufzahlung von € 92,15 auf den Richtsatz von € 642,15 für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen (§ 7 Abs. 2 Z 2 lit. a) Oö. SOHAG), einem Behindertenzuschlag von € 165,12 (§ 7 Abs. 4 Oö. SOHAG) sowie dem Alleinerzieherbonus für den minderjährigen Sohn von € 110,08 (§ 7 Abs. 3 lit. a) Oö. SOHAG).

7        Die volljährige Tochter verfüge über ein Einkommen von monatlich € 790,85, sodass sie den Richtsatz von € 642,15 überschreite und daher für sie kein Anspruch auf Sozialhilfe bestehe.

8        Der minderjährige Sohn verfüge über eigene Mittel in Höhe von monatlich € 418,50, sodass er den Richtsatz von € 229,34 überschreite und daher für ihn ebenfalls kein Anspruch auf Sozialhilfe bestehe.

9        Zur Gewährung des Alleinerzieherbonus für die Mitbeteiligte führte das Verwaltungsgericht in den rechtlichen Erwägungen aus, § 7 Abs. 3 lit. a) Oö. SOHAG sehe für alleinerziehende Personen zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts einen Anspruch auf einen Zuschlag (Alleinerzieherbonus) für das erste minderjährige Kind im Ausmaß von 12 % bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende vor. Zwar würden nach § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG als alleinerziehende Personen nur jene gelten, die ausschließlich mit anderen Personen in Haushaltsgemeinschaft lebten, gegenüber denen sie mit der Obsorge bzw. mit der Pflege und Erziehung betraut wären; tatsächlich stellten aber sowohl § 7 Abs. 3 (iVm Abs. 8) Oö. SOHAG als auch § 5 Abs. 2 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) auf die Minderjährigkeit der betroffenen Person ab. Im vorliegenden Fall sei auch die volljährige Tochter der Mitbeteiligten noch nicht selbsterhaltungsfähig, sondern befinde sich in einer Lehre als Bürokauffrau. Ungeachtet ihrer Volljährigkeit bestehe daher weiter auch eine Unterhaltspflicht der Mitbeteiligten. Der Mitbeteiligten sei daher der Alleinerzieherzuschlag für ihren minderjährigen und nicht selbsterhaltungsfähigen Sohn zuzusprechen.

10       Gegen diesen Spruchpunkt des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision der belangten Behörde (in der Folge: Behörde), die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Zuerkennung des Alleinverdienerbonus sei rechtswidrig, weil die Mitbeteiligte aufgrund der Volljährigkeit der im gemeinsamen Haushalt lebenden Tochter die Voraussetzungen der Alleinerziehereigenschaft im Sinne des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG und somit des Anspruchs auf den Alleinerzieherbonus (für ihren minderjährigen Sohn) nicht erfülle. Zur Frage, ob der Alleinerzieherbonus gemäß § 7 Abs. 3 Oö. SOHAG diesfalls zu gewähren sei, fehle es an Rechtsprechung.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:

12       Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

13       § 5 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl. I Nr. 41/2019 idF BGBl. I Nr. 108/2019 (SH-GG) lautet (auszugsweise):

Monatliche Leistungen der Sozialhilfe

§ 5. (1) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe in Form von Sachleistungen oder monatlicher, zwölf Mal im Jahr gebührender pauschaler Geldleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs vorzusehen.

(2) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen gemäß Abs. 1 im Rahmen von Haushaltsgemeinschaften degressiv abgestuft festzulegen. Eine Haushaltsgemeinschaft bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann. Die Summe der Geld- und Sachleistungen gemäß Abs. 1 darf die in Abs. 2 Z 1 bis 4 festgelegten Höchstsätze pro Person und Monat auf Basis des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigen:

1.

für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person ....................

100%

2.

für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen .........

 

 

a)

pro leistungsberechtigter Person .............................................

70%

 

b)

ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person ........

45%

...

 

 

 

4.

Zuschläge, die alleinerziehenden Personen zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts gewährt werden können:

 

 

a)

für die erste minderjährige Person ..........................................

12%

 

...“

 

 

14       § 7 Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz, LGBl. Nr. 107/2019 idF. LGBl. Nr. 6/2020 (Oö. SOHAG) lautet (auszugsweise):

§ 7

Monatliche Leistungen der Sozialhilfe mit Rechtsanspruch

(1) Die Leistung der Sozialhilfe erfolgt in Form von monatlichen, zwölfmal im Jahr gebührenden pauschalen Geldleistungen oder Sachleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs.

(2) Die Summe der Geld- und Sachleistungen (Richtsätze) nach Abs. 1 beträgt pro Person und Monat bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende

1.

für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person

100 %

2.

für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen

 

 

a)

pro Person

70 %

 

b)

ab der dritten leistungsberechtigten Person

45 %

3.

für in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht:

 

 

a)

bei einer leistungsberechtigten minderjährigen Person

25 %

 

...

 

 

(3) Für alleinerziehende Personen sind zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende folgende Zuschläge zu gewähren (Alleinerzieherbonus):

a)

für die erste minderjährige Person

12 %

...

 

 

(8) Als alleinerziehende Personen im Sinn des Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 gelten Personen, die ausschließlich mit anderen Personen im Haushaltsgemeinschaft leben, gegenüber denen sie mit der Obsorge bzw. der Pflege und Erziehung betraut sind.

...“

15       Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die Mitbeteiligte Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe hat. Weiters ist unstrittig, dass sie mit ihrem minderjährigen Sohn und ihrer volljährigen Tochter in Haushaltsgemeinschaft lebt.

16       Zu klären ist die Frage, ob in der vorliegenden Konstellation die Mitbeteiligte als „alleinerziehende Person“ im Sinne des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG zu qualifizieren ist und sie deshalb (für ihren minderjährigen Sohn) Anspruch auf den Alleinerzieherbonus nach § 7 Abs. 3 lit. a) leg. cit. hat.

17       Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. zuletzt etwa VwGH 19.4.2021, Ro 2020/10/0024, mwN).

18       Nach dem klaren Wortlaut der Legaldefinition des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG sind unter „alleinerziehenden Personen“ im Sinne des Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 jene Personen zu verstehen, die „ausschließlich“ mit anderen Personen in Haushaltsgemeinschaft leben, gegenüber denen sie mit der Obsorge bzw. der Pflege und Erziehung betraut sind. Die letztgenannte Personengruppe umfasst Minderjährige, sohin Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs. 2 iVm § 158 Abs. 1 ABGB). Die Obsorge (und sohin auch die Verpflichtung zur Pflege und Erziehung) für das Kind erlischt mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit (§ 183 Abs. 1 ABGB; vgl. etwa VwGH 19.9.2003, 2000/12/0035; 9.1.2020, Ro 2019/19/0010-0011, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH).

19       Die Eigenschaft einer sozialhilfeberechtigten Person als „alleinerziehende Person“ im Sinne des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG kommt somit nicht in Betracht, wenn bzw. sobald die Haushaltsgemeinschaft, der diese Person angehört, (auch nur) eine weitere volljährige Person umfasst. Auf den Umstand, dass diese Person gegenüber einer in der Haushaltsgemeinschaft lebenden (volljährigen) Person allenfalls zum Unterhalt verpflichtet ist, stellt das Gesetz nicht ab. Daraus folgt, dass der Alleinerzieherbonus nach § 7 Abs. 3 Oö. SOHAG lediglich in dem Fall gebührt, dass die sozialhilfeberechtigte Person ausschließlich mit (weiteren) minderjährigen Personen in Haushaltsgemeinschaft lebt.

20       Diesem Auslegungsergebnis steht auch eine grundsatzgesetzkonforme Interpretation (vgl. dazu zuletzt VwGH 21.5.2021, Ra 2020/10/0184) des § 7 Abs. 8 iVm § 7 Abs. 3 Oö. SOHAG nicht entgegen:

21       § 5 Abs. 2 Z 4 SH-GG ist eine „Kann“-Bestimmung (argum: „Zuschläge, ..., die gewährt werden können“). Die dort geregelten Zuschläge für alleinerziehende Personen sind bloß als Möglichkeit, nicht als Verpflichtung für die Landesgesetzgebung vorgesehen (vgl. Pfeil, „Sozialhilfe neu“ - viele Verschärfungen, aber wenig Vereinheitlichung, ÖZPR 1/2019, 28). Aus dem SH-GG ergibt sich daher keine Verpflichtung für die Ausführungsgesetzgebung, die in § 5 Abs. 2 Z 4 vorgesehenen Zuschläge dem Grunde nach bzw. in der dort vorgesehenen (Maximal-)Höhe als Leistungen für Alleinerzieher, auf die ein Rechtsanspruch besteht, zu regeln (vgl. auch Leitner, Die Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in Oberösterreich, ÖZPR 2/2020, 62: „lediglich fakultativ zu gewährende Zuschläge für Alleinerzieher“). Das SH-GG enthält auch keine Definition des Begriffs der „alleinerziehenden Personen“.

22       Die Auffassung, dass es der Landesgesetzgebung nach Maßgabe des SH-GG freisteht, zu regeln, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe ein „Alleinerzieherbonus“ gewährt wird, wird durch die Gesetzesmaterialien zu § 5 SH-GG (RV 514 BlgNR 26. GP, S. 5 f) erhärtet. Darin wird ausgeführt:

„§ 5 regelt die ordentlichen Leistungen der Sozialhilfe insofern, als zur Vermeidung unerwünschter Anreize für den Arbeitsmarkt ein bestimmter Rahmen vorgegeben wird. Der Landesgesetzgebung ist es unbenommen, geringere Leistungen vorzusehen oder den Leistungsbezug eines Anspruchswerbers an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, die nicht in diesem Bundesgesetz genannt sind. ... Weitere Mehrleistungen sind für Alleinerzieher-Haushalte vorgesehen, um deren besondere Lebenssituation und die damit regelmäßig verbundenen höheren finanziellen Belastungen zu berücksichtigen. Als alleinerziehend gelten Personen, die mit zumindest einer anderen Person in Haushaltsgemeinschaft leben, gegenüber denen sie zur Obsorge bzw. zur Erziehung berechtigt sind oder waren. ...“

23       Demnach liegt es auch im Ermessen des Landesgesetzgebers, die Definition der „alleinerziehenden Person“ dahingehend einzuschränken, dass - wie in § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG - auf eine Haushaltsgemeinschaft des Sozialhilfeberechtigten mit „ausschließlich“ (seiner Obsorge unterliegenden) minderjährigen Personen abgestellt wird. Zum einen wird damit dem Begriffsverständnis des Grundsatzgesetzgebers, wonach die Haushaltsgemeinschaft „zumindest eine“ minderjährige Person umfassen soll, entsprochen und reicht es in diesem Sinn für die Qualifikation als „alleinerziehende Person“ im Sinne des § 7 Abs. 8 Oö. SOHAG aus, dass diese Person auch nur mit einer (minderjährigen) Person, gegenüber der sie mit der Obsorge betraut ist, in einer Haushaltsgemeinschaft lebt. Zum anderen steht es dem Landesgesetzgeber nach dem Willen des Grundsatzgesetzgebers frei, den Leistungsbezug eines Anspruchswerbers an „weitere“, nicht im SH-GG genannte, Voraussetzungen zu knüpfen; im Falle des § 7 Abs. 8 iVm § 7 Abs. 3 Oö. SOHAG ist dies eben die Voraussetzung, dass der Alleinerzieherbonus nur in dem Fall zusteht, dass keine volljährige Person mit dem Sozialhilfebezieher in einer Haushaltsgemeinschaft lebt.

24       Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass infolge der Haushaltsgemeinschaft der Mitbeteiligten mit ihrer volljährigen Tochter für beide der Richtsatz gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 lit. a) Oö. SOHAG maßgeblich ist. Der Umstand, dass die volljährige Tochter über ein den - nach dieser Bestimmung - auch für sie maßgeblichen Richtsatz übersteigendes Einkommen (Lehrlingsentschädigung) verfügt, kann daran - für die Mitbeteiligte - nichts ändern (vgl. VwGH 28.10.2015, Ra 2015/10/0001, zum Mindeststandard für Alleinerzieher gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 lit. b Wiener Mindestsicherungsgesetz). Weiters ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass für den minderjährigen Sohn der Mitbeteiligten grundsätzlich der Richtsatz nach § 7 Abs. 2 Z 3 lit. a) Oö. SOHAG maßgeblich ist, in concreto aber infolge der Überschreitung des Richtsatzes durch eigene Mittel kein diesbezüglicher Sozialhilfeanspruch besteht.

25       Die für „alleinerziehende Personen“ geltenden Regelungen des § 7 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 Oö. SOHAG kommen in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht zur Anwendung, sind sie doch - wie erwähnt - nur für solche Personen maßgeblich, die ausschließlich mit anderen Personen in Haushaltsgemeinschaft leben, gegenüber denen sie mit der Obsorge bzw. der Pflege und Erziehung betraut sind (vgl. abermals VwGH 28.10.2015, Ra 2015/10/0001). Auf die Mitbeteiligte ist daher auch nicht der Richtsatz nach § 7 Abs. 2 Z 1 Oö. SOHAG anwendbar.

26       Die vom Verwaltungsgericht - wie auch vereinzelt in der Literatur (vgl. Leitner, aaO) - vertretene Auffassung, dass im Falle des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 Z 2 iVm Z 3 Oö. SOHAG die Gewährung des Alleinerzieherbonus für die der Haushaltsgemeinschaft angehörenden minderjährigen Personen in Betracht kommt, findet im Gesetz keine Deckung.

27       Das gegenständliche Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt I.2.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 1. Juni 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Besondere Rechtsgebiete Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100095.L00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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