Index
L82005 Bauordnung SalzburgNorm
AVG §68Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. der V S und 2. des M M, beide in S, beide vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 5. September 2018, 405-3/391/1/10-2018, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde St. Margarethen im Lungau; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Margarethen im Lungau (im Folgenden: Bürgermeister) vom 20. März 2017 wurde ein näher genanntes Grundstück der KG S. zum Bauplatz erklärt und festgelegt, dass unter anderem die in der Verhandlung vom 9. März 2017 festgesetzten Bebauungsgrundlagen einzuhalten bzw. zu erfüllen sind. Unter anderem wurde unter den Bebauungsgrundlagen festgelegt, dass das Dach entsprechend der ortsüblichen Bauweise als Steildach mit einer Neigung von 36 bis 45 % und mittel-dunkelgrauer oder dunkelbrauner Eindeckung auszuführen ist und dass beim Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden ist.
2 Mit weiterem Bescheid vom 20. März 2017 erteilte der Bürgermeister den revisionswerbenden Parteien die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem genannten Grundstück, unter Zugrundelegung eines näher bezeichneten Einreichplanes vom 10. März 2017 (Austauschplan zum Einreichplan vom 20. Februar 2017) und unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen. In der der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplanung vom 10. März 2017 ist in der Baubeschreibung unter „10.4 Dachstuhl“ ausgeführt, dass ein zimmermannsmäßig abgebundener Sicht-Pfettendachstuhl mit Aufsparrendämmung, als Krüppelwalmdach ausgeführt, vorgesehen sei. In den Ansichten des Einreichplans ist ersichtlich, dass das Hauptgebäude ein Satteldach mit Schopfwalm in den Giebelbereichen im Südosten und im Nordwesten aufweist; die beiden Schopfwalme im Südosten und im Nordwesten sind laut Einreichplanung so ausgestaltet, dass sie bis zu den beiden Mittelpfetten des Dachstuhles herabreichen.
3 In weiterer Folge wurde jedoch kein Schopfwalm, wie in der der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplanung vorgesehen, ausgeführt, sondern es wurde ein „normales“ Satteldach (ohne Schopfwalm) errichtet. An der südöstlichen Außenmauer wurden im oberen Giebelbereich, wo laut Einreichplanung der Schopfwalm vorgesehen gewesen wäre, zwei Fenster ausgeführt. Im gegenüberliegenden Bereich, an der Nordwestfassade im oberen Giebelbereich, wurde dort, wo der Schopfwalm vorgesehen wäre, ein Fenster ausgeführt. Der Schopfwalm wurde auf keinem der beiden Giebelseiten ausgeführt.
4 Am 11. August 2017 beantragten die revisionswerbenden Parteien die nachträgliche Bewilligung der Änderung im Spitzbodenbereich (samt Änderungsplan zum Austauschplan vom 10. März 2018; Errichtung einer Galerie über dem Büro und der „Juchee’s“ über den Schlafzimmern des Einfamilienhauses). Bei der beabsichtigten Änderung ist kein Schopfwalm geplant.
5 Mit Bescheid vom 29. Jänner 2018 wies der Bürgermeister dieses Ansuchen ab. Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Margarethen im Lungau (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 9. April 2018 mit der Begründung abgewiesen, dass die beabsichtigte Änderung im Spitzbodenbereich nicht mit der rechtsgültigen Bauplatzerklärung in Einklang stehe, weil bei der beabsichtigten Änderung kein Schopfwalm (Änderungsplan Nr. 003 vom 10. August 2017) geplant sei.
6 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) mit einer (hier nicht weiter relevanten) Maßgabe abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
7 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG aus, die Festlegung der Bebauungsgrundlage, dass am Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden sei, ergebe sich aus der rechtskräftigen Bauplatzerklärung. Ob diese Bebauungsgrundlage oder generell eine Bebauungsgrundlage zur Dachform im Bebauungsplan vorgesehen sei oder nicht (Verweis auf §§ 53 Abs. 2 Z 7, 51 Abs. 4 Raumordnungsgesetz 2009) und ob die Festlegung zum Schopfwalm in der Bauplatzerklärung - auch im Hinblick auf § 12 Abs. 2 zweiter Satz Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) - unter Berücksichtigung der Festlegungen im Bebauungsplan rechtlich zulässig sei bzw. gewesen sei oder nicht, könne für die vorliegende Versagung der Baubewilligung angesichts der Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides, mit dem die Ausbildung eines Schopfwalmes beim Hauptgebäude festgelegt worden sei, aber auch insbesondere angesichts der Rechtskraft der Baubewilligung, die einen Schopfwalm vorsehe, dahingestellt bleiben.
8 Die von den revisionswerbenden Parteien vertretene Rechtsauffassung, es liege hinsichtlich der Bauplatzerklärung ein nach § 68 AVG teilnichtiger Bescheidinhalt vor, werde vom LVwG nicht geteilt. Eine Nichtigerklärung nach § 68 AVG wirke ex nunc (Verweis unter anderem auf VwGH 14.9.2001, 2001/19/0064; 27.2.2015, 2013/17/0286). Sowohl zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch den Bürgermeister gehörten der Baubewilligungsbescheid aber auch der Bauplatzerklärungsbescheid dem Rechtsbestand an; beide Bescheide seien rechtskräftig. Das LVwG habe die Rechtskraft von Bescheiden zu beachten. Ob ein - nach Auffassung der revisionswerbenden Parteien - nach § 68 AVG allenfalls für (teil-)nichtig zu erklärender (Bauplatzerklärungs-)Bescheid vorliege oder nicht, sei vom LVwG vorliegend nicht zu prüfen. Angesichts der Rechtskraft der genannten Bescheide sei auf den Inhalt des Bebauungsplanes und die von den revisionswerbenden Parteien aufgeworfenen Fragen (die im Bauplatzerklärungsverfahren zu relevieren gewesen wären), ob die Bauplatzerklärung mit dem Bebauungsplan in Einklang stehe und ob daher ein Schopfwalmdach überhaupt vorgeschrieben hätte werden dürfen, nicht weiter einzugehen (Verweis auf hg. Judikatur bzw. auf die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 24 ff. BGG).
9 Entgegen dem Beschwerdevorbringen erfülle das Ansuchen um nachträgliche Bewilligung auch nicht den Tatbestand der geringfügigen Abweichung gemäß § 16 Abs. 1 Baupolizeigesetz 1997 (BauPol), weil in der rechtskräftigen Bauplatzerklärung explizit als Bebauungsgrundlage vorgesehen sei, dass beim Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden sei. Deshalb hätten die revisionswerbenden Parteien auch ihre ursprüngliche Einreichplanung vom 20. Februar 2017, die das Dach als Satteldach ohne Schopfwalm vorgesehen habe, durch eine Austauschplanung vom 10. März 2017 ersetzt, die - der Bauplatzerklärung entsprechend - ein Satteldach mit Schopfwalm beim Hauptgebäude vorsehe.
10 Sei somit mit rechtskräftigem Bauplatzerklärungsbescheid als Bebauungsgrundlage festgelegt, dass das Dach am Hauptgebäude mit einem Schopfwalm auszubilden sei, und sehe dementsprechend auch das Bauvorhaben laut rechtskräftiger Baubewilligung einen Schopfwalm vor, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausführung eines „normalen“ Satteldaches ohne Schopfwalm eine geringfügige Abweichung vom Inhalt der Baubewilligung im Sinne des § 16 Abs. 1 erster Satz BauPolG darstelle. Allenfalls wäre es als geringfügige Abweichung im Sinne des § 16 Abs. 1 erster Satz BauPolG zu qualifizieren, wenn der in den Einreichplänen vom 10. März 2017 als bis zu den Mittelpfetten herabreichend dargestellte Schopfwalm tatsächlich geringfügig kleiner oder geringfügig anders (beispielsweise steiler oder flacher) errichtet worden wäre. Fehle beim Dach ein Schopfwalm gänzlich, sodass - entgegen der Baubewilligung - ein „normales“ Satteldach (eben ohne Schopfwalm) ausgeführt werde, könne jedenfalls nicht von einer Geringfügigkeit der Abweichung vom Baukonsens gesprochen werden.
11 Die belangte Behörde habe daher die (nachträgliche) Bewilligung der baulichen Maßnahme (Ansuchen vom 11. August 2017) gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. 2 BauPol (die bauliche Maßnahme stehe nicht im Einklang mit der Bauplatzerklärung) zu Recht versagt.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, es bleibe die Frage offen, „ob und inwieweit es zulässig sei, dass Bebauungsvorschriften zur Bebauungsgrundlage zu Unrecht in Bauplatzerklärungen einfließen und diese dann verbindlich festgelegt werden dürfen, wenn ein anders lautender Bebauungsplan vorliegt und die somit (neue) Bebauungsgrundlage von diesem abweicht“. Das LVwG gehe auf die Rechtsfrage, ob an einem Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden sei und dies in der rechtskräftigen Bauplatzerklärung festgelegt werden dürfe, obwohl ein rechtswirksamer Bebauungsplan dies gerade nicht vorschreibe, nicht ein.
17 Dieses Vorbringen führt bereits deshalb nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil es - wie das LVwG im angefochtenen Erkenntnis zutreffend erkannte - angesichts der (unstrittigen) Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides vorliegend nicht entscheidend ist, ob die angesprochene Festlegung in der Bauplatzerklärung - auch im Hinblick auf § 12 Abs. 2 zweiter Satz BGG - rechtlich zulässig ist oder nicht.
18 Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Parteien, entgegen ihrer Ansicht sei das LVwG offenbar der Rechtsauffassung, dass die vorliegende Bauplatzerklärung keinen nach § 68 AVG teilnichtigen Bescheid darstelle, weil eine Nichtigerklärung nach § 68 AVG immer nur ex nunc wirke, wird keine konkrete Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung formuliert.
19 Es ist nicht erkennbar, dass bzw. aus welchen Gründen die in diesem Zusammenhang vom LVwG unter Zitierung von hg. Judikatur getroffene Beurteilung, eine Nichtigerklärung nach § 68 AVG wirke ex nunc und es sei im vorliegenden Verfahren die Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides zu beachten, rechtswidrig sein sollte. Da im Fall einer rückwirkenden Aufhebung des Bauplatzerklärungsbescheides zwar ein Wiederaufnahmegrund verwirklicht wäre, aber die rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Beachtung der Rechtskraft des Bescheides bis zu seiner allfälligen Aufhebung nicht anders ausfallen würde, kommt der Frage der Rückwirkung einer allfälligen Aufhebung auch schon insofern keine Relevanz im Revisionsfall zu.
20 Das weitere Zulässigkeitsvorbringen, in dem darauf abgestellt wird, dass das Ansuchen um nachträgliche Bewilligung den Tatbestand der geringfügigen Abweichung gemäß § 16 Abs. 1 BauPolG erfülle, ist vorliegend deshalb nicht von Relevanz, weil § 16 BauPolG die Folgen einer bescheidwidrigen oder nicht bewilligten Ausführung baulicher Maßnahmen regelt und selbst eine allenfalls nicht mehr als geringfügige Abweichung der beantragten Änderung von der bisherigen Bewilligung nichts an der Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides änderte.
21 Schließlich genügt es, zum Vorbringen, „ob hier nicht bei der Abwägung durch die Behörde auf die Bebauungsgrundlagen im existierenden Bebauungsplan abzustellen ist“, erneut auf den rechtskräftigen Bauplatzerklärungsbescheid zu verweisen.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. Juni 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060255.L00Im RIS seit
28.06.2021Zuletzt aktualisiert am
20.07.2021