TE Vwgh Beschluss 2021/6/4 Ra 2021/06/0034

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.06.2021
beobachten
merken

Index

L82000 Bauordnung
L82005 Bauordnung Salzburg
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6
BauRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/06/0035
Ra 2021/06/0036
Ra 2021/06/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. der Interessentenweggenossenschaft T, Pz X, KG M, 2. der Mag. A W und 3. der H W, alle in S und 4. des Mag. K W in M (Italien), alle vertreten durch Dr. Otmar Wacek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 26. November 2020, 405-3/750/1/2-2020, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: M GesmbH in W, vertreten durch die Schöpf & Maurer Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 3a), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt I. des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 25. August 2020 wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Reihenhauses mit drei Wohneinheiten und einem östlichen Carport auf Grundstück Nr. A, KG M., unter Zugrundelegung der Einreichunterlagen und unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

2        Mit Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurden die die „Verkehrsverhältnisse am Bauplatz“ betreffenden Einwendungen „der im gegenständlichen Verfahren Parteistellung innehabenden Nachbarschaften“, konkret der Zweitrevisionswerberin, der Drittrevisionswerberin, der Erstrevisionswerberin und zweier weiterer Personen zurückgewiesen, andere Einwendungen abgewiesen (unter anderem hinsichtlich einer angeblich rechtswidrigen Bauplatzänderung) und zum Teil auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Einwendungen hinsichtlich möglicher Schäden bei der Zufahrtsstraße).

3        Das Baugrundstück Nr. A wird über die im Eigentum der Erstrevisionswerberin stehende Wegparzelle, Grundstück Nr. B, von und zur Gemeindestraße T.-Straße erschlossen. Beim Grundstück Nr. B handelt es sich um eine öffentliche Interessentenstraße (§§ 31 ff. Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG 1972)) und um eine Sackgasse, die an der Westgrenze zum Baugrundstück Nr. A endet. Am Ende der Sackgasse befindet sich ein Wendehammer, über den auch die Garagen des Grundstücks Nr. C der Zweitrevisionswerberin erschlossen sind, das westlich an das Baugrundstück Nr. A angrenzt.

4        Die dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien sind Miteigentümer des nördlich des Baugrundstücks Nr. A gelegenen Grundstücks Nr. D. Zwischen diesen beiden Grundstücken befindet sich ein Fußweg, der Teil des Grundstücks Nr. B ist und in Verlängerung des bis zur Westgrenze des Baugrundstückes führenden Interessentenweges verläuft.

5        In der Begründung des Baubewilligungsbescheides vom 25. August 2020 wurde unter anderem festgehalten, dass der mitbeteiligten Partei mit Kaufvertrag vom 20. August 2019 neben dem Grundstück Nr. A auch der Genossenschaftsanteil an der erstrevisionswerbenden Interessentenweggenossenschaft übertragen worden sei. Die mitbeteiligte Partei sei somit auch „Miteigentümerin“ der Wegparzelle B.

6        Ferner führte die belangte Behörde aus, dass alle Nachbarn bis auf den in Italien wohnhaften Viertrevisionswerber ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden seien. Mit Schreiben vom 6. Juli 2020 sei dem Viertrevisionswerber die Sach- und Rechtslage zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben worden, zur baulichen Maßnahme binnen drei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen. Dazu seien näher genannte Planunterlagen und die Verhandlungsschrift vom 16. Juni 2020 übermittelt worden. Des Weiteren sei im Parteiengehörschreiben darauf hingewiesen worden, dass die Unterlassung einer Stellungnahme innerhalb dieser Frist als Zustimmung zur baulichen Maßnahme gelte und im weiteren Verfahren keine Parteistellung mehr gegeben sei. Von diesem Stellungnahmerecht habe der Viertrevisionswerber nicht Gebrauch gemacht.

7        Die von den revisionswerbenden Parteien gegen den genannten Bescheid vom 25. August 2020 erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) abgewiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

8        Hinsichtlich seiner Feststellungen zur Ausgestaltung der öffentlichen Interessentenstraße verwies das LVwG auf verkehrstechnische Beurteilungen des Amtes für Stadtplanung und Verkehr der belangten Behörde. Unter anderem hielt das LVwG fest, durch den Entfall des Stellplatzes an der nordöstlichen Ecke des Baugrundstücks entstehe ein Wendebereich im Ausmaß von 6,50 x 6,50 m, wodurch gewährleistet sei, dass sowohl die Einfahrt als auch die Ausfahrt sämtlicher Fahrzeuge in Fahrtrichtung „vorwärts“ erfolgen könnten. Sämtliche Fahrbewegungen zum Erreichen der Parkplätze sowie zum Wenden der Fahrzeuge mittels einfachen Reversierens könnten auf Eigengrund abgewickelt werden.

9        In seinen rechtlichen Erwägungen führte das LVwG unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem aus, dass Nachbarn zur Frage der gehörigen verkehrsmäßigen Erschließung des Bauplatzes und der Zufahrt zu den vorgesehenen Parkplätzen kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zukomme. Nachbarn komme auch kein Mitspracherecht dahingehend zu, dass sich der Straßenverkehr auf der öffentlichen Verkehrsfläche durch das Bauvorhaben nicht verändere, insbesondere nicht vergrößere. Im Übrigen komme der Erstrevisionswerberin als Eigentümerin des Wege- und Straßengrundstücks Nr. B keine Parteistellung im baurechtlichen Verfahren betreffend ein an dieser „Verkehrsfläche“ gelegenes Grundstück zu.

10       Ferner hielt das LVwG fest, aus dem bloßen Umstand, dass der Viertrevisionswerber an der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2020 aufgrund eines Zustellanstandes nicht habe teilnehmen können, könne dieser nicht in seinen Rechten verletzt sein, zumal ihm ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei, schriftlich Einwendungen gegen die bauliche Maßnahme zu erheben. Grundsätzlich bestehe im Bereich des Baupolizeigesetzes 1997 kein darüber hinaus gehender Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bzw. auf Teilnahme an einer solchen. Die Beschwerde zeige nicht die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels auf.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, der Viertrevisionswerber sei von der belangten Behörde nicht nur nicht ordnungsgemäß zur Bauverhandlung geladen, sondern von der Teilnahme an der Verhandlung von vornherein wissentlich ausgeschlossen worden, weil die Bauverhandlung zu einem Termin anberaumt worden sei, welcher aufgrund der verhängten Reisesperre vom Viertrevisionswerber nicht habe wahrgenommen werden können. Die Möglichkeit, nachträglich schriftliche Einwendungen zu erheben, korrigiere diesen gravierenden Verfahrensmangel nicht. Das während der Corona-Pandemie erstmalig verhängte Einreiseverbot aus Italien stelle eine außergewöhnliche Situation dar. Es sei insofern die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, welche Auswirkung eine solche Sperre auf die Wahrnehmung von Ladungen für beteiligte Parteien habe, bzw. ob eine Verlegung von in diesen Zeiten anberaumten Verhandlungen tunlich oder sogar verpflichtend sei und ob eine während dieser Sperre von der persönlichen Teilnahme an Verhandlungen ausgeschlossene Partei ihre Rechte durch die Möglichkeit der Erhebung nachträglicher Einwendungen wahren könne oder durch den Ausschluss benachteiligt sei.

16       Zu dem vom Viertrevisionswerber behaupteten Verfahrensmangel ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit einer Revision unter Berufung auf einen Verfahrensmangel voraussetzt, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, es muss abstrakt möglich sein, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (VwGH 29.3.2021, Ra 2019/06/0004, mwN). Diesen Anforderungen entspricht das in Rede stehende Zulässigkeitsvorbringen nicht, weil es nicht ansatzweise aufzeigt, welche Ergebnisse im Falle der Teilnahme des Viertrevisionswerbers an der mündlichen Bauverhandlung vor der belangten Behörde zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten. Auf die in der Revision insoweit aufgeworfenen Fragen ist daher nicht näher einzugehen.

17       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird weiter vorgebracht, keineswegs handle es sich bei den von den revisionswerbenden Parteien geltend gemachten Ansprüchen ausschließlich um solche des Privatrechts, sondern sie würden durch die beabsichtigte Bauführung samt zusätzlichem Anrainer-, Besucher- und Lieferantenverkehr „an deren Nutzung gehindert und geschädigt und vor allen Dingen gefährdet“. Es stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, ob die Anrainer/revisionswerbenden Parteien „als Eigentümer des Zufahrtsweges“ in dessen Nutzung dermaßen eingeschränkt werden dürften, dass der Verkehr zum Erliegen komme. Die Gefährdung der Anrainer sei darüber hinaus nicht nur durch das Verkehrsaufkommen selbst, sondern auch durch die mangelnde Möglichkeit des Zufahrens von Einsatzfahrzeugen bedingt, die bei Erliegen des Verkehrs erst mit erheblicher Zeitverzögerung zufahren könnten. Die Wahrung dieser Sicherheiten stellten keine privatrechtlichen Ansprüche der revisionswerbenden Parteien dar und seien ebenfalls Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.

18       Soweit in dem zitierten Zulässigkeitsvorbringen eine konkrete Frage formuliert wird, die nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien von grundsätzlicher Bedeutung sei, ist hervorzuheben, dass die hier angesprochenen, die Verkehrsverhältnisse (Sicherheitsaspekt, Erhöhung des Verkehrsaufkommens) betreffenden Einwendungen der revisionswerbenden Parteien vom LVwG nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen, sondern als unzulässig zurückgewiesen wurden (vgl. Spruchpunkt III.A. und die begründenden Ausführungen auf Seite 12 f. des Baubewilligungsbescheides der belangten Behörde vom 25. August 2020 sowie Spruchpunkt I. und insbesondere Seite 11 des angefochtenen Erkenntnisses).

19       Das LVwG konnte sich dabei auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, wonach Nachbarn kein Mitspracherecht im Hinblick darauf zusteht, dass sich der Straßenverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen durch ein Bauvorhaben nicht verändert (vgl. VwGH 18.5.2010, 2008/06/0205; 13.6.2012, 2012/06/0046, jeweils mwN).

20       Insoweit die revisionswerbenden Parteien ihr Zulässigkeitsvorbringen ausdrücklich „als Eigentümer des Zufahrtsweges“ erstatten, sind sie darauf zu verweisen, dass nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen (lediglich) die erstrevisionswerbende Interessentenweggenossenschaft Eigentümerin des Wege- bzw. Straßengrundstücks Nr. B ist und demnach die weiteren revisionswerbenden Parteien - ungeachtet der Bezeichnung der mitbeteiligten Partei als „Miteigentümerin“ der Wegparzelle durch die belangte Behörde - gegebenenfalls Interessenten bzw. Inhaber von Genossenschaftsanteilen an der erstrevisionswerbenden Interessentenweggenossenschaft sein können
(vgl. §§ 31 ff. LStG 1972).

21       Es unterblieb in den Zulässigkeitsausführungen der Revision aber auch eine Begründung dafür, weshalb - entgegen den Erwägungen des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG - das Weggrundstück Nr. B deren Eigentümerin im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren subjektiv-öffentliche Rechte und damit Parteistellung vermitteln sollte (vgl. VwGH 26.4.2002, 2000/06/0160; 11.3.2016, Ra 2015/06/0033, jeweils mwN). Allfällige weitere, über die Nutzung zu Verkehrszwecken hinausgehende, privatrechtliche Nutzungsmöglichkeiten an dem genannten Weggrundstück (vgl. nochmals VwGH 2000/06/0160), aus denen die Eigentümerin gegebenenfalls Parteienrechte ableiten könnte, werden in der Zulässigkeitsbegründung nämlich nicht dargetan.

22       Dass Teile der (auch) von der Erstrevisionswerberin erhobenen Einwendungen dennoch inhaltlich abgewiesen (und nicht zurückgewiesen) wurden (vgl. den Spruch des Bescheides der belangten Behörde), konnte die Erstrevisionswerberin - Gegenteiliges wird in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht behauptet - in keinen Rechten verletzen (vgl. dazu etwa VwGH 26.9.2013, 2013/07/0092; 18.12.2015, Ro 2015/02/0018, jeweils mwN).

23       Ergänzend sei angemerkt, dass im Zusammenhang mit den Verkehrsverhältnissen vor Ort auch keine Unvertretbarkeit der auf die positive Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens durch den verkehrstechnischen Amtssachverständigen gestützten Beweiswürdigung des LVwG ersichtlich ist.

24       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2021

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060034.L00

Im RIS seit

28.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten