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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art130 Abs1 Z3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak sowie Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, in der Revisionssache der H GmbH in W, vertreten durch die Dr. Clemens Limberg Rechtsanwalts GmbH in 1080 Wien, Albertgasse 1A/12, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 11. Jänner 2021, VGW-111/024/11115/2020-7, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Säumnisbeschwerde der revisionswerbenden Partei betreffend ein über ihren Antrag eingeleitetes, bei der belangten Behörde anhängiges Baubewilligungsverfahren zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die revisionswerbende Partei habe mit Antrag vom 20. Dezember 2019 ein Bauansuchen gemäß § 70 Bauordnung für Wien eingereicht und am 27. August 2020 Säumnisbeschwerde erhoben. Eine Säumnisbeschwerde könne gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen sei, innerhalb dieser, entschieden habe. Die Bauordnung für Wien sehe keine längere oder kürzere Entscheidungsfrist vor. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtliches COVID-19-Begleitgesetz (Covid-19-VwBG) werde die Zeit von 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 in Entscheidungsfristen nicht eingerechnet. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 COVID-19-VwBG verlängere sich die jeweilige Entscheidungsfrist um sechs Wochen. Die Entscheidungsfrist der belangten Behörde habe daher - ungeachtet der erteilten Mängelbehebungsaufträge und der Frage eines allfälligen Verschuldens der Behörde - (frühestens) am 10. September 2020 geendet.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die sechsmonatige Entscheidungsfrist der Behörde gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 COVID-19-VwBG um insgesamt sechs oder zwölf Wochen verlängert werde, ob die zur Mängelbehebung gesetzten Fristen in die sechsmonatige Entscheidungsfrist einzurechnen seien und ob im Fall der verfrühten Einbringung der Säumnisbeschwerde, wenn nach ihrer Erhebung Säumnis eingetreten sei, diese Säumnis den Mangel der verfrühten Einbringung heile.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage der Verlängerung der Entscheidungsfrist durch das COVID-19-VwBG auseinandergesetzt und festgehalten, dass sich die für Behörden und Verwaltungsgerichte (soweit § 2 COVID-19-VwBG gemäß dessen § 6 Abs. 1 auf deren Verfahren anzuwenden ist) bestehenden Entscheidungsfristen sowohl um jene Zeit, die gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 COVID-19-VwBG in die Entscheidungsfrist nicht eingerechnet werden soll, als auch zusätzlich um sechs Wochen (oder falls an sich die Entscheidungsfrist weniger als sechs Wochen beträgt, um jene Zeit, die der kürzeren Entscheidungsfrist entspricht) verlängern (vgl. dazu VwGH 13.11.2020, Fr 2020/05/0003, mwN). Die in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Frage ist somit bereits durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, behauptet die Revision nicht und ist auch nicht ersichtlich.
8 Mit der Beantwortung der Frage, ob der Zeitraum eines allfälligen Mängelbehebungsverfahrens in die Entscheidungsfristen gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG einzurechnen seien, ist für die revisionswerbende Partei nichts gewonnen, weil das Verwaltungsgericht diesen Zeitraum ohnehin unberücksichtigt gelassen (und damit eingerechnet) hat; im Fall der Nichteinrechnung dieses Zeitraumes würde sich hingegen die Entscheidungsfrist entsprechend verlängern und die Säumnisbeschwerde nach wie vor als verfrüht erweisen. Die revisionswerbende Partei zeigt damit insoweit keine Frage auf, von deren Beantwortung das Schicksal der vorliegenden Revision abhinge.
9 Auch die weiters aufgeworfene Frage nach einer allfälligen Heilung der fehlenden Säumnis ist durch die hg. Rechtsprechung geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits klargestellt, dass für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich ist. Wurde die Säumnisbeschwerde vor Ablauf der in § 8 VwGVG genannten Frist (bzw. einer in einem Materiengesetz davon abweichend vorgesehenen Frist) erhoben, ist sie als unzulässig zurückzuweisen und wird auch nicht nach Ablauf der Frist zulässig, wenn die Behörde weiterhin säumig ist (vgl. etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0286, und VwGH 27.11.2018, Ra 2018/08/0225, jeweils mwN).
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 4. Juni 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050069.L00Im RIS seit
28.06.2021Zuletzt aktualisiert am
04.08.2021