TE Vwgh Beschluss 2021/6/4 Ra 2021/01/0176

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Veröffentlicht am 04.06.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
SPG 1991 §17
SPG 1991 §35 Abs1 Z2
SPG 1991 §35 Abs1 Z2 lita
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der Landespolizeidirektion Kärnten gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 30. März 2021, Zl. KLVwG-1886/12/2020, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach § 35 Abs. 1 SPG (mitbeteiligte Partei: L V in W, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der am 10. Oktober 2020 gegen den Mitbeteiligten gesetzte Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Identitätsfeststellung gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 28 Abs. 1 und Abs. 6 VwGVG für rechtswidrig erklärt (I.), der Bund zu näher bezeichnetem Aufwandersatz verpflichtet (II.) und die Revision für unzulässig erklärt (III.).

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei als Journalist bei einer näher bezeichneten Demonstration anwesend gewesen. Dabei sei er von einem Polizeibeamten der Landespolizeidirektion Klagenfurt (Amtsrevisionswerberin) mit Befehlsgewalt zur Ausweisleistung aufgefordert worden. Auf Grundlage des § 35 Abs. 1 Z 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sei der Polizeibeamte zur Feststellung der Identität des Mitbeteiligten ermächtigt gewesen. Jedoch sei dem Mitbeteiligten auf sein Verlangen gemäß § 30 Abs. 1 Z 2 SPG als Grund für die Identitätsfeststellung § 35 Abs. 1 Z 2 lit. a SPG genannt worden. Dieser Grund sei jedoch nicht tragfähig gewesen, da sich der Mitbeteiligte nicht wie von dieser Bestimmung verlangt an einem Ort befunden habe, an dem sich mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereigneten. Da der Mitbeteiligte somit nicht korrekt über den Anlass des Einschreitens des Polizeibeamten informiert worden sei, erweise sich die Identitätsfeststellung als rechtswidrig.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat aber weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 25.3.2021, Ra 2021/10/0032, mwN).

8        Die vorliegende Amtsrevision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, der „Ausschluss“ der ordentlichen Revision durch das Verwaltungsgericht sei „unrechtmäßig erfolgt, da entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes im entscheidungsrelevanten Punkt, nämlich dass § 35 Abs 1 Zif 2 SPG so auszulegen ist, dass die Kontrolle der Identität unmittelbar vor Ort der strafbaren Handlung stattfinden muss, nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht ... Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus dem Verkennen der Rechtslage durch das Landesverwaltungsgericht Kärnten und dem Fehlen entsprechender höchstgerichtlicher Judikatur“.

9        Soweit die Amtsrevision mit diesem Zulässigkeitsvorbringen das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 35 Abs. 1 Z 2 (gemeint: lit. a) SPG behauptet, ist sie auf die bereits ergangene Rechtsprechung zu diesem Thema hinzuweisen:

10       Gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 lit. a SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt, wenn der dringende Verdacht besteht, dass sich an seinem Aufenthaltsort mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen.

11       Nach der Bestimmung des § 35 Abs. 1 Z 2 lit. a SPG darf die Identität von Personen festgestellt werden, die sich an einem Ort aufhalten, zu dem der dringende Verdacht besteht, dass sich dort „mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen“. Mit beträchtlicher Strafe sind gemäß § 17 SPG jene gerichtlich strafbaren Handlungen bedroht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe sanktioniert sind. Zwar soll nach dieser Bestimmung der dringende Verdacht genügen, dass sich am Aufenthaltsort der betreffenden Person abstrakt solche Straftaten ereignen, doch ist der konkrete Verdacht auf die Begehung mit beträchtlicher Strafe bedrohter Handlungen für eine Identitätsfeststellung nach § 35 Abs. 1 Z 2 SPG nicht entbehrlich (vgl. VwGH 31.1.2013, 2008/04/0216, mwN).

12       Durch diese Rechtsprechung ist über den klaren Wortlaut dieser Bestimmung hinaus (arg.: „an seinem Aufenthaltsort“) bereits klargestellt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung auf den Aufenthaltsort der betreffenden Person abstellen (vgl. idS auch Thanner/Vogl, SPG[2013], 285, Anm. 6 zu § 35, wonach Anknüpfungsort der Ort ist, an dem sich die Person aufhält, sowie Hauer/Keplinger Sicherheitspolizeigesetz[2011], 321, wonach die Identitätsfeststellungsbefugnis des § 35 Abs. 1 Z 2 SPG bestimmte Orte bezeichnet und die einer Identitätsfeststellung obliegenden Personen über ihren Aufenthalt an diesem Ort bestimmt).

13       Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, über einen weiteren Antrag des Mitbeteiligten zu entscheiden, zeigt die Amtsrevision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffend das angefochtene Erkenntnis auf (vgl. etwa VwGH 3.5.2021, Ra 2021/01/0141, mwN, wonach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010176.L00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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