TE Vwgh Beschluss 2021/6/9 Ra 2019/11/0180

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Veröffentlicht am 09.06.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art132 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M K in M, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 28. August 2019, Zl. 405-12/36/1/15-2019, betreffend Maßnahmenbeschwerde iA Führerscheingesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tamsweg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2019, beim Landesverwaltungsgericht Salzburg eingelangt am 23. Juli 2019, erhob der Revisionswerber eine Maßnahmenbeschwerde gegen die der belangten Behörde zurechenbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt „in Form der Anordnung an die Fahrschule Z T, den Beschwerdeführer aufgrund mangelnder Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 7 FSG von der Teilnahme am Führerscheinkurs zu sperren, von welcher der Beschwerdeführer am 11.07.2019 Kenntnis erlangt hatte“, und beantragte den Ausspruch, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war und aufgehoben werde.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde sowie den Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe mit der Fahrschule Z T vereinbart, einen Führerscheinkurs für die Klassen B und F im Zeitraum vom 8. bis 12. Juli 2019 und vom 15. bis 17. Juli 2019 zu absolvieren. Zuvor habe er bereits sechs praktische Unterrichtseinheiten bei der Fahrschule erhalten. Den Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung habe er erst am 11. Juli 2019, also nach Beginn des theoretischen Führerscheinkurses, bei der Fahrschule eingebracht, welche diesen Antrag im Zentralen Führerscheinregister eingetragen habe. Am 12. Juli 2019 habe R K, eine Bedienstete der belangten Behörde, M M, eine Mitarbeiterin der Fahrschule, darauf aufmerksam gemacht, dass nach ihrer rechtlichen Beurteilung die Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers nicht vorliege und dieser den Führerscheinkurs noch nicht machen solle, damit ihm für den Fall, dass er nicht zur Prüfung antreten dürfe, keine Kosten entstünden. Sie werde die Angelegenheit noch mit der zu diesem Zeitpunkt abwesenden Gruppenleiterin erörtern. Ob R K auch gesagt habe, der Revisionswerber dürfe den Führerscheinkurs nicht mehr fortsetzen, sei von diesem „gesperrt“ oder dergleichen, könne dahinstehen. Noch am selben Tag informierte M M den Revisionswerber davon, dass er den theoretischen Kurs nicht mehr abschließen dürfe und „wahrscheinlich“ auch die Übungsfahrten nicht werde absolvieren dürfen. Der Revisionswerber habe an diesem Tag jedoch am theoretischen Kurs bis Kursende teilnehmen dürfen. Später an diesem Tag habe M M dem Revisionswerber nach „interner“ Prüfung (der Fahrschule) mitgeteilt, dass er den theoretischen Kurs doch abschließen dürfe, weil ihm niemand verbieten könne, den Kurs zu machen. Der Revisionswerber habe an allen Kurseinheiten der theoretischen Prüfung teilnehmen können und keine Einheit versäumt. Ebenso wenig sei ihm die Teilnahme an einer praktischen Übungsfahrt verweigert worden. Der Rechtsanwalt des Revisionswerbers habe R K am 15. Juli 2019 zur Frage der „Führerscheinsperre“ telefonisch kontaktiert. Der genaue Inhalt dieses Gespräches - ob R K dem Rechtsanwalt die „Sperre“ vom Führerscheinkurs oder lediglich die von ihr angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit des Revisionswerbers mitgeteilt habe - müsse nicht festgestellt werden. Der Revisionswerber habe von Anfang an geplant, die praktische Ausbildung im Wege von Übungsfahrten mit seinen Eltern zu machen. Am 24. Juli 2019 habe die belangte Behörde im Zentralen Führerscheinregister die Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers auf „ok“ gestellt. Der bei der Fahrschule eingebrachte Antrag auf Durchführung von Übungsfahrten sei der belangten Behörde am 25. Juli 2019 übermittelt worden. Am selben Tag habe das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Maßnahmenbeschwerde mit der Begründung stattgegeben, dass im Fall der behaupteten Verweigerung der Absolvierung praktischer Fahrstunden durch die Fahrschule auf Grund einer behördlichen Anordnung dem Revisionswerber ein erheblicher Nachteil entstehe, dem kein erkennbares öffentliches Interesse entgegenstehe. Mit Bescheid vom 26. Juli 2019 habe die belangte Behörde dem Revisionswerber auf Grund des Nachweises der Absolvierung der theoretischen Schulung und der praktischen Ausbildung im Ausmaß von sechs Unterrichtseinheiten die Übungsfahrten gemäß § 122 KFG bewilligt.

4        Die Einvernahme des Rechtsanwalts des Revisionswerbers sei nicht notwendig gewesen, weil Beschwerdegegenstand eine behauptete Anordnung eines Organs der belangten Behörde (R K) gegenüber der Mitarbeiterin der Fahrschule (M M) vom 12. Juli 2019 sei, weswegen der Inhalt des Telefongespräches vom 15. Juli 2019 rechtlich keine Bedeutung habe.

5        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, die Maßnahmenbeschwerde behaupte eine behördliche Anordnung durch die belangte Behörde an die Mitarbeiterin der Fahrschule (M M) am 11. Juli 2019, durch welche der Revisionswerber vom laufenden Führerscheinkurs „gesperrt“ worden sei. Eine solche Anordnung wäre, wenn sie ergangen und „auswirkungsbewehrt umgesetzt“ worden wäre, dem Grunde nach geeignet, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG darzustellen, auch wenn sie nicht durch das Behördenorgan selbst, sondern im Wege eines Dritten über Anordnung der Behörde dem Betroffenen zugehe. Ob und in welcher Form diese Äußerung getätigt worden sei, sei allerdings rechtlich unbedeutend. Sofern es sich lediglich um die Empfehlung gehandelt habe, der Revisionswerber solle den Kurs nicht machen, um Kosten zu sparen, weil er wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit nicht zur Prüfung antreten dürfe, sei darin keine „Weisung“ zu erblicken; eine solche Empfehlung könne beachtet werden „oder eben nicht“. Sofern aber tatsächlich durch das Behördenorgan eine „Sperre“ verfügt worden sei, könnte der Revisionswerber dadurch in keinem Recht verletzt worden sein. Der Revisionswerber habe den theoretischen Kurs fortsetzen können und seien deswegen auch keine „(Straf)-Sanktionen“ im Raum gestanden. Die für die Bewilligung von Übungsfahrten notwendigen sechs praktischen Unterrichtseinheiten habe der Revisionswerber bereits vor Beginn des theoretischen Führerscheinkurses absolviert, weswegen eine allfällige behördliche „Sperre“ ins Leere gegangen wäre. Der Revisionswerber habe die für die Bewilligung der Übungsfahrten notwendigen Nachweise erst am 26. Juli 2019 vorgelegt; noch am selben Tag sei der Bewilligungsbescheid erlassen worden. Der Revisionswerber sei somit am Erwerb der Voraussetzungen für die Erteilung der Übungsfahrtenbewilligung, nämlich der Absolvierung des theoretischen und des praktischen Führerscheinkurses, nicht gehindert worden. Aus demselben Grund bedürfe es auch keiner Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Telefongespräches zwischen dem Rechtsanwalt des Revisionswerbers und R K, zumal dessen Inhalt nicht Gegenstand der Maßnahmenbeschwerde sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den (in der mündlichen Verhandlung gestellten) Beweisantrag auf Einvernahme des Rechtsanwalts des Revisionswerbers mit der Begründung abgewiesen, dass es auf dessen Aussage nicht ankomme. Dieser hätte aber ausgesagt, dass R K ihm gegenüber geäußert habe, der Revisionswerber sei für die weitere Teilnahme an der Führerscheinausbildung praktischer wie theoretischer Natur sowie für die folgende Prüfung ebenso wie für die Übungsfahrten „gesperrt“.

11       Damit wird das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

12       Nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und damit unmittelbar - dh. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als Ausübung von „Zwangsgewalt“, zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsakts in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt kein ausdrücklicher Befolgungsanspruch vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048; VwGH 7.9.2020, Ro 2020/01/0010; jeweils mwN).

13       Sofern weder ein Bescheid noch ein Vollstreckungsakt vorliegt, ist die mündliche Äußerung eines Verwaltungsorgans nur dann als Befehl zu werten, wenn sie nach den Umständen des Falles hinreichend deutlich als normative Anordnung zu erkennen ist. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine vor den Verwaltungsgerichten bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/02/0041, mwN).

14       Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt können auch vorliegen, wenn die Maßnahmen für den Betroffenen nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen erfolgt. Dies kann auch ohne sein Wissen der Fall sein. Wesentlich ist, ob das Verhalten der Organe in objektiver Hinsicht darauf abzielte, eine Duldungspflicht des Betroffenen zu bewirken (vgl. VwGH 27.6.2018, Ro 2017/17/0028, mwN).

15       Fallbezogen richtete sich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen seine „Sperre“ von der „Teilnahme am Führerscheinkurs“ (vgl. zur Bedeutung der gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 VwGVG zu bezeichnenden angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für das Prozessthema VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287, 0288, mwN). Der Revisionswerber hat weder im Maßnahmenbeschwerdeverfahren noch in der Revision vorgebracht, ihm wäre für den Fall der weiteren Teilnahme am Fahrschulkurs eine physische Sanktion angedroht worden oder er hätte in diesem Fall - bei objektiver Betrachtungsweise - mit einer zwangsweisen Durchsetzung der „Sperre“ rechnen müssen. Schon aus diesem Grund kann, selbst unter Zugrundelegung jener Aussage, welche der Rechtsanwalt des Revisionswerbers im Fall seiner Einvernahme nach dem Revisionsvorbringen getätigt hätte, ausgeschlossen werden, dass sich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen eine gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anfechtbare Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt richtete.

16       Vor diesem Hintergrund hängt die Entscheidung über die Revision von der zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend gemachten Rechtsfrage in Zusammenhang mit der beantragten Einvernahme des Rechtsanwalts nicht ab.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Juni 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110180.L00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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