TE OGH 2021/5/20 3Ob215/20v

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei M*****, vertreten durch Dr. Christoph Gratl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Oktober 2020, GZ 47 R 202/20h-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 30. Juni 2020, GZ 12 E 986/20b-3, (in seinen Punkten I. und II.) aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und in der Sache folgender Beschluss gefasst:

Punkt I. der Entscheidung lautet:

„Die betreibende Partei wird ermächtigt, den früheren Zustand, welchen die verpflichtete Partei durch ein dem Recht der betreibenden Partei aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Innsbruck vom 1. Februar 2019, GZ 51 C 1055/17h-25, widerstreitenden Verhalten verändert hat, auf Gefahr und Kosten der verpflichteten Partei durch nachstehende Handlungen wie folgt wiederherzustellen:

Entfernung des Holzzaunes sowohl in der Länge von ca. 20 m zwischen dem Grundstück 1122/5, EZ *****, KG ***** Bezirksgericht Innsbruck und dem Grundstück 1122/6 sowie 1124, letzteres EZ *****, KG ***** Bezirksgericht Innsbruck und weiter von der Nordecke des Zaunes entlang der Grenze zwischen dem Grundstück 1122/5 und dem Grundstück 1124 nach Süden auf einer Länge von ca. 1,10 m, samt den Holzpfosten, den in drei Reihen angebrachten Holzbrettern und den versetzten Metallfüßen sowie Wiederherstellung des Vorzustandes des Weges durch Auffüllen der Erdlöcher in seinem ursprünglichen Bestand samt Verbesserung der beeinträchtigten Asphaltflächen.“

und

Punkt II. der Entscheidung des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Rekurses werden mit 715,91 EUR (darin 83,65 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

[1]            Der Betreibende begehrte aufgrund des im Spruch genannten vollstreckbaren Urteils die Bewilligung der Exekution gemäß § 355 EO sowie gestützt auf § 356 EO die Ermächtigung zur ebenfalls im Spruch näher beschriebenen Wiederherstellung des vorigen Zustands durch Beseitigung des von der Verpflichteten entgegen ihrer Unterlassungsverpflichtung neuerlich an der Grundgrenze errichteten Holzzauns sowie die Bewilligung der Forderungs- und Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Exekutionskosten.

[2]            Das Erstgericht bewilligte dem Betreibenden (I.) „die Exekution“ zur Entfernung des Zauns und zur Wiederherstellung des Vorzustandes des Weges (§ 356 Abs 1 EO) sowie (II.) die Fahrnis- und Forderungsexekution zur Hereinbringung der Kosten des Antrags. Die Entscheidung über die beantragte Unterlassungsexekution (§ 355 Abs 1 EO) behielt es sich vor (III.) und räumte der Verpflichteten die Möglichkeit der Äußerung zu den Strafzumessungsgründen binnen acht Tagen ein.

[3]            Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten dahin Folge, dass es den Beschluss (gemeint offenbar dessen Punkte I. und II.) aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag auftrug. Es vertrat die Rechtsansicht, dass § 356 Abs 1 EO ein subsidiäres Exekutionsmittel sei, das nur in Verbindung mit der Exekution nach § 355 Abs 1 EO bewilligt werden könne. Eine Entscheidung über den Antrag nach § 356 Abs 1 EO sei ohne Sachentscheidung über die beantragte Unterlassungsexekution nicht zulässig, weshalb der verfrüht gefasste Beschluss aufzuheben gewesen sei.

[4]            Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Verfahren nach § 356 Abs 1 EO abgesondert von einem Verfahren nach § 355 Abs 1 EO geführt werden könne, keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.

[5]            Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) des Betreibenden wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise stellt der Betreibende auch einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[6]       Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

[7]            1.1 § 355 EO dient zur Durchsetzung von Exekutionstiteln, nach denen der Verpflichtete bestimmte Handlungen zu unterlassen oder deren Vornahme durch andere zu dulden hat; dabei wird vom Verpflichteten ein (unvertretbares) passives Verhalten verlangt, das im Fall des Zuwiderhandelns primär durch indirekten Zwang (Geld- oder Haftstrafen) durchgesetzt wird (Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 355 Rz 1 mwN; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3, § 355 Rz 1 mwN).

[8]            1.2 Gemäß § 356 Abs 1 EO hat das Exekutionsgericht den Betreibenden auf dessen Antrag zu ermächtigen, den früheren Zustand auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten wiederherstellen zu lassen, wenn „im Falle des § 355“ durch das Verhalten des Verpflichteten eine dem Recht des Betreibenden widerstreitende Veränderung herbeigeführt wurde.

[9]            2. Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers sollte mit § 356 EO „dem Verpflichteten jede Hoffnung auf Erfolg seines Zuwiderhandelns entzogen (werden)“. Deshalb sei nach einem titelwidrigen Verhalten des Verpflichteten zum vollen Schutz des Berechtigten „eine sofortige Wiederherstellung des früheren Zustandes, weder gebunden an die Durchführung eines früheren Prozesses noch an einen neuerlichen Spruch (notwendig)“ (Mat I 585 f).

[10]           3. Dieser Zweck des § 356 EO ist auch in Rechtsprechung und Lehre weithin unbestritten. Besagte Regelung soll dem Betreibenden im Rahmen der Duldungs- und Unterlassungsexekution nach einem titelwidrigen Verhalten des Verpflichteten den ansonsten notwendigen Weg über einen Beseitigungstitel und einen Exekutionsantrag nach § 353 EO ersparen (vgl RS0004643; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 1; Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 229 f; Neumayr/Nunner-Krautgasser, Exekutionsrecht4 307; Feil Exekutionsordnung § 356 Rz 1).

[11]            4. Demnach ist die Beseitigungsermächtigung des § 356 Abs 1 EO letztlich ein Fall einer titellosen Vollstreckung; sie schafft unmittelbar die Voraussetzungen für einen Vollzug, der jenem nach einem Titel und einer Exekutionsbewilligung gemäß § 353 EO entspricht (vgl Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 231, 234 und 237; Zangl, Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution 157 f). Die Ermächtigung ersetzt sowohl Titel als auch Exekutionsbewilligung und setzt sofort beim Vollstreckungszwang ein (3 Ob 2/79 = MietSlg 31.824; vgl RS0004643; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 § 356 EO Rz 1; Neumayr/Nunner-Krautgasser, Exekutionsrecht4 307; Feil Exekutionsordnung § 356 Rz 1).

[12]           5. Zur Frage, was konkret mit der in § 356 Abs 1 EO enthaltenen Wortfolge „im Fall des § 355“ gemeint ist, und zum allenfalls notwendigen, vom Rekursgericht erörterten Zusammenhang zwischen einem Antrag auf Bewilligung der Exekution nach § 355 EO und einem solchen nach § 356 EO, fehlt bisher – soweit überblickbar – in Rechtsprechung und Lehre eine nähere Auseinandersetzung:

[13]           5.1 In der Literatur wird die Ermächtigung nach § 356 Abs 1 EO bisweilen als „kein selbständiges“, sondern als ein bloß „subsidiäres (sekundäres)“ Exekutionsmittel bezeichnet (Heller/Berger/Stix III 2597; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 1; Zangl, Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution 159). Diesen Begrifflichkeiten mag insoweit zuzustimmen sein, als damit zum Ausdruck kommt, dass die Ermächtigung nach § 356 Abs 1 EO nicht primär und unmittelbar der Durchsetzung eines Titels nach § 355 EO, sondern dem schon zu Punkt 2. ff beschriebenen Zweck dient. Die weitergehende Folgerung von Heller/Berger/Stix (III 2597), wonach die Ermächtigung nach § 356 Abs 1 EO „nur in Verbindung mit einer Exekution nach § 355 Abs 1 EO bewilligt werden (könne)“, lässt sich aus dem Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht ableiten. In § 356 Abs 1 EO wird lediglich auf einen „Fall des § 355“ abgestellt, nicht aber (konkret) auf einen zumindest gleichzeitig gestellten Exekutionsantrag nach dieser Bestimmung oder gar auf eine bereits vorliegenden Exekutionsbewilligung nach § 355 EO.

[14]           Jelinek (Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 234) geht in diesem Zusammenhang nur von der praktischen Erfahrung aus, dass Beseitigungsanträge meist zugleich mit dem Exekutionsbewilligungsantrag gestellt werden.

[15]           Zangl (Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution 159 f) meint dazu, dass ein Antrag nach § 356 EO jedenfalls einen Exekutionstitel nach § 355 EO voraussetzt; die Frage, ob es möglich sei, ohne eine Exekutionsführung nach § 355 EO einen selbständigen Antrag nach § 356 EO zu stellen, lässt sie ausdrücklich unbeantwortet.

[16]           Nach Höllwerth (in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 3 f) erfordere § 356 Abs 1 EO einen Exekutionstitel nach § 355 EO und die Antragstellung sei dann ab dem Vorliegen eines Störungszustands, der auf eine dem Titel nach § 355 EO widersprechende Handlung des Verpflichteten zurückgehe, bis zu dessen allfälligem Wegfall möglich.

[17]           5.2 Die bisherige Rechtsprechung ist zur Zulassungsfrage ebenfalls wenig aussagekräftig:

[18]           5.2.1 Zu 3 Ob 10/74 wurde nur die Unanfechtbarkeit des die Unterlassungsexekution bewilligenden Teils des erstgerichtlichen Beschlusses, den das Rekursgericht insoweit bestätigt hatte, geprüft und dazu ausgesprochen, dass dieses Begehren mit den beiden abgewiesenen (auf Bestellung einer Sicherheit sowie auf Ermächtigung zur Wiederherstellung) nicht zusammengehöre, weshalb der (insoweit) bestätigende Beschluss im Sinn des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO (iVm § 78 EO) unanfechtbar sei. Die Entscheidung 6 Ob 213/63 (= JBl 1964, 328) betraf ebenfalls eine „Konformatsentscheidung“, allerdings im Zusammenhang mit einer Herausgabeexekution (betreffend mehrere verschiedene Gegenstände). Auch in der Entscheidung zu 3 Ob 245/75 wurde nur im Bezug auf die (Un-)Anfechtbarkeit des bestätigenden Ausspruchs des Rekursgerichts ein „innerer Zusammenhang“ der Anträge auf Unterlassungsexekution und auf Ermächtigung zur Wiederherstellung des früheren Zustands verneint und daher das Rechtsmittel insoweit zufolge § 528 Abs 1 Z 1 ZPO (iVm § 78 EO) zurückgewiesen. Gleiches gilt für die Entscheidungen 3 Ob 258/75 und 3 Ob 107/79, in denen jeweils der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses (nur) mit dem Hinweis darauf als unzulässig zurückgewiesen wurde, dass die Entscheidung über Anträge nach § 355 Abs 1 EO, § 355 Abs 2 EO und § 356 EO jeweils „sowohl tatsächlich als auch rechtlich ein verschiedenes Schicksal“ haben könnten und dass es sich um „abgesondert entscheidbare Gegenstände“ handle. Keiner dieser Entscheidungen lassen sich konkrete Hinweise dazu entnehmen, ob ein Antrag auf Ermächtigung im Sinn des § 356 Abs 1 EO losgelöst von einem Exekutionsantrag nach § 355 Abs 1 EO erhoben und bewilligt werden könnte.

[19]           5.2.2 In der Entscheidung 3 Ob 51/90 musste die Frage, ob es möglich sei, ohne Exekutionsführung nach § 355 EO einen selbständigen Antrag nach § 356 EO zu stellen, nicht beantwortet werden und blieb folglich offen.

[20]           5.2.3 In der Entscheidung 7 Ob 261/04i wurde die Ermessensentscheidung eines Pflegschaftsgerichts geprüft, mit der dieses der Betroffenen die Genehmigung einer beabsichtigten Impugnationsklage verweigert hatte, die sich gegen eine gemäß § 356 Abs 1 EO bewilligte Ermächtigung der Betreibenden zur Entfernung von auf einem Servitutsweg gelagertem Holz und eingepflanzten Bäumen richten sollte. Zum Verhältnis zwischen den Bestimmungen der §§ 355 und 356 EO enthält die Entscheidung keine konkrete Aussage.

[21]           6. Der Umstand, dass dem zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Exekutionsantrag nach § 355 EO und einem Antrag nach § 356 EO bislang keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, mag nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass – entsprechend dem bereits wiedergegebenen Befund Jelineks (Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 234) – früher üblicherweise Anträge meist zugleich gestellt und entschieden wurden. Dieser zeitliche Zusammenhang wird nunmehr allerdings durch die mit der EO-Novelle 2008 (BGBl I 2008/37) geänderte Bestimmung des § 358 EO in der Regel aufgelöst. Diese (im Unterschied zu § 358 EO aF) nur für die Duldungs- und Unterlassungsexekution geltende Bestimmung (vgl dazu Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 358 Rz 1 ff; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3, § 358 Rz 3 mit Hinweis auf die ErläutRV EO-Nov 2008, 295 BlgNR 23. GP 1, 3 und 24 f) verhält das Exekutionsgericht nunmehr dazu, vor der Verhängung von Geldstrafen dem Verpflichteten Gelegenheit zu einer Äußerung zu den Strafzumessungsgründen zu geben, wenn nicht bereits eine Äußerung zu einem im Wesentlichen gleichen Antrag notorisch ist. Diese Gesetzesänderung hat zur Folge, dass die Möglichkeit der Entscheidung über eine beantragte Exekution nach § 355 Abs 1 EO und über einen (gleichzeitig erhobenen) Antrag auf Ermächtigung zur Beseitigung des Störungszustands gemäß § 356 Abs 1 EO – ebenso wie auch im Anlassfall – zeitlich auseinanderfallen kann, sofern das Exekutionsgericht nicht sofort die Exekution nach § 355 EO bewilligt und sich bloß die Bestimmung der Strafhöhe vorbehält. Für die Entscheidung über die beantragte Verhängung einer Geldstrafe kann also eine entsprechende Äußerungsfrist abzuwarten sein, während die Voraussetzungen für die Bewilligung der Ermächtigung aber bereits abschließend geprüft werden könnten. Diese Rechtslage führt praktisch zu einer regelhaften Verzögerung für eine Ermächtigung nach § 356 EO, wenn die gleichzeitige Bewilligung der Exekution nach § 355 EO verlangt wird und mit dieser bis zum Zeitpunkt der Äußerung des Verpflichteten zu den Strafzumessungsgründen bzw bis zum ergebnislosen Fristablauf zugewartet werden müsste. Dies würde dem Zweck des § 356 EO (vgl Punkt 2.) evident widersprechen.

[22]           7.1 Die Bezugnahme des § 356 Abs 1 EO auf einen „Fall des § 355“ zeigt in systematisch-logischer Interpretation dieser Bestimmungen in ihrem Zusammenhang, dass die mit der Ermächtigung ermöglichten Maßnahmen zur Beseitigung einer „dem Rechte des betreibenden Gläubigers widerstreitenden Veränderung“ jedenfalls einen bereits vorliegenden Titel nach § 355 EO und die Behauptung eines Verstoßes gegen die titulierte Unterlassungspflicht erfordert (zutreffend Zangl, Die Ersatzvornahme in der Naturalexekution 159).

[23]           7.2 Dem Gesetzeswortlaut ist dagegen weder die Notwendigkeit eines zeitgleichen Exekutionsantrags noch einer zeitgleichen Exekutionsbewilligung nach § 355 EO zu entnehmen (vgl bereits Punkt 5.1). Der vom historischen Gesetzgeber mit § 356 EO verfolgte und nachdrücklich dokumentierte Zweck, dem Verpflichteten jede – auch nur zeitweilige – Hoffnung auf einen Erfolg seines Zuwiderhandelns zu entziehen (vgl Punkt 2.), erfordert besondere Vollstreckungseffizienz. Es würde diesem Zweck zuwiderlaufen, dem Betreibenden mit § 356 EO zwar erklärtermaßen den Weg über einen Beseitigungstitel und eine dem entsprechende Exekutionsbewilligung zu ersparen, diese Möglichkeit dann aber doch wieder vom zeitlichen Ablauf der Entscheidung über die Exekutionsbewilligung nach § 355 EO abhängig zu machen, die durch die Novellierung des § 358 EO noch zusätzlich strukturell verzögert wird.

[24]           7.3 Verzichtet man auf eine notwendige Verknüpfung der Anträge nach §§ 355 und 356 EO, so wird dadurch auch der Rechtsschutz des Verpflichteten nicht eingeschränkt. Der Verpflichtete kann nämlich auch allein gegen eine Entscheidung nach § 356 EO mit Rekurs Einwendungen etwa dahin erheben, dass der im Antrag behauptete Verstoß nicht titelwidrig sei oder dass die begehrten Wiederherstellungsmaßnahmen unvertretbare Handlungen erforderten (Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 235), und es stehen überdies die exekutionsrechtlichen Klagen offen (vgl Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 6; ferner 7 Ob 261/04i).

[25]           8. Zur Zulassungsfrage folgt daher als Zwischenergebnis:

[26]           Der Gesetzeswortlaut („im Falle des § 355“) verlangt für die Bewilligung eines Antrags nach § 356 Abs 1 EO nicht, dass mit diesem zeitgleich auch ein Antrag auf Bewilligung der Exekution nach § 355 EO gestellt und bewilligt wird. Die vom Gesetzgeber angestrebte Exekutionseffizienz verlangt vielmehr, dass ein Antrag nach § 356 Abs 1 EO als ein eigenständiges Exekutionsmittel verstanden wird und daher unabhängig von einem Exekutionsantrag nach § 355 EO beantragt und ohne zeitgleiche Exekutionsbewilligung nach § 355 EO entschieden werden kann.

[27]           9.1 Im Anlassfall liegt unstrittig ein nach § 355 EO zu vollstreckender Titel vor. Für die Bewilligung des Antrags nach § 356 Abs 1 EO muss der Betreibende dann noch das Zuwiderhandeln des Verpflichteten nach formeller Vollstreckbarkeit des Titels, das Vorliegen des Störungszustands und welche Handlungen zur Wiederherstellung des früheren Zustands konkret erforderlich sind, schlüssig behaupten (vgl 3 Ob 169/62 = EvBl 1963/114 = MietSlg 9953; 3 Ob 2/79 = MietSlg 31.824 mwN; idS auch Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 § 356 EO Rz 1). Diese Behauptungen sind dem Exekutionsantrag – entgegen den Rekursausführungen der Verpflichteten gegen den erstinstanzlichen Beschluss – nachvollziehbar zu entnehmen. Eine weitergehende Nachweispflicht (dafür etwa Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 234; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 5) nimmt die Rechtsprechung nicht an und eine solche wird im Rekurs der Verpflichteten auch nicht konkret geltend gemacht. Es kann dann der Betreibende auch selbst zur Vornahme der notwendigen Handlungen ermächtigt werden (vgl 1 Ob 567/54; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 § 356 EO Rz 1; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 356 Rz 7). In Stattgebung des Rekurses des Betreibenden war daher diesem die Ermächtigung zur Beseitigung des von der Verpflichteten herbeigeführten, dem Unterlassungstitel widersprechenden Störungszustands und zur Wiederherstellung des Vorzustands zu erteilen. Dabei war diese Ermächtigung dem Gesetzeswortlaut sowie dem Antrag des Betreibenden anzupassen und daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

[28]            9.2 Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO. Die Pauschalgebühr beträgt richtig 214 EUR (TP 4 III lit a GGG).

Textnummer

E131986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00215.20V.0520.000

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten