TE OGH 2021/5/26 8ObA21/21b

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei EG der Liegenschaft *****, vertreten durch HSP Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch MMag. Markus Koisser, Bakk. Msc (WU), Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2020, GZ 8 Ra 83/20i-97, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Nach § 18 Abs 6 erster Satz HbG kann der Hauseigentümer, wenn dem Hausbesorger eine Dienstwohnung zusteht, nur aus erheblichen Gründen kündigen. Solche Gründe liegen gemäß § 18 Abs 6 lit d HbG dann vor, „wenn der Hausbesorgerposten überhaupt aufgelassen wird“. Eine Auflassung des Postens ist anzunehmen, wenn Eigentümer oder Mieter des Hauses die gesamten Hausbesorgerarbeiten unentgeltlich übernehmen oder wenn diese von deren Bediensteten im Rahmen ihrer sonstigen Beschäftigung ohne zusätzliche Entlohnung verrichtet werden (RIS-Justiz RS0063177). Die Auflassung des Hausbesorgerpostens darf nicht zum Schein erfolgen, etwa um einen Hausbesorger, gegen den andere Kündigungsgründe nicht zu Gebote stehen, auf diese Weise kündigen zu können (RS0063170). Durch bloße Teillösungen oder Behelfslösungen kann die Gesamtheit der Hausbesorgertätigkeiten und damit der Hausbesorgerposten nicht substituiert werden (RS0063174), weil der Posten dadurch nicht überflüssig wird (9 ObA 2097/96i; 9 ObA 141/94). Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungsgrund vorliegt, stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (vgl RS0044088). Das ist hier nicht der Fall.

[2]            2. Nach den Feststellungen verrichten die Miteigentümer seit 1. 10. 2017 auf Grundlage eines am 5. 12. 2017 mit der erforderlichen Mehrheit gefassten Umlaufbeschlusses unentgeltlich sämtliche Tätigkeiten der Hausbesorgerin sowie Aufzugsbetreuung, Betreuung der Grünflächen, Waschküchen und Garagen. Zu diesem Zweck koordinieren sich die Miteigentümer, beispielsweise in einer WhatsApp-Gruppe, und erstellen Putz- und Winterdienstpläne. Zwei Miteigentümer haben die Ausbildung zum Aufzugswart/zur Aufzugswartin absolviert und führen die Aufzugswartung durch. Die unentgeltliche Durchführung der gesamten Hausbesorgerarbeiten ist von den Wohnungseigentümern dauerhaft beabsichtigt; sie ist ihnen auch möglich. Demgegenüber macht die beklagte Hausbesorgerin seit Oktober 2017 keinerlei Hausbesorgertätigkeiten mehr. Sie benützt weiterhin die Hausbesorgerwohnung, ohne dafür ein Benützungsentgelt zu entrichten.

[3]            3.1 Davon ausgehend haben die Vorinstanzen übereinstimmend das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 18 Abs 6 lit d HbG bejaht.

[4]            An dieser Beurteilung weckt die Beklagte mit ihrem Einwand, dass die Arbeiten durch die Miteigentümer teilweise nicht ordentlich oder nicht pünktlich erledigt worden seien, keine Bedenken. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass die Miteigentümer einen Teil der Hausbesorgertätigkeiten gar nicht übernommen oder entgeltlich an einen Dritten ausgelagert hätten. Vielmehr sind – wie das Berufungsgericht ausgeführt hat – vereinzelt Mängel bei der Leistungserbringung aufgetreten, die die Beklagte seit Herbst 2017 akribisch auflistet und dokumentiert. So wurden defekte Leuchtmittel verschiedentlich auch über mehrere Wochen nicht ausgetauscht, einmal waren die Thujen nicht perfekt geschnitten und der Rasen nicht perfekt gepflegt, manchmal wurden kleinere (vereinzelt auch größere) Schnee- bzw Eisreste am Gehsteig nicht entfernt, einmal befanden sich Spinnweben am Abgang zur Waschküche bzw im Zugang zur Garage und dergleichen.

[5]            Die Beklagte will aus den Mängeln offenbar ableiten, dass es sich bei der Verrichtung der Hausbesorgerarbeiten durch die Miteigentümer nur um eine Behelfslösung handle. Dieser Schlussfolgerung steht allerdings die Feststellung entgegen, dass es seit der auf Dauer angelegten Übernahme der gesamten Hausbesorgertätigkeiten durch die Miteigentümer der Liegenschaft nie Beschwerden betreffend die Qualität der Arbeiten gab, wobei die Beklagte selbst meint, negativen Abweichungen von den Hausbesorger-Dienstpflichten komme nach dem erkennbaren Willen der Klägerin enorme Bedeutung zu. Daraus folgt aber, dass punktuelle Unzukömmlichkeiten summa summarum nicht derart ins Gewicht fallen, dass hier von einer (auch nur teilweisen) Nichterfüllung der Reinigungs- und Räumungsverpflichtung gesprochen werden könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Hausbesorgerposten nur zum Schein aufgelassen bzw durch eine bloße Behelfslösung ersetzt worden sei, zeigt die Beklagte somit nicht auf.

[6]            3.2 Sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor, wie bereits das Berufungsgericht ausführlich dargelegt hat: Das Erstgericht hat den Umfang der Hausbesorgertätigkeiten und die Mängel bei der Leistungserbringung durch die Miteigentümer festgestellt, insbesondere etwa auch, wie lange defekte Leuchtmittel von Fall zu Fall nicht ausgetauscht wurden. Ob das Reinigungskonzept der Hauseigentümer 1:1 dem der Beklagten entspricht, ist rechtlich nicht erheblich, solange es – wie hier – alle Tätigkeiten abdeckt; ebenso wenig, ob die Beklagte ihrerseits die Hausbesorgerarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt hat.

[7]            4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E132026

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00021.21B.0526.000

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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