TE OGH 2021/6/7 13Os51/21f

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Veröffentlicht am 07.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pauritsch in der Strafsache gegen Werner E***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4. Dezember 2020, GZ 23 Hv 40/20t-118, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis, soweit dieses „die sichergestellten Suchtgiftutensilien lt. Standblatt Nr. 149/2020 (ON 37)“ betrifft, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

Dem Angeklagten Michael M***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Michael M***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 2 Z 3 SMG (A I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B) sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (A II) schuldig erkannt.

[2]            Danach hat er in K***** und an anderen Orten mit Werner E***** und Ferid A***** als Beteiligte (§ 12 StGB)

(A I) vom April 2019 bis zum August 2019 und vom Dezember 2019 bis zum Juni 2020 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem sie in drei Angriffen Cannabispflanzen anbauten, bis zur Erntereife aufzogen und hieraus mindestens 7,5 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von zumindest 7,95 % THCA und 0,61 % Delta-9-THC gewannen,

(A II) vom September 2019 bis zum November 2019 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Cannabiskraut von mindestens 2,5 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von 7,95 % THCA und 0,61 % Delta-9-THC mit dem Vorsatz angebaut, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, wobei eine Gewinnung bloß deswegen unterblieb, weil Ferid A***** die Cannabispflanzen aus Angst vor der Polizei (US 9) verbrannte, sowie

(B) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von mindestens 3,5 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von 7,95 % THCA und 0,61 % Delta-9-THC durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen oder zum Überlassen an andere beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael M*****.

[4]            Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wurden vom Erstgericht beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen weder die Angaben des Zeugen Philipp G***** noch das Ergebnis der Auswertung der Stromverbrauchsdaten noch jenes der Überwachung oder der Hausdurchsuchung beim Angeklagten M***** übergangen. Vielmehr wurden diese Verfahrensergebnisse den Feststellungen zugrunde gelegt (US 7, 8 und 10).

[5]            Die leugnende Verantwortung der Angeklagten wurde von den Tatrichtern als widerlegt angesehen (US 5 und 12).

[6]            Indem die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten M***** günstige Schlüsse ableiten, wenden sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[7]            Soweit sich der Vorwurf der Unvollständigkeit und der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) weder an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert noch einen konkreten Bezug zum Ausspruch über eine entscheidende Tatsache herstellt, ist die Mängelrüge (Z 5) nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).

[8]            Die „Gedanken“ des ermittelnden Polizeibeamten zu einzelnen Beweisergebnissen sind nicht Gegenstand des Zeugenbeweises und können daher gerade nicht Entscheidungsgrundlage sein (vgl RIS-Justiz RS0097573).

[9]            Mit dem Einwand fehlender Sachverhaltsermittlung (der Sache nach Z 5a) verkennt die Rüge die unter diesem Aspekt bestehende Subsidiarität des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a gegenüber jenem der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (RIS-Justiz RS0114036 [T11] und RS0115823 [T2, T6, T10]).

[10]           Nach den Feststellungen des Erstgerichts zum Schuldspruch A I wirkte der Angeklagte Michael M*****beim Verbrechen des Suchtgifthandels mit Werner E***** und Ferid A***** vorsätzlich zusammen, indem sich Werner E***** und Ferid A***** um den Anbau der Cannabispflanzen kümmerten, diese bis zur Erntereife aufzogen und daraus insgesamt 7,5 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgrad von mindestens 7,95 % THCA und 0,61 % Delta-9-THC gewannen, während der Angeklagte Michael M***** die Finanzierung des Betriebs der Plantage übernahm und Qualitätskonkontrollen durchführte (US 5 f).

[11]           Die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten M***** gründete das Erstgericht auf Angaben des zwischenzeitig verstorbenen Ferid A*****, die ihm durch die Vernehmung zahlreicher – als glaubwürdig erachteter – Zeugen in der Hauptverhandlung zur Kenntnis gelangten (US 9 f, 10 und 11) und mit dem Ergebnis einer durchgeführten Überwachungsmaßnahme im Einklang standen (US 11).

[12]           Soweit die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) die Beurteilung der Überzeugungskraft dieser Beweisergebnisse in Frage stellen, verlassen sie den Anfechtungsrahmen der in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgründe.

[13]           Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Solche zeigt die Mängelrüge aber nicht auf.

[14]           Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Konstatierungen zum „gemeinsamen Tatentschluss“ und zur Einbindung des Beschwerdeführers in sämtliche Entscheidungen (US 5), betrifft keinen für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt (siehe aber RIS-Justiz RS0117499).

[15]           Mit der Behauptung des Fehlens „direkter Beweismittel“ (vgl zur Zulässigkeit von Indizienbeweisen RIS-Justiz RS0098249) gelangt die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0128874).

[16]           Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zum Erzeugen von Suchtgift (A I) und zum Überlassen von Suchtgift (B) vermisst, dabei aber die Konstatierungen des Erstgerichts zum vorsätzlichen Zusammenwirken der Angeklagten mit Ferid A***** als Beteiligte, zur Ernte der Cannabispflanzen (US 5 f) und zur vorsätzlichen Erzeugung von suchtgifthältigen Cannabispflanzen im Einverständnis, dieses in Verkehr zu setzen (US 5 f und 14; vgl dazu 12 Os 121/09z und 12 Os 46/16f), übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[17]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[18]           Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil im Einziehungserkenntnis, soweit es die in den Entscheidungsgründen nicht beschriebenen „sichergestellten“ „Suchtgiftutensilien“ (US 15) betrifft, nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[19]           Feststellungen zu diesen „Utensilien“, insbesondere dazu, weshalb die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit der betroffenen Gegenstände geboten sein sollte, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, finden sich im Urteil nicht, der Ausspruch der Einziehung ist somit mit Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall belastet (RIS-Justiz RS0121298).

[20]           Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E132005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00051.21F.0607.000

Im RIS seit

28.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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