TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/18 96/08/0229

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Veröffentlicht am 18.03.1997
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in R, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 27. Juni 1996, Zl. LGS600/LA2/1218(7022)1996-Dr.Puy/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der bei einem Bauunternehmen beschäftigte Beschwerdeführer wurde am 8. Jänner 1996 arbeitslos und beantragte an diesem Tag bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Antragsformular wurden die Fragen, ob der Beschwerdeführer derzeit in Beschäftigung stehe oder selbständig erwerbstätig sei, verneint.

Am 29. Jänner 1996 verständigte die regionale Geschäftsstelle den Beschwerdeführer von der Gewährung des Arbeitslosengeldes ab 8. Jänner 1996 in der Höhe von täglich S 298,20.

Am 29. Februar 1996 langte bei der regionalen Geschäftsstelle die Ablichtung einer Anmeldung zur Gebietskrankenkasse ein; aus dieser Anmeldung geht hervor, daß der Beschwerdeführer am 29. Februar 1996 rückwirkend ab 25. Dezember 1995 als Kellner beim Dienstgeber G auf der X-Alpe (einem Gasthausbetrieb) zur Sozialversicherung gemeldet wurde.

Auf dieser Meldung wurde das Kästchen "geringfügig beschäftigt:

ja" angekreuzt und bei der Tätigkeitsbezeichnung "Kellner PROVISION" angegeben. In der Rubrik "Entgelt" enthielt diese Anmeldung die Angabe "15 % vom Umsatz monatlich"; die durchschnittliche Beschäftigungsdauer wurde mit zwei Tagen in der Woche, sieben bis acht Stunden angegeben.

Am 3. Mai 1996 langte die Kopie einer Anzeige des Gendarmeriepostens Oberwölz an die Bezirkshauptmannschaft Murau bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein, die mit 29. April 1996 datiert ist, als "Tatzeit" den Zeitraum vom 25. Dezember 1995 bis 4. März 1996 nennt und über eine dienstliche Wahrnehmung eines näher bezeichneten Gendarmeriebeamten berichtet, wonach der Beschwerdeführer bei dem (auch in der Meldung der Gebietskrankenkasse angegebenen) Dienstgeber beschäftigt sei, "ohne ihn beim Arbeitsmarktservice anzumelden bzw. gewährte er ihm auch in seiner Gastwirtschaft Unterkunft und Essen". Der Dienstgeber habe auch nicht überprüft, ob der Beschwerdeführer, der auch Speisen serviert habe, nach dem Bazillenausscheidergesetz eine Untersuchung durchgeführt habe und "diese Untersuchung auch bedenkenlos" sei. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, sich nach dem Meldegesetz am Ort der Beschäftigung anzumelden und sich nach dem Bazillenausscheidergesetz untersuchen zu lassen. Es sei gegen ihn auch eine Anzeige wegen Verdachts des Betruges an den Bezirksanwalt erstattet worden. Unter "Beweismittel" wird die Feststellung wiederholt, daß "bei Erhebungen am 13.2.1996 im Gasthaus (des Dienstgebers) festgestellt (worden sei), daß (der Beschwerdeführer) beschäftigt" sei. Auf Grund dessen seien die weiteren (vorher erwähnten) Überprüfungen durchgeführt worden. Dieser Meldung ist die Kopie einer Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil des Arbeitsmarktservice beigeschlossen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 20. Mai 1996 wurde das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 8. Jänner 1996 bis 24. März 1996 widerrufen und der Überbezug in der Höhe von S 22.962,-- in Raten zu S 2.000,-- rückgefordert.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er - unter Beischluß einer Kopie seiner Abmeldung aus dem Dienstverhältnis zu G per 10. März 1996 - vorbrachte, daß er entsprechend einer im Februar bei der regionalen Geschäftsstelle erhaltenen Belehrung seine Anmeldung zur Sozialversicherung beigebracht hätte und man ihm auch zugesagt hätte, daß diese Nebenbeschäftigung seinen Anspruch nicht beeinträchtige, weil das "Einkommen zu gering" sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben, wobei sie von folgendem "Sachverhalt" ausging:

"Sie standen ab 8.1.1996 im Bezug des Arbeitslosengeldes. Anläßlich der Beantragung desselben hatten Sie jede Beschäftigung und jedes Einkommen verneint. In der Folge legten Sie die Kopie einer am 29.2.1996 erfolgten Anmeldung zur Gebietskrankenkasse vor, wonach Sie seit 25.12.1995 als Kellner (Provisionsbasis 15 % des Umsatzes) an zwei Tagen pro Woche sieben bis acht Stunden beim Gasthaus G beschäftigt sind. Sachbezüge (volle freie Station, Unterkunft usw. waren verneint).

Auf Grund dieser Angaben bestand keine Veranlassung, das Arbeitslosengeld einzustellen oder rückzufordern.

Am 3. Mai 1995 langte bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg eine Kopie der Anzeige des Gendarmeriepostens Oberwölz an die Bezirkshauptmannschaft Murau ein. Aus dieser geht hervor, daß sie seit 25. Dezember 1995 beim Gastbetrieb G, Y-Alm, arbeiteten, dort Unterkunft bekamen und auch die volle Verpflegung.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg widerrief daher das für die Zeit vom 8.1. bis 24.3.1996 bezogene Arbeitslosengeld und forderte den zu Unrecht bezogenen Betrag von S 22.962,-- zurück."

Unter "Feststellungen und rechtliche Beurteilung" traf die belangte Behörde folgende weitere Tatsachenfeststellungen:

"Unbestritten ist, daß Sie bei Beantragung des Arbeitslosengeldes Ihre Beschäftigung verschwiegen und erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Meldung machten bzw. die mit 29.2.1996 erfolgte Anmeldung zur Sozialversicherung vorlegten. Diese Anmeldung enthält jedoch unrichtige Angaben, da der Sachbezug (Unterkunft und Verpflegung, bewertet mit S 2.700,--) überhaupt nicht angegeben war.

... Es ist auf Grund der vom Gendarmerieposten ... gemachten Anzeige, deren Inhalt Sie in der selben als richtig zugaben, davon auszugehen, daß Sie neben dem Sachbezug im Wert von S 2.700,-- noch mindestens S 910,-- monatlich an Entgelt erhielten (nur für die volle freie Station würden Sie wohl nicht arbeiten) und damit einen Bruttolohn von über S 3.600,-- monatlich erhielten).

Sie waren daher ab 8.1.1996 entsprechend den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen überhaupt nicht als arbeitslos anzusehen und hatten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 lit. a AlVG ist nicht arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht, es sei denn, daß er aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt (§ 12 Abs. 6 lit. a AlVG).

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes u.a. bei einem Widerruf zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er (u.a.) den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

In seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer die Heranziehung eines vollen Sachbezugswerts für freie Station in der Höhe von S 2.700,-- monatlich durch die belangte Behörde mit der Begründung, es ergebe sich aus den im Akt erliegenden An- und Abmeldungen zur Gebietskrankenkasse, daß der Beschwerdeführer lediglich an zwei Tagen in der Woche tätig gewesen sei. Bei Berücksichtigung eines Sachbezugswertes für acht Tage im Monat sei die Geringfügigkeitsgrenze vom Beschwerdeführer in keinem der Monate überschritten worden.

Die belangte Behörde legt in ihrer Gegenschrift zunächst das Schwergewicht darauf, daß der Beschwerdeführer diese Tätigkeit ursprünglich nicht gemeldet habe und dem Gendarmeriebericht "durchaus entnommen werden" könne, daß die Beschäftigung des Beschwerdeführers nicht nur an zwei Tagen und keinesfalls nur am Wochenende erfolgt sei, zumal der Beginn der Beschäftigung an einem Montag gelegen sei und die Gendarmeriekontrolle an einem Dienstag stattgefunden habe.

Auch habe der Beschwerdeführer verschwiegen, was er tatsächlich verdient habe. Die in der Beschwerde angestellten Berechnungen seien daher "wohl nur ein Versuch, das Ausmaß der Beschäftigung und der zu bewertenden Entgelte zu verschleiern".

Damit vermag die belangte Behörde den auf eine Verletzung von Verfahrensvorschriften hinauslaufenden Beschwerdeeinwand nicht zu entkräften:

Es ist nämlich der belangten Behörde der Vorwurf zu machen, daß sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen läßt, von welchen Tatsachenfeststellungen sie ausgeht:

Auf der einen Seite scheint die belangte Behörde im Abschnitt "Sachverhalt" ihrer Begründung davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer entsprechend der Anmeldung zur Gebietskrankenkasse an zwei Tagen pro Woche sieben bis acht Stunden beschäftigt gewesen sei, während sie im Abschnitt "Feststellungen" ohne nähere Begründung von einem (vollen) monatlichen Sachbezug von S 2.700,-- ausgeht. Eine ausdrückliche Feststellung dahin, daß der Beschwerdeführer mehr als zwei Tage pro Woche im Gasthaus G gearbeitet habe, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides ebensowenig zu entnehmen wie jene Erwägungen, auf Grund derer die belangte Behörde zu einer solchen oder einer anderslautenden Feststellung kommen konnte. Abgesehen davon, daß dieser Begründungsmangel nicht durch einen in der Gegenschrift enthaltenen Verweis auf Aktenstücke saniert werden kann, ergibt sich - entgegen dem Vorbringen in der Gegenschrift - aus der Anzeige der Gendarmerie nicht, an wieviel Tagen der Beschwerdeführer im Gasthaus gearbeitet hat, sondern lediglich, daß "bei Erhebungen am 13.2.1996 im Gasthaus ... festgestellt" worden sei, daß der Beschwerdeführer "beschäftigt" sei. Worauf sich der "Tatzeitraum ab 25. Dezember 1995 bis 4. März 1996" bezieht (Meldevergehen, Unterlassung der Untersuchung nach dem Bazillenausscheidergesetz oder Beschäftigungszeitraum) läßt sich dieser Anzeige ebensowenig entnehmen, wie ein Hinweis darauf, auf Grund welcher Beweismittel dieser "Tatzeitraum" genannt wurde.

Die belangte Behörde hat sich mit der für die Heranziehung von Sachbezugswerten maßgebenden Frage, an wieviel Tagen im Monat der Beschwerdeführer beschäftigt war (und daher die Sachbezüge in Anspruch genommen hat), weder auseinandergesetzt, noch dazu ein erkennbares Ermittlungsverfahren (etwa durch Befragung des Beschwerdeführers oder des Dienstgebers) entfaltet.

Der von der belangten Behörde offenbar als besonders verwerflich angesehene (und daher besonders betonte) Umstand, daß der Beschwerdeführer diese Tätigkeit nicht bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld gemeldet habe, ist zwar für die Frage, ob im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG ein Überbezug an Arbeitslosengeld rückgefordert werden kann von Bedeutung, nicht aber für die Frage, in welchem Umfang dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld tatsächlich zustand (§ 25 Abs. 2 AlVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden).

Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996080229.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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