TE OGH 2021/5/26 2Ob87/21i

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2018 verstorbenen A***** L*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Miterben P***** E*****, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 3. März 2021, GZ 16 R 66/21a-53, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Die am ***** 2018 verstorbene Erblasserin hinterließ Cousins und Cousinen als potenzielle gesetzliche Erben.

[2]          Mit Beschluss vom 29. 6. 2020 erteilte das Erstgericht einem über eine in den Nachlass fallende und dessen wesentliches Aktivum darstellende Eigentumswohnung geschlossenen Kaufvertrag die abhandlungsgerichtliche Genehmigung.

[3]                     Einen vom nunmehrigen Revisionsrekurswerber dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mit Beschluss vom 31. 8. 2020 zurück. Der Rekurswerber habe noch keine Erbantrittserklärung abgegeben, sei daher nicht Partei des Verlassenschaftsverfahrens und deshalb auch nicht rekurslegitimiert. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

[4]                     Der Revisionsrekurswerber gab am 10. 2. 2021 eine bedingte Erbantrittserklärung zu einem Sechstel des Nachlasses aufgrund des Gesetzes ab. Innerhalb von vierzehn Tagen nach Abgabe seiner Erbantrittserklärung erhob er erneut Rekurs gegen den Beschluss vom 29. 6. 2020.

[5]                     Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht diesen Rekurs als verspätet zurück, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die nachträgliche Abgabe einer Erbantrittserklärung verschaffe nicht rückwirkend die Legitimation für den zuvor erhobenen Rekurs eines Erbberechtigten. Der Rekurs sei daher verspätet.

Rechtliche Beurteilung

[6]                     In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Miterbe keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[7]       1. Weist das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens“ den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung wegen Verspätung zurück, ist dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (2 Ob 82/18z; RS0120565 [T3]).

[8]       2. Nach ständiger Rechtsprechung wird der potenzielle Erbe grundsätzlich erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Vorher hat er keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und keine Rekurslegitimation (RS0106608). Die Rechtsprechung erkennt eine Ausnahme von diesem Grundsatz an, wenn ein potenzieller Erbe sein aktives Interesse am Erbantritt deutlich zum Ausdruck brachte und die Abgabe einer Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieb. Als derartige Gründe wurden etwa Verfahrensfehler angesehen, wie beispielsweise eine unrichtigerweise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung oder auch der Umstand, dass sonst aufgrund des Verfahrensstandes noch keine Veranlassung für den potenziellen Erben bestanden hatte, bereits eine Erbantrittserklärung abzugeben (2 Ob 32/19y mwN; RS0006544). Für die ausnahmsweise zu bejahende Parteistellung vor Abgabe einer Erbantrittserklärung müssen beide Voraussetzungen (Interessenbekundung und Unterbleiben der Erbantrittserklärung aus nicht in der Sphäre des potenziellen Erben liegenden Gründen) kumulativ vorliegen (2 Ob 85/20v [2 Ob 86/20s]).

[9]       3. Ob der Revisionsrekurswerber – im Sinn der nunmehrigen Ausführungen in seinem Rechtsmittel – im Zeitpunkt der Erhebung des ersten Rekurses gegen den Beschluss vom 29. 6. 2020 im Sinn dieser Rechtsprechung ausnahmsweise doch rekurslegitimiert gewesen wäre, weil ihn der Gerichtskommissär von der Abgabe einer früheren Erbantrittserklärung abgehalten habe, kann vom Obersten Gerichtshof nicht geprüft werden, weil die erste Rekursentscheidung – und damit auch der Genehmigungsbeschluss des Erstgerichts – in Rechtskraft erwachsen ist. Erlangt der Erbe während des Verfahrens durch die Abgabe einer Erbantrittserklärung Parteistellung, berührt das die bereits eingetretene Rechtskraft der vor seiner Erbantrittserklärung ergangenen Beschlüsse nicht (2 Ob 85/20v [2 Ob 86/20s]; 2 Ob 45/15d).

[10]     4. Die Zurückweisung des zweiten Rekurses gegen den bereits in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 29. 6. 2020 entspricht der Rechtslage und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Textnummer

E131984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00087.21I.0526.000

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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