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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AHStG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. April 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der seit 1988 als ordentlicher Hörer der Universität Wien Medizin studiert, war nach den von ihm vorgelegten Arbeitsbescheinigungen im Jahre 1994 ab April dieses Jahres tageweise als Aushilfskellner in drei Hotels arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, und zwar im April an 11 Tagen, im Mai an 9 Tagen, im Juni an 15 Tagen, im August an einem Tag, im September an 15 Tagen, im Oktober an 11 Tagen, im November an 20 Tagen und im Dezember an 9 Tagen; im Juli 1994 war er nicht beschäftigt. Auf die einzelnen Wochen dieses Zeitraumes (mit Ausnahme der Monate Juli und August) bezogen war der Beschwerdeführer durchschnittlich an drei Tagen wöchentlich beschäftigt.
Am 4. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdeführer unter Verwendung des hiefür vorgesehenen Formulars die Gewährung von Arbeitslosengeld; auf dem Formular ist als Tag der Geltendmachung der 20. Dezember 1994 angeführt.
Mit Bescheid vom 13. Jänner 1995 gab das "Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien)" (richtig: Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien) dem Antrag gemäß § 7 Z. 1 iVm § 12 AlVG mit der Begründung keine Folge, daß der Beschwerdeführer laufend an der Universität Wien studiere, im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit aber kein Dienstverhältnis in der Dauer von mindestens sechs Monaten parallel zu seiner Ausbildung aufweise.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er sei seit seiner Rückkehr aus Japan im April 1994 in Wien beschäftigt gewesen. In den Monaten Juli und August habe er keine Arbeit gehabt. Seit September 1994 bis Jahresende habe er jedoch genügend Arbeit gehabt und dies dem Arbeitsamt mittels Arbeitsbescheinigung auch gemeldet. Ab Jänner 1995 müsse er damit rechnen, zu wenig Arbeit zu haben, um seine sechsköpfige Familie zu erhalten. Die Arbeitslosigkeit im Hotel sei saisonal bedingt. Darauf habe er keinen Einfluß.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, daß eine Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG dann zu gewähren sei, wenn der Arbeitslose sowohl dem Studium als auch dem Dienstverhältnis, das seiner Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen sei, durch längere Zeit hindurch oblegen sei. Zu dem vom Gesetzgeber unbestimmt gelassenen Begriff der "längeren Zeit" vertrete die belangte Behörde die Ansicht, daß eine Parallelität von Beschäftigung und Studium von zumindest einem halben Jahr gegeben sein müsse, weil erst dann realistisch absehbar sei, ob ein Studium und der damit verbundene zeitliche Aufwand einer Beschäftigung als Dienstnehmer nicht entgegenstehe. Der Beschwerdeführer habe jedoch während seines Studiums ausschließlich tageweise Beschäftigungen ausgeübt, sodaß auch sein letztes, der Arbeitslosigkeit vorangegangenes Dienstverhältnis, das er vom 29. November bis 30. November 1994 ausgeübt habe, nicht den Tatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG erfülle. Da somit eine Ausnahme von der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht habe gewährt werden können, gelte der Beschwerdeführer nicht als arbeitslos und sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 17. Oktober 1995, Zl. A 171/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 609/1977, und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 - aus den im Beschluß vom 25. April 1995, Zl. A 19/95, (94/08/0259), ausführlich dargelegten Gründen - als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, Zlen. G 72/95 u.a., diesen Bedenken nicht angeschlossen und demgemäß die Anträge, soweit sie als zulässig erachtet wurden, abgewiesen. Der gegenständliche Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, daß seine Einbeziehung in das Verfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer zunächst die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auf ihn mit der Begründung bestreitet, er sei zwar seit 1988 als ordentlicher Hörer an der Universität Wien in der Studienrichtung Medizin inskribiert, sei aber wegen der Notwendigkeit einer nahezu ununterbrochenen Beschäftigung als Aushilfskellner nicht tatsächlich ausgebildet worden, ist er auf die ausführlichen Darlegungen im Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0269, zu verweisen, wonach es, jedenfalls bei aufrechter Inskription, nicht auf das "aktive Studium" ankommt (vgl. dazu auch die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0154, und vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0142). Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde mit Recht die Voraussetzungen der Zulassung einer Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG verneint hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125 - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, aufgrund derer er die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 leg. cit. in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 817/1993 und BGBl. Nr. 314/1994 befaßt und ist dabei (soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist) zum Ergebnis gelangt, daß - bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen - für die Dauer seines Studiums die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme (vom Ausschluß des Arbeitslosengeldes nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG) gemäß § 12 Abs. 4 leg. cit. die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als 18 Wochen, grundsätzlich in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, voraussetzt. Unter dem für eine Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG maßgebenden Gesichtspunkt des Erweises einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung durch die genannte Parallelität ist nicht unbedingt eine solche eines Studiums und einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erforderlich; es genügt vielmehr auch ein Werkstudium während mehrer, im wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist im Regelfall (in dem die Anwartschaft durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erfüllt ist) jener Tag zu verstehen, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Bedeutung ist (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, und vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0157). Auf die nähere Begründung dieser Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG - unter Hinweis auf § 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 - verwiesen.
Mit dieser Interpretation steht die Auffassung der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall der Tatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG schon deshalb nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer während seines Studiums ausschließlich tageweise Beschäftigungen ausgeübt habe, im Widerspruch. (Darauf, ob sein letztes, der Arbeitslosigkeit vorangegangenes Dienstverhältnis jenes "vom 29.11.1944 bis 30.11.1994" oder - der Aktenlage entsprechend - jenes vom 22. Dezember 1994 war, kommt es insofern nicht an). Auch "tageweise Beschäftigungen", die die Arbeitslosenversicherungspflicht begründet haben, können nämlich - unter Zugrundelegung der oben wiedergegebenen Interpretation des § 12 Abs. 4 AlVG - die Zulassung einer Ausnahme nach dieser Gesetzesstelle rechtfertigen; dies dann, wenn dadurch im wesentlichen ununterbrochene arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse begründet werden, aufgrund derer die erforderliche, oben näher umschriebene Parallelität erfüllt ist.
Bei Beurteilung der Frage aber, ob durch solche tageweisen Beschäftigungen "im wesentlichen ununterbrochene arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" begründet werden, ist auf zwei Umstände Bedacht zu nehmen:
Erstens kommt es schon an sich bei der Prüfung der "Parallelität von Studium und
arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung" nicht auf eine Vollbeschäftigung (während der Normalarbeitszeit), sondern nur darauf an, daß die Beschäftigung die Arbeitslosenversicherungspflicht begründet, und zweitens und vor allem ist nach den obigen Darlegungen der für eine Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG ganz allgemein maßgebende Gesichtspunkt des Erweises einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung durch die genannte Parallelität auch für die Lösung der Frage von Bedeutung, ob das Ausmaß der Intervalle zwischen den einzelnen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen noch ihre Zusammenrechnung für die Parallelitätsprüfung rechtfertigt oder nicht.
Unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist zunächst die fehlende Beschäftigung während der Hauptferien ohne Bedeutung (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, und darauf gestützt das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0146).
Sollte der Beschwerdeführer - entsprechend den von ihm vorgelegten Arbeitsbescheinigungen - in der Zeit von April bis Dezember 1994 mit Ausnahme der Hauptferien in der eingangs genannten Weise beschäftigt worden sein, so lägen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzugen der genannten Zusammenrechnung vor, weil durch die dann in allen Wochen dieses Zeitraumes und somit regelmäßig ausgeübte Beschäftigung der Erweis einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung erbracht wäre. Es läge dann auch die erforderliche Parallelität von mehr als 18 Wochen vor.
Da die entscheidende Rechtsauffassung der belangten Behörde rechtsirrig ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - begrenzt durch das Begehren des Beschwerdeführers - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996080150.X00Im RIS seit
18.10.2001