Entscheidungsdatum
28.08.2020Norm
BauO NÖ 2014 §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn B, vertreten durch A Rechtsanwälte OG, ***, ***, vom 17. Juli 2020 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 23. Juni 2020, Zl. ***, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 15. Mai 2020, Zl. ***, betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt worden war, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Grundsätzliche Feststellungen:
Herr B (in der Folge: Beschwerdeführer) ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ *** KG ***, mit der topographischen Anschrift *** (***), ***:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
(Quelle: imap Geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 27. Juli 2020)
Für das gegenständliche Grundstück Nr. ***, EZ *** KG *** ist in der Vergangenheit noch nie ein Aufschließungsbeitrag bzw. eine Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung vorgeschrieben worden.
1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Dezember 1998, Zl. *** wurde dem damaligen Eigentümer die baubehördliche Bewilligung zum Neubau eines Einfamilienhauses und einer Garage sowie die Errichtung einer Senkgrube auf den Grundstücken Nr. *** und *** KG *** (***, ***) erteilt.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2006 wurde eine Fertigstellungsanzeige gemäß § 30 NÖ Bauordnung 1996 erstattet.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom
25. Oktober 2006, Zl. ***, wurde dem damaligen Eigentümer die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Ölfeuerungsanlage samt Öllager unter Erteilung von Auflagen erteilt
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. Oktober 2006, Zl-en. *** und ***, wurde die Fertigstellungsanzeige vom 17. Juli 2006 zur Kenntnis genommen.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom
1. Juli 2009, Zl. ***, wurde die Fertigstellungsanzeige betreffend die Ölfeuerungsanlage zur Kenntnis genommen.
1.2.2.
Mit Kaufvertrag vom 28. Jänner 2011 erwarb Herr B (in der Folge: Beschwerdeführer) die verfahrensgegenständliche Liegenschaft.
1.2.3.
Mit einem Schreiben, datiert vom 7. Jänner 2020, beantragte der Beschwerdeführer die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer unterkellerten Garage und Abbruch der bestehenden Garage, auf dem in seinem Eigentum stehenden Bauplatz in ***, ***, Grundstuck Nr. ***, EZ ***, KG ***, Grundbuch ***.
1.2.4.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Februar 2020, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Bewilligung für die Errichtung einer unterkellerten Garage und Abbruch der bestehenden Garage, auf dem in seinem Eigentum stehenden Bauplatz in ***, ***, Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, Grundbuch ***, erteilt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.3.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom
15. Mai 2020, Zl. ***, wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß
§ 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung eine Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe im Betrag von € 7.338,69 vorgeschrieben. Begründend wird dargelegt, dass diese Abgabe aus Anlass einer neuerlichen Baubewilligung vorzuschreiben sei. Die Ergänzungsabgabe sei gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 errechnet worden. Der Einheitssatz beträgt gemäß der Verordnung des Gemeinderates, ab
1. April 2019 € 730,00. Die höchstzulässige Bebauungshöhe für den Bauplatz Gst. Nr. *** sei mit 6,50 m festgelegt. Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, sei der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht. 6,50 m entspreche BK II
Bauklasse II = Bauklassenkoeffizient 1,25
Baupl. Fläche Berechn.- Baukl. Baukl. Baukl.- Einheits- Ergänz.-
Nr. in m² länge koeff.neu koeff.at Differenz satz abgabe
*** 1617,00 40,2120 1,00 € 730,00 € 29.354,76
*** 1617,00 40,2120 2,25 € 730,00 € 36.693,45
40,2120 0,25 € 730,00 € 7.338,69
1.3.2.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass die Baubewilligung lediglich einen Zubau einer Garage anstelle der alten Garage umfasse, wobei eine Gebäudehöhe von 3 Metern nicht überschritten wird und es sich um keine erstmalige Bauführung handle. Die exzessive Auslegung des § 39 sei unzweckmäßig und werde in Niederösterreich nur von wenigen Gemeinden exekutiert, weil die meisten Bürgermeister der Meinung sind, dass dies eine unbillige Härte wäre. Dieses Thema sei auch bereits in öffentliche Diskussionen eingeflossen. Weiters seien in diesem Fall die Erfordernisse des § 38 nicht erfüllbar.
1.3.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 23. Juni 2020, Zl. ***, wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften dargelegt, dass gemäß § 39 Abs. 4 NO Bauordnung 2014 die Ergänzungsabgabe eine ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBI. I Nr. 51/2012, sei. Für die Ergänzungsabgabe gälten die Bestimmungen des § 38 Abs. 4 bis 5 und 9 sinngemäß. Falls bisher kein Aufschließungsbeitrag und keine Aufschließungsabgabe eingehoben worden sei, gelte auch § 38 Abs. 7 sinngemäß. Wenn eine Ergänzungsabgabe nach Abs. 1 für Bauplatze im Baulandbereich ohne Bebauungsplan vorzuschreiben ist, betrage der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern auf den neugeformten Bauplätzen nicht Gebäude mit einer Höhe zulässig sind, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. Anlässe für die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe nach § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 idF LGBL. Nr. 53/2018, seien Neu- und Zubauten (auch sog. „Wiedererrichtung“). Rechtlich folge daraus, dass die Ergänzungsabgabe nach
§ 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 vorzuschreiben sei, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes erteilt wird, wobei es sich bei der mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde ***, als Baubehörde 1. Instanz, vom 21. Februar 2020, zu Zl. ***, bewilligten Neuerrichtung einer unterkellerten Garage (und Abbruch der bestehenden Garage), zweifelsfrei handle.
1.4. Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe auf Basis der Bauklasse Il bereits verjährt sei und damit als vorgeschrieben und entrichtet gelte. Eine abermalige Vorschreibung auf Basis des Bauklassenkoeffizienten 1,25 sei nicht möglich. Spätestens bereits bei Erteilung der Baubewilligung im Jahr 1998 sei ein Gebäude entsprechend der Bauklasse Il bewilligt worden und habe diese Bewilligung die Abgabenpflicht ausgelöst. Damals hätte eine Vorschreibung erfolgen müssen. Aus dem bewilligten Einreichplan ergebe sich, dass die baubehördliche Bewilligung am 21. Dezember 1998 erteilt worden sei. Damals habe es auch keinen Bebauungsplan gegeben. Im Rahmen der NÖ Bauordnung 1996 sei in Bereichen ohne Bebauungsplan aus Anlass der Bauplatzerklärung immer nur der Bauklassenkoeffizient 1,0 anzuwenden gewesen. Zum Zeitpunkt der Baubewilligung 1998 sei die Bauklasse Il erlaubt/bewilligt gewesen.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Marktgemeinde *** sowie durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Bauordnung 2014:
Bauplatz, Bauverbot
§ 11. (1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder
5. durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß.
Aufschließungsabgabe
§ 38. (1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist. Die Aufschließungsabgabe nach Z. 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3, vorletzter Satz, bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
…
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden. …
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
o bis zu 0,8 1,5
o bis zu 1,1 1,75
o bis zu 1,5 2,0 und
o bis zu 2,0 2,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. …
Ergänzungsabgabe
§ 39. (1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) ist dem Eigentümer mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 bzw. mit Erlassung des Umlegungsbescheides nach § 44 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird. …
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Anzeige der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;
z. B. 3 Bauplätze neu (1, 2, 3), 2 Bauplätze alt (a, b)
EA = [(BL1 + BL2 + BL3) – (BLa + BLb)] x BKK x ES
EA/m (Ergänzungsabgabe pro Meter) = EA : (BL1 + BL2 + BL3)
EA für Bauplatz 1 = EA/m x BL1
EA für Bauplatz 2 = EA/m x BL2
EA für Bauplatz 3 = EA/m x BL3
Erfolgt die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für einen Bauplatz, der durch eine Teilfläche des Grundstücks vergrößert wurde, für das eine Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 vorgeschrieben wurde, sind die entrichteten Teilbeträge anteilsmäßig zu berücksichtigen. Der Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis des Ausmaßes der Teilfläche zum Gesamtausmaß der Grundstücksfläche, für die die Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 entrichtet wurde. Bei der Berechnung der auf den Anteil entfallenden Vorauszahlung ist der Einheitssatz, der der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zu Grunde zu legen ist, heranzuziehen. …
(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes – ausgenommen Gebäude im Sinn des § 18 Abs. 1a Z 1 – oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und
- bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976 bzw. NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder
- bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe oder
- anlässlich einer Baubewilligung ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung
- kein oder
- ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan ist ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde. Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert:
BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
….
2.3. Verordnung der Marktgemeinde *** idF ab 1. April 2019:
Der Einheitssatz zur Berechnung der Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 6 NÖ Bauordnung wird mit € 730,- festgesetzt.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
3.1.1.
In der Sache ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungen außer Streit stehen.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe dem Grunde nach erfolgen durfte.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 beträgt der Bauklassenkoeffizient in der Bauklasse I 1,00 und bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. Im vorliegenden Fall entspricht die bewilligte Gebäudehöhe des errichteten Einfamilienhauses der Bauklasse II, sodass von einem Bauklassekoeffizienten von 1,25 auszugehen ist.
3.1.4.
Gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 ist eine Ergänzungsabgabe auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht, angewendet wurde.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde.
Hierzu ist hervorzuheben, dass für das gegenständliche Grundstück noch nie ein Aufschließungsbeitrag bzw. eine Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung vorgeschrieben worden ist.
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten war daher der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abzuziehen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz zu multiplizieren.
3.1.5.
Im vorliegenden Fall ist nun mit - rechtskräftigem - Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 21. Februar 2020 auf dem Grundstück Nr. *** EZ *** KG *** die Errichtung einer unterkellerten Garage und Abbruch der bestehenden Garage genehmigt worden.
Hervorzuheben ist, dass iSd § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 bei der Bauplatzerklärung im Jahre 1998 keine Aufschließungsabgabe (bzw. Aufschließungsbeitrag) vorgeschrieben worden ist.
Gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 beträgt der Bauklassenkoeffizient im Baulandbereich ohne Bebauungsplan der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25.
Nachdem im vorliegenden Fall aber von der mitbeteiligten Marktgemeinde *** für das verfahrensgegenständliche Grundstück kein Bebauungsplan erlassen wurde, ist die Bestimmung des § 39 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 2014 in Zusammenhang mit § 38 Abs. 5 zu lesen.
Der in § 39 Abs. 3 3. Satz NÖ Bauordnung 2014 etablierte Berechnungsmodus für die Ergänzungsabgabe unterstellt die Fiktion, dass ua. für alle bebauten Baulandgrundstücke bereits Beiträge geleistet wurden. Allerdings lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der Abgaben nachvollziehen, dass derartiges in etlichen Fällen nicht der Realität entspricht. So gab es beispielsweise für Altbauten (vor 1970) auf Grundstücken, die noch nicht Bestandteil einer „Parzellierung auf Bauplätze“ waren, und Altbauten (seit 1970), in Bereichen, für die zur Zeit der Errichtung noch kein FWP vorhanden war, noch keinen Abgabentatbestand.
Auch in solchen Fällen, in denen die Ergänzungsabgabe aufgrund eines mit der Novelle LGBl Nr. 53/2018 eingefügten Anlassfalles auf einem Bauplatz, für den noch nie eine Aufschließungsleistung (auch nicht nach der BO für NÖ 1883) verlangt wurde, vorzuschreiben ist, ist sie nach derselben Berechnungsmethode zu ermitteln wie auch bei den bereits vorher geltenden Fällen. Die Berechnung erfolgt sinngemäß, indem von dem im Zeitpunkt des Anlassfalles anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten die in der Formel enthaltene Mindestzahl 1 abgezogen wird. Die Ergänzungsabgabe ist damit gleich hoch, da konkrete Vorleistungen (Beträge) in der Formel des § 39 Abs. 1 leg.cit. rechnerisch nicht berücksichtigt werden (vgl. Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht 2. Aufl. S. 322 f.)
Letztlich war daher im vorliegenden Fall die Differenz im Bereich des Bauklassekoeffizienten von 0,25 (i.e. heute geltender BKK von 1,25 – 1,00) mit der Berechnungslänge des Bauplatzes (40,212) und dem zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung geltenden Einheitssatz (€ 730,-) zu multiplizieren.
3.1.6.
Im Ergebnis haben die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde dem Grunde nach zu Recht eine Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe mit Abgabenbescheid vorgeschrieben (vgl. VwGH 2002/17/0334). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesen Überlegungen folgt, dass für das gegenständliche Verfahren der in der maßgeblichen Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** ab 1. April 2019 festgelegte Einheitssatz von € 730,- heranzuziehen war.
3.1.7.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich somit, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgericht aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
3.1.8.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Berechnung; Zeitbezogenheit;Anmerkung
VwGH 26.05.2021, Ra 2021/13/0007-7, AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.797.001.2020Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021