Index
90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Aufhebung des Bescheides betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen einer mittels Section Control festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung im Anlassfall; Verletzung im Eigentumsrecht wegen fehlender Rechtsgrundlage mangels ordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch VerordnungSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25. Juli 2005 wurde die Beschwerdeführerin gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO 1960) bestraft, weil sie auf der Westautobahn (A 1) bei Straßenkilometer 178.220 in Richtung Wien, Messstrecke 10.961 Meter, mit einem Kraftfahrzeug die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um durchschnittlich 7 km/h überschritten habe. Die Überschreitung sei mit dem automatischen Geschwindigkeitsmesssystem (Section Control) festgestellt worden.
Gegen diese Strafverfügung legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25. Jänner 2006 wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe iHv € 29,- wegen der bereits in der Strafverfügung beschriebenen Tat verhängt.
1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. August 2006 keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der sowohl die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als auch die Verfassungswidrigkeit der §100 Abs5b StVO 1960, §103 Abs2 Kraftfahrgesetz (im Folgenden: KFG 1967) und §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde ist begründet.
1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2. Mit Erkenntnis vom 15. Juni 2007, G147,148/06 ua., hob der Verfassungsgerichtshof §100 Abs5b StVO 1960 nicht als verfassungswidrig auf und stellte im Übrigen das von Amts wegen eingeleitete Verfahren ein. Im Hinblick auf die in §100 Abs5b StVO 1960 enthaltene Formulierung "bestimmte Wegstrecke" hat der Gerichtshof festgehalten, dass die Festlegung und Anordnung der Wegstrecke den datenschutzrechtlichen Anforderungen an das automatische Geschwindigkeitsmesssystem entsprechend durch Verordnung erfolgen muss.
Da die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Wegstrecke auf der A 1 auf der die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der Beschwerdeführerin mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems festgestellt wurde, nicht durch Verordnung iSd Erkenntnisses vom 15. Juni 2007, G147,148/06 ua., näher angeordnet war, entbehrt der angefochtene Bescheid insoweit der Rechtsgrundlage, als die Messstrecke nicht ordnungsgemäß iSd §100 Abs5b StVO 1960 festgelegt war.
Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.
4. Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-
enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, Straßenpolizei, GeschwindigkeitsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1657.2006Dokumentnummer
JFT_09929380_06B01657_00