Entscheidungsdatum
05.05.2021Norm
SPG-Novelle 2013 §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Warum als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 16.03.2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gem. § 50 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm. § 25a VwGG eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang und entscheidungswesentliche Feststellungen:
1.1. Mit Beschluss vom 22.9.2017, ***, gab das Bezirksgericht *** dem Antrag von B, geb. am ***, dahingehend statt, dass es gegen dessen leibliche Mutter A, geb. am *** (die nunmehrige Beschwerdeführerin), eine einstweilige Verfügung erließ, in der der Beschwerdeführerin (in der EV als Gegnerin der gefährdeten Partei bezeichnet) aufgetragen wurde wie folgt:
„1.) Der Gegnerin der gefährdeten Partei wird aufgetragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei, wovon lediglich begleitete Besuchskontakte in den Räumen der D für die Dauer der Besuchskontakte ausgenommen sind, zu unterlassen.
2.) Der Gegnerin der gefährdeten Partei wird der Aufenthalt an folgenden Orten verboten:
? Wohnhaus und Nebengebäude, ***, ***, in und vor sämtlichen Gebäuden und im Umkreis von 100 Metern,
? Volksschule, ***, ***, in und vor dem Gebäude sowie der dazugehörigen Flächen und im Umkreis von 100 Metern,
? Fußballplatz, ***, ***, auf und vor dem Fußballplatz und im Umkreis von 100 Metern,
? Kinderschutzzentrum ***, ***, ***, in und vor dem Gebäude und im Umkreis von 50 Metern.
3.) […] diese einstweilige Verfügung gilt bis zum 20.09.2018.
[…]“
Der rechtlichen Begründung des Beschlusses ist zu entnehmen, dass das Bezirksgericht *** diesen auf § 382e Exekutionsordnung (EO) gestützt hat.
1.2. Mit Beschluss vom 3.6.2020, ***, verlängerte das Bezirksgericht *** die Geltungsdauer der „einstweiligen Verfügung vom 22.9.2017, *** deren Geltungsbereich mit hg. Beschluss vom [2.11.2017] (ON ***) erweitert worden war, […] bis zum 5.3.2021 […]“
Der rechtlichen Begründung des Beschlusses ist zu entnehmen, dass das Bezirksgericht *** diesen wiederum auf § 382e EO gestützt hat.
1.3. Mit Straferkenntnis vom 16.3.2021, ***, legte die Bezirkshauptmannschaft Gmünd (im Folgenden: Belangte Behörde) der Beschwerdeführerin nachstehende Verwaltungsübertretung zur Last:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 27.01.2021, 16:15 Uhr
Ort: Gemeindegebiet ***, ***, und ***
Tatbeschreibung:
Am 27.01.2021 wurde vom BG *** eine einstweilige Verfügung *** erlassen, wonach Ihnen folgende Verhaltensweise untersagt wurde: Annäherung an ihren Sohn B. Sie haben gegen diese getroffenen Anordnung verstoßen, indem Sie mit Ihrem PKW neben dem Gehsteig - auf dem Ihr Sohn B ging - angehalten und diesen durch das heruntergelassene Beifahrerfenster mit den Worten: "Ich freue mich. wenn wir wieder Kontakt haben" angesprochen haben. Sie sind dann Ihrem davonlaufenden Sohn mit dem Auto gefolgt und haben zu ihm - nachdem Sie diesen eingeholt hatten - gesagt: "Lauf nicht davon vor mir".
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
Artikel 2 § 1 Abs 1 SPG-Novelle 2013 i.d.F. Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl. I Nr.
105/2019“
Die belangte Behörde verhängte über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von 110,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 73 Stunden) und verpflichtete sie zum Tragen der Verfahrenskosten in Höhe von 10,- Euro gem. § 64 Abs. 2 VStG.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Tatvorwurf auf den Angaben der Anzeige der PI *** vom 10.2.2021 fuße. Am 28.1.2021 habe Herr C bei der Polizei zur Anzeige gebracht, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn trotz aufrechter einstweiliger Verfügung, mit welcher ihr der Kontakt zu ihrem Sohn nur in Begleitung einer Kontaktperson erlaubt sei, Kontakt gehabt hätte. Es sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin Erledigungen in *** gehabt hätte und ihren Sohn zufällig am Gehsteig gesehen hätte, während sie mit dem Auto gefahren sei. Sie hätte daraufhin die Beifahrerscheibe des Autos heruntergelassen und ihren Sohn angesprochen. Dies sei als Kontakt, wenn auch sehr kurz, zu werten gewesen. Damit sei dem Zweck der einstweiligen Verfügung widersprochen worden, weshalb die Beschwerdeführerin, der in jedem Fall fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei, zu bestrafen gewesen sei.
1.4. Dem Straferkenntnis vorangegangen war die „Aufforderung zur Rechtfertigung“ vom 12.2.2021 der belangten Behörde, gerichtet an die Beschwerdeführerin. Im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin angelastete Verwaltungsübertretung entspricht der Wortlaut der Aufforderung zur Rechtfertigung dem Spruch des in weiterer Folge ergangenen Straferkenntnisses.
Die Beschwerdeführerin richtete am 4.3.2021 per E-Mail eine Rechtfertigung an die belangte Behörde.
1.5. Gegen das Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15.4.2021, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tag, gegen das Straferkenntnis Beschwerde. In der Beschwerde wird zusammengefasst ausgeführt, dass am 7.1.2021 eine Besuchsbegleitung der Beschwerdeführerin mit ihrem minderjährigen Sohn hätte stattfinden sollen, welche jedoch nicht zustande gekommen sei. Stattdessen habe eine Interaktionsbeobachtung am 26.2.2021 stattgefunden. Die Beschwerdeführerin habe zum vorgeworfenen Zeitpunkt ihr Kind davon lediglich in Kenntnis setzen wollen, damit sich ihr Sohn nicht von der Beschwerdeführerin im Stich gelassen fühle. Sie habe ihr Kind nicht verfolgt. Der Kontakt sei rein zufällig gewesen als sie einkaufen gefahren sei. Seit Jahren werde der Beschwerdeführerin außerdem der Kontakt zu ihrem Sohn vorenthalten. Die Verwaltungsstrafe sei völlig ungerechtfertigt, weil die Justiz, welche die genannten einstweiligen Verfügungen erlassen habe, im Fall der Beschwerdeführerin seit Jahren gegen die Menschenrechte verstoßen würde. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, sie hätte ihrem Kind nichts getan, und dass sie ein Recht auf Erziehung und Pflege ihres Kindes hätte.
1.6. Mit Schreiben vom 15.4.2021 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht NÖ zur Entscheidung vor und gab bekannt, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.
2. Beweiswürdigung:
Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, ***, darin inliegend insbesondere die Anzeige der PI *** vom 28.1.2021 bzw. 10.2.2021, die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.2.2021, das angefochtene Straferkenntnis sowie die Beschlüsse des Bezirksgerichtes *** vom 22.9.2017, ***, und 3.6.2020, ***, betreffend die Erlassung Einstweiliger Verfügungen, welche zusätzlich dem erkennenden Gericht von der belangten Behörde übermittelt wurden und dem Gerichtsakt zu entnehmen sind.
3. Rechtslage:
3.1. § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet auszugsweise:
„Erkenntnisse(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
[…]“
3.2. § 382g und § 382e Exekutionsordnung, idF. BGBl. I 105/2019, (EO), lauten auszugsweise:
„Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre
§ 382g. (1) Der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre kann insbesondere durch folgende Mittel gesichert werden:
1. Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei,
2. Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme,
3. Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten,
4. - 7. […]
8. Verbot, sich der gefährdeten Partei oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern.
(2) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 kann längstens für ein Jahr angeordnet werden; § 382b Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden. Gleiches gilt für eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner.
[…]
Allgemeiner Schutz vor Gewalt(1) Das Gericht hat einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag
1.
den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten,
2.
aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden und
3.
zu verbieten, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern,
soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.
(2) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 kann längstens für ein Jahr angeordnet werden; § 382b Abs. 2 zweiter Satz ist anzuwenden. Gleiches gilt für eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandeln durch den Antragsgegner.
(3) § 382c Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Wird eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 gemeinsam mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 erlassen, so gelten § 382b Abs. 3 und § 382c Abs. 4 sinngemäß.
(4) Das Gericht kann mit dem Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 die Sicherheitsbehörden betrauen. § 382d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden. Im Übrigen sind einstweilige Verfügungen nach Abs. 1 nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen.“
3.3. Das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige
Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die
Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, BGBl. I 2013/152 idF
BGBl. I 105/2019, (SPG-Novelle 2013), lautet auszugsweise wie folgt:
„Strafbestimmung bei Zuwiderhandeln gegen einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und Eingriffen in die Privatsphäre sowie gegen Schutzmaßnahmen(1) Wer einer in einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall und § 382g Abs. 1 Z 1, 3 und 8 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl. Nr. 79/1896, oder in einer nach § 420 EO angeordneten Vollstreckung einer ausländischen Schutzmaßnahme getroffenen Anordnung zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.
(2) Von der Verhängung einer Strafe ist abzusehen, wenn auf Grund des Verstoßes gegen eine Anordnung im Sinne des Abs. 1 vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung einer Exekution gemäß § 355 EO bereits eine Strafe verhängt wurde.
Vollziehung[…]
(1) Die §§ 1 und 2 treten mit 1. September 2013 in Kraft.
(2) § 1 Abs. 1 in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, tritt mit 01.01.2020 in Kraft. Die Bestimmung ist in dieser Fassung auf strafbare Handlungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden.“
3.4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lauten auszugsweise wie folgt:
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1.
die als erwiesen angenommene Tat;
2.
die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3.
die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4.
[…]
5.
im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1.
die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
[…]“
4. Erwägungen:
4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) kommt es beim Erfordernis einer genauen Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z 1 VStG darauf an, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (so etwa bspw. VwGH 3.3.2021, Ra 2021/03/0031, mwH). Gem. § 32 Abs. 2 VStG stellt z. B. die Aufforderung zur Rechtfertigung eine Verfolgungshandlung dar. Ebenso ist das Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten (vgl. VwGH 5.9.2013, 2013/09/0065).
4.2. Die belangte Behörde hat sich bei Erlass des gegenständlichen Straferkenntnisses allerdings außerhalb des von der Rechtsprechung aufgestellten Rahmens bewegt:
4.2.1. Dem Spruch des Straferkenntnisses und gleichlautend der, gem. § 32 Abs. 2 VStG eine Verfolgungshandlung bildenden Aufforderung zur Rechtfertigung ist zum einen zu entnehmen, dass am „27.1.2021 […] vom [Bezirksgericht] *** eine einstweilige Verfügung *** erlassen“ worden sei.
Tatsächlich stammt nun keine der zwei hier maßgeblichen Einstweiligen Verfügungen des Bezirksgerichtes *** vom 27.1.2021. Auch kann die angeführte Geschäftszahl nicht eindeutig zugeordnet werden, ist die Aktenzahl der Einstweiligen Verfügung vom 22.9.2017 denn „***“ und jene des Beschlusses vom 5.6.2020 ***.
4.2.2. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin folgende Verhaltensweise untersagt werde: „Annäherung an ihren Sohn B.“ Dieser getroffenen Anordnung sei die Beschwerdeführerin dadurch nicht nachgekommen, als dass sie mit dem PKW neben dem Gehsteig, auf dem ihr Sohn gegangen sei, angehalten habe und ihn angesprochen habe.
In Spruchpunkt 1. des Beschlusses des Bezirksgerichts *** vom 22.9.2017 wurde der Beschwerdeführerin „das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei“ untersagt. In Spruchpunkt 2. wurde ihr außerdem der Aufenthalt an näher bezeichneten Orten, jeweils samt einem bestimmten Umkreis, verboten.
Wie auch jeweils den rechtlichen Begründungen der Beschlüsse des Bezirksgerichtes *** zu entnehmen ist, handelt es sich um auf § 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 EO gestützte Einstweilige Verfügungen, kann denn gem. Z 1 der Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten verboten und gem. Z 2 dem Gefährder aufgetragen werden, das Zusammentreffen mit der gefährdeten Person zu vermeiden.
Für den vorliegenden Fall ist dies insofern von Bedeutung, als § 382g EO eine weitere Rechtsgrundlage zum Erlass einer Einstweiligen Verfügung vorsieht. Gemäß § 382g Abs. 1 Z 8 leg. cit. kann etwa das „Verbot, sich der gefährdeten Partei oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern“ ausgesprochen werden. Gem. § 382g Abs. 1 Z 1 leg. cit. wiederum kann der Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre durch das „Verbot persönlicher Kontaktaufnahme sowie Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei“ gesichert werden. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen der Annäherung einerseits und der persönlichen Kontaktaufnahme andererseits bereits innerhalb des § 382g EO differenziert. In § 382e EO findet sich darüber hinaus keine explizite Rechtsgrundlage dafür, das Verbot einer Annäherung als solche auszusprechen – wie sie eben in § 382g normiert ist.
4.2.3. Daraus folgt im Ergebnis, dass die belangte Behörde die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Tat nicht unverwechselbar konkretisiert hat, sodass der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses nicht jenen Anforderungen entspricht, die § 44a Z 1 VStG und die dazu entwickelte höchstgerichtliche Rechtsprechung aufgestellt haben.
An die Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG – gegenständlich die Aufforderung zur Rechtfertigung – sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außerdem dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/04/0020).
4.3. Da es dem erkennenden Gericht verwehrt ist, die vorgeworfene Tat auszuwechseln und gegenständlich auch keine Korrektur des Spruchs in Frage kommt, war das Straferkenntnis somit aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen (vgl. VwGH 7.3.2017, Ra 2016/02/0271).
4.4. Der Vollständigkeit halber angemerkt wird, dass die Aufhebung des Straferkenntnisses lediglich aus formalen Gründen erfolgt. Diese Entscheidung hat überdies keinen Einfluss auf die Gültigkeit der – weiterhin einzuhaltenden – Einstweiligen Verfügungen des Bezirksgerichtes ***.
5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gem. § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer – im Übrigen auch nicht beantragten – mündlichen Verhandlung entfallen.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und diese auch nicht als uneinheitlich zu beantworten wäre.
Schlagworte
Ordnungsrecht; Sicherheitspolizei; Verwaltungsstrafe; Tatumschreibung; Konkretisierung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.885.001.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021