Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §356 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Sentaspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der F in München, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. November 1996, Zl. WST1-BA-9674, betreffend Zurückweisung von Berufungen betreffend die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: M in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 12. Jänner 1990 der mitbeteiligten Partei die Änderung der Fleischhauereibetriebsanlage in einem näher bezeichneten Standort durch die Errichtung und den Betrieb eines Schlachtaufzuges und einer Rohrbahn genehmigt und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 27. September 1990 die Betriebsbewilligung erteilt.
Den von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufungen wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. November 1996 "gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 356 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 nicht Folge gegeben".
In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die beiden Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Amstetten (vom 12. Jänner 1990 und vom 27. September 1990) seien am 24. Jänner 1990 und am 1. Oktober 1990 mit der Zustellung in Rechtksraft erwachsen. Den Verfahren zur Erlassung dieser beiden Bescheide sei die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des an die Betriebsanlage angrenzenden Grundstückes W-Straße 36 nicht beigezogen worden. Die Ladung zu den den beiden Bescheiden vorangegangenen Verhandlungen am 14. Dezember 1989 und am 12. September 1990 sei nur an den am Grundstück W-Straße 36 ein Wohnrecht innehabenden P ergangen. Der im Berufungsakt enthaltenen Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 12. September 1996 sei zu entnehmen, daß sich die Beschwerdeführerin durch die Fleischhauereibetriebsanlage belästigt fühle, nämlich durch den von der Kühlanlage, dem Motor und dem Schlachtaufzug ausgehenden Lärm - insbesondere in der Nacht - sowie durch den vom Kamin des Selchraumes ausgehenden Geruch. In der als "Einspruch" bezeichneten Berufung vom 17. September 1996 machte die Beschwerdeführerin einerseits ihre Stellung als übergangene Partei andererseits die zuvor erwähnten Belästigungen geltend. Die gegenständliche Änderung der Fleischhauereibetriebsanlage sowie die Erteilung der Betriebsbewilligung sei nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 erfolgt. Mit § 356 Abs. 3 leg. cit. in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 sei es gegenüber der Rechtslage vor 1988 zu einer Verschärfung der Präklusionsbestimmungen zum Nachteil der übergangenen Nachbarn gekommen. Denn (spätestens) mit Rechtskraft der Entscheidung der Angelegenheit (hier: Änderung der Fleischhauereibetriebsanlage und Erteilung der Betriebsbewilligung für den Schlachtaufzug und eine Rohrbahn) sei gegenüber den Nachbarn des Betriebes - insofern sie nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben hätten - Präklusion eingetreten. Diese Nachbarn könnten ab diesem Zeitpunkt zulässigerweise keine Einwendungen mehr erheben und damit auch keine Parteistellung erlangen. Die im gegenständlichen Verfahren durchgeführten Verhandlungen seien von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten am 14. Dezember 1989 und am 12. September 1990 durchgeführt worden, wobei bei beiden Verhandlungen P anwesend gewesen sei. Er habe in beiden Verhandlungen erklärt, keine Einwendungen zu erheben. Die Beschwerdeführerin habe erst sechs Jahre nach Rechtskraft der beiden Bescheide Belästigungen durch Lärm und Geruch geltend gemacht und auf ihre Stellung als übergangene Partei hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten "insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 356 Abs. 1 GewO eine ordnungsgemäße Ladung an mich als unmittelbar an das Betriebsgrundstück angrenzende Grundeigentümerin nicht vorgenommen hat und ich auf Grund dieses Mangels meine subjektiv-öffentlichen Rechte im Verfahren, an dem ich ohne mein Verschulden nicht teilnehmen konnte, nicht wahrnehmen konnte". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes wird näher ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der an das Betriebsgrundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke zur Augenscheinsverhandlung hätte persönlich geladen werden müssen, eine solche Ladung aber durch Verschulden der Genehmigungsbehörde nicht erfolgt sei. Die Genehmigungsbescheide seien gegenüber der Beschwerdeführerin nicht in Rechtskraft erwachsen. Nach Kenntnisnahme hätte die Beschwerdeführerin sofort ihr Anliegen geltend gemacht und seien im Schriftsatz vom 17. September 1996 umfangreiche Einwendungen vorgebracht worden.
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Parteien im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlagen oder die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.
Wie sich aus dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt, vermag die Erhebung von Einwendungen erst nach Ablauf der im § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 genannten Frist die Parteistellung des Nachbarn auch dann nicht mehr zu bewirken, wenn diesem an der Versäumung dieser Frist kein Verschulden trifft, oder die Fristversäumung durch einen Verfahrensverstoß seitens der Behörde bewirkt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 96/04/0240). Gleiches hat für die Erhebung von Einwendungen nach rechtskräftiger Entscheidung der Angelegenheit zu gelten, weil (nachträgliche) Einwendungen nach § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 jedenfalls nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorgebracht werden dürfen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 94/04/0257).
Hat aber die Beschwerdeführerin solcherart rechtzeitig keine (geeigneten) Einwendungen erhoben, so hat sie nach der diesbezüglich eindeutigen Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 Parteistellung nicht erlangt, sodaß ihr gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 auch nicht das Recht zur Erhebung der Berufung zustand. Die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde erweist sich damit als frei von Rechtsirrtum.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997040030.X00Im RIS seit
20.11.2000