Entscheidungsdatum
28.05.2021Norm
StVO 1960 §20 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) erkennt durch Dr. Klaus Vazulka als Einzelrichter über die Beschwerde des A, ***, ***, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 1.3.2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§§ 44 Abs. 1, 50 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§§ 45 Abs. 1 Z. 1, 25 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG
§§ 20 Abs.2, 99 Abs.2d Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO
§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Die Bezirkshauptmannschaft Melk hat am 1.3.2021, Zl. ***, gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer nachstehendes Straferkenntnis erlassen:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 01.10.2020, 14:56 Uhr
Ort: Gemeindegebiet *** auf der Autobahn *** nächst
Strkm. ***, Fahrtrichtung *** (Mobiles Radar, Freiland)
Fahrzeug: ***, Personenkraftwagen
Tatbeschreibung:
Auf der Autobahn schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren.
188 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 10 km/h Messtoleranz.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 20 Abs.2 StVO 1960, § 99 Abs.2e StVO 1960
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
€ 450,00 208 Stunden § 99 Abs.2e StVO 1960
Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs.2
Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der
Strafe, mindestens jedoch 10 Euro € 45,00
Gesamtbetrag: € 495,00
Zahlungsdaten:
IBAN: ***
Bank: ***
Referenznummer: ***
Zahlungsfrist:
Wenn Sie kein Rechtsmittel einbringen, haben Sie den Geldbetrag binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Bei Verzug müssen Sie damit rechnen, dass Mahngebühren in der Höhe von € 5,00 anfallen, der Betrag zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird.
Begründung
Das Straferkenntnis gründet sich auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren sowie auf die Anzeige der NÖ Landespolizeidirektion, Landesverkehrsabteilung *** vom 02.11.2020.
Da der Sachverhalt von im Dienst befindlichen Organen der Straßenaufsicht wahrgenommen wurde, kann die Verwaltungsübertretung auch entgegen Ihrer Rechtfertigung als erwiesen angenommen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Hinsichtlich des Verschuldens ist auf § 5 Abs.1 VStG zu verweisen, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung kein Verschulden trifft. Es gilt daher die Rechtsvermutung für das Verschulden des Beschuldigten, der in Umkehrung der Beweislast seine behauptete Schuldlosigkeit durch Beibringung von Beweismitteln nachzuweisen hat.
Dieser Entlastungsbeweis ist jedoch nicht gelungen.
Zur Strafbemessung wurde erwogen:
Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Weiters sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten zu berücksichtigen.
Folgende Umstände wurden berücksichtigt:
Geschätztes Monatseinkommen von € 2.000,-- netto
Mildernd: keine Umstände
Erschwerend: keine Umstände
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die verhängte Geldstrafe angemessen,
sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen.
Die Kostenentscheidung bezieht sich auf die angeführte Gesetzesstelle.“
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde wörtlich ausgeführt:
„In umseits bezeichneter Rechtssache erhebt der Beschwerdeführer (Bf) gegen das Straferkenntnis der BH Melk vom 01.03.2021 zur GZ: *** binnen offener Frist
BESCHWERDE
1. Der Bf bestreitet weiterhing die ihm vorgeworfene Tat begangen zu haben.
2. Entgegen dem bereits gestellten Antrag des Bf wurden die für das Messgerät verantwortlichen Beamten nicht als Zeugen einvernommen. Die bloß schriftliche Stellungnahme kann eine Einvernahme als Zeuge unter Wahrheitspflicht nicht erstsetzen.
3. Im Übrigen erschöpft sich die Stellungnahme in der Behauptung, die Aufstellung hätte entsprechend den Verwendungsbestimmungen stattgefunden. Aufgrund dieser allgemein gehaltenen Behauptung ist dies nicht zu überprüfen, insbesondere dann nicht, wenn die Verwendungsbestimmungen nicht vorgelegt werden. Die Überprüfung der Einhaltung der Verwendungsbestimmungen eines Geschwindigkeitsmessgeräts gehören zur amtswegigen Feststellung des relevanten Sachverhalts. Ein Rechtsunterworfener kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, selbst diese Verwendungsbestimmungen beizuschaffen, zu deren Überprüfung (bzw. zur Prüfung deren Einhaltung) die Behörde von Amtswegen verpflichtet ist.
4. Der Bf erneuert daher den Antrag auf Beischaffung der Bedienungsanleitung und der Verwendungsbestimmungen des Messgeräts. Dem stehen auch die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes nicht im Wege.
5. Aus dem beigeschafften Eichschein ist ersichtlich, dass dieser nicht nur durch Zeitablauf sondern auch durch die im § 48 MEG genannte Gründe seine Gültigkeit verliert. Dies wird amtswegig zu prüfen sein.
Beweis: Einvernahme des Bf
Einvernahme der messenden Beamten als Zeugen
Beischaffung der Bedienungsanleitung des Messgeräts
Beischaffung der Verwendungsbestimmungen des Messgeräts
Es ergeht daher der
ANTRAG
eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die angebotenen Beweise durchzuführen, der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das LVwG hat Einsicht genommen in den verwaltungsbehördlichen Akt und legt dessen unbedenklichen Inhalt seinem weiteren Verfahren zu Grunde.
Die Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen wurden weder der Verwaltungsbehörde, noch dem LVwG trotz telefonischer Anforderung bei der LPD NÖ mit der Begründung vorgelegt, dass mit dem Hersteller des Radargerätes schriftlich vereinbart worden wäre, diese Unterlagen nicht weiterzugeben. Schlussendlich wurde seitens der LPD NÖ zugesagt, diese dem Zeugen (messenden Beamten) zur mündlichen Verhandlung vor dem LVwG zur Einsichtnahme mitzugeben. Der Zeuge C erschien allerdings zu dieser Verhandlung ohne die Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen und erklärte, sein Vorgesetzter habe ihm die Weisung erteilt, dass diese Unterlagen dem LVwG nicht ausgefolgt werden dürfen.
An den konkreten Vorfall könne er sich auf Grund der seither verstrichenen Zeit nicht mehr erinnern.
Er führte weiter aus, Radarmessungen grundsätzlich seit ca. 20 Jahren durchzuführen, mit dem beim Vorfall verwendeten Gerät seit ca. 2007. Dabei handle es sich um ein zweiteilges mobiles Gerät. Er habe eine Einschulung zur Durchführung von Messungen am gegenständlichen Gerät erhalten.
Vor dem jeweiligen Einsatz werde regelmäßig die Radarbox eingemessen, die Radarbox befinde sich dabei parallel zum Fahrbandrand, die Messsonde sei in einem Winkel von ca. 19 Grad eingebaut. Die Radarbox sei auch mit einer Wasserwaage eingemessen worden. Vor dem Einsatz werde noch ein Testfoto aufgenommen.
Nach Durchführung des Testlaufs werde mit den konkreten Messungen begonnen.
Bereits beim Aufbau der zweiteiligen Anlage werde geprüft, ob den Bedingungen des § 48 MEG, die zum Erzielen einer gültigen Messung erforderlich sind, entsprochen würde.
Er könne jedenfalls ausschließen, dass das Messergebnis durch ein anderes Fahrzeug ausgelöst worden sei, da auf dem Radarfoto, das doch einen größeren Winkel abdecke, kein weiteres Fahrzeug ersichtlich sei. Außerdem würde in einem solchen Fall am Foto keine Geschwindigkeitsanzeige erfolgen.
Über Befragen durch den Beschwerdeführervertreter, ob es denkbar wäre, dass das Fahrzeug, das es ausgelöst haben könnte, nicht mehr am Foto ersichtlich sei, antwortete der Zeuge, dass das nicht möglich sei, da die Messung abgebrochen werde, wenn das Gerät erkenne, dass zwei Fahrzeuge im Messwinkel gewesen seien; dies sei durch den Abbruch des Messstrahls bedingt.
Über weitere Befragung durch den Beschwerdeführervertreter antworte der Zeuge, dass er konkret auf das zum Einsatz gekommene Modell eingeschult worden sei. Das Gerät werde alle zwei Jahre gewartet, eine aufrechte Eichung werde durch den Eichschein belegt, im Falle einer Beschädigung werde das Gerät vom Hersteller repariert. Er könne definitiv sagen, dass keine Fehlfunktion des Geräts aufgetreten sei. Ausschließen könne man so etwas jedoch nie, allerdings würde im Fall einer Fehlmessung das Gerät einen entsprechenden Code anzeigen, was bedingen würde, dass das Messergebnis nicht weiter verwertet werde.
Der Beschwerdeführervertreter erklärte abschließend, dass der Sachverhalt seiner Meinung nach nicht hinreichend geklärt sei, da die Verwendungsbestimmungen nicht vorliegen würden. Es treffe die Verwaltungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren eine Mitwirkungspflicht, sämtliche relevante Unterlagen zur Feststellung des erforderlichen Sachverhaltes zur Verfügung zu stellen. Dem ist die belangte Behörde nicht nachgekommen, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und das Beschwerdeverfahren einzustellen sei.
4. Feststellungen:
Es konnte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mangels Vorlage der Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen des zum Einsatz gekommenen Radargerätes nicht geklärt werden, ob alle Bestimmungen eingehalten wurde, die zur Erzielung eines im verwaltungsrechtlichen Strafverfahrens verwertbaren Messergebnisses erforderlich sind. Der Zeuge schilderte zwar das von ihm vorgenommene Prozedere, welches grundsätzlich vor dem Beginn der jeweiligen Geschwindigkeitsmessungen abgewickelt wird, allerdings kann daraus mangels Vorliegen der Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen nicht geschlossen werden, ob dies alle Schritte umfasst, die gegeben sein müssen, um ein gültiges Messergebnis erreichen zu können.
5. Rechtslage:
§ 44 (1) VwGVG: Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
§ 50 (1) leg. cit.: Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
§ 45 (1) Z. 1 VStG: Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet; (…)
§ 25 (2) leg. cit.: Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.
§ 20 (2) StVO: Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
§ 99 (2d) leg. cit.: Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 70 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet.
§ 25a (1) VwGG: Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Art. 133 (4) B-VG: Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
6. Erwägungen:
Bis zuletzt konnte auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden, ob alle Bestimmungen der Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen des verwendeten Radargerätes eingehalten wurden, die zur Erzielung eines im verwaltungsrechtlichen Strafverfahren verwertbaren Messergebnisses notwendig sind. Trotz mehrfacher Aufforderung verweigerte die LPD NÖ die Vorlage dieser Unterlagen an das LVwG. Auch die Zusage, diese zur mündlichen Verhandlung zur Einsichtnahme durch den als Zeugen zu vernehmenden Beamten mitzubringen, wurde nicht eingehalten, da dieser von seinem Vorgesetzten eine entgegengesetzte Weisung erhielt. Der Umsetzung der Bestimmungen der Bedienungsanleitung bzw. der Verwendungsbestimmungen kommt auch deshalb besondere Relevanz zu, da es sich bei dem gegenständlichen Radargerät um eine zweiteilige mobile Einrichtung handelt, vor deren Inbetriebnahme umfangreichere Schritte zu setzen sind, ohne deren Einhaltung keine korrekten Messergebnisse erzielt werden können.
Der Zeuge schilderte in der Verhandlung vor dem LVwG zwar den grundsätzlichen Aufbau des Radargerätes und die von ihm gesetzten Maßnahmen und Handlungen, bevor das Gerät zum Einsatz kam, ob dadurch allerdings sämtliche Vorschriften der Bedienungsanleitung/Verwendungsbestimmungen erfüllt wurden, die zur Erzielung eines verwertbaren Messergebnisses geführt haben, blieb im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ungeklärt. In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach trifft die Beweislast, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdelikts wie vorliegend gesetzt hat, das LVwG (bzw. davor die Verwaltungsbehörde). Eine Umkehrung kann erst dann eintreten, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdelikts feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird (vgl. VwGH 3.10.2013, 2013/09/0107; 12.12.2005, 2005/17/0090). Das LVwG (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) hat allerdings bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die am Verschulden des Beschuldigten zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG befreit derart angesichts des § 25 Abs. 2 VStG das LVwG bzw. die Verwaltungsbehörde nicht von der Verpflichtung, von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie etwa bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. VwGH 17.4.1956, 904/55, VwSlg. 4046 A; 25.10.1996, 95/17/0618, mwH und zuletzt 13.8.2019, Ra 2019/03/0068).
Das LVwG hat von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und -anträgen – wobei im gegenständlichen Fall auch der Beschwerdeführer das Vorlegen der Bedienungsanleitung bzw. der Verwendungsbestimmungen explizit forderte - den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln (vgl. VwGH 15.12.2014, Ro 2014/17/0121). Das LVwG hat darüber hinaus neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des für seine Entscheidung relevanten Sachverhaltes von Bedeutung ist, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. dazu VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041). Bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes sind weiters auch die einen Beschuldigten entlastenden Umstände zu berücksichtigen (vgl. etwa VwGH 29.9.2005, 2005/11/0094, mwH und 11.7.2018, Ra 2018/17/0048).
Die Täterschaft des Beschuldigten blieb daher aus objektiver Sicht ungeklärt. Im Zweifel ist zu Gunsten des Beschwerdeführers festzustellen, dass das ihm angelastete Verhalten und damit die ihm vorgeworfene Tat nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Eine Restmöglichkeit verbleibt allerdings.
Für eine nicht erwiesene Tat darf jedoch niemand bestraft werden; in einem solchen Fall ist das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z.1 VStG einzustellen.
Somit war der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.
Der Grundsatz in dubio pro reo musste zur Anwendung kommen, da die Täterschaft des Beschuldigten strittig blieb bzw. die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände gleiches Gewicht haben (vgl. VwGH 30.01.2015, 2011/17/0081, 24.10.1990, 89/03/0268 und 29.06.2012, 2012/02/0097). Ein gewisses Restrisiko verbleibt aber. Entscheidungswesentlich ist, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich war (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/15/0106).
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
7. Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Radarmessgerät; Verwendungsbestimmungen; Beweismittel;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.751.001.2021Zuletzt aktualisiert am
21.06.2021