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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §68 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Dr. HS, Rechtsanwalt, W, als Masseverwalter im Konkurs des H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. März 1995, Zl. 123.532/3-7/94, betreffend Rückforderung von zu Ungebühr entrichteten Beiträgen gemäß § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
H. führte (jedenfalls) bis einschließlich November 1979 in Lustenau in Vorarlberg einen Stickereibetrieb, in dem er mehrere sozialversicherungspflichtige Dienstnehmer beschäftigte.
Am 13. März 1991 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gegen H. einen Rückstandsausweis betreffend rückständige Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit bis einschließlich November 1979 zuzüglich Verzugszinsen und Gebühren in der Gesamthöhe von S 154.575,78 aus. Aufgrund dieses Rückstandsausweises bewilligte das Bezirksgericht Dornbirn mit Beschluß vom 25. März 1991 zur Zl. E 1965/91 die Exekution durch Pfändung und Überweisung der Dienst(Pensions)bezüge des H. Aufgrund dieser Exekution langten bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bis 4. Oktober 1993 insgesamt S 34.788,-- ein.
Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1991, 4 S 67/91, wurde über das Vermögen des H. der Konkurs eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt. In diesem Verfahren meldete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse (wegen inzwischen erfolgter Überweisungen nur) S 151.836,28 als Konkursforderung an. Da diese Forderung aber Beitragsrückstände aus 1979 und früher betraf, stellte der beschwerdeführende Masseverwalter mit Schreiben vom 17. September 1991 den Antrag, diese Forderung wegen Einforderungverjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG als nicht mehr zu Recht bestehend festzustellen.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 1991 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gemäß den §§ 68, 410 ASVG fest, daß die im genannten Konkursverfahren angemeldete Forderung mit einem Betrag von S 90.608,07 noch nicht (gemäß § 68 Abs. 2 ASVG) verjährt sei, weil die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gegen H. in den Jahren 1978 bis 1981 insgesamt 7 Exekutionsverfahren (erfolglos) geführt, danach, beginnend mit 11. Jänner 1982, H. in Abständen von 22 Monaten hinsichtlich des genannten Betrages gemahnt und dadurch jeweils eine Unterbrechung der Einforderungsverjährung bewirkt habe. Die seit dem ersten Mahnschreiben vom 11. Jänner 1982 aufgelaufenen Verzugszinsen seien nicht mehr eingemahnt worden, sodaß diesbezüglich Verjährung eingetreten sei.
In dem dagegen erhobenen Einspruch gestand der Masseverwalter zwar zu, daß die Sozialversicherungsbeiträge bis einschließlich November 1979 rechtskräftig festgestellt, (samt Zinsen und Kosten) im Konkurs mit insgesamt S 151.836,28 angemeldet und bis 10. Juni 1981 auch hinreichend betrieben worden seien, bestritt aber, daß die angeführten Mahnschreiben eine Unterbrechung der Verjährung nach § 68 Abs. 2 ASVG bewirkt hätten. Er beantragte daher die Abänderung des bekämpften Bescheides dahin, daß die gesamte im Konkurs angemeldete Forderung als verjährt und somit als nicht mehr zu Recht bestehend festgestellt werde.
Mit Bescheid vom 9. Juli 1993 gab der Landeshauptmann von Vorarlberg dem Einspruch Folge und stellte fest, daß die offene Beitragsforderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegen H. verjährt sei; dies mit der Begründung, daß jedenfalls den Mahnschreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nach 1985 nicht mehr die Eignung zur Unterbrechung zugekommen und daher die Einforderungsverjährung hinsichtlich des gesamten strittigen Betrages nach § 68 Abs. 2 ASVG eingetreten sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur Zl. 93/08/0201 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die dieser jedoch mit Erkenntnis vom 30. Mai 1995 - im Ergebnis aus den Gründen des Einspruchsbescheides - abwies.
Aufgrund des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Juli 1993 begehrte der beschwerdeführende Masseverwalter die Rückzahlung des aufgrund des Exekutionsbewilligungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Dornbirn eingebrachten Betrages von S 34.788,--.
Mit Bescheid vom 25. November 1993 lehnte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse diesen Antrag gemäß § 69 in Verbindung mit § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG mit der Begründung ab, daß es sich bei den im Wege der Exekution eingebrachten Beiträgen nicht um zu Ungebühr entrichtete Beiträge im Sinne des § 69 Abs. 1 ASVG handle, weil außer Streit stehe, daß die ursprüngliche Schuld von S 154.575,78 und damit auch die im Exekutionsweg eingebrachte von S 34.788,-- zu Recht bestanden habe bzw. bestehe und nur die Einforderungsverjährung nach § 68 Abs. 2 ASVG festgestellt worden sei. Es bedürfe daher keiner Prüfung der Frage, ob einer Rückforderung nicht auch § 69 Abs. 2 ASVG entgegenstehe.
In dem dagegen erhobenen Einspruch wandte der beschwerdeführende Masseverwalter ein, es könne im Hinblick auf den rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Juli 1993 nicht zweifelhaft sein, daß die mittlerweile bezahlten Beiträge zu Ungebühr im Sinne des § 69 Abs. 1 ASVG entrichtet worden seien. Da die im Exekutionsweg erfolgten Zahlungen nicht als (von H.) freiwillig gewollt, sondern als zwangsläufig anzusehen seien, sei die Rückforderung unter Anwendung der §§ 1431 und/oder 1435 ABGB berechtigt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 69 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung wird ausgeführt, es sei unbestritten, daß die Beitragsschuld für den Zeitraum zwischen Februar 1978 und November 1978 vom Beitragsschuldner im Wege der Exekution bezahlt worden sei und für den genannten Zeitraum aufgrund der damaligen Beschäftigung von Dienstnehmern durch den Beitragsschuldner zu Recht bestehe. Bei den bezahlten Beiträgen handle es sich also nicht um die Zahlung einer Nichtschuld; der rechtliche Grund für die Begleichung der Schuld sei vielmehr weiterhin gegeben. Die von H. für den genannten Zeitraum geleisteten Beiträge seien demnach nicht zu Ungebühr entrichtet worden. In der Folge verneint die belangte Behörde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die vom beschwerdeführenden Masseverwalter vertretene Auffassung einer Anwendbarkeit der §§ 1431 und 1435 ABGB.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der beschwerdeführende Masseverwalter dadurch beschwert erachtet, daß die belangte Behörde seinen Anspruch auf Rückzahlung der als verjährt anerkannten und damit zu Unrecht gezahlten Geldbeträge verneine. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der beschwerdeführende Masseverwalter unter den Gesichtspunkten der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, es sei aufgrund des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Juli 1993 davon auszugehen, daß die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Konkursverfahren angemeldete Forderung an Sozialversicherungsbeiträgen schon zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 13. Juni 1991 verjährt gewesen sei. Daß die danach gezahlten Beträge schon begrifflich als zu Unrecht entrichtet im Sinne des § 69 ASVG anzusehen seien, könne nicht zweifelhaft sein. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (vgl. das Erkenntnis vom 4. März 1959, Zl. 997/58) hätte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sogar von sich aus den entsprechenden Betrag zu berechnen und zurückzuerstatten gehabt. Aufgrund der vom Bezirksgericht Dornbirn ordnungsgemäß bewilligten und vollzogenen Forderungsexekution seien die von der Drittschuldnerin monatlich überwiesenen Beträge auch nicht als freiwillig gewollt, sondern als zwangsläufig anzusehen und unterfielen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung dem § 1431 ABGB. Die auf freiwillig entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen aufbauende Bescheidbegründung erscheine auch in dieser Hinsicht verfehlt. Zum selben Ergebnis gelange man bei Anwendung des § 1435 ABGB. Sollte nämlich der Beitragsrückstand noch bei Einleitung der Exekution zu Recht bestanden haben, so sei mit dem Feststellungsbescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Juli 1993 der Rechtsgrund für den bis dahin geltenden Rückstandsausweis weggefallen. Gerade bei "Aufhören des Leistungsgrundes" seien jedoch die mittlerweile gegebenen Sachen (Leistungen) gemäß § 1435 ABGB zurückzugeben. Es folgen Ausführungen zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 1431 und 1435 ABGB im Verfahren nach § 69 ASVG.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 erster Satz ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Diese Bestimmung gilt nach § 83 ASVG entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.
Entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Masseverwalters folgt nicht schon aus der mit dem rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Juli 1993 festgestellten Verjährung des Rechtes auf Einforderung der festgestellten Beitragsschulden samt Verzugszinsen und Nebengebühren, daß der von H. (im Wege der Exekution) gezahlte Betrag im Sinne der §§ 69 Abs. 1 erster Satz, 83 ASVG zu Ungebühr entrichtet worden sei. Denn normativer Inhalt des Abspruches dieses Bescheides war - den §§ 68 Abs. 2, 83 ASVG entsprechend - nicht die Feststellung des Nichtbestehens dieser Schulden; "festgestellte" Beitragsschulden sind vielmehr - im Gegenteil - eine Voraussetzung eines solchen Bescheides (vgl. die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1986, Zl. 85/08/0116, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0117) und waren es, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, auch im Beschwerdefall. Spruchinhalt war vielmehr ausschließlich das fehlende Recht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf Einforderung dieser festgestellten Schulden.
Diese (jedenfalls ab 13. März 1991) fehlende Einforderungsberechtigung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hatte aber - im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Beschwerde - aus nachstehenden Gründen zur Folge, daß die auf Grund exekutiver Betreibung der Forderung vorgenommene Zahlung als ungebührliche Entrichtung im Sinne der §§ 69 Abs. 1, 83 ASVG zu werten ist:
§ 68 ASVG unterscheidet die Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (Abs. 1) und die Verjährung des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden (Abs. 2). Diese Bestimmungen gelten gemäß § 83 ASVG entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung. Beide Arten der Verjährung sind von Amts wegen wahrzunehmen. Das hat aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die Einforderungsverjährung zur Konsequenz, daß nach Eintritt dieser Verjährung eine Einforderung festgestellter Beitragsschulden sowie festgestellter Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze durch die Gebietskrankenkasse unzulässig ist und daher eine auf einer solchen unzulässigen Einforderung beruhende zwangsweise Einbringung dieser Schulden (anders als eine vom Beitragsschuldner selbst freiwillig vorgenommene Zahlung) bewirkt, daß es sich hiebei um zu Ungebühr entrichtete Beiträge bzw. Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze im Sinne der §§ 69 Abs. 1, 83 ASVG handelt. Im Hinblick darauf bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittigen Frage, ob zumindest in diesem Bereich die bereichungsrechtlichen Normen des ABGB anwendbar sind und bejahendenfalls welches Ergebnis dies im Beschwerdefall haben würde.
Da die belangte Behörde demnach zu Unrecht die Berechtigung zur Rückforderung des im Exekutionsweg eingebrachten Betrages von S 34.788,-- nach § 69 Abs. 1 ASVG verneint hat, eine Prüfung der Frage, ob einer Rückforderung nicht § 69 Abs. 2 ASVG entgegensteht, aber mangels diesbezüglicher Feststellungen nicht möglich ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 ASVG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da einerseits gemäß § 49 Abs. 1 VwGG an Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nur der in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschbetrag von S 12.500,-- gebührt und andererseits wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) ein Stempelgebührenersatz nicht zusteht.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995080098.X00Im RIS seit
11.07.2001