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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AHStG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie den Senatspräsidenten Dr. Knell und den Hofrat Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Dr. I in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. Dezember 1994, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Einstellung der Notstandshilfe und Abweisung eines Antrages auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe eingestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war vom 22. April 1988 bis 30. September 1990, vom 4. September 1991 bis 15. Oktober 1991, vom 1. Juni 1992 bis 14. Juni 1992 und vom 11. Jänner 1993 bis 9. April 1993 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Aufgrund seines Antrages vom 9. April 1993 wurde ihm vom Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien) für 140 Tage ab 10. April 1993 Arbeitslosengeld gewährt. Aufgrund seines Antrages vom 18. August 1993, in dem er auf sein Studium als ordentlicher Hörer der Informatik an der Technischen Universität Wien seit 1988 hinwies, wurde ihm nach Erteilung einer "Ausnahmegenehmigung" nach § 12 Abs. 4 AlVG ab 28. August 1993 Notstandshilfe für 364 Tage gewährt. Am 8. August 1994 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Notstandshilfe und erklärte, seit 1979 an der Universität Wien Medizin und seit 1988 an der Technischen Universität Wien Informatik zu studieren.
Mit Bescheid vom 7. September 1994 stellte das Arbeitsamt die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 1 iVm den §§ 38, 24 Abs. 1 und 12 Abs. 3 lit. f AlVG ab 1. August 1994 mangels Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers mit der Begründung ein, daß er laufend an der Universität Wien inskribiert sei.
Mit einem weiteren Bescheid vom 7. September 1994 gab das Arbeitsamt dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe vom 8. August 1994 gemäß § 33 Abs. 1 iVm den §§ 38 und 12 Abs. 3 lit. f AlVG mangels Arbeitslosigkeit mit der Begründung keine Folge, daß er laufend an der Universität Wien inskribiert sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer gegen die beiden Bescheide erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte die bekämpften Bescheide. Begründend wurde ausgeführt, daß die berufungsbehördliche Überprüfung ergeben habe, daß der Beschwerdeführer seit 1979 an der Universität Wien studiere, letztmalig aber im Sommersemester 1994 die Studienrichtung Medizin inskribiert habe. Bislang habe er jedoch dem Rektorat der Universität Wien nicht erklärt, sein Studium beenden zu wollen. Der Beschwerdeführer führe in seiner Berufung zutreffend aus, daß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht auf die Inskription, sondern darauf abstelle, ob jemandem der Status eines ordentlichen Hörers zukomme. Aus § 6 AHStG ergebe sich aber, daß man den Status eines ordentlichen Hörers durch die Immatrikulation erlange, die unter anderem dann erlösche, wenn der ordentliche Hörer beim Rektorat die Erklärung abgebe, daß er die Hochschule verlasse, oder seine Studien länger als zwei Semester unterbreche, ohne beurlaubt oder behindert zu sein. Da auf den Beschwerdeführer keiner der beiden Fälle zutreffe und sich aus seinem Vorbringen auch kein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines anderen Exmatrikulationsgrundes nach § 6 Abs. 5 AHStG ergebe, gelte der Beschwerdeführer als ordentlicher Hörer und daher gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos. Für eine Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 seien nur noch zwei Kriterien maßgeblich. Der Arbeitslose müsse während des Studiums unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit längere Zeit hindurch in einem Dienstverhältnis gestanden sein und dürfe dieses Dienstverhältnis nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst haben. Hintergrund dieser Bestimmung sei es, daß das Arbeitslosengeld nur Werkstudenten gewährt werden solle, die dargetan hätten, daß sich ihr Studium tatsächlich mit einem Dienstverhältnis vereinbaren lasse. Dies könne jedoch nur dann beurteilt werden, wenn die Parallelität von Studium und Dienstverhältnis längere Zeit hindurch gegeben gewesen sei. Als Richtschnur werde ein Semester inklusive Ferien angenommen. Da ein Semester inklusive der Ferien durchschnittlich sechs Monate dauere, werde der Begriff "längere Zeit hindurch" mit sechs Monaten interpretiert. Da im Beschwerdefall die Parallelität von Studium und letztem Dienstverhältnis lediglich vom 11. Jänner 1993 bis 9. April 1993 (also durch 89 Tage), sohin weniger als sechs Monate, gedauert habe, habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 16. Mai 1995, Zl. A 40/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 609/1977 und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 - aus den im Beschluß vom 25. April 1995, Zl. A 19/95 (94/08/0259), ausführlich dargelegten Gründen - als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, Zlen. G 72/95 u.a., diesen Bedenken nicht angeschlossen und demgemäß unter anderem den gegenständlichen Antrag abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
1. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 7. September 1994 erfolgte Einstellung der dem Beschwerdeführer ab 28. August 1993 für 364 Tage (also bis einschließlich 26. August 1994) gewährten Notstandshilfe ab 1. August 1994 ausschließlich mit der Begründung bestätigt wurde, daß der Beschwerdeführer aufgrund der Neufassung des § 12 Abs. 4 AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 ab 1. Jänner 1994 (jedenfalls auch) seit 1. August 1994 die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung nach dieser Gesetzesstelle nicht mehr erfülle, ist der angefochtene Bescheid aus dem im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0128, ausführlich dargelegten Erwägungen inhaltlich rechtswidrig. Er war daher insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2. Im übrigen, also insoweit, als mit dem angefochtenen Bescheid die mit dem weiteren Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 7. September 1994 erfolgte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 8. August 1994 auf Notstandshilfe bestätigt wurde, kommt der Beschwerde aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
Im Hinblick darauf, daß, wie bereits ausgeführt wurde, dem Beschwerdeführer Notstandshilfe bis einschließlich
26. August 1994 gewährt wurde, ist sein schon vor diesem Tag gestellter neuerlicher Antrag auf Notstandshilfe so zu deuten, daß er damit diese Leistung ab 27. August 1994 begehrte, und muß demnach auch die Abweisung dieses Antrages mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 7. September 1994 und die Bestätigung durch den zuvor genannten Spruch des angefochtenen Bescheides auf den geltend gemachten Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ab 27. August 1994 bezogen werden. Diese Abweisung entspricht aber der Rechtslage:
Soweit der Beschwerdeführer seine Eigenschaft als "ordentlicher Hörer einer Hochschule" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG unter Hinweis darauf, daß er im Wintersemester 1994/95 zwar weiterhin (zumindest an der Universität Wien) immatrikuliert, aber nicht mehr inskribiert gewesen sei, bestreitet, ist ihm aus den Gründen des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0145, nicht beizupflichten.
Nach den ausführlichen Darlegungen des Erkenntnisses vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, setzt aber die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 817/1993 und BGBl. Nr. 314/1994 die Parallelität von Studium (mehrerer im wesentlichen ununterbrochener Studien) und arbeitslosenversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis (mehrerer im wesentlichen ununterbrochener Beschäftigungsverhältnisse) in mehr als 18 Wochen, grundsätzlich in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, voraus. Unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist im Regelfall (in dem die Anwartschaft durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erfüllt ist) jener Tag zu verstehen, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Bedeutung ist (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, und vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0157). Das war im Beschwerdefall der 10. April 1993, weil das letzte für die Tatbestandsvoraussetzung der Anwartschaft relevante arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers am 9. April 1993 geendet hat. In den letzten 52 Wochen vor dem 10. April 1993 stand der Beschwerdeführer aber insgesamt nur während der Zeit von 15 Wochen in zwei arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, von denen aber das erste vom 1. Juni 1992 bis 14. Juni 1992 zufolge des Umstandes, daß das zweite erst am 11. Jänner 1993 begann und somit nicht im wesentlichen ununterbrochene Beschäftigungsverhältnisse vorlagen, bei der Prüfung der Parallelität nicht zu berücksichtigen ist, sodaß nur eine Parallelität in einem Zeitraum von 13 Wochen gegeben war. Eine nach dem Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, grundsätzlich mögliche Verlängerung des Zeitraumes von 52 Wochen scheidet im Beschwerdefall im Hinblick auf die langen Unterbrechungszeiträume zwischen den früheren Beschäftigungsverhältnissen und den in den letzten 52 Wochen gelegenen aus.
Die Beschwerde war daher im eingangs zu Punkt 2 genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Auf die näheren Gründe der zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
4. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Die Abstandnahme nach der zuletzt genannten Ziffer des § 39 Abs. 2 VwGG gründet sich darauf, daß nach den obigen Darlegungen die entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente unstrittig feststehen und die relevanten Rechtsfragen durch die zitierte Vorjudikatur geklärt sind. Es ist daher auszuschließen, daß die mündliche Erörterung rechtlich bedeutsame Gesichtspunkte erbringen könnte.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der Beschwerdeführer hat - nach Inkrafttreten der zuletzt genannten Verordnung - an Schriftsatzaufwand zwar weniger, zuzüglich der verzeichneten, aber nicht gesondert zuzusprechenden Umsatzsteuer jedoch mehr als den nach der genannten Verordnung zulässigen Höchstbetrag begehrt. Es gebührt ihm daher Aufwandersatz in der verordneten Höhe. Das darüber hinausgehende Begehren war demgemäß abzuweisen (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1990, Zl. 90/14/0035, und vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0210).
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996080142.X00Im RIS seit
18.10.2001