TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/29 W274 2181407-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W274 2181407-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , iranischer Staatsbürger, XXXX , vertreten durch Mag. Martin SAUSENG, Rechtsanwalt, Jakominiplatz 16/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zl. 1111691102-160541605/BMI-BFA-SGM_RW, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

I.       Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben

II.      Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 15.04.2016 bei der LandesPolDion Eisenstadt, CC-Eisenstadt, einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung gab er an, aus dem Iran geflüchtet zu sein, weil er vom Islam zum Christentum konvertiert sei. Er sei mit einer Gruppe gemeinsam unterwegs gewesen, die sich ständig über das Christentum unterhalten und darüber auch gepredigt habe. Die Gruppe sei von der Regierung festgenommen worden. Als die Polizei gekommen sei und sie festnehmen habe wollen, habe er fliehen kommen. Dabei sei er im Bereich der Hüfte verletzt worden.

Am 23.10.2017 erfolgte eine Einvernahme durch das BFA, Regionaldirektion Steiermark. Zusammengefasst gab der BF an, er habe im Iran ein bis zwei Mal im Monat eine Hauskirche besucht. Bei einer Sitzung der Hauskirche seien Beamte des Geheimdienstes gekommen. Er sei zu dieser Zeit am Dach gewesen und habe die Klimaanlage abdecken wollen, damit keine kalte Luft hereinkomme. Er habe vom Dach beobachtet, dass verdächtige Personen draußen seien. 2 Personen seien über die Mauer ins Haus gesprungen. Es sei ihm gelungen, über die Dächer zu flüchten. Dabei habe er sich verletzt. Am nächsten Tag habe er seine Freunde von der Hauskirche angerufen, aber es habe keiner abgehoben. Er habe Angst gehabt, dass die Freunde ihn verraten hätten. Deshalb sei er gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Seine Frau und seine Familie hätten darüber nichts gewusst. In Österreich habe er zunächst die Kirche von XXXX und in weiterer Folge die Freie Christengemeinde Graz besucht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), sprach aus, dass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen werde, es werde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte eine Fist für eine freiwillige Ausreise von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Begründend wurde ausgeführt, eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung sei nicht hervorgekommen und es sei keine Gefährdungslage hervorgekommen, wonach der BF bei einer Rückkehr einer Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Es liege keine derart besondere Integration vor, die einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erlaube.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, dem BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) vorlägen und die Rückkehrentscheidung unzulässig sei.

Mit „Beschwerdeergänzung“ vom 03.04.2018 (OZ 6) brachte der BF ergänzend vor, am 4.3.2018 durch die Freie Christengemeinde – Pfingstgemeinde Graz getauft worden zu sein und legte dazu eine Bestätigung des dortigen Pastors vor.

Mit „Weiterer Beschwerdeergänzung und Urkundenvorlage“ vom 03.10.2018 (OZ 8) brachte der Bf vor, in Lebensgemeinschaft mit XXXX zu leben und am 13.12.2017 von seiner Gattin geschieden worden zu sein. Er sei ehrenamtlich als Dolmetscher im Ambulatorium der Caritas Marienambulanz tätig, habe am 14.8.2018 die Deutschprüfung auf Niveau B 1 bestanden, arbeite auf Basis des Dienstleistungsschecks und sei seit dem Schuljahr 2018/2019 ordentlicher Schüler der HTL Graz-Gösting, sodass er nachhaltig beruflich und sozial integriert sei. Dazu legte der BF weitere Urkunden vor.

Am 21.11.2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der der BF sowie der Zeuge XXXX vernommen und weitere Urkunden vorgelegt wurden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht berechtigt:

Festgestellt wird:

Fallbezogen stellt sich die Situation im Iran derzeit wie folgt dar:
Allgemeine Lage

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene`i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an, da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Die in der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Jegliche Missionstätigkeit kann als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten sind, erhielten hohe Gefängnisstrafen, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichten. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt.

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung.

In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.

Grundversorgung, medizinische Versorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 zwischen 10 und 20%. Ausgebildete Arbeitskräfte finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast vollständig unter staatlicher Kontrolle. Ein zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind halbstaatliche religiöse Stiftungen, die Bonyads. Viele davon sind heute international agierende Großkonzerne. Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Es gibt einen Anspruch auf Kindergeld sowie auf Arbeitslosengeld in Höhe von 70-80% des Gehaltes. Die gering verdienenden Teile der iranischen Bevölkerung erhalten zur Sicherung der Grundversorgung monatlich eine „Yarane“ von ca. 11€. Es besteht kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung.

98% aller Iraner haben Zugang zu ärztlicher Versorgung. Die Qualität ist in Teheran und den großen Städten ausreichend bis gut. In vielen Landesteilen ist sie nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In jeder Provinz ist mindestens eine medizinische Universität. Die Medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, ca. 3.000 ländlichen Gesundheitszentren und 730 städtischen öffentlichen Krankenhäusern in jeder größeren Stadt. Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben in bar bezahlt werden. In zahlreichen Apotheken sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer.

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Der am XXXX in Masjed Soleyman (Provinz Chusestan) geborene BF gehört der Minderheit der Bachtiaren an. Er wuchs in Lali auf und maturierte circa 2000 in Naturwissenschaften. Er heiratete 2008 XXXX , geb. XXXX (Beilagen ./A und ./B). Der Ehe entstammt die am XXXX geborene XXXX (Beilage ./B). Er wuchs als schiitischer Muslim auf, hielt sich an die Gebote, betete und fastete. Er war als Kind und junger Mann regelmäßig in der Moschee und beteiligte sich an religiösen Veranstaltungen und Ritualen (BF, Protokoll vom 21.11.2018, Seite 5). Nicht festgestellt werden konnte, dass er sich auf Grund einer Begebenheit in einer Moschee vor circa 10 Jahren vom muslimischen Glauben abwandte. Der BF hatte im Iran verschiedene Berufe, wie Verkäufer bzw. Reparateur von Handys, in der Gastronomie und arbeitete auf Baustellen. Zuletzt war er selbständig als kleiner Bauunternehmer tätig, wobei er keinen festen Firmensitz hatte, sondern bei Baustellen ein Bürocontainer aufgestellt wurde und Baumaschinen gemietet wurden. Seit 2011 lebte der BF mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter in Shahin Shar (Provinz Isfahan).

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF 2015 über einen Freund zu einer Hauskirche gelangte, dort großes Interesse für das Christentum entwickelte und diese etwa 10 Mal besuchte, ebensowenig, dass er bei einem weiteren Besuch in dieser Hauskirche im Dezember 2015 das Dach bestieg, um die Klimaanlage abzudecken und bei diesem Anlass sah, dass 2 Uniformierte die Mauer übersprangen, um die Kirchenmitglieder zu verhaften, woraufhin der BF über Dächer flüchtete, beim Sprung vom Dach an der Hüfte verletzt wurde, sich von einem in der Nähe wohnenden Freund nähen ließ und in weiterer Folge auf die Flucht begab.

Nach einer etwa 3-monatigen Reise reiste der BF - nach einem Asylantrag in Ungarn (AS 31) - ohne gültige Einreisepapiere in Österreich ein. Er kam zunächst nach Traiskirchen, dann kurz in ein Asylheim im Burgenland und am 26.4.2016 nach Aflenz (Steiermark). In dieser Zeit besuchte der BF gelegentlich die internationale Baptistengemeinde in Graz unter XXXX . Nach einem kurzen Aufenthalt in der Triesterstraße in Graz wohnt der BF seit 13.2.2017 in der XXXX in einer WG (ZMR vom 2.1.2018, PV des BF). Er befindet sich in Grundversorgung.

Seit etwa April 2017 besucht er Sonntags die Christengemeinde-Pfingstgemeinde Graz. Er besucht dort auch wöchentlich einen Hausbibelkreis. Er hat insbesondere über die Freie Christengemeinde Graz in Österreich zahlreiche Freunde und Unterstützer aus dem Kreis österreichischer Gemeindemitglieder dieser Bekenntnisgemeinschaft und trifft diese auch außerhalb der Kirche, zu Bibelgesprächen, Unterhaltung und Spiel (Schreiben AS 139-155, Beilagen-Konvolut ./E). Eine nähere Beziehung besteht zur Familie von Schulrat XXXX In Graz. Bis Juni 2018 war der BF auf Dienstleistungsscheck für Gartenarbeiten bei ihr beschäftigt. Mit deren Tochter, XXXX , die er im Oktober 2017 kennenlernte, lebt der BF eine Beziehung, ohne dass eine Lebensgemeinschaft festgestellt werden konnte. Sowohl diese als auch ihre Mutter sind bei der FCG Graz aktiv. Der BF wurde am 04.03.2018 durch Herrn XXXX , Pastoralassistent in Ausbildung, in der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde Graz getauft (Zeuge XXXX , Beilage ./F).

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF eine derartige innere Haltung zum Christentum entwickelt hat, dass er das innere Bedürfnis hat, dieses ungeachtet der jeweiligen Lebensbedingungen, daher auch im Falle einer Rückkehr in den Iran innerlich und äußerlich zu leben, christliche Gemeinschaften aufzusuchen und andere vom Christentum überzeugen zu wollen.

Die Ehe des BF wurde mit Urteil des Familiengerichts Shahin Shahr vom 13.12.2017 geschieden, wobei festgestellt wurde, dass die Frau die Scheidungsklage eingebracht habe, weil der Mann die Familie verlassen habe und Lebensunterhaltungskosten der Familie nicht gezahlt habe, folglich die Frau in Armut und Schuld geraten sei. Das Gericht habe wegen Verletzung der in der Heiratsurkunde stehenden Bedingungen durch den Mann die Scheidungsklage für berechtigt erklärt. Das gemeinsame Kind XXXX bleibe bei der Mutter und der Vater müsse für die Unterhaltskosten aufkommen. Ein Besuchsrecht des Vaters werde vorbehalten (beglaubigt übersetzte Scheidungsurkunde vom 10.5.2018, Beilage ./A). Der BF hatte, seit er in Österreich ist, keinerlei Kontakt zu seiner mittlerweile geschiedenen Frau, seit etwa September über WhatsApp aber zur Tochter (BF, Protokoll Gericht, Seite 13).

Seit dem Schuljahr 2018/19 besucht er die höhere technische Lehr- und Versuchsanstalt Graz Gösting als ordentlicher Schüler (Bestätigungen zu OZ 8). Mehrere Monate verrichtete er bei der DI Friedrich KG Gratwein-Strassengel auf Basis Dienstleistungsscheck Hilfsarbeiten. (Bestätigung wie oben). Am 14.08.2018 bestand er „befriedigend“ das Zertifikat Deutsch B1 (Bestätigung wie oben). Seit 24.05.2018 arbeitet er auch ehrenamtlich im Ambulatorium Caritas Marienambulanz (Einrichtung zur medizinischen Grundversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung) als Dolmetscher anfangs einmal wöchentlich, aktuell 2 Tage pro Woche (Bestätigung wie oben). Der BF ist strafrechtlich in Österreich nicht in Erscheinung getreten (Registerabfrage vom 21.11.2018). Der BF besuchte im Jänner 2018 die Ausbildung für geprüfte Barista. Er besuchte seit Anbeginn in Österreich zahlreiche Deutschkurse und nahm am 11.4.2017 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrations Fonds teil, wofür er eine Teilnahmebestätigung erhielt. (AS 121-129). Bei den Festlichkeiten zum 950. Jubiläum der katholischen Pfarre Aflenz half der BF im Jahr 2016 fleißig mit (AS 353).

Beweiswürdigung:

Die wesentlichen biografischen Feststellungen beruhen auf den insofern glaubwürdigen Angaben des BF im Zusammenhalt mit vorliegenden Urkunden.

Die mangelnde Glaubhaftigkeit der Hinwendung zum Christentum im Iran sowie der Fluchtgeschichte folgt folgenden Überwiegungen:

Schon die geschilderte Motivationslage, weshalb der nach eigenen Angaben sehr wohlsituierte und in einer Ehe mit kleinem Kind lebende BF einem Freund zu hauskirchlichen Versammlungen gefunden haben soll, scheint floskelhaft und wenig nach vollziehbar: „dort habe ich eine große Liebe gefunden“ (Protokoll BVwG Seite 6). Vor dem BFA schilderte der BF als Motiv, die „Heilung seiner Tochter“ sei für ihn wie ein Wunder gewesen. Das sei für ihn das größte Wunder, das er am Christentum gesehen habe und der Grund, dass er 100%ig ans Christentum geglaubt habe. Erklärend gab er hiezu vor dem BVwG an, seine Tochter sei zur Zeit der Hauskirchenbesuche sehr unruhig in der Nacht gewesen. Seine Familie und er hätten sich um die Tochter gekümmert, um sie zu beruhigen bzw. zu therapieren. Der BF habe dann dem Pastor der Hauskirche gesagt, er habe den Wunsch, dass seine Tochter zur Ruhe komme. Sie hätten für die Tochter gemeinsam gebetet, woraufhin sich der Zustand seiner Tochter gebessert habe. Angesichts des Umstandes, dass der BF nicht annähernd eine medizinische Ernsthaftigkeit der Problematik schilderte (lediglich allgemeine nächtliche Unruhe eines 4-jährigen Kindes) scheint diese Schilderung vordergründig, konstruiert und nicht glaubwürdig. Dies umsomehr, als der BF in weiterer Folge – wie weiter unten dargestellt – ohne zwingende Gründe und ohne Abschied offenbar eine dauerhafte „Flucht“ aus dem Iran angetreten haben will. Auch die weiteren Erklärungen, durch die Hinwendung zur Hauskirche sei sein Benehmen besser geworden, er sei dort beruhigt worden, folgen oft gehörten Schemata, sind unkonkret und nicht geeignet, eine Konversion eines etwa 35- jährigen Mannes in der Lebenssituation des BF zu erklären. Widersprüchlich ist es auch, dass der BF eine gute Ehe ohne Probleme geführt haben will (Prot BVwG S 5), andererseits aber, ohne hiefür Gründe zu nennen, von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, er habe keinen Halt im Leben gehabt (wie oben, S 6), spricht. Wenig passend zur guten Ehe ist es auch, wenn der BF angibt, er sei wenig zu Hause gewesen, habe seine Frau angelogen, dass er in der Moschee gewesen sei (wie oben, S 6) und sie über seine für ihn so wichtige Entwicklung zum Christen vollkommen im Unklaren gelassen.

Der BF will sodann durch einen Vorfall in der Hauskirche solche Angst bekommen haben, dass er diesen ohne weitere Überlegung und quasi impulsiv zum Anlass für eine dauerhafte Flucht genommen habe, ohne dies nur irgendwie mit seiner Frau abzuklären oder anzusprechen und insbesondere ohne berufliche und finanzielle Angelegenheiten zu ordnen. Schon der Umstand, dass der Pastor den BF bei diesem letzten Besuch der Hauskirche aufs Dach zur Abdeckung der Klimaanlage geschickt haben soll, erscheint merkwürdig. Dass ausgerechnet in diesem Zeitpunkt uniformierte Kräfte über eine 2,20 Meter hohe Mauer, deren Überwindung ihnen durch „Räuberleiter“ weiterer vor der Mauer stehender Personen möglich gewesen sein soll, eindrangen, ist nicht glaubhaft. Der BF bemühte sich gar nicht, eine Situation zur Darstellung zu bringen, weshalb ohne ersichtliche besondere Dringlichkeit Beamte unter Riskierung der eigenen Gesundheit einen derartig unprofessionellen Zugriffsversuch gemacht haben sollen. Vor dem BFA erwähnte der BF, verdächtige Personen vor dem Haus gesehen zu haben, 2 seien rübergesprungen, vor Gericht kann er sich plötzlich an 6 Personen erinnern. Auch der Umstand, dass der BF jene Straße, auf die er dann geflüchtet sein soll, angesichts der Aufgabenstellung nicht bereits ursprünglich in die Skizze I eintrug, sondern erst bei gezielter Frage unter Nachdruck, spricht gegen die von ihm dargestellte Variante. Die Art und Weise, wie er zu Sturz gekommen und sich dann an der Hüfte verletzt haben will, vor allem aber die Darstellung der Verletzung (Gericht: „es war nur ein Kratzer, es wurde mit 7 oder 8 Stichen genäht“; BFA: „er hat die Wunde gereinigt, er hat die Stelle geöffnet mit einem Rasiermesser; es hat sich eine Kruste gebildet, die er abgekratzt hat“) ist schwer mit der Lebenserfahrung in Einklang zu bringen. Er legt sich auf keine klare Beschreibung einer Verletzung fest. Eine so rasche Krustenbildung ist hoch unwahrscheinlich. Gänzlich unglaubwürdig ist es, dass er sich in dieser Situation in unmittelbarer räumlicher Nähe eines Bekannten befunden habe solle, der in der Lage gewesen wäre, ihn zu nähen, weil er früher in einer Apotheke gearbeitet hätte. Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Gericht keine Zweifel übrig, dass es sich diesbezüglich um eine Konstruktion handelt. Die daraus zu erschließende generelle Unglaubwürdigkeit des BF wird noch dadurch verstärkt, dass er vor dem BVwG angab, Polzisten hätten sich bei der Ehefrau des BF zu Hause nach diesem erkundigt (Protokoll BVwG, Seite 10). Dieser Umstand wurde weder in der Erstbefragung noch im Rahmen der Niederschrift vor dem BFA auch nur andeutungsweise erwähnt. Untauglich ist auch der Erklärungsversuch, die Republik Iran wisse von seiner Konversion von der Scheidung der Frau des BF. Die vom BF selbst vorgelegte Scheidungsurkunde, die eine Begründung der Scheidung enthält, liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass dort die behauptete Konversion des BF im Raum gestanden wäre. Die auf Nachfrage des Gerichts erfolgte Erklärung, die Frau habe das bei der Behörde angegeben, das habe sein Bruder gesagt, war nicht geeignet, für das Gericht glaubhaft zu machen, dass der BF im Iran ins Visier der Behörden gelangt wäre.

Wie schon das BFA in seiner Begründung ausführte, gründet der BF eine persönliche Bedrohung seinerseits nur auf die Vermutung, es wäre bei dem geschilderten Vorfall zu einer Verhaftung gekommen, anschließend hätten die weiteren Hauskirchenmitglieder seine Daten weitergegeben und er wäre durch die Behörden verfolgt worden. Die Bedrohungsintensität ist ausgehend von diesem Szenario nach Ansicht des Gerichts nicht so hoch, dass davon auszugehen wäre, dass der BF, der um das Wohl seiner Tochter so bemüht gewesen wäre (Gebet um Heilung) und ohne Probleme mit seiner Familie zusammengelebt hätte, ohne seiner Frau im Iran auch nur einmal – auf welche Weise immer - die Problematik mitzuteilen bzw. mit ihr eine Lösung zu besprechen, das Land - wohl dauerhaft – verlassen hätte. Dass es der BF mit der Wahrheit nicht so ernst nimmt zeigte er schon, wenn er angab, er habe seine Frau angelogen, wie sie ihn gefragt habe, ob er in der Moschee gewesen sei (Protokoll Seite 6). Auch der berufliche Erfolg (der BF will als Bauunternehmer umgerechnet 4.000 € im Monat verdient haben) und die Tatsache, dass er als Selbstständiger etwa 5 bis 25 Mitarbeiter auf 1 – 3 Baustellen hatte, spricht sehr dagegen, dass er aufgrund der geschilderten Umstände – wollte man sie als wahr annehmen - auf diese Art und Weise Hals über Kopf das Land verlassen hätte.

Die Feststellungen zur Integration beruhen auf den vorgelegten Urkunden im Zusammenhalt mit den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF. Dies gilt auch für die äußeren Umstände eines kurzen Kontakts zur katholischen Kirche, zu einer Baptistengemeinde in Graz und seiner Mitwirkung bei der Freien Christengemeinde Graz. Da es nach der Rechtsprechung des VwGH auf den inneren Entschluss ankommt, nach dem christlichen Glauben zu leben, kann es nicht bei der Feststellung der äußeren Umstände (Teilnahme an Gottesdiensten, Bibelrunden, Taufe etc.) bleiben. Die genannten Umstände sind zwar unzweifelhaft ein Indiz dafür, dass sich jemand der äußerlich gelebten Religion zugehörig fühlt. Dass beim BF kein derartig innerlicher Entschluss vorlag, beruht auf folgenden Überlegungen:

Der Beschwerdeführer erweist sich als eloquente Persönlichkeit. Wie dargelegt, stellte sich die gesamte Flucht- und Konversionsgeschichte im Iran als nicht glaubhaft dar. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Konsequenz der diesbezüglich unbegründeten „Flucht“ auch die dauerhafte Trennung von der Frau und der zum Trennungszeitpunkt 5-Jährigen Tochter war, zeigt schwerwiegende familiäre Konsequenzen der Ausreise aus dem Iran und der Einreise in Österreich auf. Nachdem die vom BF geschilderte Motivlage, weshalb er sich im Iran dem Christentum zugewandt habe, als nicht glaubhaft erschien, bedurfte es der Beurteilung der Motivation einer solchen Bekehrung in Österreich. Nicht deutlich wurde, weshalb der BF nach ursprünglichen Kontakten mit einer persisch-sprachigen Baptistengemeinde in Graz Kontakt mit der FCG aufnahm. Wenn er begründend anführte, er konnte dort ruhig sein, so entspricht auch dies einer häufig angeführten, sehr allgemeinen und vagen Begründung. Dass er dort ein gutes Gefühl gehabt habe, ist angesichts der offenbar lebendigen und jungen Gemeinde und der evident offenen Zugangsweise der Pfingstgemeinde nicht verwunderlich, für sich aber kein Hinweis auf besondere religiöse Motive. Betreffend den Pastor der Freien Christengemeinde liegt lediglich ein Schreiben, das sich einer Prüfung der Stichhaltigkeit durch Rückfrage entzieht, vor. Der als Pastoralassistent in Ausbildung fungierende bei Gericht aussagende Zeuge XXXX stellte zwar die allgemeine Vorgangsweise der Pfingstgemeinde da, dass geprüft werde, ob ein aufrichtige Interesse bestehe und dass sich der BF fast ein Jahr in Hauskreisen integriert habe und Fragen gestellt habe, die nur jemand stelle, der sich mit der Materie auseinandersetze. Eine Kenntnis des Pastoralassistenten in Ausbildung von der Motivlage des BF wurde im Rahmen seiner Vernehmung nicht deutlich. Zu einer nähren Konfrontation mit der Problematik der „verlassenen Familie“ kam es nicht, weil der BF den Richter bat, solche Fragen nicht zu stellen. Als besonders attraktiv an der Pfingstgemeinde gab der BF an, diese Leute hätten so viel Liebe und verhielten sich so gut. Er habe dort die Liebe von Jesus finden könnten und mit Gott reden können. In einigen der vom BF vorgelegten „Empfehlungsschreiben“ von weiteren Mitgliedern der Grazer Pfingstgemeinde finden sich auch Passagen, nach denen man sich über Glaubens- und Lebensfragen unterhalte, wie man sich jeden Mittwoch über Bibelstellen austausche etc, denen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeitsfrage der inneren Konversion als schriftliche Bescheinigung von dem Gericht nicht bekannten Personen kein wesentlicher Beweiswert zukommt. Ebensolches gilt auch für die diesbezüglichen Schreiben der XXXX und XXXX , denen auch aufgrund der persönlichen Nahebeziehung zum BF und damit eines persönlichen Interesses am Verfahrensausgang kein entscheidender Beweiswert zukommt.

Angesichts des Umstands, dass aus den oben dargelegten Gründen nicht von einer christlichen Glaubensgeschichte im Iran auszugehen war, der schwerwiegenden Problematik des „Verlassens der Familie“ und der mangelnden Nachvollziehbarkeit der persönlichen Motivlage des BF, in Österreich aus inneren Gründen zur christlichen Religion gefunden zu haben, war daher trotz diesbezüglicher äußerer Indizien nicht von einer inneren Konversion auszugehen.

Auch auf Basis einer nunmehr verbreiterten Tatsachengrundlage erweist sich die behördliche Begründung der Abweisung der Anträge auf Asyl bzw Subsidiärschutz daher als zutreffend. Stichhaltige Argumente vermag die Beschwerde dem nicht entgegenzusetzen.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 AsylG 2005 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU), Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

?        Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

?        gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

?        unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

?        Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

?        Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

?        Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach den alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Absatz 1 b der Statusrichtlinie kann einem Flüchtling nicht zugesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das „Forum Internum“ zu beschränken, somit seinen Glauben heimlich auszuüben. Diesem muss die öffentliche Ausübung des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein (Forum Externum)“.

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB. Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von – allfälligen – Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Weder konnte festgestellt werden, dass der BF, wie behauptet, bereits im Iran Hauskirchen besuchte und bei einem solchen Besuch einem „Sturm auf die Hauskirche“ nur durch Flucht, bei der er sich verletzt habe, entkam, noch, dass er sich in Österreich – abseits seiner persönlichen Integration in die Freie Christengemeinde Graz, wo er auch getauft wurde – soweit innerlich dem Christentum zuwandte, dass er das schützenswerte Bedürfnis hätte, dieses auch unter geänderten Lebensumständen aussenwirksam auszuleben. Es liegt daher weder ein Asyl rechtfertigender Flucht- noch ein Nachfluchtgrund vor.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden bei Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 und 13 bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („sufficiently real risk“) im Herkunftsland zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573). Die reale Gefahr muß sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu erreichen (zB. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294). Die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (zB: VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Der VwGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (zB. VwGH 26.6.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

Die aktuelle Lage im Iran stellt sich derzeit nicht so dar, dass ein generelles Abschiebehindernis bzw. eine generelle Gefährdung aus Sicht der EMRK (Art. 2 und 3) gegeben ist. Gegenteiliges ist auch den aktuellen Länderberichten zu entnehmen, wonach die Sicherheitslage im Iran allgemein als ruhig bezeichnet werden kann und es nur in vereinzelten Regionen unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund oder zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und anderen Gruppierungen kommt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Urteil des EGMR vom 09.03.2010, Fall R.C., Appl. 41.827/07 zu verweisen, wonach zwar die im Iran herrschende, sehr angespannte Situation nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher der Respekt für die grundlegenden Menschenrechte seit den Wahlen 2009 erheblich abgenommen habe, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen allein die Rückführung eines Iraners in seinen Herkunftsstaat aber noch nicht als unzulässig iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen.

Der BF konnte auch darüber hinaus insgesamt keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Falle einer Rückführung in den Iran die reale Gefahr einer Verletzung aus Art. 2 oder 3 EMRK entspringenden Rechte (oder der anderen im Lichte von § 8 AsylG 2005 relevanten Grundrechte) für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen.

Bei dem BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jüngeren Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er spricht die Sprache der Majoritätsbevölkerung Farsi und verfügt im Herkunftsstaat auch über Angehörige (- neben der geschiedenen Frau und der bei ihr lebenden minderjährigen Tochter – seine Mutter, drei Schwestern und drei Brüder, wobei er zumindest mit einem Bruder nach wie vor in näherem Kontakt steht). Es sind keine Gründe ersichtlich, warum er als Erwachsener im Iran keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können sollte, hat er dies doch bisher auch getan. Er ist im Iran aufgewachsen, dort 12 Jahre zur Schule gegangen und hat – nach eigenen Angaben – im Baugewerbe sehr gut verdient.

Fallbezogen liegen auch keine Hinweise für das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevölkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach seiner jüngsten Entscheidung weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass – ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zur Statusrichtlinie – vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden, sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt umfasst sind. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher, etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. Dem nationalen Gesetzgeber ist es verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten, unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Herkunftsstaat, zuerkennen. Die Bestimmung des § 8 AsylG 2005 ist daher richtlinienkonform auszulegen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Fallbezogen ist der BF durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt. Weder droht ihm im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat der BF weder glaubhaft gemacht, noch ist eine solche von Amts wegen hervorgekommen oder dem Bundesverwaltungsgericht bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine der oben genannten Entscheidungen mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung der Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3 a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt wurde oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG erreicht wird.

Liegt nach Abs 2 nur die Voraussetzung des Abs 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Der BF nahm am 11.4.2017 am Werte-und Orientierungskurs des österreichischen Integrations Fonds in Graz teil und erhielt hierfür die Teilnahmebestätigung AS 129.

Als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 gilt, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nach Abs 2 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach Abs 2 sind dabei insbesondere zu berücksichtigen,

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war,

2.        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit behördlicher Eingriffe auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Insbesondere sind die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung bzw Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit bzw bei strafgerichtlichen Verurteilungen die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Resozialisierung bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewußt waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Sind überlange Verfahrensverzögerungen des Verfahrensabschlusses durch die Behörde begründet, kann man dem Fremden nicht vorwerfen, dass er zwischenzeitlich ein Privat- und Familienleben begründet hat und sich dabei des unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Je länger die Verfahrensverzögerung ist, desto weniger relativiert der unsichere Aufenthaltsstatus ein zwischenzeitlich entstandenes Privat Familienleben (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht, Stand 15.1. 2016, § 9 BFA-VG, K17 mwN).

Ein wichtiger Beurteilungsparameter wird auch die Dauer des legalen Aufenthalts sein. Bei Personen, die sich ohne Verschulden, z.B. während eines Asylverfahrens, über Jahre im Bundesgebiet aufhalten, wird dieser Aufenthalt ein wichtiges Kriterium darstellen. Dies gilt insbesondere für Kinder, die hier über Jahre aufwachsen und dann nach Jahren das Bundesgebiet verlassen müssen (wie oben, K22).

Eine wichtige Rolle spielt auch die noch bestehende Bindung zum Herkunftsstaat, speziell bei längerem Aufenthalt und bei Kindern, die hier in Österreich schon längere Zeit zur Schule gehen. Zu beurteilen werden auch die verbliebenen Familienangehörigen im Herkunftsstaat sein (K24)

Zum schützenswerten Privatleben gehören die gewachsenen persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen. So können persönliche Beziehungen, die nicht unter „Familienleben“ fallen, sehr wohl als „Privatleben“ relevant sein. Eine den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Ausländer in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzustellen ist. Ihre Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit ihrem Heimatland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet. Voraussetzung dafür wird sein, dass das Privat- und Familienleben in Österreich fest verankert ist. Der Besuch eines Deutschkurses oder eine eine Berufsausbildung allein wird somit noch kein schützenswertes Privatleben begründen ( K27).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie, wobei der Begriff des „Familienlebens“ in Art 8 EMRK nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl dazu EKMR 19.07.1968, Nr 3110/67; EKMR 28.02.1979, Nr 7912/77, EuGRZ 1981/118).

Es leben keine Familienmitglieder oder Angehörigen des BF in Österreich. Mangels dauerhaften gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens liegt auch keine Lebensgemeinschaft mit XXXX vor. Eine Beziehung allein (bestehend mangels Erwähnung in der Beschwerde seit frühestens 2018) ist kein relevantes Kriterium des Familienlebens. Ein iSd EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich liegt daher nicht vor.

Zum Privatleben des BF:

Der BF befindet sich seit April 2016, somit seit knapp 3 Jahren, in Österreich. Mit der Absolvierung der B1 Prüfung des ÖSD nach knapp 2 Jahren Aufenthalt, einer längeren ehrenamtlichen Tätigkeit als Dolmetscher in einer Sozialambulanz (Marienambulanz der Caritas), Tätigkeiten für verschiedene Leistungsempfänger auf Basis Dienstleistungsscheck und einer – zumindest sozialen – Integration in einer freikirchlichen Gemeinde in Graz sowie einem großen Freundeskreis von Österreichern (es liegen etwa 14 individuell verfasste Empfehlungsschreiben vor, die vornehmlich auf einen freundschaftlichen Umgang im Rahmen der freikirchlichen Gemeinde gerichtet sind und die Integrationswilligkeit auf glaubhafte Weise hervorheben), erweist sich der BF als anpassungsfähig und hat einen beachtlichen Integrationswillen bescheinigt. Er ist unbescholten und lebt, ohne dass eine Lebensgemeinschaft festgestellt werden konnte (grundsätzlich getrennte Wohnungen, keine Wirtschaftsgemeinschaft) seit etwa einem Jahr in einer näheren Beziehung zu einer Österreicherin. Wirtschaftlich befindet sich der BF nach wie vor in Grundversorgung. Seit dem Herbstsemester besucht er die HTL Graz-Gösting (Elektrotechnik – Informatik) als Abendschule. Ein Leistungsnachweis liegt noch nicht vor.

Dem steht gegenüber, dass er zumindest zu seinem jüngeren Bruder im Iran nach wie vor guten Kontakt hat. Nach dem vorliegenden Scheidungsurteil besteht eine Unterhaltspflicht gegenüber der 7-jährigen Tochter XXXX , zu der derzeit zumindest über whats app wieder Kontakte aufgebaut werden und zu der gerichtlich Kontakte auch nicht ausgeschlossen wurden („Besuchsrecht des Vaters ist vorbehalten“). Die Beziehung zur geschiedenen Gattin ist zerrüttet.

Nach den oben dargestellten Grundsätzen einer Abwägung der privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet mit den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung hat der BF noch keinen solchen Grad an Integration erreicht, dass er „faktisch zu Österreich gehört“. Dabei war wesentlich, dass der Aufenthalt in Österreich noch unter 3 Jahren liegt, eine besondere Verfahrensverzögerung weder moniert wurde noch erkennbar ist, jedenfalls sowohl zu einem Bruder als auch der 7-jährigen Tochter im Iran familiäre Bande vorliegen (zu letzterer sogar im Sinne eines wünschenswerten persönlichen und gerichtlich geforderten finanziellen Kontakts). Die gezeigte Flexibilität in Österreich ist durchaus auch im Fall einer Rückkehr in den Iran gegeben. Im Übrigen war der BF dort in der Lage, ein gutes Einkommen zu erzielen und hat Erfahrung in unterschiedlichsten beruflichen Feldern, die ihm eine Unterhaltserzielung auch im Iran ermöglichen. Eine wirtschaftliche Selbständigkeit in Österreich ist noch nicht gegeben, die Ausbildung an der HTL noch nicht fortgeschritten. Die privaten Kontakte sind großteils institutionell bedingt (freikirchliche Gemeinde) und somit nicht „individuell gewachsen“. Das sicher rasche Erlernen der deutschen Sprache auf Niveau B1, das – zeitlich überschaubare - ehrenamtliche Engagement und die Beziehung zu einer Österreicherin allein können diese Umstände in ihrem Gewicht nicht erreichen, sodass die EMRK einer Rückkehrentscheidung nicht entgegensteht und daher ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG nicht in Frage kommt. Abgesehen von einem Verweis auf die guten Deutschkenntnisse, das Engagement in der Kirchengemeinde und Freunde in Österreich enthält die Beschwerde diesbezüglich keinerlei individuelle Argumente.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist nicht geboten.

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch – wie bereits ausgeführt – kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung festzustellen, ob die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist. Unzulässig ist eine solche gemäß § 50 Abs 1 FPG in den Fällen des § 8 Abs 1 AsylG 2005 und gemäß § 50 Abs 2 FPG in den Fällen des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen dementsprechender Sachverhalte wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint. Gemäß § 50 Abs 3 ist eine Abschiebung auch unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EMGR entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.

Die Abschiebung des BF in den Iran ist daher zulässig.
Zu Spruchpunkt IV.:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Dies hat die belangte Behörde in Konsequenz ihrer Entscheidung getan. Inhaltlich wendet sich die Beschwerde dagegen nicht. Angesichts der Bestätigung von Punkt III. hat es auch bei der Fristsetzung zu bleiben.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt im Ergebnis als unbegründet.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art. 133 Abs. 4 B-VG, wobei zu allen erheblichen Rechtsfragen allgemein und speziell auch im Hinblick auf Iraner bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliches Interesse Privatleben Religion Rückkehrentscheidung Rückkehrsituation Scheinkonversion Sicherheitslage Verfolgungsgefahr Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2181407.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten