TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W105 2176126-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W105 2176126-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2020, Zl: 1096838303/200658475, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 27.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er immer das tun habe müssen, was seine Familie verlangt habe. Er habe keine Freiheiten gehabt und sei immer wegen jeder Kleinigkeit beschimpft und auch geschlagen worden. Wenn er geraucht oder sich mit Freunden getroffen habe, sei er von seinem Vater oder seinen älteren Brüdern geschlagen worden. Er habe das Geld für die Flucht aus Afghanistan seinen Eltern gestohlen und habe seitdem keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 09.10.2017 wurde der Antrag des BF abgewiesen. Ebenso wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.09.2019, Zl. W204 2176126-1/10E, abgewiesen.

3. Am 09.11.2019 wurde der BF einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen, wobei festgestellt wurde, dass er sich illegal im Bundesgebiet aufhielt und ein aufrechter Festnahmeauftrag gegen seine Person bestand.

4. Am 09.11.2019 wurde gegen den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

5. Die Schubhaft wurde am 18.11.2019 aufgehoben, da der BF aufgrund eines bestehenden Festnahmeauftrags der Justiz in die JA- XXXX überstellt wurde.

6. Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom XXXX , wegen §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (2) Z. 2, 28a (2) Z. 3 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

7. Mit richterlichem Beschluss vom XXXX , wurde der BF aus der Justizanstalt XXXX entlassen und gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt.

8. Am 29.07.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen neuen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz (Folgeantrag). Darin führte er auf die Frage nach den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung aus, dass er Probleme in Afghanistan habe. Wenn er dort hingehe, sei er tot. Er habe Sex mit einem jungen Mann gehabt, der 12 Jahre alt gewesen sei.

9. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.08.2020 gab der BF nach Vorhalt, dass sein erstes Asylverfahren in Österreich bereits rechtkräftig negativ entschieden worden sei, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt worden sei, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig wäre, an, dass er nicht nach Afghanistan zurückkönne. Er habe dort Schwierigkeiten, sollte er zurück nach Afghanistan. Auch seine Familie hätte Schwierigkeiten. Auf die Frage, ob seine damals gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen würden, gab er an, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen würden. Ihm wäre ein männlicher Dolmetscher lieber. Er wolle die Dinge, die er sagen möchte, nicht vor einer Frau sagen.

10. Mit Verfügung vom 24.08.2020 wurde dem BFA seitens des BFA mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot zu erlassen. Unter einem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen 8 Tagen nach Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

11. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 24.08.2020 gab der BF aus dem Stande der Schubhaft an, dass er seine Angaben, die er zu seiner Person im Vorverfahren gemacht habe, aufrecht halte. Er habe jedoch eine neue Sache. Weiters gab er an, dass er den Dolmetscher nicht so gut verstehe, da er der Meinung wäre, dass dieser nicht die Muttersprache Paschtu hätte. Nach Vorhalt, dass der Dolmetscher Paschtu spreche und der Anmerkung seitens des Dolmetschers, dass dieser den BF gut verstehe, gab jener an, dass er den Dolmetscher gut verstehe, aber der Dolmetscher ihn nicht gut verstehe. Es sei schwer, einen Dolmetscher zu verstehen, dessen Muttersprache nicht Paschtu sei.

Nach Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten gab der BF an, dass er einen anderen Dolmetscher wolle, dessen Muttersprache Paschtu sei.

Die Einvernahme wurde in der Folge abgebrochen.

12. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 08.09.2020 gemäß § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Ab. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, der BF habe keinen neuen Sachverhalt glaubhaft machen können. Es gehe klar hervor, dass der BF den Folgeantrag gestellt habe, um nach der Strafverbüßung aufgrund seiner Verurteilung einer Abschiebung zu entgehen. Unabhängig von der Glaubwürdigkeit seines neuen Vorbringens wäre dieses ihm schon vor der Rechtskraft seines Vorverfahrens bekannt gewesen und hätte er nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verpflichtung gehabt, diesen Umstand im ersten Asylverfahren vorzubringen. Das erlassene Einreiseverbot gründe sich auf die erfolgte Verurteilung des BF wegen eines Suchtgiftdeliktes. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG sei nicht zu erteilen. Eine Rückkehrentscheidung sei bereits im Erstverfahren für zulässig erklärt worden. Da sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Änderung der Situation seines Privat- und Familienlebens ergeben habe, könne eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch in diesem Verfahren keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Weiters sei auszusprechen, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG zulässig sei. Es bestehe im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG keine Frist für die freiwillige Ausreise.

13. Mit Schriftsatz vom 22.09.2020 erhob der BF durch seinen Rechtsberater Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.09.2020 in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass er glaubhaft einen neuen Sachverhalt dargelegt habe und das neue Vorbringen somit geeignet sei, die Rechtskraft des Vorverfahrens zu durchbrechen. Er habe im gegenständlichen Verfahren angegeben, Geschlechtsverkehr mit einem 12-jährigen Jungen gehabt zu haben. Die Eltern des Jungen hätten dies herausgefunden und fürchte er nunmehr Verfolgung durch die Eltern des Jungen. Da die Eltern des Jungen über ein Netzwerk verfügen würden, würde er innerhalb kürzester Zeit gefunden und werden und könne davon ausgegangen werden, dass der afghanische Staat ihm keinen Schutz bieten könnte und wollte. Auch habe sich die Situation in Afghanistan durch die Corona Pandemie grundlegend geändert und würde das afghanische Gesundheitssystem nicht in der Lage sein, mit der Pandemie umzugehen. Er könnte im Falle einer Ansteckung mit Covid-19 keine Behandlung in Anspruch nehmen. Auch sonstige Behandlungen wären im Heimatland aufgrund der Pandemie nahezu unmöglich. Auch werde kritisiert, dass der nunmehr angefochtene Bescheid ohne beendete Einvernahme des BF erlassen worden sei. Bei der ersten Einvernahme sei eine weibliche Rechtsberaterin als auch eine weibliche Dolmetscherin anwesend gewesen. Er habe daher angegeben, dass er eine Einvernahme durch eine Person des gleichen Geschlechts wünsche, da sein nunmehriges Fluchtvorbringen in die Sexualsphäre eingreife. Die weitere Einvernahme habe im AHZ Vordernberg stattgefunden und habe er von Beginn an angegeben, den mittels Videokonferenz zugeschalteten Dolmetscher schlecht zu verstehen. Er könne es daher nicht nachvollziehen, weshalb keine weitere Einvernahme mit einem persönlich im AHZ anwesenden Dolmetscher durchgeführt worden sei. Bezüglich des erlassenen Einreiseverbotes sei auszuführen, dass er seine Straftaten bereue und der pönale Charakter der Haft bei ihm Wirkung gezeigt habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass er künftig wieder straffällig werde. Beantragt werde, den angefochtenen Bescheid zu beheben und ihm den Status eines Asylberechtigten, allenfalls eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen, festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Höhe des Einreiseverbotes herabzusetzen.

14. Der Verwaltungsakt und die Beschwerde langten am 24.09.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:

Der BF führt den Namen XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger und ist am XXXX geboren. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Das vom BF initiierte (erste) Asylverfahren wurde am 17.09.2019 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Der BF hat in der Folge am 29.07.2020 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt und diesen damit begründet, dass er Sex mit einem 12-jährigen Jungen gehabt habe und Probleme im Falle seiner Rückkehr hätte. Er habe Angst vor dem Tod.

Der gegenständliche Antrag wurde in der Folge mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.09.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Festgestellt wird, dass der BF seit der Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun konnte. Er bezieht sich in seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz auf Umstände, die bereits vor Rechtskraft des ersten Asylverfahrens bestanden haben. Soweit der BF nämlich angibt, dass er in Afghanistan Geschlechtsverkehr mit einem 12-jährigen Jungen gehabt und Angst vor Verfolgung durch die Familienmitglieder dieses Jungen habe, ist ihm entgegenzuhalten, hat er damit schon deshalb keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt dargetan, da er sich hier erkennbar auf einen Sachverhalt stützt, der verwirklicht wurde, bevor das Verfahren über den ersten (früheren) Antrag beendet wurde, sodass diesem Vorbringen die Rechtskraft des Vorbescheides entgegensteht.

Der BF ist ein junger gesunder Staatsangehöriger Afghanistans, er gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der Religionsgemeinschaft der Sunniten an. Er stammt aus der Provinz Laghman. Er hat etwa eineinhalb Jahre eine Koranschule in Afghanistan besucht und hat Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter. Er beherrscht die Sprache Paschtu, kann lesen und schreiben. Die Eltern und Geschwister des BF leben in Pakistan.

Der BF lebte in Österreich von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er hatte in Österreich keine nennenswerten Kontakte zu Einheimischen. Er besuchte in Österreich keine Deutschkurse, kann jedoch aufgrund eines Selbststudiums auf Deutsch lesen, schreiben sowie sich im Alltag in Deutsch verständigen. Er ist nicht Mitglied eines Vereins und war nicht ehrenamtlich tätig.

Der BF hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und führt keine familienähnliche Lebensgemeinschaft.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF wurde mit Urteil des LG XXXX vom XXXX , wegen §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (2) Z. 2, 28a (2) Z. 3 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem BF in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wäre es dem BF möglich, sich in Mazar-e Sharif eine Existenz aufzubauen. Seine Existenz könnte der BF dort – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

Diesbezüglich verweist das BVwG auf die Feststellungen der belangten Behörde im verfahrensgegenständlich Bescheid (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019).

Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 Letzte Information eingefügt am 21.7.2020

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:Stand 21.7.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

Quellen:

-        AnA – Andolu Agency (19.7.2020): Turkey suspends Iran and Afghanistan flights, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/turkey-suspends-iran-and-afghanistan-flights-/1915627, Zugriff 20.7.2020

-        AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020

-        Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world, Zugriff 20.7.2020

-        BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785, Zugriff 20.7.2020

-        DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak, Zugriff 20.7.2020

-        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may, Zugriff 20.7.2020

-        JHU - John Hopkins Universität (20.7.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 20.7.2020

-        Mangalorean (19.7.2020): Afghanistan launches new COVID-19 relief package, https://www.mangalorean.com/afghanistan-launches-new-covid-19-relief-package/, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16.7.2020): Strategic Situation Report COVID-19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghanistan%20-%20Strategic%20Situation%20Report%20-%20COVID-19%2C%20No.%2062%20%2816%20July%202020%29.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2020): COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 15 July 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/operational_sitrep_covid-19_15_july_2020.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.7.2020): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 8 July 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-covid-19-multi-sectoral-response-operational-situation-report-8-july, Zugriff 20.7.2020

-        PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/, Zugriff 20.7.2020

-        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail

-        TN – Tolonews (19.7.2020): Afghan Goods Enter India Through Wagah Border, https://tolonews.com/business/afghan-goods-enter-india-through-wagah-border, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020a): Afghan Govt Launches New COVID-19 Relief Package, https://tolonews.com/afghanistan/afghan-govt-launches-new-covid-19-relief-package, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (14.7.2020): Herat Health Dept Warns of Second Wave of COVID-19, https://tolonews.com/afghanistan/herat-health-dept-warns-second-wave-covid-19, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (20.7.2020): Turkey Suspends Flights to Afghanistan and Iran, https://tolonews.com/business/turkey-suspends-flights-afghanistan-and-iran, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (19.3.2020): Govt Builds 100-Bed Hospital in Herat for COVID-19 Patients, https://tolonews.com/health/govt-builds-100-bed-hospital-herat-covid-19-patients, Zugriff 20.7.2020

-        WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid, Zugriff 20.7.2020

-        WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week, Zugriff 15.7.2020

-        WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020

-        UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase, Zugriff 20.7.2020

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

•        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

•        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

•        AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

•        ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

•        DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

•        IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

•        NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

•        NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020

•        UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020

•        WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.5.2020

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.2.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020; UNGASC 17.3.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hat, ist keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.2.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020). Die Präsidentenwahl hatte am 28. September stattgefunden. Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Richtigkeit von Hunderttausenden von Stimmen waren nur noch 1,8 Millionen Wahlzettel berücksichtigt worden. Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Millionen. Afghanistan hat eine geschätzte Bevölkerung von 35 Millionen Einwohnern (DW 18.2.2020).

Wochenlang stritten der amtierende Präsident Ashraf Ghani und sein ehemaliger Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah um die Macht in Kabul und darum wer die Präsidentschaftswahl im vergangenen September gewonnen hatte. Abdullah Abdullah beschuldigte die Wahlbehörden, Ghani begünstigt zu haben, und anerkannte das Resultat nicht (NZZ 20.4.2020). Am 9.3.2020 ließen sich sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.4.2020; vgl. TN 16.4.2020). Nach monatelanger politischer Krise (DP 17.5.2020; vgl. TN 11.5.2020), einigten sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah auf eine Machtteilung: Abdullah wird die Friedensgespräche mit den Taliban leiten und Mitglieder seines Wahlkampfteams werden ins Regierungskabinett aufgenommen (DP 17.5.2020; vgl. BBC 17.5.2020; DW 17.5.2020).

Anm.: Weitere Details zur Machtteilungsvereinbarung sind zum Zeitpunkt der Aktualisierung noch nicht bekannt (Stand: 18.5.2020) und werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben (BBC 17.5.2020).

Präsidentschafts- und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004; USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Die afghanischen Regierungskräfte und die Amerikaner können die Taliban, die über rund 60 000 Mann verfügen, nicht besiegen. Auch die Islamisten sind nicht stark genug, um die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. In Afghanistan herrscht fast zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA eine Pattsituation (NZZ 20.4.2020). Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet (AJ 7.5.2020; vgl. NPR 6.5.2020) – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Diesem Abkommen zufolge hätten noch vor den für 10.03.2020 angesetzten inneren Friedensgesprächen, von den Taliban bis zu 1.000 Gefangene und von der Regierung 5.000 gefangene Taliban freigelassen werden sollen. Zum einen, verzögern die Unstimmigkeiten zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung über Umfang und Umsetzungstempo des Austauschs, die Gespräche (AJ 7.5.2020) [ Anm.: 800 Taliban-Gefangene entließ die afghanische Regierung, während die Taliban 100 der vereinbarten 1.000 Sicherheitskräfte frei ließen – (NPR 6.5.2020)], Andererseits stocken die Verhandlungen auch aufgrund des innerpolitischen Disputes zwischen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, die beide die Präsidentschaft für sich beanspruchten. Die Taliban haben seit dem unterzeichneten Abkommen im Februar mehr als 4.500 Angriffe verübt. Die von dieser Gewalt am stärksten betroffenen Provinzen sind auch jene Provinzen, die am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind (AJ 7.5.2020). In den innerafghanischen Gesprächen wird es um die künftige Staatsordnung, eine Machtteilung und die Integration der Aufständischen gehen (NZZ 20.4.2020).

Das Abkommen mit den US-Amerikanern

Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen (Stand Ende 2019: rund 6.700 Mann) sollen abgezogen werden. In den ersten 135 Tagen nach der Unterzeichnung werden die US-Amerikaner ihre Truppen in Afghanistan auf 8.600 Mann reduzieren. Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung, Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (15.4.2019): Afghanistan: Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/-/204718, Zugriff 7.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan’s 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga, https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 7.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (6.5.2018): Afghanistan‘s Paradoxical Political Party System: A new AAN report, https://www.afghanistan-analysts.org/publication/aan-papers/outside-inside-afghanistans-paradoxical-political-party-system-2001-16/, Zugriff 11.6.2019

•        AAN – Afghanistan Analysts Network (13.2.2015): The President‘s CEO Decree: Managing rather thean executive powers (now with full translation of the document), https://www.afghanistan-analysts.org/the-presidents-ceo-decree-managing-rather-then-executive-powers/, Zugriff 7.6.2019

•        AJ – Al-Jazeera (7.5.2020): US Afghan envoy to meet Taliban in Qatar in new efforts for peace, https://www.aljazeera.com/news/2020/05/afghan-envoy-meet-taliban-qatar-efforts-peace-200507044349083.html, Zugriff 12.5.2020

•        AM – Asia Maior (2015): Afghanistan 2015: the national unity government at work: reforms, war, and the search for stability, https://www.asiamaior.org/the-journal/asia-maior-vol-xxvi-2015/afghanistan-2015-the-national-unity-government-at-work-reforms-war-and-the-search-for-stability.html, Zugriff 7.6.2019

•        BBC (17.5.2020): Afghanistan: Rival leaders Ghani and Abdullah in power-sharing deal, https://www.bbc.com/news/world-asia-52699158, Zugriff 18.5.2020

•        BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak – Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 7.6.2019

•        BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 7.6.2019

•        Casolino, Ugo Timoteo (2011): "Post-war constitutions" in Afghanistan ed Iraq, Ricerca elaborata e discussa nell’ambito del Dottorato di ricerca in Sistema Giuridico Romanistico - Unificazione del Diritto – Università degli studi di Tor Vergata – Roma, Facoltà di Giurisprudenza, http://eprints.bice.rm.cnr.it/3858/1/TESI-TIM_Definitiva.x.SOLAR._2011.pdf, Zugriff 7.6.2019

•        CIA – Central Intelligence Agency (24.5.2019): The World Factbook – Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 7.6.2019

•        CSO – Central Statistics Organization (2019): Afghanistan Population Estimates for the year 1398 (2019-20), http://cso.gov.af/Content/files/%D8%B1%DB%8C%D8%A7%D8%B3%D8%AA%20%D8%AF%DB%8C%D9%85%D9%88%DA%AF%D8%B1%D8%A7%D9%81%DB%8C/population/%D8%A8%D8%B1%20%D8%A2%D9%88%D8%B1%D8%AF%20%D9%86%D9%81%D9%88%D8%B3%20%D9%86%D9%87%D8%A7%DB%8C%DB%8C%20%20%D8%B3%D8%A7%D9%84%2098.pdf, Zugriff 7.6.2019

•        DOA – Daily Outlook Afghanistan (17.3.2019): Challenges of Political Parties in Afghanistan, http://www.outlookafghanistan.net/topics.php?post_id=23136, Zugriff 11.6.2019

•        DP – Die Presse (17.5.2020): Afghanische Rivalen Ghani und Abdullah einigten sich auf Machtteilung, https://www.diepresse.com/5814955/afghanische-rivalen-ghani-und-abdullah-einigten-sich-auf-machtteilung, Zugriff 18.5.2020

•        DW – Deutsche Welle (17.5.2020): Ghani und Abdullah einigen sich auf Machtteilung in Afghanistan, https://www.dw.com/de/ghani-und-abdullah-einigen-sich-auf-machtteilung-in-afghanistan/a-53470528, Zugriff 18.5.2020

•        DZ – Die Zeit (23.8.2019): USA-Taliban-Gespräche in Katar wieder aufgenommen, https://www.zeit.de/news/2019-08/23/usa-taliban-gespraeche-in-katar-wieder-aufgenommen, Zugriff 23.8.2019

•        DZ – Die Zeit (21.4.2019): https://www.zeit.de/news/2019-08/23/usa-taliban-gespraeche-in-katar-wieder-aufgenommen, Zugriff 23.8.2019

•        EC – Economist, the (18.5.2019): Why Afghanistan’s government is losing the war with the Taliban, https://www.economist.com/asia/2019/05/18/why-afghanistans-government-is-losing-the-war-with-the-taliban, Zugriff 19.6.2019

•        FA – Frankfurter Allgemeine (23.8.2019): USA-Taliban-Gespräche in Katar wieder aufgenommen, https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/usa-taliban-gespraeche-in-katar-wieder-aufgenommen-16347359.html, Zugriff 23.8.2019

•        MPI - Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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