Entscheidungsdatum
23.12.2020Norm
ABGB §6Spruch
W158 2173890-1/32E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die vorsitzende Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL, den Richter Dr. Martin MORITZ und den Richter Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX AG, vertreten durch Dr. Bettina HÖRTNER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, vom 10.10.2017 gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsicht vom 21.08.2017, GZ. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 57/2018, eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und aktenkundiger unstrittiger Sachverhalt:
I.1. Das hier angefochtene Straferkenntnis vom 21.08.2017 der Finanzmarktaufsicht (in Folge: FMA), der Beschwerdeführerin (in Folge: BF) zugestellt am 12.09.2017, richtet sich gegen die BF als Beschuldigte und enthält folgenden Spruch:
„Die XXXX AG (im Folgenden auch Kreditinstitut), ein konzessioniertes Kreditinstitut mit der Geschäftsanschrift XXXX Wien, hat als juristische Person folgenden Verstoß zu verantworten:
Das Kreditinstitut verfügte jedenfalls von 01.01.2014 (Inkrafttreten des § 99d BWG) bis jedenfalls 30.11.2015 über keine angemessenen und geeigneten Strategien und Verfahren für die Einhaltung des § 40 Abs. 2 erster Halbsatz zweiter Fall BWG, einer Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden und eine einschlägige Vorschrift im Sinn des § 41 Abs. 4 Z 1 BWG, um Transaktionen, die mit Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zusammenhängen, vorzubeugen und zu verhindern. Konkret hatte das Kreditinstitut weder (schriftliche) Arbeitsanweisungen an die für sich tätigen Personen erteilt, noch technische oder sonstige Vorkehrungen getroffen, die sicherstellten, dass bei Durchführung von nicht in den Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung fallenden Transaktionen (im Folgenden auch gelegentliche Transaktionen), deren Betrag sich auf mindestens 15.000 Euro oder Euro-Gegenwert beläuft (und zwar unabhängig davon, ob die Transaktionen in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung offenkundig gegeben ist, getätigt werden), die Kunden stets aufgefordert werden, bekannt zu geben, ob sie die Transaktionen auf eigene oder fremde Rechnung bzw. in fremden Auftrag betreiben wollen. Den rechtmäßigen Zustand hat das Kreditinstitut frühestens im Dezember 2015 durch eine entsprechende Adaptierung der im Kreditinstitut verwendeten EDV-Programme, wonach die Kundenbetreuer bei derartigen Transaktionen nunmehr ein Freitextfeld zu befüllen haben, in welchem zu vermerken ist, ob die Transaktionen auf eigene oder fremde Rechnung bzw. im fremden Auftrag erfolgen soll, hergestellt.
Die Verantwortlichkeit des Kreditinstitutes ergibt sich folgendermaßen:
Die im Tatzeitraum (01.01.2014 bis 30.11.2015) zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes des Kreditinstitutes (siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, welcher einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) haben durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch für das Kreditinstitut tätige Personen ermöglicht.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 41 Abs. 4 Z 1 BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl I Nr. 13/2014 iVm § 40 Abs. 2 erster Halbsatz zweiter Fall iVm Abs. 1 Z 2 BWG, BGBl Nr. 532/1993 idF BGBl I Nr. 184/2013 iVm § 35 Abs. 3 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von
Gemäß §§
60.000,00 Euro
§ 35 Abs. 3 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
---
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
• 6.000,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);
• 0 Euro als Ersatz der Barauslagen für ---.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
66.000,00 Euro.“
I.2. Dagegen richtet sich die am 10.10.2017 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde der BF, die unrichtige Tatsachenfeststellung, unrichtige Beweiswürdigung, unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahren vor der belangten Behörde rügt.
I.3. Am 05.03.2018 hielt der entscheidende Senat eine mündliche Verhandlung ab, in der die BF sowie die belangte Behörde gehört wurden. Die BF hielt im gegenständlichen Verfahren ihre Beschwerde vollinhaltlich aufrecht. Sie verzichtete auf eine sofortige mündliche Verkündung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
I.4. Am 28.03.2018 wurde der belangten Behörde aufgetragen binnen 14 Tagen Stellung zur Verantwortung der nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes zu beziehen. Bereits am 03.04.2018 langte die Stellungnahme der FMA ein, in welcher sich diese zur Verantwortung der Vorstandsmitglieder im Wesentlichen auf die Beweislastumkehr und auf alternative Feststellungen berief.
I.5. Bezugnehmend auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren Ro 2018/02/0023 setzte der erkennende Senat mit Beschluss vom 12.09.2018, der FMA und der BF am selben Tag zugestellt, das gegenständliche Verfahren mit der Begründung aus, dass wie zu Ro 2018/02/0023 die Frage, in welcher Form die Feststellung des Verhaltens einer zurechenbaren natürlichen Person ergehen muss, um zur Feststellung eines strafbaren Verhaltens der juristischen Person zu gelangen, geklärt werden müsse. Die belangte Behörde erhob dagegen eine außerordentliche Revision, welche nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Ro 2018/02/0023 von letzterem mittels Beschluss vom 02.05.2019 für gegenstandslos erklärt wurde.
I.6. Mit Schreiben vom 08.04.2019, den Parteien am 09.04.2019 zugestellt, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien von der Fortsetzung des Verfahrens und übermittelte per Schreiben vom 06.05.2019 die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Ro 2018/02/0023 zur Stellungnahme binnen 14 Tagen.
In ihrer Stellungnahme vom 14.05.2019 wies die BF einen namentlich Genannten als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG seit 02.05.2014 aus. In der ebenfalls fristgerecht eingereichten Stellungnahme der belangten Behörde teilte diese die Einstellung der Verfahren gegen die dort namentlich genannten zur Verantwortung nach außen befugten Vorstandsmitglieder mit. Die Stellungnahmen wurden den Parteien vice versa zur Kenntnis gebracht und erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten.
I.7. Mit Erkenntnis vom 24.06.2019, der FMA und der BF am selben Tag zugestellt, wurde der Beschwerde stattgegeben, und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben, da ab dem 02.05.2014 ein verantwortlicher Beauftragter bestellt gewesen sei, der im Straferkenntnis nicht genannt worden sei und ein Austausch der im Spruch genannten Personen nicht möglich wäre. Für den übrigen Tatzeitraum vom 01.01.2014 bis 01.05.2014 seien die Beschuldigtenrechte der zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Vorstands des Kreditinstituts nicht gewahrt worden und könnten infolge der Einstellung der Verfahren gegen diese durch die FMA vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht nachgeholt werden.
I.8. Infolge einer dagegen erhobenen Amtsrevision, die am 09.08.2019 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte, hob dieser das angefochtene Erkenntnis am 13.12.2019 zu Ra 2019/02/0147, beim Bundesverwaltungsgericht am 27.12.2019 eingelangt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 22 Abs. 2a Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Gegenständlich wurde eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt, sodass hier die Zuständigkeit eines Senates vorliegt.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 38 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG (unter der Überschrift „Erkenntnisse“) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 Z 2 leg.cit. hat die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses im Fall des § 45 Abs. 1 VStG überdies eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe zu enthalten. Aus den Gesetzesmaterialien dazu ergibt sich, dass durch die Formulierung des Abs. 2 leg.cit. klargestellt werden soll, dass die Einstellung des Verfahrens in Verwaltungsstrafsachen durch das Verwaltungsgericht gemäß § 45 Abs. 1 VStG in Form eines Erkenntnisses zu ergehen hat (RV 1255 BlgNR 25. GP, 5).
II.2. Zu Spruchpunkt A)
§ 45 Abs. 1 Z 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
„Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen“
§ 31 Abs. 2 Z 3 und 4 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 57/2018, lauten:
Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet: die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist; die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“
§ 36 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016, in Kraft seit 01.01.2017, lautet samt Überschrift:
„Verlängerung der Verjährungsfrist
§ 36. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß diesem Bundesgesetz gilt anstelle der Frist für die Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 VStG) eine Frist von drei Jahren. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§ 31 Abs. 2 VStG) beträgt in diesen Fällen fünf Jahre.“
Die erläuternden Bemerkungen (RV 1335 BlgNR, 25. GP, 18) führen dazu aus:
„Mit dieser Bestimmung wird eine Verlängerung der Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährung auf drei bzw. fünf Jahre vorgenommen. Ähnliche Vorschriften finden sich auch in § 7i Abs. 7 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und § 29 Abs. 4 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz.
Im Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ist eine Verlängerung der allgemeinen Fristen des VStG jedenfalls auch geboten, da durch Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung besondere Gefahren für die Gesellschaft als Ganzes entstehen können, die durch die Festlegung von besonderen Sorgfaltspflichten hintangehalten werden sollen. Da gerade bei Kredit- und Finanzinstituten regelmäßig besonders schwierige Sachfragen auftreten, erfordert eine effektive Aufsicht durch die FMA auch eine Verlängerung der allgemeinen Fristen des VStG um eine entsprechende Ahndung von Pflichtverletzungen zu ermöglichen.“
Fraglich ist im gegebenen Zusammenhang, ob die längere Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 36 FM-GwG oder die in § 31 Abs. 2 VStG vorgesehene kürzere Verjährungsfrist zur Anwendung kommt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Frage, soweit ersichtlich, bisher ausdrücklich offen gelassen (VwGH 29.03.2019, Ro 2018/02/0028, Rz 12). Die FMA hält in ihrem Straferkenntnis richtig fest, dass die der BF vorgeworfenen Übertretungen zwar aufgrund der angenommenen Tatzeit als Übertretungen des BWG bestraft wurden, die materiell rechtlichen Regelungen aber gleichlautend in das FM-GwG übernommen wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals festgehalten, dass § 1 Abs. 2 VStG einer Anwendung einer geänderten Verjährungsbestimmung auf vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Novelle begangene Straftaten nicht entgegensteht, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bestimmung Verjährung noch nicht eingetreten war, und dass sich ein allgemeines, die Verjährungsbestimmungen erfassendes Günstigkeitsprinzip auch aus Art. 7 Abs. 1 EMRK nicht ableiten lässt (VwGH 14.04.2016, Ra 2015/06/0042; 24.04.2015, Ra 2015/08/0016 jeweils mwN). Aufgrund eines Günstigkeitsvergleichs kann daher die kürzere Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG nicht zur Anwendung kommen, vielmehr ist in dieser Frage nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt maßgeblich (VwGH 29.10.2019, Ra 2019/19/0103).
Dennoch ist nach Ansicht des erkennenden Senats hier § 36 FM-GwG nicht anwendbar. Das ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 36 FM-GwG, wenn dieser davon spricht, dass „[b]ei Verwaltungsübertretungen gemäß diesem Bundesgesetz“ die längere Verjährungsfrist des § 36 FM-GwG gilt. Gegenstand der Auslegung einer Norm ist grundsätzlich der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes, um dessen Verständnis es bei der Auslegung geht. Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinnes des Gesetzes. Jede Gesetzesauslegung (im Sinne des § 6 ABGB) hat mit der Erforschung des Wortsinnes zu beginnen, wobei zu fragen ist, welche Bedeutung einem Ausdruck oder Satz nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Wird auf diesem Weg keine Eindeutigkeit des Gesetzeswortlautes erkannt, ist insbesondere auch der Regelungszusammenhang, in welchem die anzuwendende Norm steht, zu berücksichtigen (VwGH 21.09.2018, Ro 2018/02/0013).
Verwaltungsübertretungen im Sinne des VStG sind gemäß Art. II Abs. 3 EGVG die von den in Art. I Abs. 2 Z 2 EGVG genannten Behörden zu ahndenden Übertretungen. Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (§ 1 Abs. 1 VStG). Nicht jede Übertretung einer Verpflichtung ist eine Verwaltungsübertretung, sondern nur eine solche, die aufgrund des Gesetzes zu ahnden ist. Sohin ergibt sich eine Verwaltungsübertretung durch eine dem Rechtssubjekt auferlegte Verpflichtung (Gebot/Verbot) und der gesetzlich vorgesehenen Sanktion bei Zuwiderhandeln. Demzufolge stellt ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis fest, ob geltendes Recht verletzt wurde, was aber nur nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht entschieden werden kann. In diesem Sinne schafft ein verwaltungsrechtliches Straferkenntnis nicht Recht, sondern stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde (VwGH 13.09.2016, Ra 2016/03/0083). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat dies nur nach der zum Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses erster Instanz gegebenen Sach- und Rechtslage beurteilt zu werden (VwGH 10.01.1938, 2142/37; 25.01.1979, 1687/77; 19.09.1989, 89/04/0078). Das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs. 2 VStG bezieht sich dabei nur auf die grundsätzlich bestehen gebliebene Strafbarkeit beziehungsweise die Strafe (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/02/0233; 22.07.2019, Ra 2019/02/0107). Kommt es aufgrund des Günstigkeitsvergleichs zur Anwendung des neuen Rechts – was im gegenständlichen Fall aufgrund der niedrigeren Strafdrohung der Fall wäre –, so bildet die im Tatzeitpunkt in Geltung gestandene Norm nach wie vor die verletzte Vorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG, und die neue Strafnorm nur die Sanktionsnorm im Sinne des § 44a Z 3 VStG (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 1 Rz 11 mN aus der Rsp). Würde die BF daher auch im Beschwerdeverfahren schuldig gesprochen werden, würde die verletzte Vorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG nach wie vor eine des BWG sein. Es handelt sich daher um keine Verwaltungsübertretung nach „diesem Bundesgesetz“, sodass § 36 FM-GwG entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar ist. Dass im gegenständlichen Fall aufgrund des Günstigkeitsprinzips nach dem Strafsatz des FM-GwG zu bestrafen wäre, ändert nichts daran, dass es sich um eine Verwaltungsübertretung nach dem BWG handelt.
Auch eine analoge Anwendung des § 36 FM-GwG scheidet nach Ansicht des erkennenden Senats aus (so aber W230 2195157-1, Punkt 3.2.1.3.; W230 2138107-1, Punkt 3.3.1.2.; W210 2194720-1, Punkt 3.4.1.; W204 2152855-1; im Wesentlichen mit dem Verweis auf die Gesetzesmaterialien, wonach die auf die aktuelle Anwendungspraxis hindeutende Überlegung deutlich mache, dass der Gesetzgeber gerade Fallkonstellationen der Gegenwart vor Augen hatte, also solche, die gerade zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes in der Praxis zu bewältigen waren), auch wenn in Bezug auf verfahrensrechtliche Bestimmungen im Unterschied zum materiellen Recht im Verwaltungsstrafverfahren kein Analogieverbot besteht (VwGH 25.04.2019, Ro 2019/13/0014). Voraussetzung für die analoge Anwendung verwandter Rechtsvorschriften ist das Bestehen einer echten Gesetzeslücke; das heißt einer planwidrigen und daher durch Analogie zu schließenden Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Eine Lücke ist demnach nur dort anzunehmen, wo das Gesetz (gemessen an der mit der seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie) unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende echte Lücke ist nur dann gegeben, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist, oder wenn es in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf den – unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers – dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen, wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher – schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung – auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007; 27.04.2017, Ra 2017/12/0015). Bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen besteht aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm ein Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter korrigierender Auslegungsmethoden (VwGH 23.02.2001, 98/06/0240).
Wie die oben zitierten erläuternden Bemerkungen in Übereinstimmung mit dem klaren Wortlaut zeigen, wollte der Gesetzgeber die verlängerte Strafbarkeitsverjährung des § 36 FM-GwG nur „[i] m Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes“ angewendet wissen. Diese Ausführungen des historischen Gesetzgebers schließen eine planwidrige Lücke aus, woran die analoge Anwendung dieser Vorschrift bereits scheitern muss. Auch ist das Gesetz nicht wie im Falle einer echten Gesetzeslücke anders nicht vollziehbar. Gegen die hier vertretene Auslegung können auch keine Bedenken ob der Gleichheitskonformität eingewendet werden. Es liegt grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, gesetzliche Regelungen von einem Stichtag abhängig zu machen. Es müsste besondere Gründe geben (was etwa der Fall wäre, wenn der Eintritt der Rechtsfolge von Zufälligkeiten oder manipulativen Umständen abhängt), warum gerade ein bestimmter Stichtag unsachlich ist.
Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (etwa VfSlg 17.238/2004, 18.660/2008, 19.308/2011, 19.884/2014, 20.135/2016, 20.298/2018, 20.255/2018). Derartige besondere Gründe, die die Regelung unsachlich machen würden, liegen gegenständlich nicht vor.
Es ist daher dem klaren Wortlaut und dem auch in den Erläuterungen ausdrücklich angesprochenen Willen des Gesetzgebers, wonach die verlängerte Verjährungsbestimmung lediglich im Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes (RV 1335 BlgNR, 25. GP, 18), also des FM-GwG, Anwendung finden soll, folgend von der dreijährigen Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG auszugehen.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung mit Ablauf von drei Jahren ab jenem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört (Tatzeitende bei Dauerdelikten) hat. Sollte diese Frist erst im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren ablaufen, so hat das Bundesverwaltungsgericht dies gemäß § 38 VwGVG iVm § 31 Abs. 2 VStG von Amts wegen wahrzunehmen und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2008/10/0010; Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 31 Rz 13). Den Materialien zu § 31 Abs. 2 VStG idF BGBl. I 33/2013 ist zu entnehmen, dass die Strafbarkeitsverjährung in ihrer Dauer nicht geändert wurde, jedoch nunmehr in Abs. 2 und nicht mehr wie in der Fassung vor BGBl. I 33/2013 in Abs. 3 geregelt wird (vgl. dazu auch Weilguni, § 31 Rz 2 und 12).
Mit der Formulierung in § 31 Abs. 2 VStG ist eine Hemmung der Verjährungsfrist gemeint, was bedeutet, dass die Frist mit dem Eintritt des Ereignisses nicht mehr weiterläuft und nach Ende des Ereignisses der verbliebene Rest der Frist wieder zu laufen beginnt (Stöger in Raschauer/Wessely, Verwaltungsstrafgesetz: Kommentar, § 31 Rz 8).
Ausgehend vom Ende des Tatzeitraums am 30.11.2015 endete die dreijährige Frist des § 31 Abs. 2 VStG grundsätzlich am 30.11.2018. Von 12.09.2018 bis 09.04.2019 war diese Frist infolge der Aussetzung des Verfahrens jedoch gehemmt. Nach Wegfall der Hemmung am 09.04.2019 begann die verbleibende Frist (12.09.2018 bis 30.11.2018, somit 80 Tage) am 10.04.2019 wieder zu laufen. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung endete daher am 28.06.2019. Auch wenn das Erkenntnis vom 24.06.2019 noch innerhalb der Verjährungsfrist erlassen wurde, sind die der BF angelasteten Übertretungen zum jetzigen Zeitpunkt infolge der Aufhebung dieses Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof mittlerweile verjährt, zumal die Amtsrevision erst am 09.08.2019 und damit außerhalb der Frist beim Verwaltungsgerichtshof einlangte. Hinsichtlich des Beginns und des Endes der Fristenhemmung nach § 31 Abs. 2 Z 4 VStG sind nach der ständigen Rechtsprechung nämlich einerseits der Zeitpunkt des Einlangens der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und andererseits der Zeitpunkt der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an die belangte Behörde maßgebend (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/17/0172; 09.10.2017, Ra 2017/02/0115; 25.11.2015, Ra 2015/09/0050; 29.07.2014, Ro 2014/02/0074; 05.11.1987, 86/02/0171 [verstärkter Senat]). Der Beschwerde war daher Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen (§ 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG).
Diese Entscheidung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung getroffen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
II.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob die verlängerte Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 36 FM-GwG (zumindest analog) auch auf Sachverhalte anwendbar ist, die – wenngleich materiellrechtlich gleichzuhalten – noch dem BWG und nicht dem FM-GwG unterlagen, fehlt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Vielmehr konnte dieser diese Frage bisher ausdrücklich offen lassen (VwGH 29.03.2019, Ro 2018/02/0028, Rz 12). Da dieser Frage auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, war die Revision zuzulassen.
Schlagworte
Analogie Bekanntgabepflicht Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens Ersatzentscheidung Finanzmarktaufsicht Geldstrafe Geldwäscheprävention Günstigkeitsprinzip Günstigkeitsvergleich Hemmungszeitraum Revision zulässig Sorgfaltspflicht Strafbarkeitsverjährung Überwachungsmaßnahme verantwortlicher Beauftragter Verfahrenseinstellung Verjährung Verjährungsfrist Verlängerung Verwaltungsstrafe Verwaltungsstrafverfahren VerwaltungsübertretungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W158.2173890.1.00Im RIS seit
17.06.2021Zuletzt aktualisiert am
17.06.2021