TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/23 L527 2203104-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2020
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Entscheidungsdatum

23.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L527 2203104-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2020 zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids zu lauten hat: „Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 13.11.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen.“

B) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

C) Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist mit XXXX (L527 2203110-1) in aufrechter Ehe verheiratet. XXXX (L527 2203108-1), XXXX (L527 2203106-1) und XXXX (L527 2224721-1) sind die leiblichen minderjährigen Söhne der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten.

Die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und der minderjährige Sohn XXXX durch dessen Vater als gesetzlicher Vertreter stellten nach ihrer Ausreise aus dem Iran und der illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 13.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. In ihrer Erstbefragung am 29.01.2016 gab die Beschwerdeführerin an, den Iran verlassen zu haben, weil das Leben ihres Ehegatten in Gefahr gewesen sei. Dieser sei vom Sicherheitsdienst verfolgt und zweimal festgenommen worden. Sie seien nach Österreich gekommen, um ein ruhiges Leben führen zu können und ihrem Sohn (L527 2203108-1) eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Bei einer Rückkehr habe sie Angst um das Leben ihrer Familie.

Der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten XXXX wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte durch die Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin am 06.02.2017 einen Antrag auf Familienverfahren.

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte wurden jeweils am 04.06.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) niederschriftlich einvernommen. Zu den Gründen ihrer Ausreise aus dem Heimatland befragt, legte die Beschwerdeführerin dar, den Iran wegen der Probleme ihres Ehegatten verlassen zu haben. Nach der Eheschließung seien einige Male Personen zu ihnen gekommen und hätten ihre Wohnung durchsucht. Bei Abwesenheit ihres Ehegatten hätten sie sie gefragt, ob sie wisse, wo er sich aufhalte. Bei Anwesenheit ihres Ehegatten hätten sie ihn mitgenommen. Sie selbst habe keine Probleme gehabt. Ihre Probleme seien durch ihren Ehegatten entstanden.

Die Behörde erachtete das Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten zu ihren Fluchtgründen für nicht glaubhaft. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 09.07.2018 bezüglich der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten und der beiden älteren minderjährigen Kinder wies sie den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte jeweils keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI).

Gegen die Bescheide erhoben die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und ihre beiden älteren minderjährigen Söhne im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation in vollem Umfang die vorliegende - gemeinsam verfasste - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Anfang Februar 2019 beabsichtigten die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und ihre beiden älteren minderjährigen Söhne unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig in den Iran zurückzukehren. Mit Eingabe vom 25.02.2019 widerriefen diese Personen ihre Erklärung zur beabsichtigten freiwilligen Rückkehr.

Der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten XXXX wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte durch die Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin am 17.07.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz von einem in Österreich nachgeborenen Kind gemäß § 17 AsylG 2005.

Am 19.09.2019 wurde die Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin des jüngsten minderjährigen Sohnes von der belangten Behörde zu dessen Antrag auf internationalen Schutz einvernommen.

Die belangte Behörde erachtete - wie bereits ausgeführt - das Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten zu den Fluchtgründen für nicht glaubhaft. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.09.2019 wies sie daher den Antrag des jüngsten minderjährigen Sohnes der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten mangels Vorliegen eigener Fluchtgründe ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI).

Dagegen erhob der jüngste minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin im Wege der ihm beigegebenen und von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 25.02.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, übermittelte der Beschwerdeführerin das aktuelle Länderinformationsblatt für den Iran und ersuchte die Beschwerdeführerin in der Ladung konkret um näher bezeichnete Mitwirkung im Verfahren: Die Beschwerdeführerin sollte gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht alle bislang nicht vorgebrachten bzw. neuen Tatsachen und Beweismittel sowie allfällige sonstige wesentliche Änderungen oder Ergänzungen zum bisherigen Vorbringen bis spätestens vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung geltend machen bzw. im Original per Post vorlegen.

Am 11.02.2020 langte eine - gemeinsam verfasste - Stellungnahme der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten und ihrer minderjährigen Söhne im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation zu den ihnen zum Parteiengehör übermittelten Länderdokumentationsunterlagen samt einer Dokumentenvorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

In der Verhandlung am 25.02.2020 vernahm das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin, ihren Ehegatten und deren ältesten minderjährigen Sohn, die mit einer Vertreterin der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation erschienen. Die belangte Behörde hatte schon im Vorfeld mit Schreiben vom 10.01.2020 in Bezug auf die Beschwerdeführerin und deren minderjährige Söhne erklärt, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Das Bundesverwaltungsgericht händigte der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Thema „Tätowierungen im Iran“ (23.03.2018) aus. Nach Durchsicht bzw. zusammenfassender Übersetzung durch die Dolmetscherin gaben der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und die Rechtsvertreterin jeweils eine kurze Stellungnahme ab. Ehegatte der Beschwerdeführerin legte vier Fotografien zur Bescheinigung seines Fluchtvorbingens vor.

Die Beschwerden des Ehegatten und der minderjährigen Söhne der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide der belangten Behörde wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag ebenfalls als unbegründet abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren. Sie ist eine erwachsene, arbeitsfähige weibliche Drittstaatsangehörige, konkret: iranische Staatsangehörige. Ihre Muttersprache, die sie in Wort und Schrift beherrscht, ist Farsi. Die Beschwerdeführerin hat außerdem geringe Deutschkenntnisse (siehe unten). Die Beschwerdeführerin gehört der Volksgruppe der Perser an und wurde als Muslima (Schiitin) geboren. Sie gehört der islamischen Glaubensrichtung an. Die Beschwerdeführerin leidet an keiner schweren oder gar lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankung. Sie hat keine chronischen Erkrankungen und Leiden. Sie ist gesund. Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und Mutter von drei minderjährigen Söhnen. Sie ist nicht schwanger. Der Ehegatte ist der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zahl L527 2203110-1, XXXX , geb. XXXX alias XXXX . Die minderjährigen Söhne sind die Beschwerdeführer in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Zahlen L527 2203108-1, XXXX , geb. XXXX , L527 2203106-1, XXXX , geb. XXXX , und L527 2224721-1, XXXX , geb. XXXX .

Die Beschwerdeführerin wurde in XXXX geboren, wuchs dort auf und lebte dort zunächst an der Adresse ihrer Eltern und nach ihrer Eheschließung bis zu ihrer Ausreise bei ihren Schwiegereltern. Dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Heirat nicht mehr bei ihren Schwiegereltern wohnte, sondern sich mit ihrem Ehegatten eigene Wohnungen in der Nachbarschaft mietete, kann nicht festgestellt werden. Die wirtschaftliche Lage der Familie war nicht besonders gut, doch die Beschwerdeführerin und ihre Familie konnten den Alltag im Iran finanziell problemlos bestreiten. Ihr Ehegatte verfügte über Ersparnisse und sie selbst über Goldschmuck. Die Beschwerdeführerin besuchte in ihrem Herkunftsstaat mehrere Jahre die Schule (Grund- und Mittelschule sowie Gymnasium). Sie verließ das Gymnasium vorzeitig ohne Abschluss. Anschließend trat die Beschwerdeführerin in das Berufsleben ein. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Friseurin und übte diesen Beruf bis zu ihrer Heirat mehrere Jahre aus. Zudem betreute die Beschwerdeführerin – über Vermittlung ihres Arbeitgebers – auch pflegebedürftige ältere Menschen. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Herkunftsstaat - konkret in XXXX - Familie/Verwandte, namentlich ihre Eltern und ihre Schwester sowie ihren Bruder. Die Beschwerdeführerin steht mit ihren Angehörigen regelmäßig - etwa zweimal im Monat - in Kontakt.

Die Beschwerdeführerin reiste legal im November 2015 aus dem Iran aus und Mitte dieses Monats illegal in Österreich ein. Am 13.11.2015 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin bezieht seit Ende Jänner 2016 laufend Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber; sie wohnt mit ihrem Ehegatten und ihren minderjährigen Söhnen in einem gemeinsamen Haushalt. Im Sozialbericht des früheren Unterkunftgebers XXXX GmbH vom 06.02.2020 wird die Beschwerdeführerin und deren Familie als verlässlich und kooperativ charakterisiert. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte seien sehr bemüht, der Elternrolle gerecht zu werden. Es zeige sich ein unbedingter Wille den Kindern das Leben in Österreich, speziell im schulischen Bereich, zu erleichtern und dieses auch zu fördern. Die Familie sei in der Freizeit stets bemüht, mit den Kindern an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen. Des Weiteren hebt der Mitarbeiter dieser Organisation das Bemühen beim Spracherwerb und den Willen zur selbständigen Vertretung ihrer Anliegen sowie zum Wiedereinstieg in ihren erlernten Beruf hervor.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihr nur schwer erlaubten, die in der Verhandlung am 25.02.2020 in deutscher Sprache gestellten (einfachen) Fragen auf einfache Weise zu beantworten. Die Beschwerdeführerin besuchte ab September 2018 einen Deutschkurs an der Volkshochschule XXXX , welchen sie aufgrund der Betreuungspflichten für ihre minderjährigen Söhne bislang nicht abschloss. Derzeit erhält sie von privater Seite wöchentlich Deutschunterricht. Einen Nachweis über die erfolgreiche Absolvierung einer Deutschprüfung erbrachte sie nicht.

Die Beschwerdeführerin war und ist in Österreich weder ehrenamtlich/ gemeinnützig tätig noch erwerbstätig. Die Beschwerdeführerin ist nicht in Vereinen oder Organisationen aktiv; sie ist auch nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen in Österreich.

Die Beschwerdeführerin hat - abgesehen von ihrem Ehegatten und ihren drei minderjährigen Söhnen - keine Verwandten in Österreich. Die Beschwerdeführerin verfügt hier über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch zwei österreichische Staatsangehörige angehören. Dabei handelt es sich um jene Person, die die Beschwerdeführerin als XXXX bezeichnet und als Freundin qualifiziert. Diese erteilt der Beschwerdeführerin privat Deutschunterricht. Sie stehen auch sonst privat in Kontakt und unternehmen gelegentlich gemeinsam Freizeitaktivitäten, z. B. unternehmen sie Spaziergänge und Ausflüge und führen Gespräche. Des Weiteren erhielt die Beschwerdeführerin von dieser Person Unterricht im Nähen und Schneidern. Ergänzend erwähnte die Beschwerdeführerin einen Lehrer namens XXXX , der ihrem ältesten Sohn jeden Donnerstag bei ihnen zu Hause Nachhilfeunterricht erteilt. Die Beschwerdeführerin brachte im gegenständlichen Verfahren keine Unterstützungserklärungen in Vorlage. Zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Bekannten/Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf die Beschwerdeführerin keine Verurteilung auf. Die Staatsanwaltschaft Wien trat laut Mitteilung vom 20.05.2020 von der Verfolgung der Beschwerdeführerin wegen §§ 15, 127 StGB vorläufig zurück.

Der Beschwerdeführerin fehlt es an persönlicher Glaubwürdigkeit.

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Ehegatten und den drei minderjährigen Söhnen im Familienverband. Das Verfahren wird als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt. Die Beschwerden des Ehegatten und der minderjährigen Söhne gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zahlen XXXX sowie vom 23.09.2019, Zahl XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom heutigen Tag vollinhaltlich als unbegründet ab (L527 2203110-1, L527 2203108-1, L527 2203106-1 und L527 2224721-1).

1.2. Die Beschwerdeführerin war im Iran keiner aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt und wäre auch im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit nicht maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt. Dazu sei hervorgehoben:

1.2.1. Zu den (behaupteten) Fluchtgründen und den geäußerten Befürchtungen für den Fall der Rückkehr:

1.2.1.1. Die Beschwerdeführerin war in ihrem Herkunftsstaat nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung (einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefahr von) intensiven staatlichen Übergriffen oder intensiven Übergriffen von Privatpersonen ausgesetzt.

Die Beschwerdeführerin ist aus ihrem Herkunftsstaat nicht geflohen, sie hat ihren Herkunftsstaat legal verlassen, sie wurde dort nicht verfolgt oder bedroht. Namentlich wurde sie nie von Behörden in ihrem Herkunftsstaat verfolgt; es gab keine Übergriffe oder Misshandlungen durch Vertreter von Behörden. Die Beschwerdeführerin war im Iran nie in Haft, wurde nie strafrechtlich verurteilt und es besteht auch kein Haftbefehl gegen sie. Die iranischen Behörden such(t)en nicht bzw. der iranische Staat sucht(e) nicht nach der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin hatte weder wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch wegen ihrer politischen Gesinnung, Lebensweise oder Religion Probleme. Wie unter 1.1. bereits festgestellt, wurde die Beschwerdeführerin als Muslima geboren und gehört nach wie vor der islamischen Glaubensrichtung an. Die Beschwerdeführerin hat sich weder vom Islam abgewandt noch wurde, wird oder würde ihr (im Falle der Rückkehr) dergleichen unterstellt. Die Beschwerdeführerin war weder im Iran, noch ist sie in Österreich für die Rechte der Frauen oder anderweitig politisch aktiv. Dergleichen wurde und wird ihr auch nicht unterstellt. Sie hat daher auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit physischer Gewalt aufgrund der immer wieder im Iran aufflackernden regierungskritischen Demonstrationen zu rechnen.

Die Beschwerdeführerin verließ den Iran aus wirtschaftlichen Gründen und zur Verbesserung der eigenen Zukunftsperspektive bzw. jener der Kinder.

Die Beschwerdeführerin pflegt in Österreich einen progressiven Kleidungsstil und trägt kein Kopftuch. Die Beschwerdeführerin sich mit den „westlichen“ Werten und einer „westlichen“ Lebensweise nicht eindringlich auseinandergesetzt hat. Sie hat auch keine Lebensweise angenommen oder verinnerlicht, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten zum Ausdruck kommt, wie sie in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerin nicht möglich wäre. Die Beschwerdeführerin hat während ihres Aufenthalts in Österreich keine Lebensweise oder Werthaltung verinnerlicht, die ein Leben im Herkunftsstaat im Sinne einer Verfolgung, Gefahr oder Bedrohung, unmöglich machen würde (etwa wegen gesellschaftlicher oder kultureller Einschränkungen).

Auch für den Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat liefe die Beschwerdeführerin nicht ernstlich Gefahr, (aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführerin würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung oder eine andere aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung, Bedrohung oder sonstige Gefährdung drohen.

1.2.1.2. Die Beschwerdeführerin ist auf beiden Unterarmen tätowiert und trägt ein Piercing. Bei den Tätowierungen handelt sich einerseits um einen Schriftzug und andererseits um einen Engel. Letzterem kann zwar eine religiöse Bedeutung beigemessen werden, er sagt jedoch nichts über eine mögliche religiöse Orientierung der Beschwerdeführerin aus, da Engel in den Lehren aller monotheistischen abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam vorkommen) (vgl. z. B. https://de.wikipedia.org/wiki/Engel [20.12.2020]). Die Tätowierungen hat sich die Beschwerdeführerin in Österreich machen lassen.

Die Beschwerdeführerin war daher in ihrem Herkunftsstaat weder im Zusammenhang mit ihren Tätowierungen und ihrem Piercing noch aus anderen Gründen (einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefahr von) intensiven staatlichen Übergriffen oder intensiven Übergriffen von Privatpersonen ausgesetzt.

Wenngleich verschiedenen Berichten zu entnehmen ist, dass Tätowierungen im Iran verboten seien, werden die meisten Tätowierungen von iranischen Sicherheitskräften nicht besonders beachtet. Dies gilt insbesondere im städtischen Umfeld. Sehr auffällige Tätowierungen können nachteilig sein, weil bei Kontrollen durch Sepah Pasdaran, Bassij oder sonstige Polizei jegliche Auffälligkeit des Aussehens und Verhaltens von Nachteil sein kann. Außerdem können besonders dekorative Tätowierungen mit einem westlichen Lebensstil in Verbindung gebracht werden und insofern nachteilig sein. Den betroffenen Personen drohen im Allgemeinen jedoch keine gravierenden Sanktionen, namentlich keine Misshandlungen. Es kann aber vorkommen, dass Sicherheitskräfte Träger von Tätowierungen geringschätzig-aggressiv auf die Motive ansprechen. Wenn sich die betroffene Person dann engagiert verbal verteidigt oder die Sicherheitskräfte am übrigen Verhalten oder der Kleidung Anstoß nehmen, sind körperliche Misshandlungen und einige Tage Haft nicht ausgeschlossen. Selbst wenn die Personen ein Kreuz tragen oder im Auto aufgehängt haben, wird eine Kontrolle wahrscheinlich glimpflich verlaufen, wenn sie z. B. rein optische/ästhetische Gründe dafür angeben. Zudem haben dekorative Tätowierungen im Iran keine spezifische soziale Aussage.

Iranische Behörden und Sicherheitskräfte werten Tätowierungen nicht als Beleg für eine Konversion. Wenn eine kontrollierte oder beschuldigte Person versichert, Moslem (geblieben) zu sein, sind keine weiteren Schritte oder gar Sanktionen zu erwarten. Ansonsten wären Misshandlungen und Haft von einigen Tagen allerdings nicht ausgeschlossen.

Daraus folgt: Im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat liefe die Beschwerdeführerin nicht ernstlich Gefahr, wegen ihrer Tätowierungen intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführerin würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung oder eine andere aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung, Bedrohung oder sonstige Gefährdung drohen.

1.2.2. Zur allgemeinen Lage im Iran und der Situation der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat:

1.2.2.1. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel ist festzustellen, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Iran keine reale Gefahr einer Verletzung der Art 2, 3 EMRK oder des 6. und 13. ZPEMRK bedeuten würde und für die Beschwerdeführerin als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Die Beschwerdeführerin hätte auch nicht um ihr Leben zu fürchten, es würde ihr nicht jegliche Existenzgrundlage oder notwendige medizinische Versorgung fehlen. Vgl. die folgenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts.

Die von der Beschwerdeführerin geäußerten Befürchtungen für den Fall der Rückkehr fußen in erster Linie auf der – nicht zutreffenden – Prämisse einer Bedrohung und Verfolgung ihres Ehegatten seitens des iranischen Ministeriums für Nachrichtenwesen (Geheimdienst) und eines Abfalls vom Islam und/ oder einer echten inneren Konversion zum Christentum durch ihren ältesten Sohn (AS 7, 61; OZ 16, S 42). Ferner deutet die Beschwerdeführerin Schwierigkeiten wegen ihrer Tätowierungen bei einer Rückkehr an (OZ 16, 45). Diese Befürchtungen treffen, wie das Bundesverwaltungsgericht darlegen wird, nicht zu. (Auch) ansonsten hat die Beschwerdeführerin kein substantiiertes Vorbringen erstattet und hat nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachgewiesen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 2 oder 3 EMRK oder dem 6. und dem 13. ZPEMRK widersprechende Behandlung drohen würde.

1.2.2.2. Die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers in den Iran bedeutet nicht allein wegen der dort vorherrschenden allgemeinen Situation eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte.

Im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin bestehen zwar latente Spannungen und es kommt verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie (vor allem in Minderheitenregionen) zu terroristischen Zwischenfällen, im gesamten Iran herrscht aber nicht ein derart hohes Niveau an willkürlicher Gewalt, dass die Beschwerdeführerin allein durch ihre Anwesenheit einem realen Risiko für ihre körperliche Unversehrtheit oder ihr Leben ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin stammt außerdem nicht aus einer Minderheitenregion, wie dem Nordwesten des Iran oder der Region um den Persischen Golf, sondern, wie bereits festgestellt, aus XXXX , wo etwa die Eltern, Schwiegereltern und zwei Geschwister nach wie vor ohne Probleme leben.

1.2.2.3. Allein der Umstand, dass eine Person (im Ausland) einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr in den Iran keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Im gegebenen Fall ist den iranischen Behörden nicht bekannt, dass und mit welcher Begründung die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Wenn Rückkehrer in einzelnen Fällen zu ihrem Auslandsaufenthalt befragt werden, geht damit keine psychische und auch keine physische Folter einher. Selbst Personen, die das Land illegal verlassen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren, jedenfalls wenn sie sonst keine weiteren Straftaten begangen haben.

1.2.2.4. Ungeachtet der angespannten Wirtschaftslage und der ebenso angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt ist die Grundversorgung jedenfalls durch staatliche Hilfe und das islamische Spendensystem gesichert. Im Iran besteht ein differenziertes Sozialversicherungssystem; kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Das Gesundheitssystem ist fast flächendeckend, in Städten haben 100 % der Bevölkerung Zugang zu ärztlicher Versorgung. Seit der islamischen Revolution hat sich das Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die medizinische Versorgung ist in XXXX und anderen großen Städten ausreichend bis gut. Freilich ist die spezialisierte, medizinische Versorgung in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard.

Unter Bedachtnahme auf die festgestellte Lage im Herkunftsstaat und auf die persönliche Situation der Beschwerdeführerin (insbesondere - schulische - Ausbildung, Arbeitsfähigkeit, Berufserfahrung, Gesundheitszustand, Sozialisation im Herkunftsstaat, familiäre Beziehungen, Lebensstandard) ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr die wirtschaftliche Wiedereingliederung möglich sein wird. Sie wird in der Lage sein, jedenfalls die notdürftigsten Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz, auch in medizinischer Hinsicht, zu decken. Außergewöhnliche Umstände, die dem entgegenstünden, sind weder in Bezug auf die allgemeine Lage im Iran noch auf die persönliche Situation der Beschwerdeführerin feststellbar.

1.2.2.5. Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlicher Raub, wiederholter schwerer Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, „Mohareb“, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, Drogenkonsum und außerehelicher Geschlechtsverkehr sind im Iran mit Todesstrafe bedroht. Die Todesstrafe wird, vor allem bei Drogendelikten, auch tatsächlich verhängt und vollstreckt. Folter ist zwar offiziell verboten, Verhörmethoden und Haftbedingungen im Iran schließen in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung aber nicht aus. Außerdem verhängen und vollstrecken die Justizbehörden weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. Exemplarisch erwähnt sei, dass im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt wurden.

Die Haftbedingungen im Iran sind auch abseits von Folter, Misshandlungen und Körperstrafen, wovon vor allem politische Häftlinge betroffen sind, problematisch: Überbelegung von Zellen, Unterbringungen von Häftlingen im Freien, gesundheitsschädigende Haftbedingungen, unzureichende Ernährung und medizinische Behandlung, mangelnde Hygiene.

Im Hinblick auf ihr Vorleben im Iran und in Österreich besteht jedoch keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat der Todesstrafe unterworfen, inhaftiert oder sonst einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein könnte.

1.2.2.6. Zur Situation von Frauen im Iran ist festzuhalten:

Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in XXXX und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt. Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). Eine Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist im Gange.

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u. a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 19,8 % (1,07 Millionen gegenüber 10,3 % und 2,25 Millionen in absoluten Zahlen bei den Männern). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität XXXX vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden.

In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt. Zum Beispiel legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können.

Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten. Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren. Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben.

Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und bei bestimmten Straftatbeständen ist die Zeugenaussage von männlichen Zeugen Verurteilungsvoraussetzung. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht.

Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen. Ende 2017/Anfang 2018 kam es zu größeren Protesten von Frauen gegen den Kopftuchzwang, bei denen einige Frauen öffentlich ihren Schleier abnahmen. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog. Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten. Letztlich erlebte auch die Diskussion rund um das Stadionverbot für Frauen wieder frischen Wind, nachdem bei WM-Spielen der Fußballnationalmannschaft im Juni 2018 im Azadi-Stadion auch Frauen zugelassen waren. Zudem wurden im Oktober und November 2018 auf Druck der FIFA – und trotz massiven Widerstands von Teilen des Klerus – zum ersten Mal ausgewählte Frauen zu zwei Livespielen eingelassen.

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe.

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen.

Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden.

Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Jedoch sind Informationen über diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar.

Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt. Vergewaltigung ist generell mit der Todesstrafe bedroht, bei Ehepartnern wird Vergewaltigung jedoch nicht als Vergehen gesehen. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, sind weit verbreitet und werden nicht geahndet. Geschlechtsspezifische Gewalt ist weiterhin nicht strafbar.

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder enganliegende Kleidung tragen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden. Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen „unislamisch“ kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. „Sünderinnen“ droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Die Gesetze – und Strafmaßnahmen – gibt es schon seit fast 40 Jahren, genauso lange haben sie nicht viel gebracht. Die Kopftücher wurden und werden immer kleiner und die Mäntel immer kürzer und enger. Auch strengere Kontrollen der Sittenpolizei auf den Straßen führten nicht zu dem erhofften Sinneswandel der Frauen. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen. Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen.

In rechtlicher Hinsicht gestaltet sich die Lage für Frauen im Iran wie folgt:

Aufenthaltsbestimmungsrecht:

Der Ehemann hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sich und seine Frau (Art. 1104 des iranischen Zivilgesetzbuchs, iZGB). Sie benötigt die schriftliche Einwilligung ihres Ehemannes, um einen Reisepass zu beantragen (Art. 18 III Passgesetz). Der Ehemann hat das Recht, jederzeit ohne Angabe von Gründen eine Ausreisesperre gegen seine Ehefrau zu verhängen. Frauen benötigen einen männlichen Vormund oder eine Begleitperson auf Reisen. In einigen Städten benötigen allein reisende Frauen eine behördliche Erlaubnis, um in öffentlichen Hotels und Gästehäusern übernachten zu können.

Volljährigkeit:

Mädchen werden mit dem 9. Lebensjahr volljährig, Jungen mit Vollendung des 15. Lebensjahres. Geschäftsfähigkeit erlangen beide in der Regel erst mit 18 Jahren.

Eherecht:

Die Ehe eines nicht-muslimischen Mannes mit einer Muslimin ist verboten (Art. 1059 ZGB); für die Ehe einer iranischen Frau mit einem Ausländer ist eine behördliche Sondergenehmigung erforderlich (Art. 1060 ZGB). Eine ledige Frau benötigt unabhängig von ihrem Alter zur ersten Eheschließung die Zustimmung des gesetzlichen Vormunds, in der Regel die des Vaters (Art. 1043 ZGB). Laut Art. 1108 ZGB hat eine Ehefrau, die ihre Ehepflichten (Gehorsam und Ehebeziehungen) nicht erfüllt, keinen Anspruch auf Unterhalt. Der Ehemann hat das Recht zur Vielehe (bis zu vier Frauen).

Scheidungsrecht:

Der Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne dass er den Scheidungsantrag begründen muss. Ebenso kann er nach einer widerrufbaren Scheidung die Ehe innerhalb von drei Monaten wieder aufnehmen. Eine Frau kann bei Geisteskrankheit und Impotenz des Ehemanns (Art. 1122, 1125 ZGB), wegen einer unerträglichen Härte im Falle der Fortführung der Ehe z.B. bei stark unislamischer Lebensführung des Ehemanns oder bei Verletzung der Unterhaltspflicht (Art. 1130 ZGB) die Scheidung beantragen. Zusätzlich zu diesen gesetzlich geregelten Fällen werden in standardisierten, notariell beurkundeten Eheverträgen oft weitere Scheidungsgründe vereinbart (z.B. für die Frau gefährliche Erkrankung, Drogenkonsum, weitere nicht abgestimmte Heirat des Ehemanns). Das Vorliegen der Scheidungsbedingungen nachzuweisen ist für die Frau sehr schwierig. Im Streitfall kann sich ein solcher Rechtsstreit über mehrere Jahre hinziehen. Die Frau hat jedoch in den meisten Fällen die Möglichkeit, dem Mann gegen die Scheidung die Morgengabe zu schenken, wobei es sich häufig um große Summen handelt. Lässt sich der Mann scheiden, muss er diese der Frau auszahlen. Einen besonders hohen Anteil stellen einvernehmliche Scheidungen dar.

Sorgerecht:

Das Sorgerecht gliedert sich nach den Vorschriften des iZGB in zwei Kategorien: Die Vermögenssorge sowie alle Fragen der Stellvertretung (sog. „Welayat“) liegen immer beim Vormund des Kindes, in der Regel also beim Vater. Über Fragen des körperlichen und geistigen Wohls des Kindes (sog. „Hezanat“) entscheiden beide Ehegatten gemeinsam. Bei einer Scheidung erhält die Frau für Kinder bis zum Alter von sieben Jahren die „Hezanat“ (Sorgerecht in Bezug auf körperliches und geistiges Wohl des Kindes) (Art. 1169 ZGB). Bei Erreichen der Altersgrenze fällt sie automatisch an den Vater. Nur in Fällen der Beeinträchtigung des physischen oder moralischen Wohls der Kinder kann das Sorgerecht ausnahmsweise durch ein Gericht auch nach Erreichen der Altersgrenze der Mutter zugesprochen werden. Sie verliert das Sorgerecht, wenn sie wieder heiratet.

Staatsangehörigkeit:

Die ausländische Ehefrau eines Iraners erwirbt durch die Eheschließung automatisch die iranische Staatsangehörigkeit und wird dann ausschließlich als Iranerin behandelt. Erwirbt die iranische Ehefrau unmittelbar durch eine Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres ausländischen Ehemannes, verliert sie die iranische Staatsangehörigkeit. Nach dem Tod des Ehemanns oder nach Trennung der Eheleute hat die Frau ein Recht auf Wiedererwerb der iranischen Staatsangehörigkeit. Wird der Ehemann eingebürgert, erwerben Ehefrau und minderjährige Kinder automatisch ebenfalls die iranische Staatsangehörigkeit. Eine mit einem iranischen Staatsangehörigen verheiratete Frau kann nominell weder eine andere Staatsangehörigkeit erwerben noch aus der iranischen Staatsangehörigkeit entlassen werden. Das Kind eines iranischen Vaters erwirbt seine Staatsangehörigkeit. Das Kind erwirbt in der Regel aber nicht die Staatsangehörigkeit von seiner iranischen Mutter, es kann sich jedoch nach Erreichen der Volljährigkeit einbürgern lassen.

Einwilligungsvorbehalt:

Der Ehemann einer iranischen Frau hat das Recht, der Ehefrau die Ausübung eines Berufs zu versagen, wenn dies den Interessen der Familie widerspricht und seiner Würde zuwiderläuft.

Sozialversicherung:

Das Sozialversicherungswesen ist darauf ausgelegt, dass der Mann die Familie unterhält. Der Fall, dass eine Frau für das Familieneinkommen sorgt, obwohl auch der Mann dazu in der Lage wäre, ist nicht vorgesehen. Eine Frau erhält in der Regel lediglich dann Leistungen aus der Sozialversicherung, wenn sie die einzige Ernährerin der Familie ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Rechtliche Grundlagen für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung:

2.1.1. Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz braucht die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 lediglich glaubhaft gemacht zu werden.

Dies bedeutet zum einen eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers. Dieser hat nämlich initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der betreffenden Fakten spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für deren Vorliegen liefern; vgl. z. B. VwGH 15.09.2004, 2002/04/0201.

Zum anderen wird, wenn eine Tatsache (lediglich) glaubhaft gemacht werden muss, das Beweismaß herabgesetzt; vgl. Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at); zur Relevanz dieser Bestimmung im Verwaltungsverfahren: Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) Rz 206. Für die Glaubhaftmachung (im Unterschied zum vollen Beweis) genügt es, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache überzeugt ist. Die Glaubhaftmachung hat also das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt; VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252. Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen. Ob die Glaubhaftmachung behaupteter Tatsachen gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine Frage der rechtlichen Beurteilung; so mwN Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 5 (Stand 1.8.2017, rdb.at).

2.1.2. Im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung ist zu beachten: Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde; vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, und VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314. In seiner Entscheidung vom 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, hat der Verwaltungsgerichtshof bekräftigt, dass grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs 1 oder Abs 2 FPG glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist.

2.2. Die Beschwerdeführerin wurde mehrfach eingehend über ihre Pflicht bzw. Obliegenheit zur (initiativen) Mitwirkung im Verfahren belehrt und dezidiert zur Mitwirkung aufgefordert (vgl. insbesondere AS 3 [Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern], 51, 61 ff; OZ 11, OZ 16, S 5). Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in Bezug auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt seit Schluss des Beweisverfahrens und der mündlichen Verhandlung (OZ 16, S 51) keine Änderung eingetreten ist, da sich die Beschwerdeführerin, vertreten durch eine Rechtsberatungsorganisation, seither nicht mehr geäußert hat. Wäre eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zwischenzeitlich eingetreten, hätte die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Pflicht bzw. Obliegenheit und schon im eigenen Interesse dies dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf allfällige Sachverhaltsänderungen in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie der subsidiär Schutzberechtigten, sondern insbesondere auch für die privaten, familiären, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Umstände der Beschwerdeführerin, die diese der Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls von sich aus mitzuteilen hat; vgl. § 15 AsylG 2005; VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; sowie generell zur Mitwirkungsobliegenheit im Verwaltungsverfahren z. B. VwGH 15.11.1994, 94/07/0099, und Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 10, 16 (Stand 1.7.2005, rdb.at).

2.3. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich aus deren Angaben im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus der der belangten Behörde im Original vorgelegten iranischen Geburtsurkunde (Kopie, AS 29 ff [Übersetzung: AS 27 ff]) und der der belangten Behörde in Kopie vorgelegten Übersetzung der iranischen Heiratsurkunde (AS 41 ff).

Die weiteren Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihren Lebensverhältnissen in ihrem Herkunftsstaat und in Österreich waren auf Grundlage im Wesentlichen stringenter und insoweit glaubhafter Angaben im Verwaltungsverfahren (AS 1 ff, 19 ff, 53 ff) und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (OZ 16, S 31 ff), teils in Zusammenschau mit Bescheinigungsmitteln (z. B. OZ 14), zu treffen. Die entsprechenden Aussagen der Beschwerdeführerin konnten auch deshalb den Feststellungen zugrunde gelegt werden, weil keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, dass die Beschwerdeführerin einen Grund haben könnte, insofern unzutreffende, wahrheitswidrige Angaben zu machen. Auf einzelne Aspekte geht das Bundesverwaltungsgericht noch näher ein:

Zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ist festzuhalten: In der Verhandlung am 25.02.2020 fragte der Richter die Beschwerdeführerin konkret nach (chronischen) Krankheiten und Leiden. Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie gesund und einvernahmefähig sei (OZ 16, S 4). Auch im behördlichen Verfahren hatte die Beschwerdeführerin stets ausgesagt, gesund zu sein (AS 51). Dass die Beschwerdeführerin Gründe haben könnte, insofern wahrheitswidrige Aussagen zu tätigen, ist nicht im Geringsten ersichtlich.

Nicht durchgängig schlüssig sind die Angaben der Beschwerdeführerin (und ihres Ehegatten) zu den Wohnadressen vor ihrer Ausreise im Herkunftsstaat. Schon in der Erstbefragung sagten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte jeweils, ihre Wohnsitzadresse sei Iran, XXXX , XXXX gewesen (AS 3; L527 2203110-1, AS 15). Gegenüber der belangten Behörde (AS 19; L527 2103110-1, AS 33) bestätigten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte diese Adresse nochmals jeweils bei der Aufnahme des Datenblatts zur Person, wobei sie zusätzlich explizit anmerkten, dort von 2008 bis zu ihrer Ausreise 2015 („ XXXX XXXX , XXXX “) gelebt zu haben. Im Zuge der freien Schilderung des Ausreisevorbringens vor der belangten Behörde schilderte der Ehegatte der Beschwerdeführerin dann erstmals abweichend, dass er mit der Beschwerdeführerin nach seiner Heirat – die Eheschließung erfolgte am XXXX – dreimal die Wohnung gewechselt bzw. er bei seinen Eltern, Schwiegereltern und in verschiedenen eigenen Wohnungen gelebt habe (L527 2203110-1, AS 91). Im Zuge der Nachfrage zu Details zum Ausreisevorbingen legte er an anderer Stelle wiederum ungenau dar, zwei- oder dreimal die Wohnung gewechselt zu haben (L527 2203110-1, AS 95). Ähnlich schilderte auch die Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde, keine bestimmte Adresse gehabt und öfters den Wohnsitz gewechselt zu haben (AS 57). Ausgehend von diesen Angaben des Ehepaares vor der belangten Behörde ersuchte der erkennende Richter in der Beschwerdeverhandlung den Ehegatten der Beschwerdeführerin daher, die exakten Adressen und Zeiträume zu nennen, an denen er von 2000 bis zur Ausreise in XXXX gelebt habe. Wörtlich führte er aus: „Ich lebte bei meinen Eltern in einem Haus an der Adresse: Str. XXXX . Dort habe ich gelebt bis ca. zwei Jahre nach der Eheschließung mit meiner Frau. Das heißt, die ersten beiden Ehejahre haben wir bei meinen Eltern gelebt. Danach habe ich zwei oder drei Mietwohnungen gehabt, wo ich mit meiner Frau gemeinsam lebte. Diese waren alle in der Nähe meines Elternhauses. An die Adresse der ersten Wohnung, kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war in der Nähe meines Elternhauses. Die zweite Wohnung Str. XXXX . Die letzte Adresse XXXX . Jetzt kann ich mich an die wirklich letzte Adresse erinnern: XXXX , XXXX , Gasse weiß ich nicht, Nummer weiß ich auch nicht. Dort haben wir aber nie tatsächlich gelebt. Wir übersiedelten unsere Gegenstände dorthin, mussten aber schnell das Land verlassen.“ (OZ 15, S 17). Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin im Zuge der Protokollierung und nach mehrfachen Rückfragen durch den erkennenden Richter modifizierte der Ehegatte der Beschwerdeführerin seine Angaben zu seinen Wohnadressen anschließend abermals und gab zu Protokoll (OZ 15, S 17 f), dass er bis etwa zwei Jahre nach seiner Eheschließung gemeinsam mit seinen Eltern in einem Haus mit der Adresse „ XXXX “ gelebt habe. Anschließend habe er zwei oder drei Mietwohnungen gehabt, welche alle in der Nähe seines Elternhauses gelegen seien. Die erste Wohnung sei in der XXXX , die zweite Wohnung in der XXXX , und die dritte Wohnung in Straße XXXX gelegen; den Namen der jeweiligen Gasse und bezüglich der dritten Wohnung auch die Hausnummer wisse er nicht mehr. In der ersten Wohnung habe er etwa zwei Jahre und in der zweiten Wohnung etwa eineinhalb Jahre gelebt. Somit gelangt es dem Ehegatten der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung trotz mehrfacher Versuche nicht, die exakten Adressen, an denen er von 2000 bis zur Ausreise in XXXX gelebt habe, sowie die entsprechenden Zeiträume korrekt zu nennen. Besonders auffällig ist die Unschlüssigkeit der Zeitangaben bzw. genannten Zeiträume: Der Ehegatte sollte sich, wie ausgeführt, zu den Wohnadressen ab dem Jahr 2000 bis zur Ausreise – diese erfolgte im November 2015 – äußern. Ausgehend von den vom Ehegatten der Beschwerdeführerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung genannten Zeiträumen reichen seine Angaben jedoch nur bis ins Jahr 2014: ca. zwei Jahre nach der Eheschließung ( XXXX ) bei den Eltern, ca. zwei Jahre in der ersten Mietwohnung, ca. eineinhalb Jahre in der zweiten Mietwohnung; in der dritten Mietwohnung habe der Beschwerdeführer überhaupt nicht mehr gelebt, weil er das Land habe verlassen müssen (OZ 16, S 17 f). Auffällig ist auch, dass die im Zuge der mündlichen Verhandlung genannte Wohnadresse bei seinen Eltern, im Wesentlichen mit der bei Erstbefragung und bei der Aufnahme des Datenblatts zur Person genannten Wohnadresse für die Jahre 2008 bis 2015 („ XXXX XXXX , XXXX “, vgl. L527 2203110-1, AS 33) übereinstimmt. Das legt den Schluss nahe, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten nach ihrer Eheschließung bis zur Ausreise stets an dieser Adresse verblieben ist, andernfalls es dem Ehegatten der Beschwerdeführerin - legt man dessen Ausführungen zugrunde -, möglich hätte sein müssen, die weiteren Adressen präzise anzugeben, zumal er sich dort angeblich doch auch zumeist längere Zeit aufgehalten haben soll. Es will nicht einleuchten, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin – hätte er tatsächlich mit ihr auch in eigenen Wohnungen gelebt – nicht in der Lage gewesen sein könnte, die jeweiligen Gassen seiner angeblichen Wohnadressen zu nennen, zumal diese Wohnungen alle in der Nähe seines Elternhauses gelegen sein sollen.

Die Eheschließung am XXXX wurde im Verfahren vor der belangten Behörde urkundlich durch die im Original vorgelegte iranische Geburtsurkunde, wobei es sich hierbei auch um einen iranischen Eheeintrag handelt (Kopie, AS 29 ff [Übersetzung: AS 27 ff]) und der der belangten Behörde in Kopie vorgelegten Übersetzung der iranischen Heiratsurkunde (AS 41 ff) nachgewiesen.

Dass die Beschwerdeführerin der Volksgruppe der Perser angehört und als schiitische Muslima geboren wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage ihrer Angaben im behördlichen (AS 1, 19) Verfahren festgestellt. Was die fortdauernde Zugehörigkeit zur islamischen Glaubensgemeinschaft betrifft, so ist auf die nachfolgenden Ausführungen zu verweisen. Dasselbe gilt im Hinblick darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellen konnte, dass die Beschwerdeführerin kein religiöses Bekenntnis führe und/oder sich als nicht gläubig erachten würde.

Dass die Beschwerdeführerin nicht ehrenamtlich/ gemeinnützig tätig, nicht erwerbstätig, nicht in Vereinen oder Organisationen aktiv und auch nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen in Österreich ist, ist im Lichte der Aussagen der Beschwerdeführerin und der Bescheinigungsmittel (bisweilen im Umkehrschluss) nicht zweifelhaft.

Dass (und seit wann) die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus deren Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S 34) und einem (aktuellen) Auszug aus dem entsprechenden Register (OZ 21). Die Feststellungen zur gemeinsamen Unterkunft der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehegatten und ihren minderjährigen Söhnen ergeben sich aus aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (OZ 21; L527 2203110-1/19; L527 2203108-1/19; L527 2203106-1/19 sowie L527 2224721-1/13) und glaubhaften Angaben im Verfahren (OZ 16, S 14, 31).

Die Feststellungen zum Stand des Verfahrens ihres in Österreich aufhältigen Ehegatten und ihrer ebenfalls in Österreich aufhältigen minderjährigen Kinder ergeben sich aus der Einsichtnahme in die Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zahlen L527 2203110-1, L527 2203108-1, L527 2203106-1 und L527 2224721-1. Dass sie in Österreich ansonsten - abgesehen von ihrem Ehegatten und ihren drei minderjährigen Söhnen - keine Verwandten habe, ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S 32). Den Feststellungen zum Freundes- und Bekanntenkreis der Beschwerdeführerin in Österreich liegen die Aussagen der Beschwerdeführerin (OZ 16, S 33 f) zugrunde. Das Bundesverwaltungsgericht stellt insgesamt nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführerin private Kontakte zu zwei österreichischen Staatsbürgern unterhält. Im Hinblick auf die festgestellten und im (gerichtlichen) Verfahren genannten Aktivitäten (z. B. OZ 16, S 33 f) kann jedoch keinesfalls ein Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung festgestellt werden.

Wann die Beschwerdeführerin den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in unbedenklichen Urkunden/Unterlagen dokumentiert (AS 1; OZ 2, 15 [Auszüge aus Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister]) und wurde nicht in Zweifel gezogen. Dass sie illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, steht außer Frage, zumal sie bei ihrer Einreise kein (gültiges) Einreisedokument vorlegen konnte. Zu ihrer Ausreise aus dem Iran und der Einreise in das Bundesgebiet hat die Beschwerdeführerin des Weiteren im Verfahren gleichbleibende Angaben gemacht, die dementsprechend den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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