TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/8 W257 2181373-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2021
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Entscheidungsdatum

08.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W257 2181373-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, Alser Straße 23/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zahl 1094518610/151758001, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

1.       Verfahrensgang:

1.1.     XXXX (im Folgenden „Beschwerdeführer“ oder kurz „BF“ genannt), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.    Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zusammengefasst an, er sei Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, sei am XXXX geboren, hätte von 2006 bis 2015 in Kabul die Schule besucht, sei Hazara und schiitischer Moslem. Er sei ledig und hätte keine Sorgepflichten. Er hätte einen Vater, eine Mutter, vier jüngere Brüder im Alter von 10 bis 4 Jahren, und eine Schwester. Zudem einen Großvater namens XXXX und einen Cousin namens XXXX Dies Beiden würden in Österreich wohnen. Er stamme aus dem Bezirk XXXX aus Kabul. Er sei wegen der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan geflohen. Er hätte auch die Schule nicht mehr besuchen können. Aus diesen Gründen hätte sein Vater ihm zu seinem Großvater nach Österreich geschickt.

1.3.    Der Beschwerdeführer wurde am 18.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge „belangte Behörde“, auch BFA genannt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.

1.3.1.  Er brachte zu seinen sozialen Verhältnissen in Afghanistan vor:

Er sei in Kabul aufgewachsen. Mit seiner Familie hätte er einmal in der Woche Kontakt. Diese besteht aus: XXXX

Alle würden in Afghanistan leben. Er hätte noch Großeltern väterlicherseits und weitere Onkeln und Tanten in Afghanistan. In Österreich hätte er eine Tante, seine Großeltern und einen Cousin.

Er hätte in Kabul 9 Jahre die Grundschule besucht. Sein Vater wäre selbständig gewesen und hätte manchmal in einem Geschäft gearbeitet, manchmal wäre er LKW-Fahrer gewesen und hätte so für die Familie sorgen können. Die Flucht wäre vom Vater organisiert geworden, hätte ca 12.0000 USD gekostet.

1.3.2.  Er brachte zu seinem Fluchtgrund vor:

„Die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und die Anschläge in Kabul waren ein Grund für die Flucht. Der zweite Grund ist, dass ich in ein Land wollte, wo ich eine gute Ausbildung erhalte und ich mir viel Wissen aneignen kann. Ich will mit einer guten Ausbildung und einem guten Beruf meine Familie in Afghanistan unterstützten.“ Auf die Frage, ob er jemals bedroht worden wäre, antwortete er „nein“. Seine Geschwister würden alle die Schule besuchen, seine Schwester hätte das Maturaniveau erreicht.

1.3.3.  Er brachte zu seiner bisweilen erfolgten Integration folgendes vor:

Er lebe bei seinen Großeltern in Wien und mache den Pflichtschulabschlusskurs. Am Abend lerne er oder betreibe Sport. Er hätte hier in Österreich seinen Oberarm tätowieren lassen. Er wolle hier seine Bildung fortsetzen und Facharzt werden oder in die Wirtschaft gehen. Folgende Berichte wurden vorgelegt: Sozialbericht Bildung und Bratung, Zertifikat über verschiedene Module beim Verein Integrationshaus, Zertifikat Deutschkurs Verein Integrationshaus, ÖSD Zertifikat A2.

1.4.    Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch erwähnten Bescheid gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass er keinen Fluchtgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht hätte. Hinsichtlich der Beziehung zu den Großeltern führte die Behörde aus, dass die Beziehung nicht so sehr schützenswert sei, als die Verbindung zur Familie in Afghanistan. Der BF hätte vor dem Ankommen in Österreich keine Beziehung zu den Großeltern besessen und mittlerweile sei der BF auch volljährig geworden. Die Behörde erkannte keinen Eingriff in Artikel 8 MRK im Falle einer Rückkehr in den Familienverband nach Kabul.

1.5.    Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers, wobei er seine Aussagen inhaltlich aufrecht hält. Er führte aus, dass eine Beziehungsintensität zu den Großeltern, welche in Österreich Asyl bekommen hätten, vorhanden sei.

1.6.    Der Verwaltungsakt langte am 02.01.2018 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde entsprechend der Geschäftseinteilung der Gerichtsabteilung W257 zugewiesen (OZ 1).

1.7.    Unter OZ 5 wurden die Parteien am 23.10.2020 zu einer mündlichen Verhandlung für den 02.12.2020 unter Anschluss der Länderberichte eingeladen. Es wurden folgende Länderberichte übersandt:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019, zuletzt aktualisiert am 21.07.2020 (LIB)

-        UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

-        EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO),

-        Ecoi.net Themendossier zu Afghanistan: „Sicherheitslage und die soziökonomische Lage in Herat und in Masar-e Scharif“ vom 26.05.2020 (ECOI Herat und Masar-e Sharif)

-        ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 30.04.2020 (ACCORD Masar-e Sharif)

-        ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 23.04.2020 (ACCORD Herat)

-        Arbeitsübersetzung Landinfo Report „Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne“ vom 23.08.2017 (Landinfo 1)

-        Arbeitsübersetzung Landinfo Report „Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban“ vom 29.06.2017 (Landinfo 2)

-        ACCORD Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 (ACCORD Covid-19)

Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gegeben. Die Parteien nahmen von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch.

1.8.    Unter OZ 6 wurde die Vollmacht der bisherigen Rechtsvertreterin zurückgezogen. Mit OZ 7 wurde eine Vollmacht der jetzigen Rechtsvertreterin und folgende Unterlagen vorgelegt, welche seine Integration beweisen sollen. Teilnahmebestätigung „ XXXX Basisausbildung für Jugendliche, demnach besucht er eine „Basisausbildung im Ausmaß von 300 Stunden“ vom 07.01.2019; Zeugnis hinsichtlich des Pflichtschulabschlusses am 14.06.2018; Zertifikat ÖSD B1 am 10.07.2018; Schulbesuchsbestätigung vom 23.11.2000 demnach er die Abend-AHS XXXX besucht, (Kursdauer vom 07.09.2000 bis 29.01.2021); bereits bei der Behörde vorgelegte Teilnahmebestätigungen vom 27.06.2016, vom 23.12.2016 und vom 01.09.2017.

In der angeschlossenen Stellungnahme wird angeführt, dass der BF eine vorbildliche Integration vorgenommen hätte. Er würde sich auch länger als 5 Jahre in Österreich aufhalten. Seine Leistungen wären überdurchschnittlich positiv und wäre er in seinem Umfeld ein Paradebeispiel an gelungener Integration. Der BF würde im gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern wohnen und es würde ein gemeinsames Familienleben bestehen. Die Eltern des BF wären von Kabul nach Pakistan geflohen und seien daher selbst Flüchtlinge. Der Bezug nach Afghanistan wäre nicht mehr vorhanden und wäre daher keine Bindung mehr nach Afghanistan vorhanden. Er hätte auch keinen Beruf in Afghanistan ausgeübt und wäre daher nicht selbsterhaltungsfähig. Eine Rückkehrentscheidung würde gegen Art 8 und 9 EMRK verstoßen, weil er massive familiäre, soziale, berufliche und kulturelle Bindungen in Österreich aufgebaut hätte.

1.9.    Am 01.12.2020 nahm der Richter Einsicht in die Grundversorgungsdatei: Aus dieser ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise und laufend aus der Grundversorgung lebt. Zuletzt erhielt er vom 01.11.2020 bis zum 30.11.2020 Grundversorgung in der Höhe von 215,00 Euro. Er wohnt bei seinen Großeltern in XXXX

1.10.   Vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.12.2020 wiederholte er im Grund seine Ausführungen. Er sei wegen der allgemeinen schlechten Sicherheitslage in Kabul geflohen wurde aber konkret nicht bedroht. Er würde hier in Österreich bei seinen Großeltern, einer Tante und einem Cousin wohnen. Die Eltern seien mit den 5 Kindern vor ca einem Jahr wegen der schlechten Sicherheitsalge von Kabul nach Pakistan geflohen und er hätte nur mehr zwei Onkel in Kabul, zu denen er allerdings keinen Kontakt hätte. Sein Vater hätte in Kabul ein Lebensmittelgeschäft besessen. Er könne nicht angeben, was sei Vater derzeit in Pakistan arbeiten würde. Er hätte erst vor zwei Tagen mit den Eltern in Pakistan telefoniert.

Der Richter bezweifelte, dass die Familie in Pakistan wohnt und ersuchte den BF, bei seinem Mobiltelefon Nachschau zu halten um anhand der Anrufe zu beweisen, dass er tatsächlich vor zwei Tagen einen Anruf von Pakistan erhielt. Der BF verweigerte – auch nach eingehender Beratung mit seinem Rechtsanwalt – die Einsicht in das Anrufverzeichnis seines Mobiltelefons. Begründend führte er aus, dass er die Eltern nicht in Schwierigkeit bringen wolle.

Der BF wurde aufgefordert, binnen sieben Tagen Nachweise vorzulegen, dass sich die Eltern tatsächlich in Pakistan aufhalten.

Weiters brachte er vor, dass er das Bundesgymnasium in XXXX besuche und in seiner Freizeit Sport betreibe. Er gehe keiner sozialen Tätigkeit nach. Seine Bezugsperson sei sein Großvater, welcher als Zeuge einvernommen ebenso angab, dass er gehört hätte, dass sich seine Tochter und der Schwiegersohn in Pakistan aufhalte würde.

1.11.   Am 09.12.2020 langte die seitens des Gerichts aufgeforderten Nachweise ein. Es wurde folgendes vorgelegt: Eine Kopie eines Mietvertrages in englischer Sprache, abgeschlossen zwischen dem Vermieter und „ XXXX “, dem Vater des BF. Die Wohnung befindet sich in XXXX , in der Nähe von Islamabad, Pakistan. Ebenso wurde ein Lichtbild eines Reisepasses des Vaters vorgelegt (OZ 9). Diese Eingabe wurde dem BFA zum Parteiengehör zugesandt. Eine Stellungnahme langte von dieser bis zum heutigen Tag nicht ein.

1.12.   Nachdem nach der mündlichen Verhandlung im 02.12.2020 ein neues Länderinformationsblatt für Afghanistan erschienen ist, wurde dieses den Verfahrensparteien zum Parteiengehör zugesandt. Eine Stellungnahme langte zu diesem neuen Länderinformationsblatt nicht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.       Feststellungen

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

2.1.1.  Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist in Afghanistan, in Kabul geboren und im Familienverband von seiner Mutter, seinem Vater, seinen vier Brüdern und seiner Schwester aufgewachsen. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensausrichtung.

Er hat die Schule 9 Jahre lang besucht. Die Erstsprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht außerdem Deutsch auf dem Niveau B1. Bis zur seiner Ausreise wuchs er im Familienverband auf. Er hat keine Berufserfahrung und ist lediglich zur Schule gegangen. Alle seine 5 Geschwister besuchten auch die Schule, die Schwester hat die Matura abgeschlossen. Er wuchs in einer aufgeschlossenen Familie auf.

2.1.2.  Eine allgemeine Gefahr, dass er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner Religionsrichtung verfolgt werden könnte, oder wegen seiner Religionsausrichtung, kann aufgrund der gängigen Judikatur, dass nur eine konkrete Verfolgung Anlass für die Anerkennung als Flüchtling nach der GFK sein kann, außer Acht gelassen werden.

2.1.3.  Sein Vater wohnt in Pakistan. Er hat einen Onkel, dieser lebt in Kabul.

2.1.4.  Er wohnt bei seinen Großeltern und seinem Cousin, sowie seiner Tante in Wien.

2.1.5.  Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus den Eltern, seiner ca 19-jährigen Schwester, vier Brüdern, wobei der älteste Bruder heute ca 14 Jahre alt ist. Er hat wöchentlich Kontakt zu seinen Eltern mittels Mobiltelefon. Es kann nicht festgestellt werden, wo die übrigen Familienangehörigen, insbesondere seine Mutter, seine Brüder und seine Schwestern wohnen.

2.1.6.  Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt von Kabul nach Iran. Dort war er acht Monate aufhältig und reiste dann schlepperunterstützt nach Europa. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF ist gesund.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

2.3.    Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Er bezieht seit seiner Einreise bis zum heutigen Tag Unterstützung von der Grundversorgung.

Vom 07.01.2019 bis zum 03.05.2019 besuchte er die unter Punkt 1.8. genannten Ausbildung und absolvierte die dort genannten weiteren Ausbildungen. Derzeit besucht der eine Abend-AHS in Wien (Kursdauer bis 29.01.2021), weil er eine Lehrstelle nicht finden konnte. Er betätigt sich nicht ehrenamtlich und lebt von der Grundversorgung. Er wohnt bei seinen Großeltern in XXXX . In dieser Wohnung lebt auch noch eine Tante von ihm und sein Cousin, welcher ca 20 Jahre alt ist.

Es wäre für ihn schwierig wenn es sich von den Großeltern trennen müsste. Er hat zu seinem Großvater, mit dem er gemeinsam auch zB Sport betreibt, einen guten Kontakt. Der Beschwerdeführer verfügt über gute Deutschkenntnisse auf dem Niveau (nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) B1. Er lernt in der Abend-AHS Spanisch und Englisch.

Die Beziehung zu seinem in etwa gleichaltrigen Cousin (er ist ca. 20 Jahre alt), seiner Großmutter, sowie zu seiner Tante, ist nicht so gut wie die Beziehung zu seinem Großvater.

Dass der Beschwerdeführer, aktiv in umfangreicher Weise am sozialen und gesellschaftlichen teilnimmt kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2.4.    Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer ist in Kabul aufgewachsen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich seine Familienmitglieder, mit Ausnahme des Vaters - dieser lebt in Pakistan - nicht mehr in Kabul befinden. Er hat einen ca 35-jährigen Onkel namens XXXX in Kabul. Es kann nicht festgestellt werden, dass er mit diesen nicht in Kontakt treten könne.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Kabul aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er ist jung, anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Er hat in Kabul 9 Jahre die Grundschule besucht, weiteres hatte hier in Österreich Pflichtschul abgeschlossen, spricht aufgrund dessen, dass er die Abend AHS besucht, die Sprachen Spanisch Englisch. Deutsch spricht der auf dem Niveau B1.

Er ist in Kabul aufgewachsen und wird dort wieder zurückkehren. Er kann sich dort in die Kultur schnell wieder einfinden.

Die Familie wird ihn unterstützten. Es sind keine Gründe hervorgekommen weswegen die Familie ihn nicht unterstützen könne. Die Unterstützung kann sowohl in der persönlichen Beziehung erfolgen, beispielsweise in dem der eine Kabul lebenden Onkel (bzw allenfalls auch seine Mutter, sh dazu Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) ihm eine Wohnmöglichkeit für die erste Zeit bietet, zum anderen kann insofern erfolgen, indem der in Österreich lebende Großvater – zu dem er eine gute Beziehung hat - sowie der in Pakistan lebende Vater ihn mit Geldleistungen unterstützt. Zudem kann er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Nach dem nicht festgestellt werden kann, dass sich seine Mutter und seine übrigen Geschwister ebenso bei dem Vater in Pakistan aufhalten, kann er auch diesen Unterstützung in Anspruch nehmen bzw geht das Gericht davon aus, dass dies erfolgen kann.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Als gesunder junger Mann, droht ihm auch keine Gefahr einer tödlichen Erkrankung im Falle einer Ansteckung durch das Corona-Virus.

2.5.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf die unter Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. und Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. dargelegten und inhaltlich unwidersprochenen Berichten. Aus diesen ist zu entnehmen:

2.5.1.  Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 1).

Die afghanischen Regierungskräfte und die Amerikaner können die Taliban, die über rund 60.000 Mann verfügen, nicht besiegen. Auch die Islamisten sind nicht stark genug, um die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. In Afghanistan herrscht fast zwei Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die USA eine Pattsituation. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Diesem Abkommen zufolge hätten noch vor den für 10.03.2020 angesetzten inneren Friedensgesprächen, von den Taliban bis zu 1.000 Gefangene und von der Regierung 5.000 gefangene Taliban freigelassen werden sollen. Zum einen, verzögern die Unstimmigkeiten zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung über Umfang und Umsetzungstempo des Austauschs, die Gespräche (Anm.: 800 Taliban-Gefangene entließ die afghanische Regierung, während die Taliban 100 der vereinbarten 1.000 Sicherheitskräfte frei ließen), andererseits stocken die Verhandlungen auch aufgrund des innerpolitischen Disputes zwischen Ashraf Ghani und Abdullah, die beide die Präsidentschaft für sich beanspruchten. Die Taliban haben seit dem unterzeichneten Abkommen im Februar mehr als 4.500 Angriffe verübt. Die von dieser Gewalt am stärksten betroffenen Provinzen sind auch jene Provinzen, die am stärksten von COVID-19-Fällen betroffen sind. In den innerafghanischen Gesprächen wird es um die künftige Staatsordnung, eine Machtteilung und die Integration der Aufständischen gehen (LIB, Kapitel 1).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (LIB, Kapitel 2). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (LIB, Kapitel 2).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB, Kapitel 2)

2.5.2.  Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers:

2.5.2.1. Kabul

Letzte Änderung: 22.4.2020

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 verzeichnete die Provinz Kabul 2018 eine Zunahme der Schlafmohnanbaufläche um 11% gegenüber 2017. Der Schlafmohnanbau beschränkte sich auf das Uzbin-Tal im Distrikt Surubi (UNODC/MCN 11.2018).

Kabul-Stadt – Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile – auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) – zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Abb.1: Kabul, Police Distrikts (Darstellung der Staatendokumentation)

(Quelle: BFA 13.2.2019)

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen: Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).

Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden – so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command – Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle bzw. Todesopfer für die Provinz Kabul gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für das Jahr 2019 und das erste Quartal 2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt): [...]

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 16% gegenüber 2018. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmordangriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2020).

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).

2.5.3.  Regierungsfeindliche Gruppen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

2.5.3.1. Taliban

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Die Taliban sind keine monolithische Organisation; nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel – die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte. Die Taliban setzen Aktivitäten, um das Bewusstsein der Bevölkerung um COVID-19 in den von diesen kontrollierten Landesteilen zu stärken. Sie verteilen Schutzhandschuhe, Masken und Broschüren, führen COVID-19 Tests durch und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen an (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (LIB, Landesspezifische Anmerkungen COVID-19).

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer „feindlicher“ Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer „Verurteilung“ durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich „feindseligen“ Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)

2.5.4.  Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Außerdem wurde Afghanistan für den Zeitraum 2018-2020 erstmals zum Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen gewählt. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge – zum Teil mit Vorbehalten – unterzeichnet und/oder ratifiziert. Die afghanische Regierung ist jedoch nicht in der Lage, die Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten. Korruption und begrenzte Kapazitäten schränken in Anliegen von Verfassungs- und Menschenrechtsverletzungen den Zugang der Bürger zu Justiz ein. In der Praxis werden politische Rechte und Bürgerrechte durch Gewalt, Korruption, Nepotismus und fehlerbehaftete Wahlen eingeschränkt (LIB, Kapitel 10).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

2.5.5.  RückkehrerInnen

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (LIB, Kurzinformation 29.06.2020).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 22).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 22).

2.5.6.  COVID-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung)

Am 3. Juni 2020 berichtet UNOCHA, dass in Afghanistan 15.451 Personen positiv auf Covid-19 getestet worden seien. Etwa 1.522 Personen hätten sich bislang von der Krankheit erholt und 297 Personen seien verstorben. Insgesamt seien 42.273 Personen getestet worden. Afghanistan habe 37,6 Millionen EinwohnerInnen. Unter den Covid-19-Toten befänden sich 13 MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens. Über fünf Prozent der bestätigten Covid-19 Fälle seien unter MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens aufgetreten. Großteils seien Personen zwischen 40 und 69 Jahren an Covid-19 verstorben (ACCOR Covid-19).

Am 2. Mai 2020 habe die afghanische Regierung angekündigt, den landesweiten Lockdown auszuweiten. Die bestehenden landesweiten Maßnahmen würden einer Überprüfung unterzogen. Die Regierung in Kabul habe am 26. Mai 2020 unterdessen einen neuen Plan zur Lockerung des Covid-19-Lockdowns vorgestellt, der einen „Gerade-Ungerade-Ansatz“ („odds-and-evens“) vorsehe, um den Menschen eine Rückkehr an den Arbeitsplatz und andere Aktivitäten zu ermöglichen. Dies erfolge etwa mithilfe der letzten Ziffern der Nummerntafel von Privatautos. Friederike Stahlmann berichtet in ihrem Vortrag vom Mai 2020 über verschiedene Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung der Lockdown-Regelungen. Manche Polizisten würden Personen verprügeln oder festnehmen oder Geldstrafen verhängen. Manchmal würden Anzeigen bis vor die Staatsanwaltschaft kommen und in anderen Fällen würde die Nicht-Einhaltung einfach ignoriert. Auch habe Stahlmann von Bestechung gehört, um die Regelungen umgehen zu können. Obdachlose sollen zudem aus Kabul weggebracht worden sein, Stahlmann wisse aber nicht, wohin, und ob diese etwa Zelte erhalten hätten (ACCOR Covid-19).

Die Kapazitäten Afghanistans zur Bekämpfung des Coronavirus seien einem Bericht des Central Asia-Caucasus Analyst vom 26. Mai 2020 zufolge eingeschränkt. Die Gesundheitsinfrastruktur sei schon immer fragil und schlecht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung vorbereitet gewesen. Der Mangel an Einrichtungen sei nun umso mehr spürbar. Ein akuter Mangel an Testsets, Medikamenten und persönlicher Schutzausrüstung (personal protection equipment, PPE) lege die afghanischen Kapazitäten zum Kampf gegen Covid-19 lahm. Auch der andauernde Krieg wirke sich auf die Kapazitäten zur Bekämpfung des Coronvirus aus. Die Reichweite der Regierung für Tests und Behandlung auf von Aufständischen kontrollierte Gebiete sei aufgrund der andauernden Angriffe der Taliban und des Islamischen Staates stark eingeschränkt. Zusätzlich sei die Regierung auf die Unterstützung der Sicherheitskräfte zur Umsetzung der Lockdownmaßnahmen sowie den Transport grundlegender Güter angewiesen. Jedoch könnten diese nicht zur Bekämpfung des Coronavirus eingesetzt werden, solange Angriffe von Aufständischen weiter andauern würden (ACCOR Covid-19).

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF schätzt Ende Mai 2020, dass in Afghanistan 11,9 Millionen Menschen vom Entzug der Nahrungsmittelsicherheit bedroht sein könnten, was wiederum zum Anstieg der multidimensionalen Armut (Einzelindikatoren zur Bemessung: Bildung, Gesundheit und Lebensstandard, Anm. ACCORD) von 51,7 auf 61,4 Prozent führen könnte. Berichte würden UNOCHA zufolge zudem darauf hinweisen, dass die Lockdown-Maßnahmen weiterhin Auswirkungen auf die Mobilität humanitärer Organisationen hätten, Hilfslieferungen verzögern würden und Auswirkungen auf den Zugang zu humanitärer Hilfe hätten. Humanitäre Partnerorganisationen würden jedoch weiterhin landesweit aktiv auf Krisen reagieren (ACCOR Covid-19).

Einem Vortrag von Friederike Stahlmann im Mai 2020 zufolge seien RückkehrerInnen aufgrund der Covid-19-Maßnahmen mit fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten konfrontiert. Hotels und Teehäuser seien geschlossen. Stahlmann wisse von drei im März 2020 abgeschobenen Personen, die obdachlos geworden seien. Stahlmann erwähnt hinsichtlich RückkehrerInnen zudem, dass eine Flucht nach Europa sehr teuer sei und mit besonderen wirtschaftlichen Risiken verbunden sei, da viele dafür ihr sämtliches Hab und Gut verkauft hätten. Daher seien bei einer Rückkehr oft keine finanziellen Ressourcen mehr vorhanden, auf die sie zurückgreifen könnten. Zudem bedeute die regelmäßige Verweigerung von Familien Betroffene aufzunehmen, dass sie im Zweifelsfall nicht auf ein in Krankheitsfällen essentielles Betreuungsnetzwerk zählen könnten. Selbst wenn sie finanzielle Unterstützung hätten, sei so selbst die Beschaffung von Medikamenten und Zugang zu Pflege unrealistisch (ACCOR Covid-19).

3.       Beweiswürdigung

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers – unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten – genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

3.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

3.1.1.  Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

3.1.2.  Das er keiner allgemeinen Gefahr aus den unter Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. angeführten Punkte (Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner Religionsrichtung) ausgesetzt war, ergibt sich daraus, dass er diesbezüglich keinerlei Angaben in diese Richtung tätigte. Der Richter sah von sich aus auch daher keine Veranlassung, in diese Richtung zu ermitteln bzw die Fragen in der Verhandlung zu legen, denn es liegt grundsätzlich am Beschwerdeführer, die Fluchtgründe vorzubringen und nicht am Richter alle möglichen derzeit bekannten Fluchtgründe abzufragen, ob sie zugtreffen oder nicht.

3.1.3.  Die „Aufgeschlossenheit“ der Familie in den Feststellungen ergeben sich daraus, dass es der Schwester von ihm möglich war, in Kabul die Matura abzuschließen. Das ist vor dem amtlich bekannten Hintergrund der Strukturen in Afghanistan nicht selbstverständlich. Ebenso konnten alle fünf Kinder die Schulen besuchen. Bildung war in der Familie offenbar ein Wert, das auch verfolgt wurde. Aus diesem Grund geht das Gericht davon aus, dass er in einer aufgeschlossenen Familie aufgewachsen ist.

3.1.4.  Dass sein Vater in Pakistan wohnt, ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag. Daraus ist erkennbar, dass er in Pakistan eine Wohnung gemietet hat (sh dazu den Verfahrensgang, Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Es ist daher anzunehmen, dass er die Wohnung benutzt und daher auch dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die ganze Familie, dh seine ganzen Geschwister und seine Mutter auch dort wohnen. Dazu fehlen die Nachweise, und kann daher diesbezüglich keine Feststellung getroffen werden.

Zu diesem fehlenden Nachweis tritt etwas Weiteres, das wesentlich für das Gericht ist: Der Richter wollte mit seiner Zustimmung in sein Handy Nachschau halten, ob er - wie er vorbrachte (sh dazu Seite 7 und 17 der gerichtlichen Niederschrift) – tatsächlich seine Familie in Pakistan vor ein paar Tagen anrief. Er verweigerte die Einsicht. Später in dem Verhandlungsverlauf (sh Seite 17) wurde er dazu befragt und brachte er vor, dass er seine Familie in Pakistan nicht in Schwierigkeit bringen wolle. Die Verhandlung wurde auf Drängen seines Rechtsvertreters unterbrochen. Trotzdem blieb er dabei, den Richter nicht in das Anrufprotokoll einzusehen.

Das Mobiltelefon ist ein persönlicher Bereich und wertend wird festgehalten, dass ihm dies nicht unglaubwürdig werden lässt. Dass er dem Richter die Anrufliste nicht zeigte, ist somit neutral zu sehen. Wesentlich ist allerdings, dass er meint, dass er die Familie angerufen hätte und gleichzeitig meint er, dass sie keine Telefonnummer hätten (sh Seite 7 und 17 der gerichtlichen Niederschrift). Würde er bei der Wahrheit geblieben sein (was auch immer diese ist), dann könnte er zumindest die Telefonnummer sagen und genauer erklären, weswegen die Familie in Pakistan dadurch Probleme bekomme, wenn der Richter in Österreich in die Anrufliste einsehen wolle, zumal er am Anfang der Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass keine Information vom Gericht nach Afghanistan gelangen könne und sämtliche getätigte Aussagen vertraulich behandelt werden (sh Seite 3 der gerichtlichen Niederschrift).

Hinzu kommt, dass der Zeuge, auf die Frage ob er Kontakt zu seiner Familie hat, geantwortet hat, dass er ihn nicht jeden Tag fragt, ob er Kontakt zu seinem Vater hat, er aber Kontakt hätte. Der Zeuge schränkt sich daher auf die Kontaktmöglichkeit zu dem Vater in der Antwort ein, dies die Vermutung bestärkt, dass er zwar zu seinem in Pakistan lebenden Vater Kontakt hat, nicht aber zu seiner ganzen Familie.

3.1.5.  Dadurch liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich die Mutter noch in Kabul aufhält und auch dort noch ihren Lebensmittelpunkt hat. Dies kann nicht bewiesen werden, doch durch die Zusammenschau seines Verhaltens, der fehlenden Nachweise und der Aussage des Zeugen, ergibt sich diese Wahrscheinlichkeit.

Der BF ist daher in diesem Aspekt absichtlich äußerst ungenau in der Aussage und will offenbar etwas verschleiern. Daher kann nicht festgestellt werden, dass die ganze Familie in Pakistan wohnt.

3.1.6.  Die übrigen Feststellungen ergeben sich entweder aus seinen Aussagen, den Aussagen des Zeugen oder aus den vorgelegten Unterlagen.

3.2.    Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösendes Ereignis im Wesentlichen vor dem Gericht folgendes vor:

„BF: Ich habe im Jahr 2015 Afghanistan verlassen und ich hatte vor nach Europa zu kommen. Damals war die Sicherheitslage sehr schlecht und aus diesem Grund habe ich meine Familie verlassen und bin nach Österreich gekommen.

R: Wurden Sie jemals konkret bedroht?

BF: Ich bin nicht persönlich von einer bestimmten Person bedroht worden. Es gab aber dort viele allgemeine Probleme. Damit meine ich zB die Schwierigkeiten zwischen den Schiiten und Sunniten. Seit meiner Flucht hat sich die Sicherheitslage nicht gebessert. Sie ist immer noch schlecht und ich kann dort nicht leben, weil ich im Allgemeinen in Gefahr bin.

R: Welche konkrete Bedrohung gegen Ihre Person würden Sie jetzt befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich kann nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil dort immer noch Krieg herrscht. Vor meiner Flucht hatte ich auch Probleme wegen meiner Volksgruppe und wegen meiner Glaubenszugehörigkeit. Ich war in Konflikte verwickelt.“

Auch vor der Behörde brachte er keinen konkreten Fluchtgrund vor und wurde ihm auch aus diesem Grund dort kein Asyl zuerkannt. Aus dem Beschwerde ist auch kein konkretes fluchtvorbringen zu entnehmen (sh dazu Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..). Er führte lediglich aus, dass seine Beziehung zu den Großeltern hier in Österreich schützenswert sei.

Soweit er sich auf die „allgemeine Gefahr“ bezieht ist festzuhalten, dass er damit vor den heutigen Länderfeststellungen keinen asylrelevanten Tatbestand nach der Genfer Flüchtlingskonvention darzulegen vermochte.

Der BF wurde von seinem Vater nach Europa „geschickt“ weil sein Großvater auch hier in Österreich lebt und es hier besser zu leben ist, als in Afghanistan. Damit ist der Beschwerdeführer eine Person, die deswegen ausreiste um sich ein besseres Leben zu verschaffen. Die wirtschaftlichen Interessen sind jedoch von der GFK bzw dem AsylG nicht umfasst und hätte in diesem Fall der Beschwerdeführer – nachdem sich sein Großvater ja bereits seit 15 Jahren in Österreich befindet – einen Antrag nach den NAG stellen müssen.

3.3.    Zu den Feststellungen hinsichtlich seinen Privatlebens in Österreich.

Dahingehende Feststellungen beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem.

Die Aufenthaltsdauer ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Einreise (Erstbefragung am 12.11.2015).

Dass der BF in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte hat, folgt aus seinen Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren, sowie aus der Einvernahme des Großvaters als Zeugen.

Dass er eine „nicht so gute Beziehung“ zu seinen Verwandten (ausgenommen davon der Großvater) hat, ergibt sich daraus, dass ihm bei der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht lediglich sein Großvater begleitet hat, obwohl alle in Wien wohnen. Aus dem Protokoll (sh Seite 11).

„R: Warum ist Ihre Großmutter nicht hier, Ihr Cousin und Ihre Tante nicht hier?

BF: Mein Cousin wollte nicht kommen, meine Tante geht zur Arbeit und meine Großmutter ist zu Hause.

R: Wissen alle, dass das ein wichtiger Tag ist für Sie?

BF: Ja. Sie wissen alle, dass ich ein Interview habe beim BVwG.“

Daraus lässt sich erkennen, dass es sich offenbar um keine starke Bindung zu diesen Personen handelt.

Die Feststellung der schulischen Tätigkeiten ergibt sich aus seinen Aussagen bzw. aus den vorgelegten Unterlagen (sh dazu OZ 7). Die Feststellung hstl der sozialen Teilnahme in Österreich ergibt sich aus den fehlenden Aussagen und auch daraus, dass er keine Unterlagen vorlegte, die dies bezeugen könnten. Er trifft sich mit Freunden und geht ins Fitnessstudio. Er hätte einmal versucht, sich beim Roten Kreuz anzumelden, doch hätte er dann schließlich keine Zeit dazu gehabt. Gerade in XXXX , wo er wohnhaft ist, bestehen eine Vielzahl von Einrichtungen, wo man sich aktiv integrieren kann. Nachdem er keines in Anspruch genommen hat, musste diese Feststellung getroffen werden.

3.4.    Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul ergeben sich

- einerseits aus seiner Biografie, er stammt aus Kabul, ist dort aufgewachsen, ging dort zumindest 9 Jahre zur Schule, ist dort sozialisiert, hat mit Sicherheit dort einen Onkel, mit Wahrscheinlichkeit seine Familie, ausgenommen der Vater, und vermutlich noch weitere Verwandte wie zB Cousins,

- andererseits aus den Länderfeststellungen zu Kabul. Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Stadt Kabul derzeit als relativ sicher gilt und unter der Kontrolle der Regierung steht. Diese ist auch durch den internat Flughafen erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in dieser Stadt grundlegend gesichert.

3.4.1.  Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in der Stadt Kabul zurechtfinden, zumal er dort auch groß geworden ist. Der Beschwerdeführer verfügt über eine 9-jährige Schulbildung, ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Er hat 5 Geschwister eine unbestimmte Anzahl an Cousinen und Cousins die ihn unterstützten könnten. Nachdem es wahrscheinlich ist, dass seine Mutter noch in Kabul wohnt (sh Punkt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) , kann er dort auch wieder eine Unterkunft beziehen. Selbst wenn nicht, hat er einen Onkel in Kabul, den er um Unterstützung fragen kann. Er hat regelmäßig Kontakt zu seinem Vater, der in Pakistan wohnt. Auch dieser kann ihn mit Geldhilfen unterstützen. Ebenso sein Großvater der in Österreich wohnt. Auch dieser kann ich mit Geldhilfen unterstützten. Er ist heute 22 Jahre alt und hat die letzten 5 ½ Jahre in Österreich gewohnt. Er hat somit Afghanistan im Alter von ca 16 Jahren verlassen. 16 Jahre ist er in Kabul aufgewachsen und lebt heute nicht nur zwischen ÖsterreicherInnen, sondern bei seiner Familie, die afghanisch geprägt ist. Eine tiefe Integration kann – entgegen der Ansicht seiner Rechtsvertretung in der Stellungnahme vom 27.11.2020 - nicht erkannt werden. Er ist somit nach wie vor von der Afghanischen Kultur geprägt und kann sich somit leicht wieder einfinden.

Es ist ihm zwar zugute zu halten, dass er die Abend-AHS bis zum 29.01.2021 besucht, doch besucht er diese nur, weil er keine Lehrstelle gefunden hat (sh die gerichtliche Niederschrift). Ein deutlicher Bildungswille kann daraus nicht erkannt werden. Dass die ganze Verhandlung vor dem Gericht in der Sprache Deutsch abgehalten wurde, ist vor dem Hintergrund, dass er die Abend-AHS besucht, als keine besondere Leistung bzw Nachweis einer Integration anzuerkennen.

Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche Gefährdung des Beschwerdeführers durch den COVID-19 Virus (Corona) in der Stadt Kabul, bestehen - trotz einzelner Medienberichte, dass das Virus auch in Afghanistan aktiv ist - ebenfalls derzeit nicht. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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