TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/16 W237 2206935-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.02.2021
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Entscheidungsdatum

16.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W237 2206935-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018, Zl. 14-1029254202/180057309, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.01.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall, § 9 Abs. 4, § 57, § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 4 FPG und § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 3 Z 5 FPG auf acht Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete spätestens im Jänner 2018 ein Verfahren zur Aberkennung des dem Beschwerdeführer zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

Mit Schreiben vom 19.01.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, nähere Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich schriftlich zu beantworten; dem kam der Beschwerdeführer nicht nach. Am 17.07.2018 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch, in der er zu seinem Gesundheitszustand, seinen Lebensumständen in Österreich, seinen im Bundesgebiet verübten Straftaten, seinen Verwandten in Somalia sowie seiner persönlichen Vergangenheit dort befragt wurde. Der Beschwerdeführer erhielt ein Konvolut an Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat Somalia, zu dem er sich am 30.07.2018 schriftlich äußerte.

Mit Bescheid vom 30.08.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid vom 22.03.2016 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 9 Absatz 1 Ziffer 1“ AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog ihm die „mit Bescheid vom 22.03.2016 […] erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter“ gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.), gewährte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.); weiters stellte das Bundesamt die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

2. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid durch seinen zur Vertretung im weiteren Verfahren bevollmächtigten (damaligen) Rechtsberater vollinhaltlich Beschwerde.

2.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte diese samt Bezug habendem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 03.10.2018 vor.

2.2. Mit Schreiben vom 11.12.2020 teilte der vormalige Rechtsberater dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass die erteilte Vertretungsvollmacht mit 31.12.2020 zurückgelegt werde.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht führte sodann am 26.01.2021 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines (neuen) Rechtsvertreters, eines Vertreters der belangten Behörde und eines Dolmetschers für die somalische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Clanzugehörigkeit, seinem Werdegang, seiner behaupteten Herkunftsregion in Somalia, seinen Familienangehörigen sowie seinem Leben in Österreich näher befragt. Der erkennende Richter führte weitere Länderinformationen und Berichte in das Verfahren ein, händigte dem Beschwerdeführer diese aus, erörterte deren wesentlichen Inhalt und gewährte ihm eine Frist von zwei Wochen, um zu diesen Berichten Stellung zu nehmen. Bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt langte keine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein somalischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er hat vier Brüder und sechs Schwestern. Im August 2014 gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Seither lebt er durchgehend im Bundesgebiet und wohnte zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft; ab dem Jahr 2016 lebte er in einer Privatwohnung mit zwei anderen somalischen Staatsangehörigen in der Nähe von Innsbruck. Er besuchte in den Jahren 2014 und 2015 Deutschkurse und im Schuljahr 2015/16 die Polytechnische Schule in XXXX als außerordentlicher Schüler; dabei erhielt er eine elektrotechnische Grundausbildung, absolvierte ein einwöchiges Praktikum und brachte sich engagiert in den Klassenverband ein. Nach Abschluss dieses Schuljahres besuchte der Beschwerdeführer weiterführende Deutschkurse und absovierte ein Integrationstraining sowie einen Kurs zur Vorbereitung für weiterführende Berufsausbildungen. Weiters verrichtete er im Jahr 2016 für seine damalige Wohnsitzgemeinde XXXX Hilfstätigkeiten in der Innenstadt (Abfallbeseitigung, Baumbepflanzung). Er beherrscht heute die deutsche Sprache auf alltagstauglichem Niveau und vermag sich in gebrochenem Deutsch zu verständigen.

1.2. Zumindest im Jahr 2017 konsumierte der Beschwerdeführer Marihuana und gehäuft Alkohol. Er wurde wiederholt straffällig:

1.2.1. Am XXXX gegen 03:00 Uhr nachts war der Beschwerdeführer mit sechs Bekannten in Innsbruck unterwegs, als die Gruppe einen stark alkoholisierten Mann bemerkte. Der Beschwerdeführer und einer seiner Bekannten folgten dem Mann sofort nach, drei weitere Personen aus der Gruppe etwas dahinter. Der Beschwerdeführer holte den angetrunkenen Mann als erster ein und schlug ihm eine Bierflasche mit solcher Kraft auf den Kopf, dass sie zerbrach und der Mann durch den Schlag sofort benommen war. Gemeinsam mit zwei anderen schlug und trat der Beschwerdeführer auf den am Boden liegenden Mann ein, wobei eine weitere Person der Gruppe dem Mann neuerlich eine Bierflasche ins Gesicht schlug, die zerbrach. Die Gruppe entnahm dem Mann auch seine Geldtasche mit Bargeld in Höhe von EUR 350,– aus der rechten Gesäßtasche seiner Jeans. Daraufhin verließen der Beschwerdeführer und seine Bekannten den Tatort. Das Opfer dieses Übergriffs erlitt Schnittverletzungen an der rechten Wange und am Nasensteg, multiple oberflächliche Hautverletzungen des Gesichts und ein Kopfschwartenhämatom der Stirn.

In den frühen Morgenstunden des XXXX .2017 war der Beschwerdeführer mit Freunden in einem Nachtlokal in Innsbruck. Ein anderer Gast des Lokals legte seine grüne Anorakjacke auf einer Ablage ab, weil er tanzen gehen wollte. In der Jacke verwahrte er sein Handy der Marke Samsung Galaxy A3. Von der Tanzfläche aus beobachtete er, dass der Beschwerdeführer die Jacke samt dem darin verwahrten Mobiltelefon an sich nahm und das Lokal verließ. Der Mann folgte dem Beschwerdeführer auf die Straße vor dem Lokal und stellte ihn zur Rede. Der Beschwerdeführer und zwei seiner Begleiter gaben die Jacke aber immer untereinander weiter, sodass der Mann sie nicht zurückerlangen konnte. Der Beschwerdeführer begab sich mit seinen Begleitern in der Folge zu einem anderen, in der Nähe gelegenen Lokal.

Vor diesem Lokal hielten sich C.P., R.G. und eine weitere Person auf. Alle drei Personen rauchten und hielten zunächst ein Bier in der Hand. In der Folge stellten R.G. und die dritte Person ihre Biere neben sich auf einem Sicherungskasten ab. Einer der Bekannten des Beschwerdeführers ging zu diesem Sicherungskasten und nahm das Bier des R.G. an sich. Dieser hatte die Wegnahme beobachtet, ging dem Bekannten des Beschwerdeführers deshalb nach und wollte ihn zur Rede stellen. Daraufhin wurde er sofort vom Beschwerdeführer und weiteren Personen umringt. Noch bevor R.G. etwas sagen konnte, versetzten ihm der Beschwerdeführer und einer seiner Bekannten gleichzeitig einen Faustschlag ins Gesicht. R.G. erlitt durch die Faustschläge eine blutende Wunde im Bereich der Oberlippe.

Als C.P. den Übergriff auf R.G. bemerkte, erfasste er einen der Täter mit einer Hand an dessen Jacke und zog ihn von R.G. weg. Daraufhin versetzte ihm der Beschwerdeführer sofort mehrere Faustschläge gegen den Kopfbereich. C.P. legte noch seine Hände zum Schutz vor sein Gesicht und versuchte, von den Angreifern wegzukommen. Der Beschwerdeführer und sein Bekannter hielten ihn jedoch an der Jacke fest und schoben ihn vor sich her auf die Straße. Dabei traten sie wiederholt auf C.P. ein. Einer der beiden Täter versetzte ihm einen derart massiven Tritt gegen den linken Unterschenkel, dass das Opfer ungebremst zu Boden stürzte und mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlug. C.P. war sofort bewusstlos; er erlitt durch die Attacke des Beschwerdeführers und seines Bekannten eine Fraktur des linken Unterschenkels, eine Schienbeinkopffraktur links, eine Gehirnblutung, eine Subduralblutung und eine Kalottenfraktur (Bruch am Hinterhaupt).

Im Laufe dieser Nacht überließ einer aus der Gruppe dem Beschwerdeführer zwei Bankomatkarten, welche zuvor unbekannten Personen weggenommen worden waren. Gegen 06:00 Uhr suchte der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem weiteren Bekannten eine OMV-Tankstelle in Innsbruck auf und kaufte unter Verwendung dieser beiden Karten eine Flasche Wodka und einen Energy-Drink.

Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer wegen dieser Taten am XXXX wegen schweren Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, Diebstahls gemäß § 127 StGB, Körperverletzung gemäß § 83 StGB, absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB sowie schweren Betrugs gemäß §§ 146 und 147 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Dabei berücksichtigte das Gericht das Alter des Beschwerdeführers zu den Tatzeitpunkten sowie die bisherige Unbescholtenheit als mildernd, als erschwerend wertete es das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen sowie die Tatbegehung im Zusammenwirken mit Mittätern. Das XXXX wies die Berufung des Beschwerdeführers wegen des Strafausspruchs mit Urteil vom XXXX ab und sah die Strafbemessung des Landesdgerichts Innsbruck als schuld- und tatangemessen an.

1.2.2. Am XXXX hatte der Beschwerdeführer in den Hafträumlichkeiten der Justizanstalt Innbruck eine Auseinandersetzung mit einem Mithäftling, im Zuge derer er diesen zu Boden stieß und ihm einen Kratzer am linken Zeigefinger zufügte.

Der Beschwerdeführer wurde deshalb mit Urteil des XXXX vom XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer einmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei sein Alter sowie das teilweise Schuldeingeständnis als mildernd, als erschwerend hingegen seine einschlägige Vorstrafe berücksichtigt wurde.

1.2.3. Der Beschwerdeführer verbüßt seit XXXX .2017 (unter Einrechnung der Untersuchungshaft) seine Haftstrafe und hat im XXXX 2021 die nächste Möglichkeit einer vorzeitigen, bedingten Entlassung. Er nahm in der Justizanstalt Suben an psychotherapeutischen Sitzungen betreffend seinen vormaligen Drogenkonsum sowie betreffend Gewaltprävention im dafür vorgesehenen Ausmaß teil. Im ersten Halbjahr 2018 fügte er sich aufgrund der psychischen Belastungssituation in der Strafhaft in Verbindung mit seinen Zukunftsängsten Schnittverletzungen an seinem linken Arm zu, wovon er mehrere, jeweils ein paar Zentimeter lange, sowohl quer als auch längs verlaufende Narben davontrug. Der Beschwerdeführer befindet sich in laufender, unregelmäßiger gefängnispsychologischer Betreuung nach persönlichem Bedarf und fügte sich seit zweieinhalb Jahren keine Selbstverletzungen mehr zu; er leidet unter keinen physischen Beschwerden, nimmt keine Medikamente oder Drogen zu sich und bezeichnet sich selbst als gesund.

Den Vorfall am XXXX .2017 betreffend verantwortet sich der Beschwerdeführer heute dahingehend, dass er stark alkoholisiert gewesen sei, als ein Mann um 03:00 Uhr nachts mit seinen Freunden einen Streit begonnen habe. Einer seiner Freunde habe dem Mann eine Flasche auf den Kopf geschlagen, an anderer habe dessen Geldbörse an sich genommen. Der Beschwerdeführer selbst habe den Mann aber nicht geschlagen; er sei dessen zu Unrecht bezichtigt und verurteilt worden. Insgesamt sei der Vorfall aber ein großer Fehler gewesen, den er bereue; er habe damals Freunde aus dem falschen Umfeld gehabt. Mit diesen sei er auch am XXXX .2017 unterwegs gewesen. Einer seiner Freunde habe einem Mann sein alkoholisches Getränk weggenommen, worauf sich der – selbst angetrunkene – Beschwerdeführer entschuldigend zwischen diesem und seinem Freund begeben habe. Auf einmal habe ihm der Mann unvermittelt einen Schlag auf den Rücken versetzt, worauf es zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. Dass er in derselben Nacht eine Jacke samt Mobiltelefon gestohlen habe, stimme nicht, wenngleich ihm die Vorfälle dieses Abends leidtäten. Der Beschwerdeführer führt die Streiterei mit einem Mithäftling am 11.05.2018, darauf zurück, dass dieser eines seiner Unterhemden angezogen habe; es sei dies der einzige negative Vorfall während seiner Strafhaft gewesen.

1.3. Nach seiner Einreise nach Österreich stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dem Clan der Habr Gidir anzugehören und in der Stadt Dhusamareb mit seinen Eltern und Geschwistern unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen zu sein. Sein Vater habe als Wachmann für ein Hotel gearbeitet und sei bei einem Anschlag im Jahr 2008 ums Leben gekommen. Danach sei das Leben für seine Familie sehr schwer geworden, zumal es in Dhusamareb häufig Kämpfe somalischer Regierungstruppen mit der Miliz „Ahlu Sunna wal Jama“ gegeben habe. Der Beschwerdeführer sei folglich mit seiner Familie aus der Stadt in eine andere Ortschaft geflohen, wo es aber auch keine Sicherheit gegeben habe. Bei Kämpfen habe er seine Familie zunächst verloren, bevor er zwei Geschwister wieder getroffen habe. Zu dritt hätten sie sich schließlich ins Dorf Guriceel begeben, wo der Beschwerdeführer einige Zeit bei der Familie eines ehemaligen Freundes seines Vaters gewohnt habe. Mit dieser sei er – ohne seine Geschwister – schließlich nach Äthiopien gezogen, von wo er nach zweieinhalbjährigem Aufenthalt seine Reise nach Europa angetreten habe.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 22.03.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des begehrten Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hingegen zu und erteilte ihm unter einem eine bis zum 22.03.2017 befristete Aufenthaltsberechtigung. Das Bundesamt ging dabei davon aus, dass der Beschwerdeführer entsprechend seinen Angaben im Verfahren dem Clan der Habr Gidir angehöre und aus dem Bezirk Dhusamareb (dieser schließt die Stadt Dhusamareb und die 60 km entfernte Ortschaft Guriceel mitein) stamme. In Zusammenschau mit den Berichten zur damaligen Lage in Somalia kam das Bundesamt zum Ergebnis, dass die Existenzgrundlage des Beschwerdeführers „mangels gesicherter persönlicher Lebensverhältnisse nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden“ könne, weshalb eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle seiner Rückkehr nach Somalia bestehe. Der Beschwerdeführer erhob gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten kein Rechtsmittel.

Mit Bescheid vom 24.03.2017 verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.03.2019, weil die „Voraussetzungen für die Verlängerung“ weiterhin vorlägen.

Infolge der Straffälligkeit des Beschwerdeführers leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des dem Beschwerdeführer zukommenden Status des subsidiär Schutzberechtigten ein. Mit dem angefochtenen (unter Pkt. I. näher umschriebenen) Bescheid vom 30.08.2018 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten deshalb ab, weil sich die humanitäre Lage für ihn – einem jungen, arbeitsfähigen Mann ohne Sorgepflichten im erwerbsfähigen Alter – in seiner Heimatregion Guriceel maßgeblich verbessert habe. Selbst wenn ihm eine Rückkehr aus Gründen der Versorgungssicherheit nicht möglich wäre, stünde ihm nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative durch Ansiedlung in Mogadischu zur Verfügung, wobei er dort durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden und als Angehöriger eines starken Clans Unterstützung erhalten könnte.

Am 18.03.2019 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter. Über diesen Antrag sprach das Bundesamt bis dato nicht ab.

1.4. Der Beschwerdeführer stammt weder aus der Stadt Dhusamareb noch aus Guriceel. Seine konkrete Herkunft, Identität und Clanzugehörigkeit sind unbekannt; er erstattete im Asylverfahren und im gegenständlichen Statusaberkennungsverfahren sowohl diesbezüglich als auch hinsichtlich des Grundes und der Modalitäten seiner Reise nach Europa unwahre Angaben. Ob bzw. wo der Beschwerdeführer derzeit familiäre Angehörige in Somalia hat, ist ebenso unbekannt wie seine dortige Vermögenssituation seit seiner Ausreise bis heute.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Abs.50).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S.33).

Die Herausforderungen sind dabei außergewöhnlich groß, staatliche Institutionen müssen von Grund auf neu errichtet werden. Zusätzlich wird der Wiederaufbau durch die Rebellion von al Shabaab, durch wiederkehrende Dürren und humanitäre Katastrophen gehemmt. Außerdem sind Teile der staatlichen Elite mehr mit der Verteilung von Macht und Geld beschäftigt, als mit dem Aufbau staatlicher Institutionen (BS 2018, S.33). In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen „indirekten Staat“, in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (BS 2018, S.23). Zudem ist die Bundesregierung finanziell von Katar abhängig, das regelmäßig außerhalb des regulären Budgets Geldmittel zur Verfügung stellt (SEMG 9.11.2018, S.30).

Somalia ist keine Wahldemokratie, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2018, S.13f). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 13.3.2019, S.23; vgl. FH 5.6.2019b, A1) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 4.3.2019, S.5f). Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 geplant (AA 5.3.2019b). Angesichts der bestehenden Probleme bleibt aber abzuwarten, ob diese Wahlen wirklich stattfinden werden (NLMBZ 3.2019, S.9). Bei den Vorbereitungen dafür wurden bisher nur wenige Fortschritte gemacht (FH 5.6.2019b, A3). Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 13.3.2019, S.23), und es gibt diesbezüglich Konflikte mit den Bundesstaaten (NLMBZ 3.2019, S.7).

Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Ende 2016 / Anfang 2017 besetzt (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt. Zuvor waren Abgeordnete unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b). Das Unterhaus wurde nach Clan-Zugehörigkeit besetzt, das Oberhaus nach Zugehörigkeit zu Bundesstaaten. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2018, S.14/19). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2018, S.22). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S.22).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. BS 2018, S.13f). Die 4.5-Formel hat zwar politischen Fortschritt gewährleistet, ist aber zugleich Ursprung von Ressentiments (SRSG 13.9.2018, S.2).

Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“ zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S.6; vgl. BS 2018, S.14; USDOS 13.3.2019, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vgl. BS 2018, S.14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S.10).

Das Konzept einer politischen Opposition ist nur schwach ausgeprägt, die Regeln der Politik sind abgestumpft. Misstrauensanträge, Amtsenthebungsverfahren und Wahlen werden zur Bereicherung und zum politischen Machtausbau missbraucht (SRSG 13.9.2018, S.4). Generell sind die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament problematisch. Außerdem kam es 2018 zu einer großen Zahl an Personaländerungen, so wurde etwa der Bürgermeister von Mogadischu, zahlreiche Minister und der Chief Justice ersetzt (NLMBZ, S.8f). Ein nationaler Versöhnungsprozess ist in Gang gesetzt worden. Dieser wird international unterstützt (UNSC 21.12.2018, S.6).

Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019, S.1; BS 2018, S.4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.22). Mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel konnten wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 4.3.2019, S.4). Beim Prozess der Föderalisierung gab es in den letzten Jahren signifikante Fortschritte (BS 2018, S.3). Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. BS 2018, S.15).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Wichtige Detailfragen zur föderalen Staatsordnung sind weiterhin ungeklärt, z.B. die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten; die jeweiligen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich; oder die Umsetzung der für 2020 geplanten Wahlen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7) – und die gesamte Frage der Machtverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten (UNSC 15.5.2019, Abs.25; vgl. UNSC 21.12.2018, S.5).

Die Bundesregierung tut sich schwer, in den Bundesstaaten Macht und Einfluss geltend zu machen (NLMBZ 3.2019, S.7). Außerdem kommt es in den Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten immer wieder zu (politischen) Spannungen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7), die manchmal auch in Gewalt eskalierten (BS 2018, S.4).

Zusätzlich haben die Bundesstaaten abseits des Nationalen Sicherheitsrates 2017 einen Kooperationsrat der Bundesstaaten (CIC) geschaffen, welcher unter Ausschluss der Bundesregierung arbeitet (SEMG 9.11.2018, S.5; vgl. AA 5.3.2019b). Während andere Mitglieder des CIC den Dialog mit der Bundesregierung verweigerten (AMISOM 12.10.2018), hat der Präsident von HirShabelle, Mohamed Abdi Waare, diesen zwischenzeitlich gesucht (AMISOM 12.10.2018; vgl. UNSC 21.12.2018, S.1). Der CIC hat bereits zweimal die Kooperation mit der Bundesregierung suspendiert (SEMG 9.11.2018, S.31f), so etwa im September 2018. Im Oktober 2018 haben alle Bundesstaaten außer HirShabelle angekündigt, gemeinsame Sicherheitskräfte aufzustellen (UNSC 21.12.2018, S.1). Generell herrscht zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten ein besorgniserregendes Maß an Misstrauen (SRSG 13.9.2018, S.3). Dadurch wird auch die Lösung von Schlüsselfragen zu Politik und Sicherheit behindert (UNSC 15.5.2019, Abs.2; vgl. SRSG 3.1.2019, S.2).

Bei dieser Auseinandersetzung kommt u.a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S.4/30; vgl. ICG 12.7.2019, S.9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S.10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Abs.80). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S.9). Die Bundesregierung versucht insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Abs.2).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-        AMISOM (5.7.2019): Somalia starts process to integrate Ahlu Sunna forces into the Somali Security Forces, URL, Zugriff 16.7.2019

-        AMISOM (17.1.2019a): 17 January 2019 - Morning Headlines [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

-        AMISOM (15.1.2019a): 15 January 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

-        AMISOM (12.10.2018): 12 October 2018 - Daily Monitoring Report [Quelle: Jowhar News], Newsletter per E-Mail

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-        BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, URL, Zugriff 24.6.2019

-        FH - Freedom House (5.6.2019b): Freedom in the World 2019 - Somalia, URL, Zugriff 22.7.2019

-        ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, URL, Zugriff 8.7.2019

-        ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, URL, Zugriff 13.3.2019

-        ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation

-        Mohamed, Abdirizak Omar / Hiiraan.com (17.8.2019): The Recent Al-Shabab Resurgence: Policy Options for Somalia, URL, Zugriff 23.8.2019

-        NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-        SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Michael Keating (13.9.2018): Briefing to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (27.12.2018): January 2019 Monthly Forecast, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

-        UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (24.10.2017): Mohamed Abdi Waare inaugurated as the second President of HirShabelle state, URL, Zugriff 4.9.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

-        VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (20.12.2018): Somalia's Parliament Drops Impeachment of President, URL, Zugriff 22.1.2019

Somaliland

Die Republik Somaliland hat sich im Mai 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bis dato international nicht anerkannt (BS 2018, S.4; vgl. AA 4.3.2019, S.5f). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 4.3.2019, S.5f).

Obwohl Somaliland kaum internationale Unterstützung erhielt, gilt das Land heute als Vorbildstaat am Horn von Afrika (SZ 13.2.2017; vgl. ECO 13.11.2017). Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich (BS 2018, S.4/23/33; vgl. UNDP 10.12.2017). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine Zivilverwaltung, Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.7.2019, S.1), eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren ökonomische Stabilität (DW 30.11.2018). Mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S.94).

Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität (BS 2018, S.32). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft (BS 2018, S.37). Die Bindung bzw. das Commitment Somalilands zum demokratischen System ist groß (BS 2018, S.21f), denn letzteres hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen. Der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ist ungewöhnlich stark (ECO 13.11.2017). Die demokratischen Institutionen Somalilands sind relativ stabil, es mangelt aber an Ressourcen und Expertise (BS 2018, S.21f).

Trotzdem kämpft das Land mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2018, S.33). Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig, auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clan-Patronage (BS 2018, S.6/21f). Zudem sind staatliche Institutionen bei ihren Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden, wenn sie Spannungen und – in Einzelfällen – Gewalt vorbeugen wollen (BS 2018, S.15). Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2018, S.36).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-        AMISOM (15.1.2019b): 15 January 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Somaliland Standard], Newsletter per E-Mail

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        DW - Deutsche Welle (30.11.2018): Somaliland: Return of the migrants, URL, Zugriff 19.7.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, URL, Zugriff 24.6.2019

-        ECO - The Economist (13.11.2017): Why Somaliland is east Africa’s strongest democracy, URL, Zugriff 19.7.2019

-        FH - Freedom House (5.6.2019a): Freedom in the World 2019 - Somaliland, URL, Zugriff 22.7.2019

-        ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, URL, Zugriff 8.7.2019

-        ISS - Institute for Security Studies (10.1.2018): Somaliland's New President Has Work to Do, URL, Zugriff 19.7.2019

-        SZ - Süddeutsche Zeitung / von Eichhorn, Caroline (13.2.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen, URL, Zugriff 19.7.2019

-        UNDP - UN Development Programme (10.12.2017): Somaliland applies global resilience expertise to drought response, URL, Zugriff 19.7.2019

-        UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, URL, Zugriff 12.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Puntland

Puntland hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Es strebte nie eine Unabhängigkeit von Somalia an und wurde vielmehr zum Vorbild bei der Bildung weiterer Bundesstaaten (BS 2018, S.4/12). Heute ist Puntland einer von fünf Bundesstaaten Somalias – allerdings mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 4.3.2019, S.5; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S.4), und damit ist Puntland insgesamt weniger fragil als die südlicher gelegenen Bundesstaaten (AA 4.3.2019, S.11; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.33f).

Bereits im Jahr 2014 kam es zu einem friedlichen Machtwechsel an der Staatsspitze (USDOS 13.3.2019, S.24). Anfang 2019 wählte das Parlament Saed Abdullahi Deni zum neuen Präsidenten. Er hat sich in mehreren Wahlgängen gegen insgesamt 20 Konkurrenten durchgesetzt. Der bisherige Präsident Abdiweli Mohamed Ali „Gaas“ wurde abgewählt (VOA 8.1.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.5). Auch dieser Machtwechsel verlief friedlich (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.5). Zuvor war im Dezember 2018 das Parlament neu besetzt worden. Die Clans haben 66 Mitglieder als Abgeordnete nominiert (UNSC 21.12.2018, S.2; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.5). Im Jahr 2012 hat das Parlament eine Verfassung verabschiedet, welche ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 13.3.2019, S.24).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, URL, Zugriff 29.8.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

-        VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (8.1.2019): Somalia's Puntland Region Elects New President, URL, Zugriff 22.1.2019

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das „urban island scenario“ besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden – etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019). Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019

-        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

-        AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-        LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia – Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019

-        NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Somaliland

Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 5.3.2019b; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.45). Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt (BS 2018, S.32), und es ist dort auch nach wie vor vergleichsweise friedlich (BS 2018, S.9; vgl. DW 30.11.2018). Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. LIFOS 9.4.2019, S.6), nur das Randgebiet zu Puntland ist umstritten (LIFOS 9.4.2019, S.6), bzw. hat die Regierung dort nicht die volle Kontrolle (FH 5.6.2019a, C1).

Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera (AA 17.9.2019). Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 6.9.2017, Abs.52/71ff; AA 4.3.2019, S.4; ÖB 9.2016, S.23). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten – mit Ausnahme der umstrittenen Teile – sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017, S.94f).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 6.9.2017, Abs.73). Die Terrorgruppe kontrolliert einerseits keine Gebiete in Somaliland (AA 4.3.2019, S.5/7/13), andererseits gibt es so gut wie keine Angriffe durch al Shabaab bzw. wurden Versuche erkannt und Anschläge verhindert (NLMBZ 3.2019, S.15). Es gibt keine signifikanten Aktivitäten der al Shabaab in Somaliland (LIFOS 3.7.2019, S.37f), und seit 2008 hat es keine terroristischen Aktivitäten mehr gegeben (BFA 8.2017, S.105). Al Shabaab kann in Somaliland auch keine Steuern einheben (LIFOS 3.7.2019, S.37f). Die relativ homogene Bevölkerung resultiert in einer starken sozialen Kontrolle, eine Art Nachbarschaftswache findet Anwendung (NLMBZ 3.2019, S.15). Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren (BFA 8.2017, S.110).

Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass sie in Hargeysa über eine Präsenz verfügt, deren Kapazitäten aber gering sind. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten von al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017, S.105f). Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017, S.107f).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016, S.20f). Außerdem konnten mit internationaler Hilfe Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S.94f). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 4.3.2019, S.16). Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017, S.95). Clan-Konflikte werden v.a. im umstrittenen Grenzgebiet zu Puntland gewaltsam ausgetragen. Die Dürre und damit verbundene Ressourcenkonflikte haben die Gefahr dort noch größer werden lassen (LIFOS 3.7.2019, S.38).

In der Region Sanaag hat sich ein seit langem laufender Konflikt zwischen den Isaaq-Clans der Habr Jeclo und Habr Yunis weiter intensiviert. Dies hat soweit geführt, dass Präsident Bihi im Mai 2019 über drei Bezirke in Sanaag den Ausnahmezustand verhängen wollte, um die Möglichkeiten der Armee auszuweiten. Dieser Plan traf im Parlament auf Widerstand (ICG 12.7.2019, S.10). Ende Juni wurde der Ausnahmezustand auch wieder aufgehoben. Im Juli 2019 brachen die Clankämpfe erneut aus, dabei wurden 18 Zivilisten getötet (UNSC 15.8.2019, Abs.10). Eigentlich steht der Osten der Region Sanaag nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung. Teile dieser Gebiete werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017, S.25/102). Teile der Warsangeli haben sich im Mai 2019 gänzlich auf die Seite Puntlands geschlagen (UNSC 15.8.2019, Abs.9).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 4.3.2019, S.5). Sowohl Somaliland als auch Puntland beanspruchen Sool, Sanaag und Cayn (BS 2018, S.6). Normalerweise kommt es dort nur zu kleineren Scharmützeln mit ansässigen Milizen (AA 5.3.2019b). In den gewaltsamen Konflikt involviert sind Somaliland, Puntland, Kräfte des selbsternannten Khatumo-Staates und lokale Clanmilizen (BS 2018, S.34). Die Grenzfrage ist das größte Sicherheitsproblem Somalilands (LIFOS 3.7.2019, S.37). Im Jahr 2018 gab es jedoch teils heftigere militärische Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und puntländischen Truppen, v.a. im Bereich der Ortschaft Tuko Raq (auch: Tukaraq) (AA 4.3.2019, S.5; vgl. AA 5.3.2019b; USDOS 13.3.2019, S.16; BS 2018, S.34). Bei Kampfhandlungen im Jänner 2018 gab es auf beiden Seiten dutzende Verluste, und ca. 2.500 (SEMG 9.11.2018, S.5/35) – nach anderen Angaben 12.500 – Zivilisten wurden dabei vertrieben (HRW 17.1.2019). Im Mai und Juni 2018 kam es zu weiteren Gefechten. Im Juli 2018 folgten die ersten internationalen Vermittlungsversuche (SEMG 9.11.2018, S.36). UN, IGAD [regionale Staatenorganisation] und andere haben diplomatisch vermittelt (SRSG 13.9.2018, S.1; vgl. SRSG 3.1.2019, S.4). Danach wurde der Konflikt eingedämmt und zwischen beiden Seiten eine ca. zwei Kilometer breite Pufferzone eingerichtet. Seither stehen sich somaliländische und puntländische Kräfte im Abstand von zwei Kilometern in konsolidierten militärischen Positionen gegenüber (SEMG 9.11.2018, S.5/35; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.39). Der de-facto-Waffenstillstand hält (SRSG 3.1.2019, S.4) weitgehend, auch wenn die Situation in und um Tuko Raq weiterhin angespannt ist und es sporadisch zu Gefechten zwischen beiden Seiten kommt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. ICG 12.7.2019, S.3) – etwa im November 2018 (ICG 12.7.2019, S.3). Im April (UNSC 15.5.2019, Abs.18) und im Juni 2019 kam es zu einer Kampfhandlung zwischen der somaliländischen Armee und einer lokalen Miliz, die möglicherweise von Puntland unterstützt wird. Im Bereich Tuko Raq ist die Lage nach wie vor volatil (SLS 12.6.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.18; LIFOS 3.7.2019, S.39).

Vorfallzahlen: In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S.31ff). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 24 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „Violence against Civilians“). Bei 17 dieser 24 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 22 derartige Vorfälle (davon 21 mit je einem Toten).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia – Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

-        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), URL, Zugriff 10.1.2018

-        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), URL, Zugriff 21.12.2017

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

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-        NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019): Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-        SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group / UN Security Council (9.11.2018): Report of the Monitoring Group on Somalia and Eritrea submitted in accordance with resolution 2385 (2017), URL, Zugriff 8.1.2019

-        SLS - Somaliland Standard (12.6.2019): Somaliland Army Clashes with Rebel Fighters, URL, Zugriff 23.7.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Nicholas Haysom (3.1.2019): Statement to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

-        SRSG - Special Representative of the Secretary-General for Somalia, Mr. Michael Keating (13.9.2018): Briefing to the Security Council on Somalia, URL, Zugriff 6.5.2019

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-        UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, URL, Zugriff 12.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019

-        UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-        UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

Süd-/Zentralsomalia

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vgl. SEMG 9.11.2018, S.4; UNSC 21.12.2018, S.3).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze – z.B. Restaurants und Hotels – durch (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019).

Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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