TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/16 W283 2204959-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.02.2021
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Entscheidungsdatum

16.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W283 2204959-1/22E

W283 2204958-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Albanien, vertreten durch JAROLIM Partner Rechtsanwälte GmbH gegen die Bescheide des Bundesamts vom 27.07.2018, Zlen. 1.) 1109883600-160453897 und 2.) 1109883709-160453935, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, beide Staatsangehörige von Albanien, reisten Ende Dezember 2015 gemeinsam in das Bundesgebiet ein. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 24.03.2016 für sich und den zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Zweitbeschwerdeführer als gesetzliche Vertreterin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des mittlerweile volljährigen Zweitbeschwerdeführers.

2. Am 30.03.2016 fand die Erstbefragung der Beschwerdeführer statt. Die Erstbeschwerdeführerin gab dabei zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass die Firma ihres Mannes namens „ XXXX “ (im Folgenden „D“) für die Verrechnung der XXXX Firma „ XXXX “(im Folgenden „C“) zuständig gewesen sei. Im Jahr 2013 habe ihr Mann die Firma C bei einem Schiedsgericht XXXX verklagt. Für die frühzeitige Kündigung des Vertrages habe die Firma ihres Mannes XXXX Euro Entschädigung verlangt. In weiterer Folge habe die albanische Regierung die Tätigkeiten der Firma C übernommen. XXXX Die albanische Regierung verhandle gegen die Firma D des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin. Alle Bankkonten ihres Ehemannes und ihrer Familie seien blockiert worden. Die Autos seien beschlagnahmt worden. Es sei gefordert worden, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin die Klage vor dem Schiedsgericht XXXX zurückziehen solle. Am XXXX .05.2015 sei der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin von der Polizei Albaniens festgenommen worden und er befinde sich immer noch in Untersuchungshaft in Albanien. Seit der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin in Untersuchungshaft sei, bekomme die Erstbeschwerdeführerin auf der Straße Bedrohungen von Unbekannten. Wenn ihr Ehemann die Klage nicht zurückziehe, werde es Unfälle auf der Straße geben. Sie habe ständig Angst. Am XXXX .12.2015 habe die letzte Bedrohung auf der Straße stattgefunden. Im Zuge dessen sei ihr von einem Mann auf der Straße gedroht worden, dass ihr, ihrem Sohn und ihrem Mann ein Unfall passieren würde. Zudem habe man ihren Mann im Gefängnis auch vergiften wollen. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt gab sie an, dass sie Angst habe, dass ihr oder ihrem Sohn ein schrecklicher Unfall passieren werde, falls sie nach Albanien zurückkehren würden. Ihr eigenes sowie das Leben ihres Sohnes sei in Gefahr. Zudem seien die Bankkonten der Familie blockiert und die Autos beschlagnahmt worden.

Der Zweitbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er wisse, dass seine Mutter ihm gesagt habe, dass sie das Land verlassen sollten und er mit ihr mitgereist sei. Sonst habe er keinen Flucht- oder Asylgrund. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass er wisse, dass sein Vater Probleme mit dem Staat habe und er Angst habe, dass ihm aufgrund dessen etwas Schlimmes passiere.

3. Am 10.04.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Dabei machte die Erstbeschwerdeführerin wiederum Ausführungen zur Auflösung des Vertrages zwischen den Firmen D und der C und dem daraus resultierenden Schiedsverfahren und wiederholte, dass die Konten der Familie eingefroren worden seien. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei unter Druck gesetzt worden, das Schiedsverfahren XXXX nicht weiterzuführen. Ihr Mann sei verhaftet worden, um das Schiedsverfahren zu „blockieren“. Zudem habe sie sich im September 2015 mit einem Freund, XXXX getroffen. Nach dem Treffen habe XXXX (im Folgenden „X“) einen Brief an den XXXX geschrieben, in dem behauptet worden sei, dass ein Destabilisierungspakt geschmiedet worden sei und der Freund der Erstbeschwerdeführerin Druck auf sie ausgeübt habe, damit sie und ihr Mann gegen den XXXX (im Folgenden „Y“), aussagen. Zudem sei in dem Brief gestanden, dass die Beschwerdeführer beschützt werden sollten, da die Gefahr bestehe, dass jemand sie entführen könnte. Die Erstbeschwerdeführerin sei diesbezüglich von der Polizei einvernommen worden und habe sich auch an die Medien gewandt. Im Fernsehen habe sie zudem angegeben, dass sie nicht von diesem Freund, sondern vom albanischen Staat verfolgt werde.

Weiters sei sie in Albanien drei bis viermal persönlich bedroht worden. In ihrem Restaurant habe ihr ein Mann, der sich als ein Freund ihres Ehemannes bezeichnet habe, seine Hilfe angeboten und ihr den Rat gegeben, dass ihr Mann das Schiedsverfahren nicht mehr anstreben solle und der albanische Staat „unvorhersehbar“ sei. In der Cafeteria des Gefängnisses hätten sie zwei Männer angesprochen und sie gefragt, was ihr Ehemann wolle und warum er sich mit dem Staat beschäftige sowie weiters ob er nicht an sie und ihren Sohn denke. Zudem habe sie ihren Mann am XXXX .10.2015 nicht im Gefängnis besuchen dürfen, da der Gefängnisleiter ihr dies verwehrt habe, obwohl es keine Anweisung gegeben hätte, dass sie ihren Mann nicht besuchen hätte dürfen. Zudem schilderte sie einen Vorfall vom XXXX .12.2015, als die Erstbeschwerdeführerin von einem Auto mit verdunkelten Scheiben, ohne Kennzeichen und zwei Insassen angehalten worden sei. Der Fahrer habe sie beim Namen genannt und gesagt, dass ihr und ihrem Sohn etwas passieren könne, wenn ihr Ehegatte das Schiedsverfahren nicht zurückziehe.

Die Beschwerdeführer legten im Verfahren ihre albanischen Reisepässe im Original vor. Weiters zwei Zeitungsartikel albanischer Sprache mit Übersetzung und die Übersetzung des Briefes, der vom XXXX , X geschrieben worden sei sowie den Link, unter dem dieser im Internet zu finden sei, vor.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er Albanien wegen der Probleme seines Vaters verlassen habe, er über diese allerdings nicht Bescheid wisse. Bei einer Rückkehr sei sein Leben wegen der Probleme seines Vaters in Gefahr.

4. Mit Stellungnahme vom 02.05.2017 wiederholten die Beschwerdeführer ihr bisheriges Vorbringen und ergänzten dieses dahingehend, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin der Firma C berichtet habe, dass sie ihren Kunden zu viel verrechnet habe und er um Aufklärung der Falschverrechnung ersucht habe. Die Firma C habe ihm daraufhin eine Summe in Höhe von XXXX € für die Vertragsauflösung geboten. Da er dieses Angebot nicht angenommen habe, habe die Firma C den Vertrag mit der Firma des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2011 rechtswidrig beendet. Zudem wurden Ausführungen zum Schiedsverfahren XXXX getroffen: Die Geschäftsführerin der Firma D, XXXX (in der Folge „GF D“), habe in rechtswidriger Weise auf die gesamte Forderung der Firma D ohne Gegenleistung im Schiedsverfahren verzichtet. Dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin werde es jedoch ohne weiteres gelingen, die Wiedereinsetzung dieses Schiedsverfahrens zu bewirken, sobald er die Möglichkeit dazu habe. Die Republik Albanien könne zudem davon ausgehen, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin nach seiner Freilassung die Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens gegen die mittlerweile im Eigentum der albanischen Regierung stehende Nachfolgefirma der Firma C anstreben würde. Aus diesem Grund liege auch der Verdacht nahe, dass der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ohne jegliche Verdachtsmomente in Untersuchungshaft belassen werde.

Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Länderberichte mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer in Einklang zu bringen seien, insbesondere bezüglich der Justiz, die in Albanien aufgrund politischen Drucks und Korruption nicht unabhängig arbeite, sondern vielmehr die Interessen der Mächtigen in Albanien vertrete.

5. Am 04.05.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin neuerlich beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Sie gab an, dass ihr Ehemann mittlerweile mit Urteil eines Gerichts erster Instanz wegen Betrugs und Dokumentenfälschung und Geldwäsche zu einer 11jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Dieser sei durch einen Verfahrenshelfer und nicht durch seine Anwälte vertreten worden. Im Berufungsverfahren hätten sich vier Richter vom Verfahren aufgrund politischen Drucks zurückgezogen.

6. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 27.07.2018 wies das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I und II.) und erteilte den Beschwerdeführern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen. Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass aus keinem der von der Erstbeschwerdeführerin geschilderten Bedrohungsszenarien eine gezielte, bewusst gegen sie gerichtete Handlung hervorgehe. Da die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht habe, dass sie und ihr Sohn wegen ihren Mann unter Druck gesetzt werden sollten, wäre es vielmehr nachvollziehbar gewesen, dass sie unter dauerhafter Beobachtung gestanden wären und etwaige „Aktionen“ zielgerichtet gegen sie geführt worden wären. Zudem führe das „Vetting-Gesetz“ zu weiteren positiven Entwicklungen in der Rechtsstaatlichkeit Albaniens und sowohl das Urteil des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin in erster Instanz als auch das Berufungsverfahren würden auf rechtsstaatlichen Kriterien basieren. Weiters gehe aus dem Schiedsspruch vom XXXX .12.2015 hervor, dass die damalige Geschäftsführerin autorisiert gewesen sei, einen Vergleich abzuschließen. Der Verdacht der Erstbeschwerdeführerin, dass das Strafverfahren gegen ihren Ehemann nur geführt werde, um zu verhindern, dass dieser das Schiedsverfahren gegen den albanischen Staat fortführe, basiere primär auf den rechtlichen und politischen Interpretationen der Geschehnisse durch die Erstbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer hätten keine GFK-relevanten Fluchtgründe vorgebracht, da ihr Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft einzustufen gewesen wäre. Den Beschwerdeführern drohe auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Zudem würden diese über kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich verfügen, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

7. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die Bescheide fristgerecht Beschwerden und wiederholten im Wesentlichen ihre bisherigen Vorbringen. Ergänzend führten sie an, dass auch Gefahr bestehe, dass die Erstbeschwerdeführerin inhaftiert werden würde. Zudem würde die Korruptionsbekämpfung im Fall des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin aufgrund der Einschüchterung der Richter zu einem Verlust der Rechtsstaatlichkeit führen. Die Beschwerdeführer seien im Falle einer Rückkehr zudem der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgesetzt. Die Rückkehrentscheidung verletze aufgrund der guten Integration der Beschwerdeführer Art. 8 EMRK.

8. Mit Urkundenvorlage vom 18.01.2019 legten die Beschwerdeführer ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau B1, eine Kursbesuchsbestätigung für einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 und ein Zertifikat eines Deutschkurses auf dem Niveau B1 betreffend die Erstbeschwerdeführerin vor.

9. Mit Urkundenvorlage vom 10.09.2019 legten die Beschwerdeführer eine Bestätigung über ehrenamtliche, freiwillig und unentgeltlich geleistete Arbeit betreffend die Erstbeschwerdeführerin und eine Schulbesuchsbestätigung betreffend den Zweitbeschwerdeführer vor.

10. Mit Urkundenvorlage vom 19.12.2019 legte die Erstbeschwerdeführerin ein Zertifikat betreffend die Teilnahme am Seminar „Deutsch in der Freiwilligenarbeit“ vor.

11. Mit Urkundenvorlage vom 17.03.2020 legte die Erstbeschwerdeführerin ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1 vor.

12. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurden die gegenständlichen Rechtssachen der Gerichtsabteilung G311 abgenommen und der Gerichtsabteilung W283 neu zugewiesen. Die Gerichtsakten langten am 29.06.2020 bei der Gerichtsabteilung W283 ein.

13. Mit Urkundenvorlage vom 10.07.2020 legten die Beschwerdeführer ein Jahreszeugnis des Zweitbeschwerdeführers der 7. Klasse eines Gymnasiums vor.

14. Mit Stellungnahme vom 18.11.2020 gaben die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertretung eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt ab. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass sich der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin weiterhin in Albanien in Haft befinde. Über die an das Höchstgericht gerichtete Berufung sei noch nicht abgesprochen worden. Es habe sich dahingehend seit Einbringung der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht nichts verändert. Es sei jedoch eine Teilentscheidung in einem Ende 2017 eingeleiteten Nebenverfahren ergangen, das ebenfalls ausschließlich politisch motiviert gewesen sei. In diesem sei für den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ein Freispruch ergangen, dieser wirke sich aber weder auf das Hauptverfahren, noch auf seine Haftdauer aus. Dieses sei gegenteilig ein weiteres Beispiel dafür, dass auf den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ohne rechtliche Grundlage Druck ausgeübt werde. In Albanien liege ein den Erfordernissen eines Rechtsstaates genügender Rechtsschutz nicht vor. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin werde seit mehr als 5 ½ Jahren ausschließlich aus politisch motivierten Gründen widerrechtlich in Haft gehalten. Die Beschwerdeführer seien bereits Zielscheibe vielfacher Drohungen gewesen. Zudem wurde angeführt, dass sich der Zweitbeschwerdeführer, der zum relevanten Zeitpunkt erst 14 Jahre alt gewesen sei, nunmehr wieder an weitere Drohungen erinnern könne. Ein Klassenkollege des Zweitbeschwerdeführers, der Sohn des XXXX habe mehreren Kindern der Klasse berichtet, dass der Vater des Zweitbeschwerdeführers festgenommen werde und sein Geld beschlagnahmt werde. Der Zweitbeschwerdeführer habe sich diesbezüglich erst nach der Festnahme seines Vaters seiner Mutter anvertraut. Weiters habe sich die Erstbeschwerdeführerin Anfang des Jahres 2020 mit einem Mittelsmann der albanischen Regierung getroffen. Der Erstbeschwerdeführerin sei dabei angeboten worden, ihren Ehemann aus der Haft zu entlassen und das Strafverfahren einzustellen, wenn sie ihn dazu bringen würde, einen Verzicht auf die Erhebung weiterer Schritte im Schiedsverfahren zu unterfertigen. Dieses Angebot sei jedoch abgelehnt worden, zumal der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin seine Unschuld beweisen wolle und nicht auf ihm rechtlich zustehende Zahlungen verzichten wolle. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin habe zudem keinen Freigang in der Haft in Albanien, da diesfalls die Gefahr eines Attentats gegeben sei, was für die Gefahr von Leib und Leben der Familie spreche.

15. Mit Parteiengehör vom 19.11.2020 wurde dem Bundesamt die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 18.11.2020 im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt, die ungenützt verstrich.

16. Mit Urkundenvorlage vom 01.12.2020 legten die Beschwerdeführer eine beglaubigte Übersetzung eines Gefängnisses in Tirana vom 29.10.2020 sowie eines Zeitungsartikels vom 12.04.2018 vor. Zudem gaben die Beschwerdeführer ergänzend an, dass einer ebenfalls übermittelten Stellungnahme des Anwaltes des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin zu entnehmen sei, dass gegen ihn rechtswidrig vorgegangen werde und für die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Albanien Lebensgefahr bestehe. Zudem wurde ein Zeitungsartikel übermittelt, der belege, dass der Staat Albanien sich auch in anderen Schiedsverfahren vereinbarungswidrig verhalten würde und Schiedssprüche nicht anerkennen würde.

17. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.12.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die albanische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung durch.

18. Mit Urkundenvorlage vom 07.12.2020 legten die Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut von E-Mails der Erstbeschwerdeführerin mit der Landespolizeidirektion vor. Daraus geht hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin im Rechtshilfeweg als Zeugin gegen unbekannte Personen in einem Strafverfahren in Albanien befragt werden solle. Die Erstbeschwerdeführerin verweigerte die Aussage und machte keinerlei Angaben, weshalb eine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin im Rechtshilfeweg unterblieb.

19. Mit Schreiben vom 12.02.2021 bestätigte eine Staatsanwaltschaft die Erhebungen im Rechtshilfeverfahren und führte an, dass den albanischen Behörden mitgeteilt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin als Zeugin vernommen wurde und die Aussage verweigerte und um Gewährung von Akteneinsicht ersuchte. Weitere Informationen wurden nicht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX (Akt I AS 1; Akt I AS 67; Protokollseite der Beschwerdeverhandlung vom 03.12.2020 = PS 7). Der Zweitbeschwerdeführer ist der volljährige Sohn der Erstbeschwerdeführerin und von XXXX (Akt I AS 71; Akt II AS 1 und AS 64; PS 7). Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX (Akt II AS 1; Akt II AS 63; PS 35). Sie sind albanische Staatsangehörige, sprechen Albanisch als Muttersprache und gehören der Volksgruppe der Albaner an (Akt I AS 1; Akt I AS 67 und 72; Akt II AS 1; Akt II AS 63 und 65; PS 3; PS 7; PS 35). Die Erstbeschwerdeführerin spricht zudem die Sprachen Italienisch und Englisch auf mittlerem Niveau (Akt I AS 1). Der Zweitbeschwerdeführer spricht zusätzlich Englisch auf fortgeschrittenem Niveau (Akt II AS 1; Akt II AS 65).

Die Beschwerdeführer sind konfessionslos (Akt I AS 1; PS 7; Akt II AS 1; Akt II AS 65).

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der Stadt Tirana in Albanien geboren und hat bis vor ihrer Ausreise Ende des Jahres 2015 dort gelebt (Akt I AS 1 und 3; Akt I AS 67 und 68; PS 12). Auch der Zweitbeschwerdeführer wurde in Tirana in Albanien geboren und hat bis zu seiner Ausreise Ende des Jahres 2015 dort gelebt (Akt II AS 63 und 64; PS 35 f). Der Zweitbeschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder (Akt II AS 64 und 65, PS 35).

Die Beschwerdeführer lebten bis zur ihrer Ausreise im gemeinsamen Haushalt (Akt I AS 69; Akt II AS 64). Dabei handelte es sich um eine Mietwohnung (Akt I AS 68; PS 26). Bis zum Jahr 2015 lebte auch der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und der Vater des Zweitbeschwerdeführers in gemeinsamen Haushalt mit diesen (Akt I AS 70). Die Beschwerdeführer lebten von November 2009 bis Dezember 2015 in dieser Mietwohnung (Akt I AS 69; Akt II AS 64).

1.1.2. Die Erstbeschwerdeführerin hat in Albanien acht Jahre die Grundschule in Tirana und vier Jahre eine allgemeinbildende höhere Schule in Tirana besucht und diese mit Matura abgeschlossen (Akt I AS 1; Akt I AS 72; PS 10). Zudem hat sie 3,5 Jahre die Universität in Tirana besucht und Geschichte und Geographie studiert, diese Studien jedoch nicht abgeschlossen (Akt I AS 1; Akt I AS 72; PS 10). Die Erstbeschwerdeführerin hatte in Albanien eine eigene Exportfirma, deren Geschäftsführerin sie war. Die Firma hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann betrieben (Akt I AS 72; PS 11). Seit dem Jahr 2009 hat die Erstbeschwerdeführerin ein Restaurant und einen Schönheitssalon betrieben (PS 11).

Der Zweitbeschwerdeführer hat in Tirana siebeneinhalb Jahre lang die Schule besucht (Akt II AS 1; Akt II AS 65; PS 35). In Albanien kamen die Eltern des Zweitbeschwerdeführers für seinen Lebensunterhalt auf, er ging in Albanien keiner beruflichen Tätigkeit nach (Akt II AS 65).

1.1.3. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit dem albanischen Staatsangehörigen XXXX geboren am XXXX , standesamtlich verheiratet (Akt I AS 70, AS 121 ff; PS 7). Dieser ist der Vater des Zweitbeschwerdeführers (Akt I AS 71; Akt II AS 1 und AS 64; PS 7).

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX ist seit XXXX .05.2015 in Albanien inhaftiert (Akt I AS 70; PS 20). Er wurde zu einer elfjährigen Haftstrafe wegen Geldwäsche und Urkundenfälschung verurteilt. Er wurde im September 2017 in erster und im Mai 2018 in zweiter Instanz verurteilt (PS 27 und PS 28). Sein Verfahren befindet sich in Berufung beim Höchstgericht (Akt I AS 289 ff; PS 27 und 28). Die Beschwerdeführer stehen täglich ein bis zweimal in telefonischem Kontakt mit ihm (PS 7; PS 36).

1.1.4. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind bereits verstorben (PS 8). Die Schwiegermutter der Erstbeschwerdeführerin und Großmutter väterlicherseits des Zweitbeschwerdeführers lebt in Albanien (PS 8; PS 36). Der Bruder der Erstbeschwerdeführerin lebt seit dem Jahr 1991 in Italien und ist italienischer Staatsbürger (Akt I AS 3; Akt I AS 69; PS 8). Zudem leben Tanten, Onkel, Cousins- und Cousinen väter- und mütterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin in Albanien (Akt I AS 69; PS 8). Sie hat Cousins in Italien, der Schweiz und in Deutschland (Akt I AS 73). Zudem wohnen Onkel und Tanten der Erstbeschwerdeführerin im Ausland (PS 8). Die Schwägerin der Erstbeschwerdeführerin, genauer die Schwester ihres Ehemannes, wohnt in Amerika (PS 8). Die Erstbeschwerdeführerin hat ein gutes Verhältnis zu ihren Verwandten im Herkunftsstaat (Akt I AS 69). Sie steht in Kontakt zu ihren Familienangehörigen in und außerhalb Albaniens (PS 8).

Eine Tante, ein Onkel und Cousins des Zweitbeschwerdeführers leben zudem noch in Albanien (Akt II AS 64; PS 36).

Das Elternhaus der Erstbeschwerdeführerin befindet sich in Albanien und steht in ihrem Eigentum (PS 8). Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin verfügen über eine Eigentumswohnung (Akt I AS 68). Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Hälfte der Eigentumswohnung der Schwiegermutter der Erstbeschwerdeführerin den Beschwerdeführern gehört und die zweite Hälfte der Schwester des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin gehört (PS 26). Die Erstbeschwerdeführerin hat die Mietwohnung in der die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise gelebt haben an den Eigentümer zurückgegeben, bevor sie Albanien verlassen hat. Es konnte nicht festgestellt werden, dass bei der Rückgabe der Mietwohnung alles in der Wohnung geblieben ist und später die Angestellten und Arbeiter der Erstbeschwerdeführerin alles in die Wohnung der Schwiegermutter der Erstbeschwerdeführerin verbracht haben (Akt I AS 69; PS 26).

Der Zweitbeschwerdeführer hat Kontakt zu zwei bzw. drei Freunden aus seinem Freundeskreis (PS 37).

1.1.5. Die Beschwerdeführer sind am 27.12.2015 mit dem Auto von Albanien über die Grenze nach Mazedonien ausgereist. Der Grenzübertritt der Beschwerdeführer von Albanien nach Mazedonien erfolgte ohne Zwischenfall mit der Polizei (Akt I AS 72; PS 15). Die Beschwerdeführer reisten mit dem Flugzeug in die Schweiz, wo sie zwei bis drei Tage bei einer Freundin der Erstbeschwerdeführerin verbrachten (Akt I AS 9; PS 15). Nicht festgestellt werden konnte, warum die Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz nicht bei erster Gelegenheit und nicht in der Schweiz gestellt haben (PS 15 ff). Die Beschwerdeführer haben Verwandte in der Schweiz (Akt I AS 73; Akt II AS 66). Die Beschwerdeführer sind im Jänner 2016 nach Österreich eingereist und stellten am 24.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (Akt I AS 1ff; Akt II AS 2ff; PS 15 ff).

1.1.6. Die Beschwerdeführer leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, sie sind gesund und arbeitsfähig (Akt I AS 66; Akt II AS 62; PS 5; PS 15).

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

1.2.1. Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden: Den Beschwerdeführern droht keine Lebensgefahr und kein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den albanischen Staat oder andere Personen.

1.2.2. Den Beschwerdeführern droht keine Lebensgefahr und kein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den albanischen Staat oder andere Personen aufgrund des Schiedsverfahrens der Firma „ XXXX “ (D) des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin und Vaters des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , gegen die XXXX Firma XXXX “ (C) bzw. deren Nachfolgefirma „ XXXX “ (O).

1.2.2.1. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , war Geschäftsführer einer Gesellschaft bzw. Firma namens „ XXXX “ (D), die für eine XXXX Gesellschaft namens „ XXXX “ (C) auf Vertragsbasis Schulden eintrieb. Die Firma D des Ehemanns der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , hat einen Vertrag mit einem XXXX Unternehmen namens C, das für XXXX in Albanien zuständig gewesen ist, abgeschlossen. Die Firma D hat Schulden für die Firma C eingetrieben (Akt I AS 11, AS 71, AS 74; PS 18).

1.2.2.2. Nach der Auflösung dieses Vertrages durch die Firma C führte der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin als Geschäftsführer der Firma D gegen die C, die in weiterer Folge in die Firma „ XXXX “ (O) umgewandelt wurde, ein Schiedsverfahren XXXX . Der albanische Staat ist Mehrheitsbeteiligter an der Firma O (Akt I AS 11, AS 75, AS 190 f; PS 18 f).

1.2.2.3. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , wollte keine Falschabrechnungen der Firma C aufdecken. Die war insbesondere nicht der Grund für die Vertragsauflösung zwischen der Firma C und der Firma D.

1.2.2.4. Aufgrund der Vertragsauflösung führte die Firma D des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin gegen die Firma C bzw. O ein Schiedsverfahren XXXX Die Firma D des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , klagte dabei die Firma O als Rechtsnachfolgerin der Firma C. Die Klage wurde beim Schiedsgericht XXXX eingebracht (Akt I AS 75, AS 190; PS 18).

Die Rechtsvertretung des Ehemannes der Beschwerdeführerin legte am XXXX .07.2015 die Vertretungsvollmacht im Schiedsverfahren zurück, weil der Ehemann des Beschwerdeführers keine Zahlungen mehr an die Kanzlei leistete. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, XXXX , war in weiterer Folge im Schiedsverfahren nicht mehr anwaltlich vertreten (Akt I AS 171, AS 190 und AS 198).

Das Schiedsgericht XXXX legte seiner Entscheidung die Vollmachtszurücklegung des Rechtsanwaltes (Akt I AS 190, AS 198), die Inhaftierung des Ehemanns der Erstbeschwerdeführerin während des Schiedsverfahrens und die Sperre der Konten des Ehemanns der Erstbeschwerdeführerin durch den albanischen Staat zugrunde (Akt I AS 198). Das Schiedsgericht XXXX legte seiner Entscheidung ebenso die Frage der Vertretungsbefugnis von XXXX (GF D) und den dazu ergangenen Gerichtsbeschluss des „ XXXX “ vom XXXX .12.2014 zugrunde (Akt I AS 205 f). Das Schiedsgericht berücksichtigte bei seinen Erwägungen auch das Interesse der albanischen Regierung aufgrund des staatlichen Eigentums an der Firma O (Akt I AS 237). Das Schiedsgericht berücksichtige auch die schriftliche Zeugenaussage des Ehemanns der Erstbeschwerdeführerin. Die Erklärungen des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin konnten die Zweifel des Gerichts an den von ihm geschilderten Ereignissen nicht zerstreuen (Akt I AS 238).

Das XXXX ausgetragene Schiedsverfahren wurde am XXXX .12.2015 beendet. Das Schiedsgericht sprach aus, dass XXXX (GF D) als Vertreterin der Firma D bevollmächtigt war, einen Vergleich mit der Firma O am XXXX .12.2014 abzuschließen. Der Vergleich vom XXXX .12.2014 zwischen der Firma D und der Firma O ist rechtskräftig. Alle Klagen wurden vom Schiedsgericht im Schiedsspruch vom XXXX .12.2015 als unbegründet abgewiesen und das Schiedsgerichtsverfahren für beendet erklärt (Akt I AS 247).

1.2.2.5. Den Beschwerdeführern droht in Albanien keine Lebensgefahr und kein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den albanischen Staat oder andere Personen aufgrund einer behaupteten Möglichkeit der Fortführung bzw. Wiederaufnahme dieses Schiedsverfahrens durch den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX . Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Schiedsspruch vom XXXX .12.2015 im Falle einer Haftentlassung des Beschwerdeführers oder Freigabe seiner Konten erfolgreich angefochten werden könnte (Akt I AS 185 bis AS 247).

1.2.3. Den Beschwerdeführern droht keine Lebensgefahr und kein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den albanischen Staat oder andere Personen aufgrund der Inhaftierung, der Verurteilung oder des Strafverfahrens des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin und Vaters des Zweitbeschwerdeführers, XXXX in Albanien.

1.2.3.1. Das seit XXXX .12.2015 abgeschlossene Schiedsverfahren bzw. dessen Wiederaufnahme oder Fortführung durch den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, XXXX gegen eine Gesellschaft mit Mehrheitsbeteiligung des Staates Albaniens (O) war nicht den Grund für die strafrechtliche Verfolgung des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin, XXXX in Albanien.

1.2.3.2. Gegen den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , wurde in den Jahren 2005 bis 2015 bereits zwei Mal von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Geldwäsche ermittelt. Beide Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft in Tirana geführt und abgeschlossen, ohne dass er verurteilt wurde (Akt I AS 70; PS 28). In einem weiteren, Ende des Jahres 2017 neu eingeleiteten Nebenverfahren wurde eine Teilentscheidung getroffen. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX wurde in diesem Nebenverfahren freigesprochen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dieses Nebenverfahren „politisch“ motiviert war (Akt I OZ 13, S. 2).

1.2.3.3. Das Strafverfahren des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , dauerte von der Verhängung der Untersuchungshaft am XXXX .05.2015 bis zum Urteil in erster Instanz bis September 2017, das Urteil zweiter Instanz erging im Mai 2018. Seitdem ist eine Beschwerde beim Höchstgericht anhängig. Der Verteidiger des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , wurde erst kurz vor der Hauptverhandlung bestellt (AS I AS 499; PS 27; Länderinformationsblatt S. 8).

1.2.3.4. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , wurde in Albanien nicht aufgrund von politischer Einflussnahme inhaftiert und verurteilt. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , wurde von einem albanischen Gericht in erster Instanz wegen Geldwäsche und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von 11 Jahren verurteilt. Im Rechtsmittelverfahren wurde dieses Urteil bestätigt (PS 23). Das Rechtsmittelverfahren ist beim Obersten Gericht seit Mai 2018 anhängig (PS 28).

1.2.3.5. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , hätte niemals im Gefängnis vergiftet werden sollen.

1.2.4. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Albanien nicht persönlich bedroht. Sie wurde insbesondere nicht am XXXX .12.2015 oder einem anderen Tag im Dezember 2015 von einem Auto mit verdunkelten Scheiben angehalten und sie wurde nicht vom Fahrer dahingehend bedroht, dass ihr oder ihrem Sohn etwas passieren könne, wenn ihr Ehegatte das Schiedsverfahren nicht zurückziehe. Die Erstbeschwerdeführerin wurde auch in keiner sonstigen Weise in Albanien persönlich bedroht. Im Falle Ihrer Rückkehr nach Albanien wird die Erstbeschwerdeführerin nicht persönlich bedroht oder einer Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt werden.

1.2.5.1. Die Erstbeschwerdeführerin wurde seit dem Verlassen ihres Herkunftsstaates nicht persönlich bedroht. Insbesondere wurde von Erstbeschwerdeführerin selbst keine Abgabe einer Verzichtserklärung im Hinblick auf die Fortführung des Schiedsverfahrens verlangt. Auch wurde die Erstbeschwerdeführerin nicht aufgefordert eine solche Verzichtserklärung von ihrem Ehemann zu verlangen.

1.2.5.2. Die Erstbeschwerdeführerin sprach in einem Interview von ihrer Verfolgung durch den albanischen Staat. Das Interview befindet sich nicht allgemein zugänglich im Internet (PS 31). Die Erstbeschwerdeführerin wurde als Zeugin im Rechtshilfeverfahren der Republik Albanien wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, der Korruption und der Ausübung des rechtswidrigen Einflusses auf Staatsbeamte über eine Staatsanwaltschaft in Österreich aufgrund der von ihr in diesem Interview getätigten Aussagen einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin verweigerte als Zeugin die Aussage und begehrte Akteneinsicht im Rechtshilfeverfahren. Dass die Erstbeschwerdeführerin die Aussage verweigert hat und Akteneinsicht begehrt hat, wurde den albanischen Behörden mitgeteilt. Weitere Informationen wurden nicht an die albanischen Behörden weitergegeben (OZ 19; OZ 23).

1.2.6. Der Zweitbeschwerdeführer hat keine eigenen Fluchtgründe, seine Fluchtgründe sind dieselben wie die der Erstbeschwerdeführerin. Der Zweitbeschwerdeführer weiß nichts über die Fluchtgründe seiner Mutter und weiß nichts über die Probleme seines Vaters. Die Eltern des Zweitbeschwerdeführers haben mit ihm nie darüber gesprochen (Akt II AS 9, AS 66, PS 26, 36 f, PS 39). Der Zweitbeschwerdeführer wurde in Albanien nicht persönlich bedroht.

1.2.7. Die Beschwerdeführer haben Albanien weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Den Beschwerdeführern droht im Falle Ihrer Rückkehr nach Albanien keine Gefahr für Leib und Leben bzw. ein Eingriff in ihre körperliche Integrität aufgrund der im Verfahren angegeben weiteren Vorbringen:

1.2.7.1. Nicht festgestellt werden konnte ob und warum der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, XXXX keinerlei Haftfreigang erhält.

1.2.7.2. Die Möglichkeit der behaupteten „Erpressung“ mit der Gesundheit seiner Familienmitglieder konnte nicht festgestellt werden.

1.2.7.3. Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr nach Albanien aufgrund Ansuchens um internationalen Schutz außerhalb Albaniens keine Verfolgung.

1.2.8. Die Beschwerdeführer haben Albanien weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Im Falle der Rückkehr nach Albanien droht den Beschwerdeführern weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch den albanischen Staat oder durch andere Personen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr nach Tirana, Albanien kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit. Albanien ist ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Beschwerdeführer können in Tirana grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführer sind mit den Gepflogenheiten in Albanien vertraut und sprechen Albanisch als Muttersprache. Die Beschwerdeführer haben keine Sorge- oder Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen.

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte acht Jahre eine Grundschule und vier Jahre eine allgemeinbildende höhere Schule und schloss diese mit Matura ab (Akt I AS 1; Akt I AS 72; PS 10). Zudem studierte sie 3,5 Jahre an der Universität, schloss die Studien jedoch nicht ab (Akt I AS 1; Akt I AS 72; PS 10). Die Erstbeschwerdeführerin kann zudem eine umfassende Berufserfahrung vorweisen. So hat sie in einem Büro (PS 10), als Administratorin (Akt I AS 1), als Geschäftsführerin ihrer eigenen Exportfirma (Akt I AS 72; PS 11) und als Betreiberin eines Restaurants und eines ästhetischen Zentrums gearbeitet (PS 11). Der Zweitbeschwerdeführer hat in Tirana siebeneinhalb Jahre lang die Schule besucht (Akt II AS 1; Akt II AS 65; PS 35). Es ist den Beschwerdeführern jedenfalls möglich und zumutbar, nach ihrer Rückkehr nach Albanien wiederum einer beruflichen Tätigkeit bzw. einer Ausbildung nachzugehen.

Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden Teil ihrer Leben in Tirana in Albanien verbracht, sodass sie über Ortskenntnisse verfügen. Die Schwiegermutter der Erstbeschwerdeführerin und Großmutter des Zweitbeschwerdeführers lebt in Albanien und besteht guter Kontakt. Zudem leben Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen väter- und mütterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin (Akt I AS 69; PS 8) in Albanien.

Die Beschwerdeführer können auch nach ihrer Rückkehr nach Albanien von ihren Freunden und Familienangehörigen wie auch in der Vergangenheit finanziell unterstützt werden (Akt I AS 74; Akt I AS 507). Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers verfügt über sehr viele Freunde, welche die Beschwerdeführer unterstützen wollen (PS 15). Diese können sie auch bei der Arbeitssuche unterstützen. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin verfügen zudem über eine Eigentumswohnung (Akt I AS 68), in der die Beschwerdeführer vorübergehend Unterkunft nehmen könnten. Zudem steht das Elternhaus der Erstbeschwerdeführerin weiterhin in ihrem Eigentum (PS 8). Auch in diesem können die Beschwerdeführer Unterkunft nehmen. Die Beschwerdeführer können zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Sie können im Falle Ihrer Rückkehr selbst für ihr Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist den Beschwerdeführern möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Albanien in Tirana wieder Fuß zu fassen und dort ihre Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Beschwerdeführer sind seit ihrer Antragsstellung am 24.03.2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich durchgehend aufhältig.

Die Beschwerdeführer leben in Österreich in einer Wohnung im gemeinsamen Haushalt (PS 7).

Die Erstbeschwerdeführerin hat gute Deutschkenntnisse (PS 12), der Zweitbeschwerdeführer hat ausgezeichnete Deutschkenntnisse (PS 25 ff). Die Erstbeschwerdeführerin hat am 16.01.2018 das ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A1 sehr gut bestanden (Akt I AS 375). Sie hat am 11.04.2018 das ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A2 gut bestanden. Die Erstbeschwerdeführerin absolvierte in Österreich einen Deutschkurs auf dem Niveau B1, eine Integrationsprüfung betreffend Werte- und Orientierungswissen und Sprachkompetenz auf dem Niveau B1 sowie ein Deutschzertifikat auf dem Niveau B1 (Akt I OZ 5, Beilage ./4; OZ 8, Beilage ./8). Die Erstbeschwerdeführerin besuchte von 03.04.2018 bis 28.06.2018 einen B1 Deutschkurs (Akt I AS 353). Derzeit besucht die Erstbeschwerdeführerin keinen Deutschkurs (PS 12). Die Erstbeschwerdeführerin nahm im Zeitraum vom 21.10.2019 bis 25.11.2019 am Seminar „Deutsch in der Freiwilligenarbeit“ teil (Akt I OZ 7, Beilage ./7).

Die Erstbeschwerdeführerin leistet seit 02.09.2019 jeweils zwei Stunden wöchentlich ehrenamtliche, freiwillige und unentgeltliche Arbeit in der Kinderbetreuung sowie der Teilnahme an interkulturellen Dialoggruppen (Akt I OZ 6, Beilage ./5). Die Erstbeschwerdeführerin erbrachte zuletzt Mitte bzw. Ende September bis Ende Oktober 2020 Freiwilligenarbeit (PS 12). Der Zweitbeschwerdeführer führt keine ehrenamtliche Tätigkeit aus (PS 38).

Die Erstbeschwerdeführerin möchte in Zukunft in Österreich ein Restaurant führen bzw. managen (PS 13). Die Erstbeschwerdeführerin besucht seit September 2020 eine Wirtschaftsschule (PS 12 und PS 13).

Der Zweitbeschwerdeführer besucht aktuell die achte Klasse eines Gymnasiums (PS 38). In der 7. Klasse absolvierte er alle Pflichtgegenstände, einen Wahlpflichtgegenstand und einen Freigegenstand positiv und nahm an einer unverbindlichen Übung teil (Akt II OZ 11, Beilage ./9). In Zukunft möchte er Rechtswissenschaften studieren (PS 38).

Die Beschwerdeführer sind nicht Mitglied eines Vereines (Akt I AS 74; PS 13; PS 38).

Die Beschwerdeführer gehen keiner beruflichen Tätigkeit nach und leben von der Grundversorgung. Die Beschwerdeführer beantragten ein Jahr nach ihrer Einreise in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung. Seit ihrer Einreise wurden die Beschwerdeführer durchgehend von Familienangehörigen und Freunden aus Albanien und Israel nach wie vor finanziell unterstützt. Zuletzt hat die Erstbeschwerdeführerin über einen Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren monatlich 500,-- bis 800,-- Euro von einem Freund Ihres Ehemannes aus Israel erhalten. Bei der Einreise nach Österreich verfügte die Erstbeschwerdeführerin über etwa 10.000,-- Euro (Akt I AS 74; PS 8 ff).

Die Erstbeschwerdeführerin pflegt freundschaftliche Beziehungen zu drei näher benannten Personen in Österreich (Akt I AS 73; PS 14). Der Zweitbeschwerdeführer pflegt freundschaftliche Beziehungen zu seinen Schulfreunden (Akt II AS 66; PS 38).

Die Beschwerdeführer verfügen jedoch weder über Verwandte noch über sonstige soziale Bindungen in Österreich (PS 7).

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten (Strafregister).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Albanien:

Albanien gilt als sicherer Herkunftsstaat, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der dortigen Behörden spricht, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist.

Die Länderfeststellungen zur Lage in Albanien basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 29.01.2019.

Zur politischen Lage

Die Republik Albanien ist seit dem politischen Umbruch in den Jahren 1991/92 eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem. Politische Parteien können sich frei betätigen. Das demokratische System krankt jedoch an Defiziten, die auf historische, politische und kulturelle Faktoren zurückzuführen sind. Das politische Leben ist stark polarisiert; Clanstrukturen dominieren die Parteien. Die großen Fortschritte, die Albanien in allen Bereichen erzielt hat, wurden durch die Verleihung des EU-Kandidatenstatus im Juni 2014 gewürdigt. Drei Parteien bestimmen die politische Landschaft: die Sozialistische Partei Albaniens, die aus der (kommunistischen) Partei der Arbeit Albaniens hervorgegangen ist und deren beherrschende Persönlichkeit Premierminister Edi Rama ist; die Demokratische Partei unter Lulzim Basha, bei der aber noch immer der langjährige Ministerpräsident Berisha wichtige Fäden zieht sowie die von der Ehefrau von Staatspräsident Meta, Monika Kryemadhi, geführte Sozialistische Bewegung für Integration. Aus den Parlamentswahlen vom 25.6.2017 ging die regierende Sozialistische Partei mit Edi Rama als Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit erneut als Sieger hervor. Die Parlamentswahlen im Juli 2017 waren weitgehend frei und fair, allerdings nach ODIHR-Bericht mit einigen Mängeln behaftet (insbesondere Stimmenkauf und Einschüchterungen). Eine Wahlrechtsreform ist angelaufen. Albanien ist seit 1991 Mitglied der OSZE, seit 1995 Mitglied des Europarates, seit 1.4.2009 NATO-Mitglied. Dem Parlament der Republik (Kuvendi i Republikes) steht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik, dessen Wahl auf fünf Jahre durch das Parlament erfolgt. Höchstes Exekutiv-Organ ist der Ministerrat, der durch den Präsidenten ernannt und vom Parlament bestätigt wird. Regierungschef ist der Vorsitzende des Ministerrats (Ministerpräsident). Entscheidungen des Verfassungsgerichts binden die Staatsorgane. Die EU-Kommission veröffentlichte am 17.4.2018 die sog. Fortschrittsberichte für die EU-Beitrittskandidaten, einschließlich Albanien. Der Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Albanien wird von der Kommission empfohlen. Weitere Anstrengungen bei politischen und wirtschaftlichen Reformen seien nötig, insbesondere hinsichtlich der Lage und Integration der Roma, der Bekämpfung der Korruption sowie der Verbesserung der Medienfreiheit. Albanien bekommt eine positive Bewertung - gewürdigt wird der Beginn der umfassenden Justizreform, erste Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung und bei der Bekämpfung des illegalen Cannabis-Anbaus. Die EU-Staaten haben der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien grundsätzlich zugestimmt. Die Europaminister hätten bei ihrem Treffen in Luxemburg "einen Weg in Richtung der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen" im Juni 2019 vereinbart.

Zur Sicherheitslage

Nach jahrzehntelanger selbst gewählter Isolation, sieht Albanien seit dem Umschwung 1991 seine Zukunft in Europa. Es strebt die volle Integration in euro-atlantische Strukturen an. Albanien betreibt eine konstruktive Regionalpolitik. Albaniens Außenpolitik ist darauf gerichtet, gutnachbarschaftliche Beziehungen auszubauen und die Zusammenarbeit in der Region weiter zu fördern. Die bilateralen und multilateralen Kontakte sind rege. Dabei spielt Albanien eine konstruktive Rolle im Aufbau gemeinsamer Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen in der Region und beteiligt sich aktiv am sogenannten „Berlin-Prozess“. Albanien beteiligt sich an einer Vielzahl regionaler Initiativen, wie dem Schwarzmeer-Wirtschaftsrat (BSEC - Black Sea Economic Council), dem Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen (CEFTA) und dem South East Europe Cooperation Process (SEECP), dessen Vorsitz es von Mitte 2014 bis Mitte 2015 führte. Albanien erwartet und baut darauf, dass mit fortschreitender Integration des Balkan in europäische Strukturen die Nationalitätenprobleme relativiert werden. Neben den weitgehend normalisierten Beziehungen zur Mazedonien haben diejenigen zu Italien und Griechenland besondere Bedeutung. Die Verbindungen nach Kosovo, das mehrheitlich von albanisch stämmiger Bevölkerung bewohnt wird, werden von beiden Seiten mit besonderer Intensität gepflegt. Immer wieder unterstellte Bestrebungen nach einem „Groß-Albanien“ sind kein Element der albanischen Außenpolitik. Albanien hat die Antiterrormaßnahmen im Jahr 2017 stark unterstützt und die Teilnahme an der globalen Koalition zur Bekämpfung des ISIS fortgesetzt, indem es bedeutende Waffen- und Munitionsspenden geleistet hat, laut dem Terrorismus-Länderbericht 2017 des US-Außenministeriums. Laut diesem Bericht haben die albanischen Behörden ihre Bemühungen verstärkt, potenziellen terroristischen Bedrohungen entgegenzuwirken. Die kürzlich personell aufgestockte albanische Antiterroreinheit arbeitete eng mit dem Internationalen Strafverfolgungshilfeprogramm (ICITAP) des US-Justizministeriums zusammen. Trotz der Knappheit der Ressourcen hat die Antiterroreinheit auch an mehreren erfolgreichen Fahndungen bekannter oder mutmaßlicher Terroristen teilgenommen. Die albanische Grenzpolizei berichtet, dass aufgrund strengerer Maßnahmen an den albanischen Grenzübergängen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 3.000 albanischen Staatsbürgern wegen fehlender Dokumente die Weiterreise Richtung Schengenraum verweigert wurde. Sie standen im Verdacht, Asylsuchende zu sein. Laut Direktion wurden im selben Zeitraum 246 Minderjährige daran gehindert, das Land zu verlassen.

Zum Rechtschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Allerdings verhindern politischer Druck, Einschüchterung, weit verbreitete Korruption und beschränkte Mittel, dass die Justiz unabhängig und effizient arbeitet. Die Gerichtsanhörungen finden oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Das Gesetz bietet den Angeklagten ausreichend Zeit und Möglichkeiten, eine Verteidigung vorzubereiten. Im Allgemeinen respektiert die Regierung diese Rechte in der Praxis, obwohl die Gerichtsverfahren nicht immer öffentlich sind und der Zugang zu einem Anwalt manchmal problematisch ist. Das EU-Parlament hat am 30.11.2018 die Entwicklung der westlichen Balkanländer im Hinblick auf einen EU-Beitritt bewertet. Albanien zeigt laut dieser Bewertung stetige Fortschritte bei den Reformen in Bezug auf die Unabhängigkeit und Professionalität der Justiz und bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Sorge bereitet das anhaltend hohe Maß an Korruption. Das Strafgesetzbuch wird kontinuierlich überarbeitet, um westlichen Standards zu entsprechen. Aufgrund der Schwäche der Institutionen des Staates werden viele Rechtsverstöße entweder nicht oder nicht in ausreichendem Maße verfolgt. Untersuchungshäftlinge müssen teilweise sehr lange auf ihren Prozess warten. Verfahren können mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Mangelnde Qualifikation und Anfälligkeit der Richter für Korruption können zu rechtsstaatlich zweifelhaften Ergebnissen führen. Im Zuge der Justizreform zeigen sich erste Verbesserungen. Die von der IRZ [Internationale Rechtliche Zusammenarbeit; Anm.] geführte EU-Rechtsberatungsmission EURALIUS hat gemeinsam mit anderen internationalen und nationalen Experten das Reformpaket erarbeitet und unterstützt bei der Umsetzung. Bestandteil der Reform sind u.a. auch eine neue Strafprozessordnung und das Jugendstrafrecht. Einer der wichtigsten Aspekte der Justizreform, um die Beitrittsverhandlungen zur EU im Juni 2019 zu eröffnen, ist der „Vetting“ Prozess. Dabei werden die Qualifizierung, die Integrität und die Vermögenswerte der Richter und Staatsanwälte überprüft. Bis Ende 2018 wurden 35 von insgesamt 77 Richter und Staatsanwälte, die bislang das Verfahren durch die unabhängige Kommission absolvieren mussten, ihres Amtes enthoben. Darunter auch die Mehrheit der Mitglieder des Verfassungsgerichts und der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, sowie mehrere Präsidenten einiger Bezirksgerichte und Bezirksstaatsanwaltschaften. 16 Richter und Staatsanwälte sind freiwillig zurückgetreten. Im Rahmen des Vetting-Prozesses, als Teil der umfassenden Justizreform, wurden Ende 2018 noch der „Hohe Rat der Justiz“, der „Hohe Rat der Staatsanwaltschaft“ und der „Rat für Ernennung in der Justiz“ als wesentliche Elemente zur Einrichtung neuer Justizinstitutionen in Albanien neu besetzt. Anfang 2019 begann zudem die Gründung der SPAK "Antikorruptionssondereinheit". Die Neu- bzw. Wiederbesetzung des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichts sowie der anderen Justizeinrichtungen stehen noch aus. Der bisherige Erfolg der Justizreform ist noch bescheiden, die Reform ist aber unumkehrbar und hat parteiübergreifende Unterstützung gefunden.

Zu den Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden üben effektive Kontrolle über alle Sicherheitskräfte aus. Während die Regierung über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption verfügt, bleibt die Polizeikorruption ein Problem. Die staatliche Dienstaufsicht für innere Angelegenheiten und Beschwerden erhielt bis zum 31.7.2017 3.811 telefonische Beschwerden über die sog. "grüne Linie" zur Korruptionsbekämpfung. Die Mehrheit davon betraf "Untätigkeit von Polizeibeamten", "ungerechte Geldstrafen“ oder "Verstoß gegen die üblichen Standardverfahrensabläufe". Die Dienstaufsicht meldete 43 administrative Übertretungen und empfahl für 57 Polizisten die Einleitung von Disziplinarverfahren. Die Missbrauchsfälle von fünf Beamten wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Im Laufe des Jahres bearbeitete der Ombudsmann auch Beschwerden gegen Polizeibeamte, vor allem im Zusammenhang mit Problemen bei Verhaftungen und Inhaftierungen. Dank personeller Umbesetzungen, Umstrukturierung und Lohnerhöhungen hat sich der Ruf der Polizei verbessert. Die albanische Staatspolizei ist stark hierarchisch ausgerichtet und unterliegt einer ausgeprägten politischen Steuerung. In Folge werden polizeiliche Aktivitäten oft von der jeweiligen politischen Interessenlage beeinflusst. Die Regierung unternimmt große Anstrengungen, die Professionalisierung der Polizei voranzutreiben. Auch für die Polizei hat ein Durchleuchtungsprozess ähnlich dem Vetting der Richter und Staatsanwälte begonnen. Personelle Veränderungen haben ebenfalls zu einem effizienteren Agieren der Polizei geführt. Die Staatspolizei ist in vier Abteilungen unterteilt, darunter: Generaldirektion zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität (Kriminalpolizei), Generaldirektion Migration und Grenze (Grenzpolizei) und Generaldirektion Öffentliche Sicherheit (uniformierte Polizei). Daneben wurde am 1.1.2015 eine Direktion zur Bekämpfung des Terrorismus eingerichtet. Eine neue Ressort übergreifende Spezial-Task Force bekämpft Organisierte Kriminalität. Eine Sonderstruktur zur Korruptionsbekämpfung befindet sich im Aufbau. Der Innenminister der zweiten Regierung Rama widmet sich der Bekämpfung der OK mit hohem Engagement. In der Polizeidirektion Vlora wurde gegen elf Polizeibeamte ein Disziplinarverfahren wegen Kooperation mit einem kriminellem Cannabiskartell eingeleitet. Drei weitere Polizisten wurden diesbezüglich entlassen. Die Region Vlora (Hafenstadt in Südalbanien; Anm.) war eine der problematischsten Gebiete hinsichtlich Cannabisanbau und -handel. Am Flughafen Rinas (Tirana International Airport - liegt 17 Kilometer nordwestlich von Tirana beim Dorf Rina; Anm.) wurden am 14.1.2018 insgesamt 13 Polizisten und Spezialisten des Grenzpolizeikommissariats ihren bisherigen Aufgaben enthoben und in die Polizeidirektion Tirana versetzt. Offizielle Quellen berichteten, dass die neuen Polizeibeamten sehr genau ausgewählt werden würden, um die Situation der Grenzpolizei am Grenzübergang - Flughafen/Rinas zu verbessern. Laut Medien sollte dies der erste Schritt einer vollständigen Erneuerung der grenzpolizeilichen Strukturen sein. Am 21.9.2018 verhaftete die Behörde für innere Angelegenheiten und Beschwerden sechs Beamte der Grenz- und Migrationspolizei in Gjirokastra. Die Beamten werden verdächtig, den illegalen Übergang an der griechisch-albanischen Grenze, an albanische und ausländische Staatsbürger erleichtert zu haben. Sie werden wegen Korruption, Amtsmissbrauch und gesetzwidriger Grenzüberschreitung angeklagt. Einer der wichtigsten Drahtzieher des Drogenhandels von Albanien nach West- und Nordeuropa, Klement Balili, hat sich freiwillig den Behörden gestellt, nachdem zwei Jahre nach ihm gefahndet wurde. Dem „Pablo Escobar des Balkans“ werden auch enge Verbindungen zu Spitzenpolitikern nachgesagt, er war selbst jahrelang Beamter in der staatlichen Verwaltung. Jahrelang galten die Drogenbarone in Albanien als unantastbar. Die US-Botschaft in Tirana und die Europäische Union hatten Zweifel an der Entschlossenheit der Behörden, die Drogenbanden zu zerschlagen. Die erfolgreiche Bekämpfung von Drogenkriminalität und organisierter Kriminalität sind Schlüsselkriterien für Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Mittlerweile macht das Land gute Fortschritte im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Erst im Oktober 2018 wurden 27 mutmaßliche Drogendealer verhaftet. Im Zeitraum Jänner - Oktober 2018 wurden in Albanien 19.260 kg Cannabis sativa sichergestellt, ein wesentlicher Rückgang zum Vergleichsraum 2017. Im Jahre 2017 wurden im Zeitraum Jänner - Oktober 74.045 kg sichergestellt. Erwähnenswert ist auch, dass viele Sicherstellungen von Cannabis an der italienischen Küste, mit Schnellbooten aus Albanien, durchgeführt werden die natürlich nicht in der Statistik aufscheinen.

Zu Folter und unmenschlicher Behandlung

Obwohl die Verfassung und das Gesetz Folter und unmenschliche Behandlung verbieten, werden Verdächtige und Gefangene von Polizei und Gefängniswärtern in manchen Fällen geschlagen und missbraucht. Bis September 2017 erhielt der Dienst für Innere Angelegenheiten und Beschwerden (ohne Zahlenangaben; Anm.) über Polizeimissbrauch und Korruption, die sowohl zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen als auch zu strafrechtlichen Verfolgungen führten. Der Ombudsmann berichtete, dass die meisten Fälle von behaupteten physischen oder psychischen Missbrauch während der Verhaftung und Befragung stattfanden. Bis August 2017 erhielt der Ombudsmann 104 Beschwerden von Häftlingen. Die Mehrheit der Beschwerden betraf die Qualität der Gesundheitsversorgung. Der Ombudsmann hat keinen Fall zur Verfolgung weitergeleitet. Albanien hat die Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Bestrafungen samt Fakultativprotokoll ebenso wie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ratifiziert. Art. 25 der Verfassung verbietet explizit Folter und jegliche grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Nach übereinstimmenden Erkenntnissen nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen wird in Albanien in Polizeigewahrsam und in den Haftanstalten nicht auf staatliche Anweisung gefoltert. Es gibt jedoch immer wieder Fälle von Gewalt und Misshandlungen, insbesondere seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei, vorrangig während sich Personen in Polizeigewahrsam befinden.

Zur Korruption

Bei der Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen ist ein gestiegenes Engagement der zweiten Regierung Rama zu verzeichnen. Eine Sonderstruktur zur Korruptionsbekämpfung befindet sich im Aufbau. Die EU-Kommission veröffentlichte am 17.4.2018 die sog. Fortschrittsberichte für die EUBeitrittskandidaten. Laut Fortschrittsbericht bekommt Albanien eine positive Bewertung; gewürdigt werden unter anderem die ersten Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung. Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Albanien unter 180 Ländern und Territorien an 91. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100. Die Ergebnisse des Transparency International Index (2017) für Albanien geben Anlass zu großer Sorge. Die Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Sektor bleibt eine der größten Herausforderungen. Transparency International erklärte, dass in Albanien Fortschritte bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität im öffentlichen Sektor erzielt wurden, aber bei den größeren Themen wie Korruption in der Justiz noch viel getan werden muss.

Zur allgemeinen Menschenrechtslage

Seit den Umbrüchen der 90er Jahre hat sich die Menschenrechtslage in Albanien beständig verbessert. Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten sind in Verfassung und Gesetzen verankert. Beim Aufbau eines Rechtsstaats und beim Schutz der Menschenrechte gibt es Fortschritte. Systematische Menschenrechtsverletzungen finden nicht statt. Politische Verfolgung, Folter, Zensur oder staatliche Repression gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen wegen ihrer Nationalität, politischen Überzeugung, Rasse oder Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder sozialen Gruppe finden nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes nicht statt. Die albanische Regierung hat eine Ombudsperson eingesetzt, die die Bürger bei Menschenrechtsverletzungen anrufen können. Diese kann zwar keine Entscheidungen treffen oder durchsetzen, aber sie untersucht Missstände und kann gerichtliche Verfahren einleiten. Die albanische Verfassung vom 21.10.1998 enthält in ihren Artikeln 15 bis 58 einen ausführlichen Katalog von Grundrechten. Grundlage sind die Garantien der Europäischen Konvention für Menschenrechte. Der Grundrechtekatalog enthält neben persönlichen und politischen Rechten und Freiheiten auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Freiheiten. Die Europäische Menschenrechtskonvention (allerdings mit Erklärungen) sowie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe wurden von Albanien ratifiziert, ebenso die Mehrzahl VN-Übereinkommen zu den Menschenrechten. In den letzten Jahren liegen keine Kenntnisse über Fälle von Verschwindenlassen vor. Es gibt Berichte über Festnahmen, die nicht im Einklang mit dem albanischen Recht erfolgen. Die im albanischen Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen orientieren sich auch hinsichtlich des Strafmaßes an europäischen Standards. Es gibt keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass es zu Verletzungen der Rechte von Angeklagten im Rahmen des Gerichtsprozesses kommt. Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen agieren im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersuchen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte sind im Allgemeinen kooperativ. Das Büro des Bürgerbeauftragten ist di

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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