TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/23 W176 2199295-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.02.2021
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Entscheidungsdatum

23.02.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W176 2199295-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .1961, iranischer Staatsangehöriger, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018, Zl. 1091468406-151570967, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.02.2022 erteilt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer brachte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er an, dass sein Vater im Rahmen eines Familienstreites mit dessen Bruder schwer verletzt worden sei. Als der Beschwerdeführer von einer Reise zurückgekommen sei, habe er hierfür seinen Onkel zur Rede gestellt. Dieser sei Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes und habe ihn dafür ins Gefängnis gebracht. Auf der Basis falscher Anschuldigungen, wonach er den Islam, den geistigen Führer des Islams sowie islamische Werte beleidigt und die innere Sicherheit des Irans gefährde habe, sei er zu Tod verurteilt worden; die Strafe sei jedoch nach einem Begnadigungsgesuch in eine achtjährige Gefängnisstrafe umgewandelt worden. Um aus dem Gefängnis zu gelangen, habe er eine Vereinbarung unterschrieben, in der er sich bereit erklären habe müssen, in Syrien auf Regierungsseite gegen den IS zu kämpfen.

2. Am XXXX .2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Früher sei er muslimischen Glaubens gewesen, in Österreich sei er zum Christentum konvertiert. Zum Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass er im Jahr 2002 an einem internationalen Turnier in Dänemark teilgenommen habe. Eine iranische Oppositionsgruppe namens „Volksmudschaheddin“ habe in Schweden eine Demonstration zur Menschenrechtlage im Iran organisiert. Mit Teamkollegen habe er an der Demonstration teilgenommen, wobei ein Foto von ihm und anderen Demonstranten in der offiziellen Zeitung der Opposition veröffentlicht worden sei. Nach der Rückkehr in den Iran sei er diesbezüglich vom Geheimdienst verhört worden. Im Verlauf der weiteren drei Jahre sei er immer wieder festgenommen und freigelassen worden. Sein Name sei auf einer „schwarzen Liste“ gewesen, zudem wäre er weiterhin unter Beobachtung geblieben. Im Jahr 2009 habe der Beschwerdeführer im Rahmen der „Grünen Bewegung“ an einem Protest teilgenommen und sei während der Demonstrationen festgenommen worden. Hierauf sei er zum Tode verurteilt worden, im Rahmen einer Berufung sei seine Strafe schließlich in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt worden. Während der Haft habe er armenische Christen kennengelernt, so sei sein Interesse am Christentum geweckt worden. Nach fünf Jahren habe er ein Gnadengesuch eingebracht und sich dabei „aus freien Stücken“ bereit erklärt, in Syrien zu kämpfen. Im Zuge seiner Entlassung - drei Monate vor seiner Ausreise - sei er einer intensiven Militärausbildung unterzogen worden. Anschließend habe er einen iranischen Reisepass beantragt und bekommen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 200/2005 (AsylG), (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Im Wesentlichen versagte die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit und kam zum Ergebnis, dass eine relevante Verfolgungsgefahr nicht bestehe.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er darauf verwies, dass er ein in sich geschlossenes, immer gleichbleibendes nachvollziehbares Vorbringen erstattet habe, das eine begründete Furcht vor Verfolgung von Seiten der Behörden sowie dem Geheimdienst im Iran bestätige. Im Falle einer Rückkehr in den Iran würde er in eine ausweglose Situation geraten, da er einerseits von den Behörden verfolgt würde sowie andererseits zum Christentum konvertiert sei und somit größter Gefahr ausgesetzt wäre. Eine Konversion zum Christentum sei mit hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe festgesetzt, zudem wäre er im Gefängnis weiterer Folter ausgesetzt. Den Glauben heimlich auszuleben sei ihm nicht mehr zumutbar, da er öfters in öffentlichen sozialen Netzwerken christliche Schriftzüge gepostet habe. Somit sei auch für seine Mitmenschen im Iran, die davon Kenntnis erlangt hätten, ersichtlich, dass er zum Christentum konvertiert sei.

5. Am XXXX .2021 fand am Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeverhandlung statt; in dieser wurde der Beschwerdeführer als Partei befragt – wobei der angab, er bekenne sich zum christlichen Glauben protestantischer Prägung und befürchte, deshalb im Iran verfolgt zu werden – und der Pastor der XXXX zeugenschaftlich einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der 59-jährige Beschwerdeführer ist iranischer Staatangehöriger, gehört der persischen Volksgruppe an und stammt aus Teheran, wo er auch bis zu seiner Ausreise lebte. Sein Vater und einer seiner Brüder sowie seine Schwester leben in Teheran. Ebenso lebt seine verheiratete Tochter dort. Einer seiner Brüder ist in Dänemark aufhältig, ein weiterer Bruder hält sich in Schweden auf. Der – geschiedene – Beschwerdeführer steht mit seinem Vater und seiner Tochter in regelmäßigem Kontakt. Im Iran erhielt der Beschwerdeführer eine Tischlerlehre und arbeitete zunächst als Automechaniker in der Werkstatt seines Vaters. Zuletzt betrieb er sein eigenes Unternehmen, welches auf die Produktion und den Verkauf von Küchen spezialisiert war. Nebenbei war er auch als Kampfkunsttrainer tätig.

Der Beschwerdeführer hat den Iran aus Sicht der iranischen Behörden legal verlassen. Dem Beschwerdeführer droht wegen der legalen Ausreise aus dem Iran, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine behördliche Verfolgung.

Der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist in der XXXX als Hausmeister gemeinnützig tätig, wo er als fleißiger und umsichtiger Helfer geschätzt wird.

Der Beschwerdeführer leidet an Hepatitis-B, arterieller Hypertonie und Übergewicht. Überdies leidet er an einem Impingement der rechten Schulter, weiters besteht – neben Schmerzen im Lumbalbereich mit Ausstrahlung auf den rechten Oberschenkel – eine Foraminostenose und eine Osteochondrose mit neuropathischer Symptomatik.

1.1.2. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer weder in Schweden noch im Iran an Demonstrationen teilgenommen hat und nicht in einem solchen Zusammenhang im Iran festgenommen und in der Folge zu mehrjährigen Gefängnisstrafen inhaftiert wurde. Demnach erklärte sich der Beschwerdeführer auch in keiner Form gegenüber den iranischen Behörden bereit, am Kampfgeschehen in Syrien teilzunehmen.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX .2016 in der XXXX in Dänemark getauft.

Der Beschwerdeführer trat am XXXX .2018 aus der Islamischen schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus. Am XXXX .2018 trat er in die Evangelische Kirche A.B. ein.

Der als schiitischer Muslim aufgewachsene Beschwerdeführer besucht in Österreich seit ca. zwei Jahren regelmäßig den Sonntagsgottesdienst der XXXX , einer Freikirche.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben ernsthaft angenommen hat, sodass dieser wesentliche Bestandteil seiner Identität geworden ist. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Iran das Bedürfnis hätte, innerlich und äußerlich als Christ zu leben oder gar andere zu missionieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Iran aufgrund seiner Aktivitäten auf Instagram mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.

1.2. Zur hier relevanten Situation im Iran:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitsapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muss im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zum Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, 5 wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und 10 mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr in den Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr in den Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein.

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 2.3.2018). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Sozialbeihilfen:

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und

Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

Medizinische Versorgung:

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2017a). Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2017b).

Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 15.3.2017). Grundsätzlich entspricht die medizinische Versorgung nicht (west-) europäischen Standards. Gegen Zahlung hoher Summen ist jedoch in den Großstädten eine medizinische Behandlung nach erstklassigem Standard erhältlich. Die Versorgung mit Medikamenten ist weitgehend gewährleistet. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran und ggf. gegen Zahlung entsprechender Kosten grundsätzlich gegeben. Iran verfügt über ein staatliches Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings müssen Patienten hohe Eigenleistungen teils in Form von Vorauszahlungen erbringen und regelmäßig lange Wartezeiten in Kauf nehmen (AA 8.12.2016).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2016).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellte müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html (IOM 2016).

Zugang speziell für Rückkehrer:

Anmeldeverfahren: Alle iranischen Bürger einschließlich Rückkehrer können beim Tamin Ejtemaei eine Krankenversicherung beantragen.

Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können jedoch noch verlangt werden.

Zuschüsse: Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird.

Kosten: Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen sobald die Person eine Arbeit im Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2016).

Mehr als 85% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden im Iran diverse Reformen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung vorgenommen, nach deren Implementierungen wesentliche Fortschritte im sozialen sowie wirtschaftlichen Sektor verzeichnet werden konnten. In ländlichen Regionen verfügt jedes Dorf über ein sogenanntes Gesundheitshaus, in dem ausgebildete “Behvarz” und Gesundheitsarbeiter zur medizinischen Behandlung bereitstehen. In städtischen Regionen stehen, ebenfalls ähnlich verteilt, eine Vielzahl an Gesundheitszentren zur Verfügung. Das gesamte Gesundheitssystem wird vom Ministerium für Gesundheit und Medizinische Bildung verwaltet. Die Universitätskliniken, von denen in jeder Provinz eine vorhanden ist, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle hinsichtlich der medizinischen Versorgung. Der Universitätsleiter fungiert hier als Oberhaupt aller medizinischen Dienstleistungen und ist verantwortlich für alle Gesundheitshäuser und Kliniken in der jeweiligen Region. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen den Iran die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten (IOM 2016).

Einweisung: In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren.

Verfügbarkeit von Medikamenten: “The Red Crescent” ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen im Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden (IOM 2016).

1.2.2. Situation betreffend Covid-19:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die sich als Pandemie weltweit verbreitet hat. Im Iran gibt es derzeit laut der Homepage der Weltgesundheitsorganisation 111.279.860 bestätigte Fälle infizierter Personen und 2.466.639 Todesfälle (https://covid19.who.int/ [23.02.2021]). Der Iran meldete Mitte Februar die ersten Corona-Ansteckungen, die Zahl der Neuinfizierten stieg infolge rasant, sodass die iranische Regierung diverse Ausgangsbeschränkungen erließ. In Folge sanken die Infektionszahlen, sodass Mitte April 2020 die Behörden erstmals mehr Genesene als Infizierte registrierten (https://www.nzz.ch/international/corona-in-iran-teheran-kaempft-mit-der-zweiten-welle-ld.1560131; https://www.diepresse.com/5823958/eine-zweite-viruswelle-erfasst-den-iran). Nach Lockerung der Ausgangsbeschränkungen sind die Infektionszahlen seit Anfang Mai 2020 wieder gestiegen; derzeit beträgt die Zahl der täglichen Neuinfektionen 8.263 (https://covid19.who.int/region/emro/country/ir [23.02.2021]). Mitte Mai 2020 wurden insgesamt 100.000 Neuinfektionen gemeldet, Mitte Juni waren es 200.000, Ende Oktober 500.000 und Anfang Dezember eine Million. Steil verlief auch der Anstieg bei den Todesfällen: Ende Juni 2020 waren es 10.000, Ende August 20.000 und Anfang Dezember 50.000. Deutschland, das eine ähnliche Einwohnerzahl besitzt, aber sehr viel dichter besiedelt und stärker überaltert ist, hatte Anfang Dezember 2020 deutlich mehr Infizierte (knapp 1,2 Millionen), aber deutlich weniger Tote (knapp 20.000). Die benachbarte Türkei, ebenfalls ein Land mit knapp über 80 Millionen Einwohnern und jüngerer Bevölkerungsstruktur, aber doppelt so hoher Bevölkerungsdichte wie im Iran, hatte bis dahin sogar nur halb so viele Fälle (über 500.000) wie der Iran registriert und 14.000 Tote gezählt (https://covid19.who.int/region/emro/country/ir [23.02.2021]). Die medizinische Situation ist (auch wegen sanktionsbedingter Versorgungsengpässe) laut dem Außenwirtschaftscenter der Wirtschaftskammer Österreich äußerst angespannt (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavirus--.html [23.02.2021]).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Besonders gefährdet sind Menschen über 65, Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen, erhöhtem Blutdruck, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes und solche, deren Immunsystem durch eine Therapie geschwächt ist. Bei diesen Personen kann Covid-19 einen lebensbedrohenden Verlauf nehmen (vgl. dazu https://www.who.int/news-room/q-a-detail/q-a-coronaviruses [23.02.2020]).

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Die wesentlichen biographischen Feststellungen (Herkunft, Berufstätigkeit, familiäre Hintergründe) beruhen auf den gleichbleibenden und demnach glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht und der belangten Behörde. Auch seine Angaben dazu, dass er Familienangehörige im Iran habe, änderte er im Verfahren nicht und waren auch diese Angaben daher zugrunde zu legen.

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Iran legal verlassen hat, ist auf seine Angaben im Verfahren hinzuweisen (vgl. Verhandlungsschrift Seite 25). In Bezug auf die Feststellung, dem Beschwerdeführer drohe wegen der legalen Ausreise, der gegenständlichen Antragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit behördliche Verfolgung, ist auf das Länderinformationsblatt zu verweisen; dieses führt hinsichtlich der Rückkehr nach Iran – soweit entscheidungsrelevant – aus, dass allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt habe, bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen auslöse. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem könne es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher sei kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden seien. Selbst Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen hätten, könnten von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Zum Thema Rückkehrer gebe es kein systematisches Monitoring das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen habe im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden können, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hätten.

Da dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in das Verfahren eingeführt wurde, diesbezüglich nicht substantiiert entgegengetreten worden ist, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass im gegenständlichen Fall kein reales Risiko im Falle der Rückkehr besteht.

Bezüglich der illegalen Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich ist auf die unbedenkliche Aktenlage zu verweisen.

Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ist der im Akt einliegenden Strafregisterauskunft zu entnehmen. Die Feststellung zur gemeinnützigen Tätigkeit des Beschwerdeführers basiert auf seinen Angaben sowie den betreffenden Unterlagen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf der Einsichtnahme in die vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Feststellungen zur Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Vorfällen stützt sich auf folgende Erwägungen:

Eingangs ist festzuhalten, dass seine diesbezüglichen Angaben, die er im Rahmen des gesamten Verfahrens tätigte, in mitunter erheblichem Widerspruch zueinanderstehen und er wesentliche Bestandteile, die sein Fluchtvorbringen ausmachen, im Laufe des Verfahrens wiederholt abänderte:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung vor der Polizei zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass ein Streit zwischen seinem Vater und dessen Bruder die Ursache für seine achtjährige Gefängnisstrafe gewesen sei, da der Onkel – welcher im Anschluss an den vermeintlichen Streit vom Beschwerdeführer zur Rede gestellt worden sei – Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes sei (OZ 1 AS 17).

Obwohl der Beschwerdeführer zu Beginn seiner Einvernahme vor der belangten Behörde angab, dass ihm seine Aussagen bei der Erstbefragung erinnerlich seien und diese der Wahrheit entsprächen (OZ 1 AS 172), schilderte er dann im weiteren Verlauf, – in völliger Abweichung von ebendiesen Angaben bei der Erstbefragung – dass er aufgrund einer Demonstrationsteilnahme im Jahr 2009 im Zuge der Präsidentschaftswahlen im Iran festgenommen und zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei, wobei dem seine Teilnahme an einer Demonstration der „Volkmudschaheddin“ im Jahr 2002 in Schweden vorangegangen sei. Nach seiner Rückkehr in den Iran sei er damals vom iranischen Geheimdienst verhört und anschließend in den drei folgenden Jahren fortwährend für kürzere Zeit in Haft genommen worden. Zudem sei er unter Beobachtung des Geheimdienstes geblieben. Schließlich räumte er dann in der Einvernahme ein, dass er in der Erstbefragung betreffend seine Fluchtgründe gelogen habe (vgl. OZ 1 AS 184: „F: Also haben Sie bei ihrer Erstbefragung gelogen? A: Ja, das kann man so sagen. Ich wusste damals überhaupt nicht, um was es geht.“). Hier ist zu ergänzen, dass sein Erklärungsversuch für die Angaben in der Erstbefragung, wonach er nicht gewusst habe „um was es geht“, in Anbetracht der Asylantragsstellung wenig überzeugend erscheint, zumal er anfänglich vor der belangten Behörde, wie bereits oben erwähnt, noch angab, dass seine Angaben in der Erstbefragung der Wahrheit entsprechen würden. Auch in der Beschwerdeverhandlung vermochte er es nicht, eine schlüssige Begründung hierfür aufzubieten, dass er nicht gewollt habe, dass seine Familie „Probleme“ bekommen würde, mutet mit Rücksicht auf die Anschuldigung gegen seinen Onkel in der Erstbefragung befremdlich an (Verhandlungsschrift Seite 27).

In der Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer in wenig kohärenter und widersprüchlicher Weise wiederum einen anderen Umstand an, der für seine Verhaftung im Iran 2009 und der anschließenden Verurteilung kausal gewesen wäre: Nunmehr gab er diesbezüglich an, dass er unterwegs von der Arbeit einer Gruppe von Demonstranten begegnet sei, von der er ein Video mit seinem Handy gemacht habe. Wenige Tage später sei dann seine Wohnung gestürmt und der Beschwerdeführer in weiterer Folge zu einer Haftstrafe verurteilt worden (Verhandlungsschrift Seite 22f: „R: Worin bestehen Ihre Probleme mit der Regierung? BF: Es ist sehr lang. Ich habe früher bei Demonstrationen mitgemacht. Wir sind von Dänemark nach Schweden und waren bei den Demonstrationen der Mudjahedin-e-Khalghe-Iran (Volksmujaheddin) in Schweden dabei. Leider ist dann mein Foto auf der 2. Seite der Zeitung der Volksmujaheddin erschienen. Als ich in den Iran zurückflog, konnte ich durch die Passkontrolle. Aber dann wurde ich im Flughafen noch festgenommen. Nach vielen Quälereien, Folter, bin ich zu 3 Jahre Haft verurteilt worden. Ab dem Zeitpunkt stehe ich auf der schwarzen Liste der Islamischen Republik. Ich war dann frei. Eines Tages war ich 1388 (2009) unterwegs von der Arbeit. Ich war gerade von der Arbeit zurückgekommen. Es gab eine Gruppe Demonstranten. Das waren keine Iraner. Sie waren alle gleich groß, dunkle Hautfarbe. Sie waren von sehr dunkler Hautfarbe. Ich habe davon mit meinem Handy ein Video gemacht und ungefähr 20, 21 Tage in der Früh, sind sie zu mir in die Wohnung gestürmt. Sie beschuldigten mich, dass ich mich wieder in dieser Regierung betätigt habe in Anbetracht meiner Vergangenheit. Ich bin wieder für 15 Jahre Gefängnis verurteilt worden. 5 Jahre habe ich hinter mich gebracht. Ich habe dann einen Antrag gestellt, dass ich hinauskomme, dieser wurde nicht anerkannt. Ich hatte 3-4 Bewährungshelfer im Gefängnis, die mir helfen wollten. Es gab einige Briefe. Einer der Bewährungshelfer schlug mir vor, ich soll einen Brief schreiben, dass mir das Ganze leidtut und ich bereit sei, in Syrien an die Front zu gehen. Das habe ich unterschrieben und 10, 12 Tage später bin ich dann hinausgekommen. Ich habe dann für 21 Tage eine Kriegsausbildung gehabt und dann habe ich Dokumente bekommen, damit ich in die Türkei gehe, um von dort aus mit den Leuten in der Botschaft in Zusammenhang mit ihnen für den Krieg nach Syrien reise. Ich war aber nicht bereit dazu. Ich wollte niemandem umbringen und schon gar nicht etwas für dieses Regime tun. Ich habe das mit meiner Familie vereinbart und bin, als ich noch in der Türkei war, geflohen.“). Hierzu ist außerdem anzumerken, dass der Beschwerdeführer im Widerspruch zur Einvernahme vor der belangten Behörde, wo er von einer zehnjährigen Haftstrafe gesprochen hatte (OZ 1 AS 177) vor Gericht angab, zu einer fünfzehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden zu sein. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung (OZ 1 AS 17), als auch in der niederschriftlichen Einvernahme (OZ 1 AS 177) angab, dass er ursprünglich zum Tode verurteilt worden sei, jedoch diese Strafe in eine Haftstrafe umgewandelt worden wäre. Hingegen in der Beschwerdeverhandlung erwähnte er bezüglich einer Todesstrafe nichts mehr. Des Weiteren wurde er nach seiner Schilderung in der Beschwerdeverhandlung im Gegensatz zu seiner Darstellung vor der belangten Behörde zuhause und nicht auf der Straße festgenommen. Seine Erklärung hierzu vermochte diesen Widerspruch nicht aufzulösen, er verblieb vielmehr bei seiner Darstellung in der Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsschrift Seite 29).

Auf Vorhalt seiner Angaben aus der niederschriftlichen Einvernahme vermeinte der Beschwerdeführer gar, dass dies alles gelogen sei, während er auf die Richtigkeit seiner Aussagen in der Beschwerdeverhandlung beharrte (Verhandlungsschrift Seite 23: „R: Bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 23.05.2018 haben Sie Ihre Festnahme 1388 so dargestellt, dass Sie im Zusammenhang mit dem Sturz der Präsidentenwahlen an den Demonstrationen teilgenommen hätten und dann auf der Straße während der Demonstrationen festgenommen worden seien und dass Sie demnächst zum Tode verurteilt worden seien und Ihre Todesstrafe in eine 10jährige Haftstrafe umgewandelt worden sei (Verwaltungsakt, AS 177). Heute haben Sie angegeben, dass Sie auf Grund von Ihnen gemachten Video-Aufnahmen zu Hause festgenommen worden seien und dass Sie zunächst zu 15 Jahren verurteilt worden seien. BF: Das ist alles gelogen. Das stimmt nicht. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich war von der Arbeit unterwegs Richtung nach Hause. Unterwegs habe ich ein Video gemacht. Überall sind dort Überwachungskameras installiert. Sie haben mich ausfindig gemacht und zu Hause verhaftet. Ich habe nichts Widersprüchliches gesagt.“). Gleichwohl bestätigte er, dass auf der entsprechenden Seite des Aktes (S.177) seine Unterschrift aufscheint. Eine nachvollziehbare und glaubwürdige Begründung für die unterschiedlichen Angaben zu seinen Fluchtgründen im gesamten Verfahren war seinen Aussagen nicht zu entnehmen, vielmehr verwies der Beschwerdeführer ausweichend auf das vermeintliche Fehlverhalten anderer Asylwerber in den entsprechenden Verfahren sowie auf unzutreffende Vorbringen, die er in anderen europäischen Ländern erstattet habe, wobei letzteres dazu geeignet ist, seine Glaubwürdigkeit noch weiter in Zweifel zu ziehen (vgl. seine Aussagen: Ich habe in Serbien eine andere Geschichte erzählt und die Geschichte, die ich damals erzählt habe, stimmt auch nicht. Das habe ich einfach erfunden. Aber der Beweis dafür, dass ich die Wahrheit sage, ist die Zeitungsseite der Volks-Mujaheddin. Ich hätte wie alle anderen meine BFA-Seiten auswendig lernen können (mein Interview) und hier wieder geben können oder nur so Christ werden. Aber ich sage die Wahrheit und das von ganzem Herzen.“).

Auch in Bezug auf die vorgebrachte Teilnahme an einer Demonstration in Schweden im Jahr 2002 und der darauffolgenden Verhaftung, wiesen die Aussagen des Beschwerdeführers Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten auf. Zum einen war er außerstande konkret seine Motivation darzulegen, warum er an dieser Demonstration teilgenommen habe. Seiner nicht überzeugenden Beschreibung nach, sei er mitgefahren, da seine Teamkollegen auch teilgenommen hätten (Verhandlungsschrift Seite 28). Auch waren seine Angaben hinsichtlich des Demonstrationsgegenstandes äußerst knapp und vage. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, als Mitglied eines iranischen Karate-Teams, unreflektiert mit Teamkollegen an einer irankritischen Demonstration vor einer Auslandsmission des Iran teilnehmen würde, zumal er in der niederschriftlichen Einvernahme selbst angab, niemals politisch engagiert gewesen zu sein und ihn Politik niemals interessiert habe (OZ 1 AS 178).

Zum anderen ist seine Darstellung der Verhaftung und dem Verhör im Iran bei seiner Rückkehr widersprüchlich und wenig plausibel: Denn einerseits ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer von sich aus den iranischen Beamten auf dem vorgehaltenen Foto zeigen würde, wer auf dem Foto er sei, zumal nicht ersichtlich ist, warum sich der Beschwerdeführer in einer solchen Situation selbst belasten würde, wobei dies gleichzeitig in Zweifel ziehen würde, dass die iranischen Beamten hinsichtlich der Demonstrationsteilnahme des Beschwerdeführers Gewissheit gehabt hätten. Hierfür konnte er keine überzeugende Erklärung anbieten, vielmehr argumentierte er mit Annahmen seinerseits (Verhandlungsschrift Seite 28f: „RV: Was hat Sie dazu persönlich veranlasst, den Beamten bei der Rückkehr am Foto zu zeigen, dass Sie das sind? BF: Die iranische Regierung wusste über alle Bescheid. Sie haben von allen Teilnehmern Video-Aufnahmen und wussten die Details über sie, weil sie diese Gruppe fürchten. (D: Ich nehme an, dass es sich dabei um die Mujaheddin handelt). Als ich zurückkehrte, wussten sie, dass ich als Karate-Team-Mitglied dort war und fragten mich, welcher Partei und welcher Gruppierung ich angehöre und ich antwortete, dass ich in keinem dabei bin. Dann zeigten sie mir ein Foto und sagten, das bist doch du. RV: D.h. Sie gingen davon aus, dass die Beamten bereits wissen, dass Sie auf dem Foto sind? BF: 100%ig. Je mehr ich Ihnen erzähle, desto mehr Fragen werden Sie haben.“). Andererseits bestehen diesbezüglich zwischen seinen Aussagen vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung Diskrepanzen, die die Glaubwürdigkeit des Vorgebrachten weiter mindern: Hatte er vor der belangten Behörde noch angegeben, dass er im Zusammenhang mit dem Verhör gefoltert worden sei (OZ 1 AS 179), erwähnte er In seiner diesbezüglichen Schilderung vor Gericht Derartiges nicht (vgl. Verhandlungsschrift Seite 24). Auch fällt auf, dass seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung eine Mehrzahl von Beamten beim Verhör implizieren. Vor der belangten Behörde vermeinte er, dass lediglich „ein Mann“ mit ihm im Rahmen des Verhörs gesprochen habe (OZ 1 AS 180). In der Beschwerdeverhandlung war sich der Beschwerdeführer überdies nicht mehr sicher, ob durch ihn oder die Beamten ein roter Kreis auf seinem Foto angebracht worden sei. In der niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer unmissverständlich an, der Beamte habe einen Kreis auf sein Foto gezeichnet (OZ 1 AS 180).

Ebenso wenig plausibel schilderte der Beschwerdeführer die Umstände seiner Ausreise aus dem Iran: Im Unterschied zur Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus, dass ihm ein Bewährungshelfer die entsprechende Antragsstellung vorgeschlagen habe (Verhandlungsschrift Seite 23), nach seinem Vorbringen vor der Behörde sei es ein Vorschlag eines Mithäftlings gewesen (OZ 1 AS 183). Weiters sind die vom Beschwerdeführer geschildertem Modalitäten seiner Ausreise aus dem Iran wenig glaubwürdig: Denn es ist vor dem Hintergrund der Position der Türkei im Syrien-Konflikt nicht nachvollziehbar, dass die iranischen Behörden den Beschwerdeführer im guten Glauben in die Türkei ausreisen lassen, damit dieser sich über die Türkei nach Syrien begibt. Mit Rücksicht auf die anhaltende iranische Involvierung in genannten Konflikt ist davon auszugehen, dass die iranischen Behörden über Mittel und Wege verfügen, um iranische Staatsbürger auf einfachere Weise nach Syrien zu bringen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers auf Vorhalt dieser Überlegungen ist nicht geeignet, diese zu entkräften (vgl. Verhandlungsschrift Seite 25: „BF: Ja. Nach außen hin sieht es vielleicht so aus. Aber Sie wissen nicht, wie es in Wirklichkeit läuft. Eine meiner Freunde hat einen Freund am Flughafen, der für den iranischen Geheimdienst Eteelat arbeitet. Er allein hat bis jetzt für 40 Personen falsche türkische Visa besorgt, damit sie ohne Probleme hin- und herreisen können. Das ist so gelaufen, dass für Personen, die, so wie ich, auf der schwarzen Liste standen und den Iran nicht verlassen durften, bereits verwendete Visa wiederverwendbar gemacht wurden und unter einer anderen Identität in den Pässen der Betreffenden angebracht wurden. Das für 1.000 Dollar pro Visa. Ich meine damit, dass der Bekannte 1.000 Dollar dafür bekommen hat, dass sie ohne Probleme durch die Kontrolle gekommen sind. Für die Visa hat er extra Geld bekommen. Befragt, welchen Sinn eine solche Vorgangsweise im Zusammenhang mit ihm habe, der doch im Auftrag der iranischen Regierung das Land verlassen sollte, um dann in Syrien zu kämpfen, gibt der BF an: BF: Es gibt viele Asylwerber, die nur zum Schein und unter falschem Namen in Europa sind und um Asyl ansuchen, für einige Monate die Gelder kassieren und die Namen von authentischen Asylwerbern ausfindig machen und der iranischen Regierung verraten. Sie bekommen auch von der iranischen Regierung Gelder, um diese Aufträge zu machen.“).

Darüber hinaus ist auf die Seite 6 der aktenkundigen Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers zu verweisen, wo sich die Eintragung „C Visas NL, Netherlands Embassy Teheran“ vom 06.09.2015 findet (OZ 1 AS 131). Dass sich der Beschwerdeführer (wie somit aus seinem Pass ersichtlich) knapp vor seiner Ausreise – vergeblich (vgl. die Auskunft über die Verweigerung der Erteilung eines Visums durch die niederländischen Behörden am 15.09.2015 zu beachten [OZ 1 AS 83]) um ein niederländisches Visum bemühte – macht das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers noch unglaubwürdiger, da die iranischen Behörden insofern noch weniger Grund zu der Annahme gehabt hätten, der Beschwerdeführer würde von der Türkei nach Syrien reisen. Auch in diesem Zusammenhang war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, eine schlüssige Erklärung zu geben; stattdessen verwies er lapidar auf eine gute Führung und seine allgemeinen Lebensumstände (Verhandlungsschrift Seite 25).

Gesamt gesehen vermochte es der Beschwerdeführer nicht, diesbezüglich im Laufe des Verfahrens ein gleichbleibendes Vorbringen zu erstatten. Seine Ausführungen sind durchwegs von erheblichen Widersprüchen, Unplausibilitäten und Unstimmigkeiten gekennzeichnet. Angesichts dessen, dass er einen zentral entscheidungsrelevanten Umstand seines Vorbringens, nämlich seinen Gefängnisaufenthalt, fortwährend auf andere Ursachen stützt, erhärtet sich der Eindruck, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen mit Fortdauer des Verfahrens steigert und auch bereit ist, dieses in jede für ihn vermeintlich Erfolg versprechende Richtung abzuändern. Insgesamt war der Beschwerdeführer daher hinsichtlich der geltend gemachten Umstände, die ihn zur Flucht aus dem Iran bewegt hätten, nicht in der Lage, ein ausreichend plausibles und widerspruchfreies Fluchtvorbringen darzulegen.

Die (negative) Feststellung zur mangelnden Ernsthaftigkeit der Konversion des Beschwerdeführers stützt sich auf folgende Erwägungen:

Eingangs ist darauf zu verweisen, dass aus den Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hervorgeht, dass der Beschwerdeführer sich bereits mit dem muslimischen Glauben wenig auseinandergesetzt hat und im Iran kein besonders religiöser Mensch war. Laut seinen eigenen Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung, war er zwar gebürtiger Moslem, aber kein praktizierender Moslem (Verhandlungsschrift Seite 5). Zwar gab er vor der belangten Behörde an, dass sein Vater sowie seine ehemalige Ehefrau den Islam praktizierten, jedoch beide „normale Moslems und keine Radikalen“ waren (OZ 1 AS 184). Da er sich bereits für den Islam wenig zu interessieren schien bzw. nicht religiös war, stellt sich bereits die Frage, weshalb er sich zu einer anderen Religion hinwenden sollte.

Schon seinen Angaben bezüglich dem ersten Kontakt mit dem Christentum bzw. seinem beginnenden Interesse an der Religion, wohnen Widersprüchlichkeiten inne: In der niederschriftlichen Einvernahme führte er an, sein Interesse am Christentum sei über armenische Christen während seiner Haftzeit geweckt worden, so habe er auch das Christentum kennengelernt (OZ 1 AS 177). Später korrigierte er seine Angaben dahingehend, dass die ersten Kontakte zum Christentum in Dänemark – während der Wettkämpfe 2002 – zustande gekommen seien und er auf diese Weise das Christentum kennengelernt habe (OZ 1 AS 184f). In dieser inkohärenten Weise setzte er diesbezüglich auch seine Schilderungen in der Beschwerdeverhandlung fort, da er zunächst wiederum vermeinte, dass Christentum (sowie die Bibel) im Gefängnis im Iran kennengelernt zu haben und so sich sein Interesse an der Religion ergeben habe (Verhandlungsschrift Seite 6). Auf Vorhalt seiner betreffenden Angaben vor der belangten Behörde erläuterte der Beschwerdeführer, dass es seinerzeit in Dänemark ihn nicht interessiert habe, sein Interesse sei hauptsächlich im Iran im Gefängnis entstanden (Verhandlungsschrift Seite 6). Dem fügte er hierauf – in Widerspruch zu seinen vorherigen Angaben – an, die Bibel erst 2015 in Dänemark gelesen zu haben (Verhandlungsschrift Seite 6). Anzumerken ist auch, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung keinerlei Vorbringen zu sich aus einer Hinwendung zum Christentum ergebenden Problemen erstattete (vgl. OZ 1 AS 15).

Als für einen Glaubenswechsel sprechende Umstände konnte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine im XXXX 2016 erfolgte Taufe in Dänemark in der XXXX (siehe Taufbestätigung OZ 1 AS 99), seine Austrittserklärung aus der Islamischen Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom Mai 2018 (Beilage /.A), seine Bestätigung seines Eintritts in die Evangelische Kirche A.B im Juli 2018 (Beilage /.B), sowie eine ca. zweijährige Integration in die XXXX (durch regelmäßige Besuche des Sonntagsgottesdienstes) glaubhaft machen.

In diesem Kontext ist jedoch zunächst auszuführen, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend seine Taufe in Dänemark und die dieser vorangehenden Kurse einen oberflächlichen und schemenhaften Charakter aufwiesen, eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Taufprozess bzw. den hierbei vermittelten christlichen Inhalten, war aus seinen Aussagen nicht abzuleiten (vgl. Verhandlungsschrift Seite 7, 9).

Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lässt eine im Verwaltungsverfahren vorgelegte Taufurkunde keinerlei Rückschlüsse auf die innere Überzeugung des Beschwerdeführers vom christlichen Glauben zu, zumal es für die innere Konversion bedeutungslos ist, ob die Taufe bereits durchgeführt wurde oder bloß beabsichtigt ist (vgl. VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603 mwN).

Auch unter Annahme, dass die befremdlich anmutende Aussage des Beschwerdeführers, wonach er innerhalb des Protestantismus der „griechisch-evangelischen“ Strömung angehöre (Verhandlungsschrift Seite 8), auf Probleme bei der Dolmetschung zurückzuführen sind, offenbarte er mangelndes Wissen über die verschiedenen Strömungen im Christentum. Demgemäß war er ebenso außerstande, die Strömung der Freikirche zu spezifizieren, die er derzeit besucht (Verhandlungsschrift Seite 8). In dieses Bild passt auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine schlüssige Erklärung für seinen Eintritt in die Evangelische Kirche A.B liefern konnte, obwohl er in Dänemark im Rahmen einer Freikirche getau

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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