Entscheidungsdatum
03.03.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W232 2187829-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2018, Zl. 1118377403-160815241, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Somalias, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am Tag der Antragstellung fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin nach dem AsylG 2005 statt.
3. Am 19.01.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 10.06.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl brachte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.02.2018 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften ein.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.10.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
7. Mit Schreiben vom 20.01.2021 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht, dass die Beschwerdeführerin Mutter eines Mädchens geworden und ein Antrag auf internationalen Schutz für sie eingebracht worden sei.
8. Mit Schreiben vom 10.02.2021 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Tochter der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 09.02.2021 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz, der Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahme in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Somalia und moslemischen Glaubens. Sie gehört dem Clan der Madhiban an. Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin ist die Mutter von XXXX , geb. XXXX , somalische Staatsangehörige. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2021, Zahl 1270900204-201111075, wurde dem Antrag der Tochter der Beschwerdeführerin vom 10.11.2020 auf internationalen Schutz stattgegeben und ihr gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
Die Feststellungen zur Verwandtschaft wurde mit der Vorlage einer Kopie einer österreichischen Geburtsurkunde glaubhaft gemacht, die Asylgewährung im Verfahren der Tochter durch Vorlage der Kopie des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Zur Zuerkennung des Status der Asylberechtigten:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG 2005).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.
Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 leg.cit. als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 leg.cit. auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 leg.cit.) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 leg.cit.).
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen, die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 des § 34 leg.cit. erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2021, Zahl 1270900204-201111075, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Wie in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGLI Nr. 100/2005) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird ist Zweck des Familienverfahrens die Verfahrensbeschleunigung und das Ziel den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Wenn einem Familienmitglied der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, soll dieser allen anderen Familienmitgliedern – im Falle von offenen Verfahren zur gleichen Zeit von der gleichen Behörde – zuerkannt werden. (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 54).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ziel der Bestimmungen ist, Familienangehörigen (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen (vgl. etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418; 24.3.2015, Ra 2014/19/0063). Ist einem Familienangehörigen – aus welchen Gründen auch immer – ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. nochmals VwGH Ra 2017/01/0418).
Da der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten gewährt wurde, ist dieser Status gemäß § 34 AsylG 2005 auch ihrer Mutter, der Beschwerdeführerin, bei der keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung von Asyl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Asylgewährung von Familienangehörigen FamilienverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W232.2187829.1.00Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
18.06.2021