Entscheidungsdatum
04.03.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W154 2224019-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Nigeria (alias Sudan), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.9.2019, Zahl 831730103 - 190978835 / BMI-BFA_OOE_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 27.9.2019 bis zum 6.10.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte unter seiner Aliasidentität im Bundesgebiet am 24.11.2013 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.
2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.4.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Ebenso wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage. Das Verfahren erwuchs mit 13.12.2016 in Rechtskraft II. Instanz (BVwG GZ I408 2009514-1/37E vom 12.12.2016).
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt oder belangte Behörde) vom 2.3.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid erwuchs am 28.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.
4. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 23.2.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Tirol zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid erwuchs am 14.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer ebenfalls nicht nach.
5. Am 6.3.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 14.7.2018 wies das Bundesamt diesen Antrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AslyG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG wurde dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V).
6. Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.9.2018 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (GZ I407 2009514-2/16E). Das Erkenntnis erwuchs am 5.11.2018 in Rechtskraft.
7. Mit Urteil des Landesgerichts Wels, Zahl 015 HV 108/2018b, vom 5.10.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 2a und 27 Abs. 1 Z 1 1.2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten, bedingt, verurteilt.
8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil der Beschwerdeführer untergetaucht war.
9. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil er untergetaucht war.
Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 18.2.2019 wurde dem Beschwerdeführer erneut gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zur Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen.
10. Der Beschwerdeführer wurde am 27.3.2019 festgenommen.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien Zahl 061 HV 52/2019s vom 11.4.2019, wurde er wegen §§ 27 Abs. 2a 3. Fall und 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.
11. Am 5.7.2019 wurde der Beschwerdeführer von seiner Vertretungsbehörde identifiziert.
12. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 25.9.2019 (zugestellt am 26.9.2019, 08:00 Uhr) wurde der Beschwerdeführer über den Termin der bevorstehenden Abschiebung in Kenntnis gesetzt. Demnach sei seine Ankunft für Sonntag, 6.10.2019 um 19:20 Uhr in Lagos/Nigeria in Aussicht genommen.
13. Nach der Entlassung aus der Strafhaft am 27.9.2019 wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt gemäß § 34 BFA-VG festgenommen und im Polizeianhaltezentrum einvernommen.
Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:
„F. Sie sind der englischen Sprache ausreichend mächtig, Sind Sie einverstanden, dass wir die Befragung in englisch durchführen.
A. Ich bin einverstanden, dass wir die Befragung in deutsch durchführen.
Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können.
F. Haben Sie Merkblätter hinsichtlich der Festnahme von der Polizei bekommen?
A. Ja.
V: Ihnen werden die Anwesenden vorgestellt und der Zweck und Ablauf der Einvernahme erläutert. Sie werden davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen Sie nunmehr ein Verfahren zur Erlassung einer Sicherungsmaßnahme geführt wird.
Zur Prüfung dieses Sachverhaltes sind Sie, zur mitwirkenden Klärung des Sachverhaltes verpflichtet und haben die Möglichkeit das Parteiengehör wahrzunehmen.
F: Fühlen Sie sich einvernahmefähig?
A. Ja.
F: Waren Sie während der Strafhaft in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung?
Antwort: Bis vor 2 Monaten
F: Haben Sie Medikamente mit?
A.Nein
F: Welche Medikamente haben Sie bei sich?
A.Nein
F: Werden Sie derzeit rechtsfreundlich vertreten?
A. Ja, von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung
V: Sie stellten erstmals am 24.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der negative Abschluss dieses Verfahrens erwuchs mit 13.12.2016 in Rechtskraft II. Instanz.
Mit Bescheid des BFA vom 02.03.2018 wurde Ihnen aufgetragen, zur Identitätsfeststellung persönlich zu kommen. Dieser Aufforderung kamen Sie nicht nach.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom 23.02.2018 wurde Ihnen aufgetragen bis zu Ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Tirol zu nehmen. Dieser Aufforderung kamen Sie ebenfalls nicht nach.
Am 06.03.2018 stellten Sie einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des BVwG vom 29.10.2018 wurde Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Urteil des Landesgerichts Wels Zahl 015 HV 108/2018b vom 05.10.2018, wurden Sie wegen §§ 27 Abs. 2a und 27 Abs. 1 Z 1 1.2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten, bedingt, verurteilt.
Mit Bescheid des BFA vom 17.01.2019 wurde Ihnen aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zu kommen. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, da Sie untertauchten.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom 17.01.2019 wurde Ihnen aufgetragen bis zu Ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, da Sie untertauchten.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom 18.02.2019 wurde Ihnen aufgetragen bis zu Ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen.
Sie befanden sich vom 27.03.2019 bis 04.06.2019 in Untersuchungshaft in der JA Wien-Josefstadt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurden Sie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten verurteilt.
Ab 04.06.2019 befanden Sie sich in Strafhaft in der JA Ried im Innkreis.
Aufgrund der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung welche am 13.12.2016 in Rechtskraft II. Instanz erwuchs, ist es beabsichtigt, Sie nach Nigeria abzuschieben.
F. Hatten Sie irgendwann einmal einen Reisepass?
A. Ich besass einen RP, aber ich bin ohne nach Österreich gekommen.
F. Haben Sie eine fremdenrechtliche Genehmigung wie etwa ein Visum/Aufenthaltsberechtigung etc. für einen sonstigen europäischen Staat.
A. In Italien war ich, eine Aufenthaltsberechtigung habe ich nicht mit.
F. Ist es richtig, dass Sie bei Ihrem ersten Verfahren einen anderen Namen angaben?
A. Ja.
F: Warum sind Sie am 14.02.2019 nach Italien gereist?
A. Ja, ich habe Angst vor der Abschiebung.
F. Haben Sie in Österreich Verwandte?
A. Nein
F. Haben Sie in Österreich einen Wohnsitz?
A. Ja, ich habe einen Wohnsitz in […]. Kurz vor meiner Festnahme bekam ich eine Möglichkeit in der […] zu wohnen.::
F. Wieviel Bargeld haben Sie?
A. 388 €
F. Haben Sie Verwandte oder sonstige enge Bindungen (Familie, Freunde, Privatleben) in Österreich.
A. Nein Ich habe Freunde in Österreich,
F: Wird Ihnen in Österreich finanzielle oder materielle Unterstützung gewährt
A: Nein.
F: Aufgrund der derzeitigen Aktenlage ist beabsichtigt Sie nach Nigeria abzuschieben. Besteht ein Interesse an freiwilliger Ausreise?
A.: Ich bin an einer freiwilligen Ausreise interessiert.
Mit welchem Reisedokument würden Sie freiwillig ausreisen?
A: Mit meiner Botschaft
Warum haben Sie sich bis jetzt kein Reisedokument besorgt?
A: Ich hatte Angst, aber wenn ich jetzt die Möglichkeit habe freiwillig zu reisen, würde ich das machen.
F. Wollen Sie ansonsten noch etwas angeben.
A. Ich war in der Ja […] Freigänger und habe täglich 8 Stunden ausserhalb ohne Aufsicht durch die Justizbeamten gearbeitet.
Ich ersuche mir die Möglichkeit zu geben freiwillig auszureisen.“
14. Mit dem gegenständlichen im Spruch genannten Bescheid vom 27.9.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
„- Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.
- Am 05.07.2019 wurden Sie von Ihrer Vertretungsbehörde identifiziert. Sie sind nigerianischer Staatsangehöriger.
- Sie sprechen Englisch und Deutsch.
- Sie befanden sich wegen Delikten nach dem SMG bis 27.09.2019 in Haft.
- Bei Ihnen besteht eine milde Anpassungsstörung (Reaktion auf Belastung, ICD 10: F43.2). Darüber hinaus besteht keine gesundheitliche Einschränkung.
- Sie sind volljährig und arbeitsfähig.
- Sie haben in Österreich die Schule besucht und mit dem Pflichtschulabschluss abgeschlossen.
- Sie verfügen in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte und sind keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.
- Seit Abschluss Ihres Asylverfahrens halten Sie sich illegal in Österreich auf.
- Ihrer Ausreiseaufforderung sind Sie bis heute nicht nachgekommen.“
Eine Rückkehrentscheidung gegen seine Person sei seit dem 5.11.2018 in II. Instanz rechtskräftig und durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werde der Beschwerdeführer zur Ausreise verhalten werden.
Zum bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers wurde festgestellt:
„- Sie sind nach Österreich illegal eingereist.
- Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.
- Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie durch Angabe einer falschen Identität […] versuchten die Behörde in die Irre zu führen.
- Sie tauchten in Österreich unter, indem Sie sich von 24.04.2014 – 13.06.2014 und von 21.01.2019 bis zu Ihrer Festnahme unangemeldet im Verborgenen aufhielten.
- Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.
- Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich.
- Stattdessen wurden Sie straffällig und missachteten die österreichische Rechtsordnung.
- Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren.
- Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich mehrere Monate bis zu Ihrer Festnahme unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.
- Während der Strafhaft waren Sie als Freigänger in einem Sägewerk beschäftigt.“
Gegen den Beschwerdeführer bestehe seit dem 13.12.2016 eine Rückkehrentscheidung, welche auch durchsetzbar sei. Zudem sei der Beschwerdeführer konkreten Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen und hätten Bescheide nicht zugestellt werden können, weil er untergetaucht gewesen sei. Eine soziale Verankerung in Österreich habe trotz seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse nicht festgestellt werden können.
15. Am 27.9.2019 wurde der Beschwerdeführer um 10:55 Uhr in Schubhaft genommen. Am 28.9.2019 um 9:30 Uhr trat der Beschwerdeführer in den Hungerstreik.
16. Gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 27.9.2019 sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft wurde binnen offener Frist Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG erhoben.
Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer wegen traumatischer Erfahrungen auf seinen Fluchtweg kein Vertrauen in die Behörden gehabt hätte, weswegen es ihm bis zur Stellung seines Folgeantrages am 6.3.2018 nicht möglich gewesen wäre, seine wahre Identität preiszugeben. Wegen psychischer Probleme (der Beschwerdeführer verfüge über eine psychiatrische Diagnose: ICD10: F 43.2) und der Angst vor der Rückkehr hätte er in weiterer Folge nicht an den von der belangten Behörde gesetzten Verfahrensschritten mitwirken können. Insbesondere hätte eine Zustellung an den Beschwerdeführer aufgrund der Entlassung aus der Grundversorgung und der damit einhergehenden Obdachlosigkeit nicht erfolgen können. Nach seinen Verurteilungen sei der Beschwerdeführer am 5.7.2019 der nigerianischen Botschaftsdelegation vorgeführt worden und wäre dabei kooperativ gewesen. Sinngemäß habe er zudem angegeben, dass er grundsätzlich zu einer Rückkehr bereit wäre, es jedoch noch etwas Zeit bräuchte, um gesundheitlich wieder auf die Beine zu kommen. Während seiner Haft sei er als Freigänger in einem Sägewerk tätig gewesen. Bei seiner Einvernahme am 27.9.2019 habe er auch angegeben, dass sich sein psychischer Zustand stabilisiert habe und er nunmehr seit zwei Monaten keine Medikamente benötige und zur freiwilligen Ausreise bereit wäre. Er verfüge über finanzielle Mittel in Höhe von rund € 380.
Die belangte Behörde habe verkannt, dass es dem Beschwerdeführer wegen seiner Entlassung aus der Grundversorgung und seiner Mittellosigkeit einerseits sowie seiner aktenkundigen psychischen Situation andererseits nicht möglich gewesen wäre, einen Wohnsitz zu unterhalten. Seitdem habe sich der psychische Zustand jedoch gebessert und er sei nun zu einer Rückkehr bereit. Er habe sich äußerst kooperativ verhalten, bereitwillig Auskunft gegeben und so maßgeblich an seiner Identifizierung und der Beschaffung der für die Rückkehr notwendigen Dokumente mitgewirkt. Zudem habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 27.9.2019 seine Ausreisewilligkeit geäußert.
Beantragt wurde daher die Einholung eines medizinischen Fachgutachtens durch einen Facharzt für Psychiatrie. Darüber hinaus möge das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer persönlich in Augenschein nehmen, um sich ein Bild von dessen Auftreten und Gesundheitszustand zu machen. Auch habe der Beschwerdeführer soziale Anknüpfungspunkte, die ihm Unterkunft gewähren könnten, wozu die Einvernahme seiner Lebensgefährtin beantragt wurde.
Zudem wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge
? eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen;
? den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei;
? im Rahmen einer „Habeas Corpus Prüfung“ aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen.
17. Im Rahmen ihrer Aktenvorlage vom 3.10.2019 nahm die belangte Behörde zum Beschwerdevorbringen im Wesentlichen dahingehend Stellung, dass der angebliche plötzliche Sinneswandel des Beschwerdeführers bezüglich einer Rückkehr unglaubwürdig erscheine.
Zu dessen psychischen Zustand müsse angemerkt werden, dass dieser zwar laut Stellungnahme der Justizanstalt vom Juli 2019 instabil sei, der Beschwerdeführer nach Einstellung jedoch die psychiatrische Medikation komplett verweigert habe. Außerdem sei entgegen den Angaben in der Beschwerde die Diagnose einer Anpassungsstörung von einem Psychiater nie gestellt worden. Zumal der Beschwerdeführer Suchtgiftkonsument sei, bleibe eine dauerhafte Besserung abzuwarten. Die Einholung eines medizinischen Fachgutachtens erscheine der Behörde in diesem Fall jedoch als nicht erforderlich, weil, egal ob psychisch krank oder nicht, Fluchtgefahr bestehe.
Zur angeblichen Ausreisewilligkeit müsse festgehalten werden, es erscheine befremdlich, wenn der Beschwerdeführer plötzlich kurz vor der geplanten Abschiebung, der er sich aufgrund seiner Inhaftierung nicht entziehen könne, behaupte, ausreisen zu wollen. Und das, obwohl er zuvor alles denkbar Mögliche unternommen habe, um eben dies zu verhindern. So hätte er sich zum Beispiel während seiner Obdachlosigkeit als obdachlos anmelden und somit Post erhalten können. Ebenso hätte er direkt beim Bundesamt seinen Aufenthaltsort bekannt geben können, was er lediglich unterlassen habe, um nicht abgeschoben werden zu können. Genauso wie er nun offensichtlich beabsichtigte, seine Freilassung zu erwirken, um dann abzutauchen. Darauf deute auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Hungerstreik getreten sei, um möglichst schnell (noch vor seinem Abschiebetermin) eine Entlassung zu erpressen.
Anzuführen sei auch, dass die Schubhaft nicht lediglich zur Verhinderung von weiteren Straftaten verhängt worden sei. Durch die ehestmögliche Abschiebung sollten weitere Straftaten verhindert werden, weil jedoch Fluchtgefahr bestehe und der Beschwerdeführer die Behörde nicht glaubhaft von seiner Ausreisewilligkeit habe überzeugen können, solle durch die Schubhaft die ehestmögliche Abschiebung, nämlich am 6.10.2019, sichergestellt werden.
In der Beschwerde werde angeführt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Lebensgefährtin Unterkunft nehmen könnte. Da sich die beiden jedoch gerade erst ein paar Monate kennen würden und er auch schon zuvor untergetaucht sei, könne nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass er dann wirklich dort angetroffen werden könnte.
Eine zeitlich mit dem Entlassungstermin besser abgestimmte Abschiebung sei leider nicht möglich gewesen, weil der Beschwerdeführer überraschend vorzeitig aus der Strafhaft entlassen worden sei. Umgehend nach Verständigung durch die Justizanstalt seien sämtliche Maßnahmen für eine ehestmögliche Abschiebung getroffen worden.
Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge
? die Beschwerde als unbegründet abweisen
? gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der schubhaftmaßgeblichen Voraussetzungen vorliegen,
? den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde verpflichten.
18. Am 6.10.2019 wurde der Beschwerdeführer begleitet auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias.
2. Er stellte unter seiner Aliasidentität im Bundesgebiet am 24.11.2013 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.4.2014 abgewiesen und unter einem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach Nigeria erlassen wurde. Das Verfahren erwuchs mit 13.12.2016 in Rechtskraft II. Instanz.
Am 6.3.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen wies das Bundesamt mit Bescheid vom 14.7.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und erließ eine weitere Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen, das Erkenntnis erwuchs am 5.11.2018 in Rechtskraft.
3. Der Beschwerdeführer kam seinen Ausreiseverpflichtungen nicht nach, obwohl zweimal eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen worden war.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 2.3.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid erwuchs am 28.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 23.2.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Tirol zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid erwuchs am 14.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer ebenfalls nicht nach.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil der Beschwerdeführer untergetaucht war.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil der Beschwerdeführer untergetaucht war.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen (noch) offiziell in der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer hatte vom 29.1.2019 bis zu seiner Einlieferung in die Justizanstalt am 27.3.2019 keine Wohnsitzmeldung. Weder gab er der Behörde eine Kontaktadresse bekannt noch hatte er von der Möglichkeit einer Obdachlosenmeldung Gebrauch gemacht. Bereits zuvor war er vom 24.4.2014 (kurz nach Erlassung des ersten abweisenden Asylbescheides) bis zum 31.7.2014 untergetaucht.
Seinen ersten Asylantrag hatte der Beschwerdeführer unter einer Aliasidentität gestellt und zudem behauptet, aus dem Sudan zu stammen.
4. Mit Urteil des Landesgerichts Wels Zahl 015 HV 108/2018b vom 5.10.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 2a und 27 Abs. 1 Z 1 1.2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten bedingt verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11.4.2019, Zahl 061 HV 52/2019s, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 2a 3. Fall und 27 Abs. 3 SMG § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.
5. Zum Grad der Verankerung in Österreich:
Der Beschwerdeführer hat sehr gute Deutschkenntnisse, in Österreich die Schule besucht und mit dem Pflichtschulabschluss abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer verfügte in Österreich jedoch nicht über familiäre Anknüpfungsmomente oder sonstige enge Bindungen.
Der Beschwerdeführer ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und bezog kein legales Einkommen.
Der Beschwerdeführer verfügte lediglich über geringe Barmittel (ca. € 388).
Der Beschwerdeführer hatte keinen Wohnsitz im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer ist zweifach nach dem Suchtmittelgesetz vorbestraft und war bis zur Überstellung in das Polizeianhaltezentrum am 27.9.2019 in einer Justizanstalt inhaftiert, wobei er in der Haft in einem Sägewerk tätig war.
6. Der Beschwerdeführer verhielt sich der Behörde gegenüber mehrfach unkooperativ.
7. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.
8. Der Beschwerdeführer befand sich vom 27.9.2019 bis zu seiner Abschiebung am 6.10.2019 in Schubhaft.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, den eingebrachten Schriftsätzen, der Einvernahme des Beschwerdeführers am 27.9.2019 sowie der Einsichtnahme in die Anhaltedatei Vollzugsverwaltung, das Zentrale Fremdenregister, das Grundversorgungs-Informationssystem, das Zentrale Melderegister sowie das österreichische Strafregister.
Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers ist das Bundesamt insgesamt zu Recht von einer Gefahr des Untertauchens ausgegangen. Angesichts seines jahrelangen unkooperativen Verhaltens schätzte das Bundesamt seine - erst in der Schubhafteinvernahme vorgebrachte - Behauptung, er würde freiwillig ausreisen, zu Recht als unglaubwürdig ein. Diese Einschätzung bekräftigte der Beschwerdeführer im Nachhinein noch durch seinen Hungerstreik in der Schubhaft.
Laut eigenen Angaben in der Schubhafteinvernahme hätte der Beschwerdeführer kurz vor seiner Festnahme eine Wohnmöglichkeit an einer genannten Adresse bekommen, war dort jedoch zu keinem Zeitpunkt gemeldet. Dass er bei einer „Lebensgefährtin“ an einer näher genannten Adresse wohnen könne, wurde erst gesteigert in der Beschwerde vorgebracht und ist auch hier der Behörde darin zu folgen, dass, da der Beschwerdeführer diese laut Beschwerdevorbringen erst kürzlich als Freigänger kennengelernt hat und er auch schon zuvor untergetaucht ist, nicht davon ausgegangen werden kann, er würde wirklich dort angetroffen werden. Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der zeitlichen Abfolge (wonach er sie als Freigänger während seiner Strafhaft kennengelernt hat, an die unmittelbar die Schubhaft anschloss) mit dieser Person auch nicht zusammengelebt haben kann – es sich also um keine „Lebensgefährtin“ handelt – und er im Rahmen seiner Einvernahme am 27.9.2019 eine enge Beziehung noch ausdrücklich verneint hatte. Auch gebe es keine finanzielle Unterstützung.
Das Verfahren hat in Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in keiner Weise ergeben, dass der Beschwerdeführer durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt war, zumal er direkt aus der Strafhaft in die Schubhaft überstellt wurde, einer engmaschigen medizinischen Kontrolle unterlag und das Bundesamt im Zusammenhang mit seinem Hungerstreik auch eine Heilbehandlung gemäß § 78 Abs. 6 FPG veranlasste. Auf die Beiziehung eines medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen konnte somit verzichtet werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):
3.2.1. §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
[…]“
§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.
3.2.2. Materielle Rechtsgrundlage:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Hinsichtlich der Anwendung eines gelinderen Mittels ist § 77 FPG maßgeblich:
„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. […]
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.“
„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
[…]
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
[…]“
3.2.3. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Dem Gesichtspunkt einer "sozialen Verankerung in Österreich" kommt im Zusammenhang mit der Verhängung der Schubhaft wesentliche Bedeutung zu. Dabei kommt es u.a. entscheidend auf das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit oder auf die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes an (VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0107). Je länger somit der Fremde bereits in Österreich ist und je stärker er hier sozial verwurzelt ist, desto stärker müssen auch die Hinweise und Indizien für eine vorliegende Fluchtgefahr sein. Dabei ist zu beachten, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs sind (VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0233).
3.2.4. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft verfügte der Beschwerdeführer über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, es bestand eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.
Die erste Rückkehrentscheidung war mit 13.12.2016 in Rechtskraft II. Instanz erwachsen. Am 6.3.2018 hatte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt, den das Bundesamt mit Bescheid vom 14.7.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und dabei eine weitere Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen hatte. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2018 war die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden, das Erkenntnis ist am 5.11.2018 in Rechtskraft erwachsen (Z 3).
Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 2.3.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid erwuchs am 28.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach (Z 8).
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 23.2.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Tirol zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid erwuchs am 14.3.2018 in Rechtskraft. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer ebenfalls nicht nach (Z 8).
Seinen ersten Asylantrag hatte der Beschwerdeführer unter einer Aliasidentität gestellt und zudem behauptet, aus dem Sudan zu stammen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG aufgetragen, zur Identitätsfeststellung zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen mitzuwirken. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil er untergetaucht war.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 17.1.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Schwechat zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen 3 Tagen nachzukommen. Der Bescheid konnte nicht zugestellt werden, weil er untergetaucht war.
Der Beschwerdeführer hatte vom 29.1.2019 bis zu seiner Einlieferung in die Justizanstalt am 27.3.2019 keine Wohnsitzmeldung. Weder gab er der Behörde eine Kontaktadresse bekannt noch hatte er von der Möglichkeit einer Obdachlosenmeldung Gebrauch gemacht. Bereits zuvor war er vom 24.4.2014 (kurz nach Erlassung des ersten abweisenden Asylbescheides) bis zum 31.7.2014 untergetaucht.
Die Behörde konnte daher zu Recht annehmen, dass der