Entscheidungsdatum
04.03.2021Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L524 1413915-2/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch RA Mag. Manuel DIETRICH, In der Wirke 3, 6971 Hard, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, Zl. XXXX , betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte zuletzt am 02.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.07.2017, Zl. 483024403-161626129, gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei festgestellt. Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG habe der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.01.2017 verloren und bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018, L526 1413915-3/15E, als unbegründet abgewiesen und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
Noch während des laufenden Asylverfahrens und vor der abweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stellte der Beschwerdeführer am 13.01.2017 gemäß § 55 AsylG einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 03.04.2017, Zl. XXXX , gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2019, L509 1413915-2/10E, als unbegründet abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 08.06.2020, E 3669/2019-18, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Diese Rechtssache wurde auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.02.2021 der Gerichtsabteilung L509 abgenommen und am 01.03.2021 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung L524 zugewiesen.
Während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid des BFA vom 17.02.2020, Zl. 483024403/191139327, eine Rückkehrentscheidung samt unbefristetem Einreiseverbot verhängt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2020, L510 1413915-4/7E, als unbegründet abgewiesen.
II. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte am 02.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und war damit zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018, L526 1413915-3/15E, abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des BFA vom 17.02.2020, Zl. 483024403/191139327, eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein unbefristetes Einreiseverbot verhängt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2020, L510 1413915-4/7E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
Am 13.01.2017 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 55 AsylG den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Andere Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln stellte der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Aufenthaltsrechts für Österreich.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den angeführten Anträgen, den Bescheiden des BFA, den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts und dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.
Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine weiteren Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gestellt hat und über kein Aufenthaltsrecht für Österreich verfügt, ergeben sich aus einem IZR-Auszug.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes lauten auszugsweise:
„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) – (8) …
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) – (14) … „
Der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde vom BFA gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
Zur Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134 unter Hinweis auf VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031-0032).
Das VwG darf in Fällen, in denen das BFA den Antrag eines Fremden auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen hat, keine inhaltliche Entscheidung treffen. Vielmehr kommt nur die Bestätigung der Zurückweisung oder aber deren ersatzlose Behebung in Betracht (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
Im vorliegenden Fall wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom BFA gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher zu prüfen, ob die Zurückweisung des Antrags zu Recht erfolgte. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 VwGVG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung anzuwenden (vgl. VwGH 18.11.2020, Ra 2020/14/0113).
Nach § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des Asylgesetzes zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt. Das BFA stützt im Spruch des angefochtenen Bescheides die Zurückweisung zwar auf § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG, jedoch ist die Begründung des angefochtenen Bescheides dazu widersprüchlich, da ausgeführt wird, dass das Stellen von mehreren Anträgen gemäß § 58 Abs. 9 AsylG unzulässig sei. Der Beschwerdeführer hat aber nicht mehrere Anträge gleichzeitig gestellt, sondern zuvor (bloß) einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des BFA war der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz noch anhängig, weshalb der Beschwerdeführer über ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz verfügte und die Zurückweisung daher – wie im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführt – gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG zu Recht erfolgte. Da jedoch der Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018, L526 1413915-3/15E, rechtskräftig abgewiesen wurde, verfügt der Beschwerdeführer seither nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz. Er verfügt auch nicht über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG. Da die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anzuwenden ist, ist der Zurückweisungstatbestand gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG nicht mehr erfüllt. Auch die übrigen Zurückweisungstatbestände des § 58 Abs. 9 AsylG liegen nicht vor, da sich der Beschwerdeführer nicht in einem Verfahren nach dem NAG befindet (Z 1) und auch nicht gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist (Z 3). Es sind somit die Voraussetzungen des § 58 Abs. 9 AsylG nicht erfüllt und eine Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die sich auf diese Bestimmung stützt, ist daher nicht zulässig.
In § 58 Abs. 10 AsylG wird zwar auch ein Zurückweisungstatbestand normiert, doch handelt es sich hier nicht um eine Zurückweisung wegen des Fehlens von Formalvoraussetzungen, wie dies in § 58 Abs. 9 AsylG der Fall ist. Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Es handelt sich daher um eine inhaltliche Neubewertung des Sachverhalts. Würde vom Bundesverwaltungsgericht die Zurückweisung des gegenständlichen Antrags auf § 58 Abs. 10 AsylG gestützt werden, würde damit die Sache des Verfahrens überschritten werden, da der äußerste Rahmen der Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134 unter Hinweis auf VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031-0032). Das ist im vorliegenden Fall eine Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 9 AsylG wegen des Fehlens von Formalvoraussetzungen.
Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben, da die Voraussetzungen des § 58 Abs. 9 AsylG im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) erfüllt sind (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Prüfumfang Rechtsanschauung des VfGH RechtsgrundlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L524.1413915.2.00Im RIS seit
17.06.2021Zuletzt aktualisiert am
17.06.2021