Entscheidungsdatum
12.03.2021Norm
AsylG 2005 §55Spruch
W220 2238531-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2020, ZI.: 1093005610/201179354, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 29.05.2018 ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan; die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, ordnungsgemäß zugestellt am 21.08.2020, als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2020, GZ.: E 3318/2020-6, abgelehnt und die die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Am 23.11.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 07.12.2020, ZI.: 1093005610/201179354, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 23.11.2020 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass seit der Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei. Zwischen dem Zeitpunkt der nunmehrigen Bescheiderlassung und der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung liege nur ein sehr kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers nicht wesentlich verlängert habe; der Beschwerdeführer habe diese Zeitspanne nicht für eine Integration, die eine maßgebliche Sachverhaltsänderung darstelle, nutzen können.
Gegen diesen Bescheid wurde am 22.12.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Annahme einer fehlenden maßgeblichen Sachverhaltsänderung sei unrichtig; der Beschwerdeführer könnte wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zu arbeiten anfangen und habe seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes einen Deutschkurs B1 Teil 1 besucht und eine Suchttherapie sowie Beratungstermine in Anspruch genommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte, rechtskräftige Rückkehrentscheidung (Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2018, dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, ordnungsgemäß zugestellt am 21.08.2020). Diese gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung ist nicht mit einem Einreiseverbot verbunden.
Am 23.11.2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.12.2020, ZI.: 1093005610/201179354, gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückwies. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK geht im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur gegen den Beschwerdeführer aufrecht bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Akteninhalt und einer Einsichtnahme in das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu 2200186-1, insbesondere das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, und dem diesbezüglichen Zustellprotokoll.
Die Feststellungen zur Stellung des gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, dessen Zurückweisung mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die fristgerechte Beschwerdeerhebung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.
Die Feststellung, dass aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervorgeht, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, in Verbindung mit dem Antrag (AS 1 ff) und der beigelegten schriftlichen Stellungnahme sowie den beigelegten Integrationsunterlagen (AS 15ff), wurde im Wesentlichen bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt und in der Beschwerde nicht bestritten:
Bereits der sehr kurze Zeitraum von nicht einmal vier Monaten zwischen Erlassung der gegen den Beschwerdeführer aufrecht bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und des gegenständlich angefochtenen Bescheides spricht gegen das Vorliegen eines maßgeblich geänderten Sachverhalts im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers.
Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, wurde zunächst unter anderem festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit Oktober 2015 in Österreich aufhalte, die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich asylberechtigt seien und eine Tante, eine Cousine und ein Cousin des Beschwerdeführers in Österreich leben würden. Der Beschwerdeführer führe kein aufrechtes Familienleben mit seinen Familienangehörigen und bestünden keine wechselseitigen Sorgeverpflichtungen; sonstige intensive Kontakte habe der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer leide an einer Depression und sei anlässlich eines Selbstmordversuchs einmal stationär in einer psychiatrischen Abteilung aufgenommen gewesen. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse besucht und die ÖSD-Deutschprüfung A2 positiv absolviert. Er habe mehrere Lehrkurse gemacht, die Berufsschule besucht und eine Lehrstelle als Karosseriebautechniker der Firma K.; zudem habe er im Jahr 2017 ehrenamtliche Tätigkeiten beim Roten Kreuz verrichtet und mehrere Unterstützungserklärungen vorgelegt. Der Beschwerdeführer beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Am 16.12.2019 habe der Beschwerdeführer wegen eingebrachter Anklage durch die Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden könne, gemäß § 13 Abs. 2 AsylG 2005 sein Aufenthaltsrecht verloren. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 10.03.2020 sei er gemäß § 27 Abs. 1, Z 1 1. und 2. Fall SMG und §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 4 Z 1 SMG (Verkauf von Cannabiskraut an Minderjährige) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt worden. Mit Schreiben vom 15.04.2020 sei mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer erneut wegen Suchtmittelverstößen Verkauf von Cannabiskraut) angezeigt worden sei. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wurde hinsichtlich der gegen den Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung begründend dargelegt, dass der volljährige Beschwerdeführer mit seinen in Österreich asylberechtigten Eltern und seinem Bruder, welcher über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge, zusammenwohne, jedoch nicht ersichtlich sei, dass trotz derzeitiger Wohngemeinschaft ein derart enges Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern bestünde, dass eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig wäre. Er sei ledig und habe keine Kinder. Der Beschwerdeführer lebe erst seit knapp viereinhalb Jahren in Österreich und habe zwar einige Kontakte und Freundschaften geschlossen, Schulungsmaßnahmen und die A2-Deutschprüfung absolviert, gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet und sei seit März 2018 in einem Betrieb im Lehrberuf Karosseriebautechniker als Lehrling tätig; allerdings habe er sich bei allen Integrationsschritten seines stets unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Hinsichtlich des Lehrverhältnisses sei zu beachten, dass dieses nur ein Ausbildungsverhältnis darstelle und dieses allein kein gewichtiges Interesse an einem Aufenthalt in Österreich begründe. Der Beschwerdeführer habe zudem sein Aufenthaltsrecht in Österreich bereits am 16.12.2019 aufgrund der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft verloren, weise eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verstößen nach dem Suchtmittelgesetz auf und sei wegen neuerlichen Suchtmittelverstoßes Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet worden. Der Beschwerdeführer verfüge über stärkere Bindungen zum Herkunftsstaat und könne sich in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern.
Dem gegenständlichen Antrag ist damit im Wesentlichen übereinstimmend zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Leistungen aus der Grundversorgung beziehe (AS 5), von 16.10.2017 bis 04.12.2017 (als Volontär) und von 13.03.2018 bis Ende November 2018 (als Lehrling) bei der Firma K. beschäftigt gewesen sei, die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert habe, derzeit einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 besuche und dass die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich asylberechtigt, „alt“ und „auf meine Hilfe angewiesen“ seien (AS 7). In dem diesem Antrag beigelegten Schriftstück (AS 15ff; als Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot bezeichnet) wurde – soweit für das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers relevant – weiters ausgeführt, dass er im Oktober 2015 nach Österreich eingereist und im Dezember 2018 nach Deutschland ausgereist sei, wo er sich sieben Monate aufgehalten habe; seit Juli 2019 halte er sich durchgehend in Österreich auf. Derzeit sei er bei einem Psychiater in Behandlung und stehe ein Operationstermin bevor, weil beide Schultern leicht auskegeln würden. Er habe seit drei Jahren eine Lebensgefährtin; Kinder habe er nicht. In Österreich würden eine Tante, eine Cousine, ein Cousin, die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers leben. Derzeit sei der Beschwerdeführer beschäftigungslos und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung; zuletzt habe er bis Ende November 2018 in der Firma K. als Karosseriebautechniker als Lehrling und von 01.05.2020 bis 30.06.2020 bei einer österreichischen Gemeinde 22,00 Stunden pro Monat als Hilfskraft gearbeitet. Er spreche Deutsch und besuche einen Deutschkurs B1/1, habe an mehreren Projekten (von 02.06.2020 bis 25.06.2020 und von 17.02.2020 bis 12.03.2020) teilgenommen. Zu Afghanistan habe er keine Bindung.
Der einzige, dem begründenden Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers hervorgehende geänderte Sachverhalt seit der gegen den Beschwerdeführer nicht einmal vier Monate zuvor erlassenen Rückkehrentscheidung besteht demnach im Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1/1, der Teilnahme an Beratungsgesprächen sowie die in der Beschwerde behaupteten, nicht belegten Tatsache, dass der Beschwerdeführer eine Suchttherapie in Anspruch genommen habe. Auch sämtliche, dem Antrag beigelegten Integrationsunterlagen und medizinischen Unterlagen (insbesondere hinsichtlich der vorläufigen Unterbringung des Beschwerdeführers und des bevorstehenden Schulteroperationstermins) datieren – mit Ausnahme der Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Deutschkurs B1/1 (AS 27) – vor Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung. Zur in der Beschwerde angeführten Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zu arbeiten anfangen könnte, ist festzuhalten, dass auch die diesbezügliche Bestätigung mit 27.01.2020 datiert ist und bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer eine Lehrstelle habe. Alleine der Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1/1 (im Vergleich zu der im Zeitpunkt der Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom Beschwerdeführer absolvierten Deutschprüfung auf dem Niveau A2) sowie die Teilnahme an einer Suchttherapie und Beratungsterminen stellt – auch unter Berücksichtigung der Zeitdauer von nicht einmal vier Monaten zwischen Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides – jedoch noch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung dar. Bezüglich der in der schriftlichen Stellungnahme erwähnten Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, welche er seit drei Jahren habe, ist anzumerken, dass es sich dabei ebenfalls nicht um einen „geänderten“ Sachverhalt im Vergleich zur nicht einmal vier Monate zuvor gegen den Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung handelt. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch hinsichtlich der Depression, an welcher der Beschwerdeführer leidet, keine Anhaltspunkte für einen geänderten Sachverhalt seit Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ersichtlich sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig.
3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Gemäß § 55 Abs. 1 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 sind Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und äußerster Rahmen seiner Prüfbefugnis ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bei ihm angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 29.01.2020, Ra 2018/08/0234, Rn 23, mwN). Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 04.07.2019, Ra 2017/06/0210, Rn 17, mwN).
3.2.2. „Sache“ im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist daher im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 23.11.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.
Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 sind gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in diesem Sinn liegt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine – der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete – Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte, rechtskräftige Rückkehrentscheidung (Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2018, dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2020, ZI.: W121 2200186-1/27E, ordnungsgemäß zugestellt am 21.08.2020). Die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig; die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ändert daran nichts (VwGH 23.05.2017, Ra 2016/10/0148).
Wie beweiswürdigend dargelegt, geht aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt gegenüber der gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung hervor. Der Beschwerdeführer machte im verfahrenseinleitenden Antrag und in der Beschwerde abgesehen vom Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1/1 und der Teilnahme an Suchttherapie und Beratungsterminen in Bezug auf sein Privat- und Familienleben keine Umstände geltend, die auf einen zu seinen Gunsten geänderten Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen würde, hindeuten würden. Die zwischen Erlassung der gegen den Beschwerdeführer bestehenden, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides verstrichene Zeit von nicht einmal vier Monaten, der Besuch des Deutschkurses auf dem Niveau B1/1 und die Teilnahme an Suchttherapie und Beratungsterminen begründen jedenfalls keine Sachverhaltsänderung, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätte, es wäre eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; zu Fällen der Aufenthaltstitelbeantragung nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und mehr als zehnjährigem Aufenthalt, bei Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Vorlage von Einstellungszusagen vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0074; 22.07.2011, 2011/22/0138-0140).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK demnach zu Recht gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen.
3.2.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Unrecht keine Rückkehrentscheidung erlassen hat.
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen wurde, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt.
Ein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 liegt gegenständlich nicht vor.
Gemäß § 59 Abs. 5 FPG bedarf es, wenn gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.
§ 59 Abs. 5 FrPolG 2005 soll der Verfahrensökonomie dienen und bewirken, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FrPolG 2005 hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen. Durch den Verweis auf § 53 FrPolG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm. In solchen Fällen ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des VwGH zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (Hinweis Erkenntnisse vom 7. Mai 2008, 2007/19/0466, und vom 19. Februar 2009, 2008/01/0344) auf die ab 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage übertragbar (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).
Die gegen den Beschwerdeführer bestehende rechtskräftige Rückkehrentscheidung ist nicht mit einem Einreiseverbot verbunden. Gemäß der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fällt diese Rückkehrentscheidung daher nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs. 5 FPG und ist die verfahrensgegenständliche zurückweisende Entscheidung – da kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt – aus diesem Grund, unabhängig vom Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Entscheidungszeitpunkt, gemäß § 52 Abs. 3 FPG und § 10 Abs. 3 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 12.12.2018, Ra 2017/19/0553, betreffend einen Antrag auf internationalen Schutz aus, dass eine Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz „zu verbinden“ (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005) sei bzw. sie „unter einem“ zu ergehen habe (§ 52 Abs. 2 FrPolG 2005). Die Rückkehrentscheidung setze also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162). Eine allfällige Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führe daher nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz. Dieser hänge nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab.
Diese Rechtsansicht ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf den vorliegenden Fall betreffend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK übertragbar:
Auch im Fall der Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 gilt, dass die Rückkehrentscheidung mit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 „zu verbinden“ (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005) ist bzw. sie „unter einem“ zu ergehen hat (§ 52 Abs. 3 FPG). Die Rückkehrentscheidung setzt also die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 voraus. Auch in einem Fall wie dem gegenständlichen führt daher die Säumnis des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, da dieser nicht von der Rückkehrentscheidung abhängt.
Für das weitere Verfahren bedeutet dies, dass das mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung säumige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu prüfen haben wird, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig ist.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht beantragt.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.
Schlagworte
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung entscheidungsrelevante SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W220.2238531.1.00Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
19.06.2021