TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/18 I408 2166162-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2021
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Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I408 2166160-1/21E
I408 2166165-1/24E
I408 2166501-1/20E
I408 2166162-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und des minderjährigen Taha XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle StA. Irak und vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2/R01, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2017, Zl.  XXXX , XXXX und XXXX sowie vom 18.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Familie besteht aus Vater dem 54-jährigen Vater(BF1), der 51-jährigen Mutter (BF2) und den beiden Söhnen, 23 (BF3) und 16 Jahre (BF4) alt.

Die Familie stellte nach illegaler Einreise sam 07.02.2016 Anträge auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich ein Bruder des BF1 sowie ein Sohn der Familie, mit Ehefrau und Kindern in Österreich. Ein weiterer Sohn hatte in Deutschland einen Asylantrag gestellt, wohin zwischenzeitlich auch der Bruder des BF1 aufhältig ist. Der in Österreich lebende Sohn hat mit seiner Familie mit ho. Erkenntnis vom 10.12.2020 eine befristete Aufenthaltsberechtigung plus erhalten.

Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 14.07.2017 bzw. 18.07.2017 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise gewährte die belangte Behörde eine zweiwöchige Frist (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Entscheidung erhob die Familie über ihre damalige Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.09.2020 wurden diese vier Verfahren dem erkennenden Richter zugewiesen.

Am 08.02.2021 fand im Beisein der Beschwerdeführer und ihrer nunmehrigen Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung statt. Am 15.02.2021 übermittelte die Rechtsvertretung Arbeitsplatzzusagen für BF1, BF2 und BF3 sowie vier weitere Unterstützungsschreiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei den BF1, BF2 und dem minderjährigen BF4 handelt es sich um ein Familienverfahren, während der BF3 zum Zeitpunkt seiner Einreise bzw. Antragstellung schon volljährig war. Aufgrund desselben Fluchtvorbringens werden die Verfahren verbunden und gemeinsam geführt.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, sind sunnitische Moslems und gehören der Volksgruppe der Araber an. Ihre Identität steht fest. Sie halten sich nach illegaler Einreise zumindest seit ihrer Asylantragstellung am 07.02.2016 in Österreich auf.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen und sind erwerbsfähig. BF1 kämpft seit 2007 mit erhöhtem Blutdruck und Diabetes und bekam deshalb bereits im Irak Medikamente verschrieben, bei BF2 sind in den letzten Jahren Rheumabeschwerden und Beeinträchtigungen im Bewegungsapparat hinzugekommen.

Die Beschwerdeführer stammen aus Bagdad. BF1 war selbständig und führte ein eigenes Geschäft und hatte im Stadtviertel XXXX ein eigenes Haus, in welchen er mit seiner Familie lebte. BF1 versuchte bereits 2009 in Europa Fuß zu fassen, kehrte aber nach einer negativen Asylentscheidung in Schweden 2010 zu seiner Familie nach Bagdad zurück.

Die Ehefrau BF2 verfügt über eine Ausbildung als Designerin und Schneiderin, BF3 hatte im Irak bei einem Bäcker gearbeitet und war zuletzt im Geschäft seines Vaters beschäftigt und BF4 besuchte dort die Schule.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie im Irak waren nicht schlecht. So konnte sie sich die gemeinsame Ausreise selbst finanzieren und BF1 zuvor beide Söhne bei ihren Ausreisen finanziell unterstützen.

In Bagdad leben zwei Brüder und eine Schwester des BF1. Ein Bruder arbeitet im Öl-Ministerium, der zweite Bruder bezieht eine Pension. Auch ein Bruder und fünf Schwestern der BF2 leben ebenfalls in Bagdad. Auch wenn derzeit kein Kontakt besteht wird es den Beschwerdeführern möglich sein, den Kontakt zu ihren Angehörigen in Bagdad wieder aufleben zu lassen.

In Österreich ist die Familie in einer Zweizimmerwohnung der Caritas untergebracht. Sie sind nicht selbsterhaltungsfähig und die Kosten für Unterbringung und Lebensunterhalt werden von der staatlichen Grundversorgung getragen.

BF2 fand seit 2018 in den Sommersaisonen über die Gemeinde als Reinigungskraft bei einem Campingplatz für wöchentlich zehn Stunden Beschäftigung, wird wegen ihres Fleißes geschätzt und hat auch die Möglichkeit dort eine fixe Arbeitsstelle zu bekommen. Sie und Ihr Ehemann (BF2) bringen sich seit 2017 bei Integrationsprojekten ein und haben mit ihrem älteren Sohn (BF3) freiwillig bei der Marillenernte mitgeholfen. BF3 hat im Bundesgebiet noch keine Arbeitsmöglichkeit gefunden. BF4 schließt in diesem Jahr den Polytechnischen Lehrgang ab und möchte im Anschluss daran eine Lehre beginnen bzw. Programmierer werden. BF1 und BF3 haben eine Arbeitsplatzzusage in einem Lebensmittelgeschäft bzw. für eine Lehre in einem Frisörgeschäft vorgelegt.

BF1 und BF2 haben eine Deutsch-Prüfung auf Niveau A1 abgelegt, BF3 auf Niveau A2 und BF4 verfügt schulbedingt über gute Deutschkenntnisse.

Die beiden Elternteile, insbesondere BF2 haben mit ihrem gewinnenden Wesen in der Gemeinde bzw. in ihrem unmittelbaren Umfeld persönliche Freunde und Unterstützer gefunden. Die beiden Söhne verfügen über Bekanntschaften in ihrem persönlichen Umfeld.

Darüber hinaus lebt der Sohn XXXX mit seiner Familie in Österreich. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2020 wurde eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erklärt und entsprechende Aufenthaltsberechtigungen erteilt. Der Sohn XXXX lebt in Deutschland und wartet dort auf eine Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz. In Deutschland hält sich auch ein Bruder des BF1 auf.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

BF3 hat im Irak seine Schulausbildung erhalten und dort in einer Bäckerei bzw. im Geschäft seines Vaters gearbeitet und sein Bruder BF4 hat sowohl im Irak als auch in Österreich die Schule besucht, sodass auch bei ihm davon auszugehen ist, dass er am irakischen Arbeitsmarkt Fuß kann.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer haben den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer waren vor ihrer Ausreise keiner individuellen und aktuellen Verfolgung seitens einer anderen Familie ausgesetzt und werden im Falle ihrer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner solchen Gefährdung ausgesetzt sein.

Die Beschwerdeführer werden im Falle ihrer gemeinsamen Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihnen ihre Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für sie in Bagdad die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

So herrscht im Irak, wie in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2021 dargelegt und erörtert, weder ein Bürgerkrieg noch kann von einer bürgerkriegsähnlichen Situation gesprochen werden. Anschläge von Mitgliedern der IS, schiitischer oder sunnitische Stammesmilizen können nicht zur Gänze ausgeschlossen werden und richten sich meist gezielt gegen staatliche Institutionen. Die dazu im Länderbericht genannten Zahlen haben sich in den letzten Monaten auf einem Niveau eingependelt, dass nicht mehr von einer unübersichtlichen Situation bzw. einer völligen Schutzlosigkeit der dort aufhältigen Bevölkerung ausgegangen werden kann. So wurden für November 2019 vom Irak-Experten Joel Wing für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Februar 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).

Diese Zahlen finden sich auch im EASO-Bericht zur Sicherheitslage im Irak. So verzeichnet ACLED für den Zeitraum Jänner 2019 bis Juli 2020 für die Provinz Bagdad 42 Kämpfe, 163 Vorfälle von ferngesteuerter Gewalt/Explosionen, 81 Fälle von Gewalt gegen Zivilpersonen und 107 Unruhen, in Summe 393 sicherheitsrelevante Vorfälle. OSAC stellt fest, dass in Bagdad „organisierte Kriminalität, unkontrollierte Aktivitäten von Milizen und Korruption nach wie vor das freie Unternehmertum und Unternehmen stark behindern“. Erwähnt wurde in dem Bericht auch die Bedrohung, die schiitische Milizen für US-Staatsangehörige, aber auch für irakische Zivilpersonen darstellen. Es heißt dort ferner, dass diese Milizen „primitive USBV (Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen oder anders ausgedrückt Sprengfallen) mit geringer Sprengkraft in Bagdad-Stadt einsetzen, um Inhaber kleiner Läden einzuschüchtern und von ihnen Schutzgeld zu erpressen“. Bezüglich des ISIL (=IS) führte der OSAC aus, das USDOS (U.S. Department of State) habe „Bagdad als den Ort eingestuft, an dem eine kritische Bedrohung durch Terrorismus besteht, der sich gegen die offiziellen Interessen der US-Regierung richtet oder sie berührt“. Milizen und kriminelle Gruppen in Bagdad waren auch in Entführungen von Personen zur Erzielung politischen oder finanziellen Gewinns verwickelt.

Ebenso hat sich die wirtschaftliche Situation in den letzten Jahren zunehmend stabilisiert und wird über nationale und internationale Hilfsprogramme zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur gestützt und weiter vorangetrieben. Bei allen noch vorhandenen Mängeln zeigt auch die Entwicklung des politischen sowie sozialen Lebens, dass sich die Lage auf allen Ebenen normalisiert. Daran vermag auch die Corona-Pandemie nichts ändern, auch wenn nicht verhehlt wird, dass aktuell die Berichte von steigenden Fallzahlen ausgehen.

Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger (IOM 1.4.2019). Die Miete für 250 m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD (Anm.: ca. 296 EUR) (IOM 13.6.2018). Die Wohnungspreise in der KRI sind 2018 um 20% gestiegen, während die Miete um 15% gestiegen ist, wobei noch höhere Preise prognostiziert werden (Ekurd 8.1.2019). In den Städten der KRI liegt die Miete bei 200-600 USD (Anm.: ca. 185-554 EUR) für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 12 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 8-19 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 23-31 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000-60.000 IQD (Anm.: ca. 31-46 EUR) für privaten oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom. Die Rückkehr von IDPs in ihre Heimatorte hat eine leichte Senkung der Mietpreise bewirkt. Generell ist es für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten, während es in Hinblick auf Wohnungen einfacher ist (IOM 1.4.2019).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussen sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 12.2019).

Es besteht keine öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrer. Es ist aber davon auszugehen, dass eine Unterstützung von im Land aufhältigen Angehörigen zumindest für die ersten Schritte nach einer Rückkehr gegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in die angefochtenen Bescheide, in die vorgelegten Verwaltungsakten unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zum Irak vom 17.03.2020 und die umseits zitierten Berichte des UNHCR und des EASO sowie durch Befragung der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 08.02.2021.

Zudem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS), der Sozialversicherung (AJ-WEB), dem Strafregister sowie dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR) eingeholt.

2.2. Zu den Personen der Beschwerdeführer

Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund ihrer bei der Asylantragstellung vorgelegten am XXXX (BF1) bzw. XXXX (BF2 bis BF4) in Bagdad ausgestellten irakischen Reisepässe zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zur ihren Familienverhältnissen, ihrer Herkunft, der Eheschließung des BF1 und der BF2, ihrer Volksgruppen- und ihrer Religionszugehörigkeit gründen auf den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren. Ihr Aufenthalt zumindest mit 07.02.2016 ist durch ihre Antragstellung auf internationalen Schutz an diesem Tag belegt.

Die Feststellungen zur Ausbildung und beruflichen Tätigkeit des BF1 gründen auf dessen Angaben im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.06.2017. Die Feststellungen zu seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechen ebenfalls seinen Angaben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nicht ersichtlich, zumal BF1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.02.2021 ausdrücklich angab, arbeiten zu wollen (Verhandlungsprotokoll, S. 7), weshalb in Zusammenschau mit seinem erwerbsfähigen Alter seine Arbeitsfähigkeit festzustellen war.

Die Feststellungen zur Ausbildung der BF2 zur Designerin und Schneiderin ergeben sich aus ihren Angaben in der Erstbefragung am 07.02.2016 und in ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 20.06.2017. In der mündlichen Verhandlung gab die BF2 an, Probleme mit den Gelenken zu haben, was sie in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2021 dahingehend ergänzte, dass sie eine chronische Gelenksentzündung habe, regelmäßig Physiotherapie benötige und immer „Profin“ und eine Creme wegen ihrer Gelenke nehmen würde. Diesbezügliche Befunde wurden nicht vorgelegt und handelt es sich dabei auch per se um keine lebensbedrohliche Erkrankung, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war. Zudem ist die medizinische Grundversorgung in Bagdad jedenfalls gewährleistet (vgl. Punkt II.1.3.9). Eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit wurde nicht vorgebracht und BF2 hat zudem in den vergangenen Jahren regelmäßig auf einem Campingplatz gearbeitet und sich auch sonst im Rahmen ihrer Möglichkeiten eingebracht, wo immer sie gebracht wurde, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war.

Dass der BF3 in Bagdad die Grundschule besucht, den Beruf des Bäckers erlernt und im Geschäft seines Vaters gearbeitet hat, entsprechen seinen Angaben bei der Erstbefragung am 07.02.2016, der niederschriftlichen Einvernahme am 20.06.2017 und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Grundschulbesuch des BF4 ist aus seinen Angaben in der Erstbefragung ersichtlich und zudem aufgrund seines Alters in Zusammenschau mit den einschlägigen Länderberichten plausibel. BF3 und BF4 gaben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an, gesund zu sein (Verhandlungsprotokoll, S. 5).

Die Feststellungen zum Leben der Familie in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus, zu den gemeinsamen Söhnen der BF1 und BF2 und zur Ausreise des BF1 nach Schweden im Jahr 2009 und seiner Rückkehr im Jahr 2010 gründen auf den glaubhaften Angaben des BF1 in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.06.2017.

Der gemeinsame Haushalt der Beschwerdeführer in Österreich ist über die vorliegenden Melderegisterauszüge belegt. Die Feststellungen zum Asylverfahren des Sohnes XXXX in Österreich ergeben sich aus der Einsichtnahme in das ihn und seine Familie betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (I408 2166998-1, u.a.). Dass ein Sohn und ein Bruder des BF1 in Deutschland leben, gab der BF1 in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll, S. 4) an.

Ebenso ergeben sich die Feststellungen zu den im Irak lebenden Verwandten aus den Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung. Auch wenn die Beschwerdeführer derzeit in keinem Kontakt zu diesen haben sollten, wurde nichts glaubhaft vorgebracht, was auf eine völlige Entfremdung schließen ließe, weshalb davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer den Kontakt zu ihren in Bagdad lebenden Angehörigen im Falle einer Rückkehr wiederaufleben lassen werden können.

Dass die Beschwerdeführer ihren Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung bestreiten, ergibt sich aus einer Abfrage der Betreuungsinformation Grundversorgung. Aus diesem Umstand ergibt sich die Feststellung ihrer mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit. Dass BF2 in den Jahren 2018 bis 2020 einer Saisonarbeit als Reinigungskraft auf einem Campingplatz für wöchentlich zehn Stunden nachging, ist den vorgelegten Bestätigungen zu entnehmen.

Die absolvierten Deutschkurse, die Teilnahme an Integrationsprojekten bzw. bei der Marillenernte in den letzten Jahren und die in diesem Zusammenhang entstanden Bekanntschaften und persönlichen Kontakte zu Österreichern ergeben sich aus den dazu vorgelegten Bestätigungen und Unterstützungs- sowie Empfehlungsschreiben.

Die Einstellungszusage eines Lebensmittelgeschäftes für BF1, welche jedoch nicht den notwendigen Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages - das Beschäftigungsausmaß und das Arbeitsentgelt - enthält und zudem aufschiebend bedingt ist, ergibt sich aus der Vorlage desselben, datiert mit 11.02.2021. Das gilt auch für die Einstellungszusage als Frisörlehrling für BF3, wobei zumindest auffallend ist, dass diese ebenso vom 11.02.2021 datiert, exakt gleichlautend ist und auch eine völlig idente Formatierung aufweist. In der mündlichen Verhandlung gab der BF3 zudem an: „Ich möchte, bevor ich eine Friseurlehre anfange noch Geld verdienen und kann das in derselben Firma, in der mein Vater arbeiten könnte, machen.“ (Verhandlungsprotokoll, S. 7), weshalb festzustellen war, dass eine Frisörlehre für ihn nicht erste Wahl war.

Die Feststellungen zu den persönlichen Kontakten von BF3 und BF4 ergeben sich aus ihrem plausiblen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung. Die aufgrund des Schulbesuches guten Deutschkenntnisse des BF4 waren aufgrund des persönlichen Eindruckes des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung festzustellen. Auf der vorgelegten Schulnachricht des Jahres 2020/2021 ist der aktuelle Besuch der polytechnischen Schule ersichtlich. Seine Mitgliedschaft in einem Fußballverein ist durch die entsprechende Bestätigung belegt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer sowie den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak:

Im Rahmen des Asylverfahrens trifft den Asylwerber eine Mitwirkungspflicht. Er muss eine ihm drohende Behandlung oder Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen.

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Das Vorbringen des Asylwerbers ist auch dann nicht hinreichend substantiiert, wenn Sachverhalte nur sehr vage geschildert werden und der Asylwerber nicht in der Lage ist, detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

BF1 und BF2 begründete ihren Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung damit, dass der BF1 von einer anderen Volksgruppe bedroht werde und dass Haus und Geschäft der Familie niedergebrannt worden wären. BF3 gab zu seinen Fluchtgründen befragt an: „Meine ganze Familie ist in Gefahr, unser Haus wurde von irgendwelchen Leuten niedergebrannt und auch unser Geschäft.“

In ihren niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde gaben BF1, BF2 und BF3 zu ihrem Fluchtgrund befragt dann zusammengefasst an, dass BF3 eine Freundin gehabt habe, welche von ihm schwanger geworden sei. BF2 habe deshalb die Familie des Mädchens aufgesucht, um eine Heirat zu arrangieren, was jedoch gescheitert wäre. Vom Nachbar der Familie des Mädchens seien sie telefonisch dann verständigt worden, dass diese verbrannt worden wäre. Als BF3 versucht, seine Freundin telefonisch zu erreichen, habe deren Bruder abgehoben und ihn mit dem Tod gedroht. Aus Angst hätte die Familie sofort das Haus verlassen und sich bei einem Cousin des BF1 für zwei Monate versteckt gehalten. In dieser Zeit habe die andere Familie das Haus der Beschwerdeführer abgebrannt, worauf sie sich entschieden haben, den Irak zu verlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das gesamte Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer allerdings als unglaubwürdig:

Zunächst belastet die Steigerung des Vorbringens der Beschwerdeführer, von einer unkonkreten Bedrohung durch „irgendwelche Leute“ (BF3), hin zu mehreren konkreten, fluchtauslösenden Ereignissen durch Familienmitglieder der getöteten Freundin von BF3 die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführer massiv. So geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein später, ergänztes oder gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250), insbesondere dann, wenn das nachträglich vorgebrachte Vorbringen - wie im gegenständlichen Fall - entscheidungskausal für eine geplante Ausreise war.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die Erstbefragung nicht der Erörterung der Fluchtgründe dient, es ist aber davon auszugehen, dass Schutzsuchende, die einen langwierigen, anstrengenden, schlepperunterstützen und damit kostspieligen Weg auf sich nehmen, von Anbeginn die essentiellen Bestandteile ihrer Fluchtgeschichte stringent und widerspruchsfrei vorbringen. Es wäre diesbezüglich zumindest davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer, insbesondere BF3, bei Wahrunterstellung des Vorbringens zumindest die Verbrennung der schwangeren Freundin, als zentrales Element der behaupteten Verfolgungsgefahr und zweifellos traumatisierendes Erlebnis, erwähnt hätte.

Auch der Umstand, dass sich die Beschwerdeführer nach ihren eigenen Angaben im Anschluss an den Vorfall noch zwei Monate bei einem Cousin des BF1 aufgehalten haben, so noch ihre Angelegenheiten regeln und einen Reisepass für BF1 ausstellen lassen konnten, spricht auch nicht für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens oder eines schlechten Verhältnisses zur eigenen Familie, zumal bei Wahrunterstellung eine sofortige Flucht - zumindest aus Bagdad - geboten gewesen wäre.

Des Weiteren leidet die persönliche Glaubwürdigkeit des BF1 massiv unter dem Umstand, dass er in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 20.06.2017 auf zweimalige Nachfrage zunächst angab, weder einen Asylantrag in einem anderen Land gestellt zu haben, noch jemals in Europa gewesen zu sein (Protokoll, S. 3). Erst auf den späteren Vorhalt, 2009 in Schweden gewesen zu sein gab er lapidar an, damals „ein Problem“ gehabt zu haben (ebd. S. 6).

Auch unterscheiden sich die Angaben der Beschwerdeführer zu dem Ablauf ihrer Flucht in zahlreichen Punkten. So gab etwa der BF1 in seiner niederschriftlichen Einvernahme an, über eine Mauer zum Haus des Nachbarn gegangen und von dort vom Cousin abgeholt worden zu sein. Demgegenüber gab der BF3 ausdrücklich an, vom Cousin auf der Straße vor dem Haus der Familie abgeholt worden zu sein. Erst auf Vorhalt der divergierenden Angaben seines Vaters versuchte der BF3 diesen Widerspruch - völlig untauglich - damit zu erklären, zwar zuerst über die Mauer, dann aber wieder zurück geklettert zu sein. Weshalb jemand auf der Flucht das eigene Haus zuerst über eine Gartenmauer zum Nachbarn verlässt und dann zurückkehrt, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar und konnten die Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären. Auf entsprechende Nachfrage gab der BF1 in nur an: „Nein, zurück sind wir nicht geklettert.“ (Verhandlungsprotokoll, S. 13).

Weiters zeigen die unterschiedlichen Details in den Angaben der Beschwerdeführer, dass es sich bei ihrem Vorbringen offenbar um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt. So gab etwa die BF2 in ihrer niederschriftlichen Einvernahme an, dass die Familie des Mädchens „ca. 15 Minuten“ entfernt gewohnt habe, 15 Minuten deshalb, weil die BF2 „etwas langsamer“ gehe. Demgegenüber gab jedoch der BF3 an, dass seine damalige Freundin „ca. eine halbe Stunde zu Fuß“ entfernt gelebt habe. Weshalb der zum Zeitpunkt der Ausreise 18jährige BF3 für den gleichen Fußweg doppelt so lang brauchen sollte wie seine - damals - 45jährige Mutter, ist nicht nachvollziehbar. Auch in der mündlichen Verhandlung verblieben die BF2 und der BF3 bei ihren diesbezüglich unterschiedlichen Zeitangaben, auch wenn der BF3 die seinige nunmehr auf „ca. 20 - 30 Minuten“ (Verhandlungsprotokoll, S. 9) revidierte.

Ein weiterer Widerspruch im Vorbringen der Beschwerdeführer ergab sich zuletzt in der mündlichen Verhandlung aus den Angaben im Zusammenhang mit dem angeblichen Besuch der BF2 bei der Familie des Mädchens. So gab der BF3 nach dem Beginn der Beziehung befragt zunächst an: „Das war Anfang 2015“ und dass seine Mutter das erste Mal „nach ca. ein paar Monaten, ich glaube drei Monate“ bei der Familie seiner Freundin gewesen wäre (Verhandlungsprotokoll, S. 8). Bestimmt man zugunsten des BF3 den Anfang des Jahres 2015 mit März und die drei Monate demnach mit Juni und berechnet man zu seinen weiteren Gunsten einen Monat „Puffer“ für etwaige Ungenauigkeiten in der Erinnerung des damals 18jährigen Beschwerdeführers mit ein, so ergibt sich Juli 2015 für einen ersten Besuch der BF2 bei der Familie des genannten Mädchens. Demgegenüber gab die BF2 in der mündlichen Verhandlung jedoch ausdrücklich an, überhaupt erst „ca. Ende Oktober“ (Verhandlungsprotokoll, S. 9) von der Beziehung des BF3 erfahren zu haben, weshalb auch hier wieder ein gravierender Widerspruch in der zeitlichen Abfolge der behaupteten Ereignisse vorliegt.

Letztlich ergab sich für das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung allgemein der Eindruck, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer angeblich ausreisekausalen Gründe wie auswendig gelernt vorgetragen wurde. Ihre Schilderungen erwiesen sich als äußerst oberflächlich und ließen alle Realkriterien, wie sie für Erzählungen von selbst wahrgenommenen Ereignissen typisch sind - etwa eigene Gefühle oder auch nur unwesentliche Details oder Nebenumstände - vermissen. So zeichnet sich die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen bei lebensnaher Betrachtung gerade dadurch aus, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung, Zeit-Ort-Verknüpfungen und auch oft über unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Die Schilderungen der Beschwerdeführer erschöpften sich jedoch sowohl vor der belangten Behörde als auch in der Beschwerdeverhandlung in der Darlegung einer konstruiert anmutenden und nicht nachvollziehbaren Rahmengeschichte.

Insgesamt vermochten die Beschwerdeführer somit keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Es ist ihnen insbesondere nicht gelungen, eine ihre Person betreffende Bedrohung durch Mitglieder einer anderen Familie glaubhaft zu machen. Dies einerseits, weil ihre Schilderungen in wesentlichen Punkten nicht nachvollziehbar waren und andererseits, weil sich im gesamten Verfahren in zahlreichen Widersprüchen verstrickten, wie umseits aufgezeigt.

Die belangte Behörde hatte den verfahrensgegenständlichen Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, unter Hinweis darauf, dass für die Beschwerdeführer keine besondere Gefährdungssituation bestehe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage in seinem aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzustellen (vgl. VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012, mwH). Insoweit ist gegenständlich zu prüfen, ob die Beschwerdeführer als Ehepaar mit einem volljährigen und einem 16jährigen Sohn, unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation und vor dem Hintergrund der einschlägigen, aktuellen Länderberichte zum Irak im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat der realen Gefahr einer existentiellen Bedrohung oder einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt aufgrund des erhobenen Sachverhaltes zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten im Falle der Beschwerdeführer nicht vorliegen. Dies aufgrund folgender Erwägungen:

Die aktuelle Lage im Irak ergibt sich aus dem aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation, den EASO-Berichten über die Sicherheitslage im Irak mit Stand Oktober 2020 und den sozioökonomischen Schlüsselfaktoren mit Stand September 2020 sowie den Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019. Die sich daraus ergebende Einschätzung wird auch über den letzten EASO Bericht „Country Guidance: Irak“ mit Stand Jänner 2021 bestätigt

(https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf)

Es ist nach der weitgehenden Ausschaltung des IS und der Etablierung erster Schritte einer politisch wie ethnisch ausgewogeneren Regierung von einem Konsolidierungsprozess der Ordnung auszugehen, sodass die allgemeine Lage, die Sicherheitslage, aber auch die humanitäre und wirtschaftliche Lage im Irak zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr mit der Situation im Jahr 2016, als die Beschwerdeführer ihren Herkunftsstaat verlassen hatten, vergleichbar ist. Die Zahl der im Irak durch Gewalt ums Leben gekommenen ist in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Waren 2015 noch etwa 17.500 zivile Gewaltopfer im Irak zu beklagen, so ist diese Zahl im Jahr 2019 auf rund 2.300 Gewaltopfer gesunken. Im Jahr 2020 gab es nach vorläufigen Schätzungen bis einschließlich August nur noch 650 zivile Todesopfer im Irak. Insgesamt verzeichnet der Irak gegenwärtig somit die niedrigste Zahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.2.).

Auch in Bagdad, wo die Beschwerdeführer geboren sind, bis zu ihrer Ausreise gelebt und wo sie somit den Großteil ihres Lebens verbracht haben, hat sich die Situation im Einklang mit der allgemeinen Verbesserung der Sicherheitslage im Land in den Jahren 2018 und 2019 weitestgehend stabilisiert. Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle sowie der dabei getöteten Zivilisten in Bagdad ist zuletzt stetig (weiter) gesunken, sodass eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr aufgrund ihrer bloßen Präsenz Opfer von terroristischen Anschlägen oder kriminellen Aktivitäten werden würde, in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage nicht erkannt werden kann, zumal der Anzahl der zivilen Opfer die Bevölkerungszahl im Gouvernement Bagdad gegenübersteht, welche die reale Gefahr, dass gerade die Beschwerdeführer wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würden, nahezu ausschließt. Ausgehend von den aktuellsten veröffentlichten Zahlen von EASO wurden im ersten Halbjahr 2020 bei 4 Vorfällen drei Personen getötet und 5 verletzt. Im Jahr 2019 kamen bei 42 Vorfällen 37 Personen ums Leben und wurden 13 verletzt. Im Jahr 2018 in Bagdad wurden dagegen noch insgesamt 392 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet, welche zu 566 Todesopfern geführt hatten. Die Anzahl der zivilen Todesopfer hatte sich hierbei im Vergleich zum Jahr 2017 - wo es noch zu 487 sicherheitsrelevanten Vorfällen mit insgesamt 1032 zivilen Todesopfern gekommen war - mehr als halbiert, ebenso wie die Anzahl ziviler Todesopfer pro 100.000 Einwohner (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.3.). Insgesamt ist somit eine nachhaltige und deutliche Verbesserung der Sicherheitslage in den letzten Jahren zu verzeichnen.

Im Hinblick auf eine etwaige Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer ist an dieser Stelle darüber hinaus explizit auf die seitens EASO vertretene Ansicht zu verweisen, wonach es im Gouvernement Bagdad nur noch derart selten zu willkürlichen, sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, dass nicht automatisch Gründe dafür vorliegen würden um die Annahme zu rechtfertigen, dass eine nach Bagdad zurückkehrende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.3.), wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles naturgemäß stets zu berücksichtigen sind.

Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Beschwerdeführer wurden im Verfahren jedoch nicht substantiiert vorgebracht.

Ergänzend ist im vorliegenden Beschwerdefall unstreitig zu beachten, dass es sich bei den Beschwerdeführern um eine Familie mit einem minderjährigen Sohn und damit um ein Mitglied einer besonders vulnerablen und schutzbedürftigen Personengruppe handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung der Frage, ob den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung ihrer durch Art 2 und Art 3 EMRK geschützten Rechte droht, nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die Beschwerdeführer tatsächlich vorfinden würden (vgl. dazu VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018; 28.11.2019, E 2526-2527/2019).

Diesbezüglich fällt entscheidend ins Gewicht, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimatstadt Bagdad über zahlreiche Angehörige verfügen und somit in der Lage sein werden auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Geschwister sowohl von BF1 als auch BF2 leben in Bagdad, sodass bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen ist, dass sich die Beschwerdeführer zumindest temporär wiederum bei Angehörigen in Bagdad werden ansiedeln können und ihnen bei diesen auch eine angemessene Unterkunft sowie eine (in Bagdad vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen wird. Hinweise auf exzeptionelle Umstände, wonach die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall nicht gedeckt werden könnten, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Hinzu kommt, dass es BF1 bereits einmal gelungen ist, nach einer Rückkehr sich wieder ein wirtschaftlich abgesichertes Leben aufzubauen. Dieser Aufgabe haben sich die Beschwerdeführer auch in Österreich zu stellen. Dass sie allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation im Irak bessergestellt sind, genügt für die Annahme, sie würden in ihrem Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfinden und fallgegenständlich die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, nicht zumal von einer Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben aller Beschwerdeführer ausgegangen werden kann.

Der BF1 war bis zu seiner Ausreise als Betreiber eines Geschäftes in der Lage den Lebensunterhalt für sich und seine Kernfamilie zu bestreiten und auch die BF2 hat angesichts ihrer Ausbildung als Designerin und Schneiderin sowie ihrer Arbeitserfahrung als Reinigungskraft in Österreich eine Chance, künftig am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Ebenso hat der BF3 eine Schulbildung sowie eine Ausbildung genossen und wird in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der 16jährige BF4 steht kurz vor Erfüllung der Schulpflicht, ist gesund und arbeitsfähig und ist damit ebenfalls in der Lage, im Irak einen Beruf zu erlernen, zumal er die Sprache spricht und mit seiner Kernfamilie zurückkehren wird. Eine das Kindeswohl beeinträchtigende Entwurzelung ist nicht erkennbar, da die Beschwerdeführer auch bisher im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und in ihrem Herkunftsstaat sozialisiert wurden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der BF1 bereits einmal, nach seiner Rückkehr aus Schweden 2010 in der Lage war, sich in seiner Heimatstadt Bagdad erneut anzusiedeln, sodass ihm auch seine diesbezügliche Erfahrung bei einer Rückkehr in den Irak zweifellos zu Gute kommen wird.

Auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführer sind keinerlei entscheidungsmaßgebliche Vulnerabilitäten gegeben. Insbesondere war der BF1 bereits im Irak für viele Jahre wegen seines hohen Blutdruckes und seines Diabetes in Behandlung und war er auch in der Lage, den zweifellos mühseligen Weg nach Europa auf sich zu nehmen, weshalb die Schwelle des Art 3 EMRK auch aus diesem Grund nicht überschritten ist.

Der mj. BF4 ist im Fall einer Rückkehr in den Irak und insbesondere nach Bagdad auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von spezifisch gegen Kinder gerichtete Gewalt - etwa in Form von Zwangsprostitution, Zwangsrekrutierung oder Kinderarbeit - betroffen. Ein erhöhtes Risiko im Hinblick auf geschlechts- oder kinderspezifische Gewalt kann der vorgebrachten und festgestellten Familienstruktur der Beschwerdeführer ebenso wenig entnommen werden, wie ihren anderweitigen diesbezüglichen Ausführungen.

Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf die Beschwerdeführer. Zwar gehört der BF1 durch seine Erkrankungen einer Gruppe mit erhöhtem Risiko eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Infektion an, dieses Risiko trifft ihn jedoch auf der ganzen Welt und in Österreich insbesondere stärker als im Irak. Betrachtet man überdies die aktuelle COVID-19-Risikogruppe-Verordnung in der Fassung vom 11.03.2021 so ergibt sich, dass die Hypertonie des BF1 davon nur bei nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung erfasst wäre (§ 2 Z 9 leg.cit.). Da der BF1 medikamentös eingestellt ist und dies auch im Irak - wie vor seiner Ausreise - zweifellos möglich sein wird, ist er davon nicht betroffen. Auch in Bezug auf seine Diabetes-Erkrankung ist nicht von den in § 2 Z 8 angeführten hohen Werten, welche die Voraussetzung für die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe wären auszugehen, zumal kein diesbezügliches Vorbringen erstattet wurde. Es fehlt sohin auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie an den geforderten außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Art 3 EMRK (zur „Schwelle“ des Art 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Selbiges gilt für die Gelenksschmerzen der BF2, welche per se keine Relevanz im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie entfalten.

Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer in den Irak somit (auch unter Berücksichtigung ihrer individuellen Familiensituation und des Kindeswohles) nicht automatisch dazu führt, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und in ihren durch Art 2 und Art 3 EMRK geschützten Rechten verletzt würden. Auch sind sie angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage in Bagdad nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Insoweit die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf einen Anschlag des IS am 21.01.2021 verweist, wird nicht in Abrede gestellt, dass sich nach wie vor sicherheitsrelevante Vorfälle im Irak ereignen, dies steht jedoch nicht in Widerspruch zu den übrigen gegenständlich getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Situation im Irak. Das weitere Vorbringen, dass die Alphabetisierungsrate durch die Zerstörung von Schulen „drastisch gestiegen“ (gemeint wohl gesunken) sei, ist einerseits aus den umseits zitierten Länderberichten nicht nachvollziehbar und andererseits im gegenständlichen Fall auch unerheblich, da alle Beschwerdeführer alphabetisiert sind.

Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass sich die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak zweifelsfrei aus den angeführten Quellen ergeben, denen im Beschwerdeverfahren substantiiert nicht entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, konnten die Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung darlegen. Ihr Vorbringen, aus Furcht vor der Familie der Freundin des BF3 den Irak verlassen zu haben, ist nicht glaubhaft.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0349).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Das Vorliegen solcher exzeptionellen Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303).

Den Beschwerdeführern droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihnen auch keine reale Gefahr, im Falle ihrer Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden.

Wie bereits ausführlich dargelegt, sind alle Beschwerdeführer erwerbsfähig und haben aufgrund ihrer Historie eine Chance, künftig auf dem irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen bzw. im Falle des BF4 eine Berufsausbildung zu absolvieren. Zumindest die BF1 bis BF3 werden in der Lage sein, im Falle einer Rückkehr den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Der Umstand, dass der Lebensunterhalt der Beschwerdeführer im Irak möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihnen wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten (vgl. VfGH 24.02.2020, E 3683/2019).

Die Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln ist, wie aus dem vorliegenden Länderbericht zum Irak zu entnehmen ist, in Bagdad gewährleistet und die Beschwerdeführer verfügen zudem über ein familiäres Netzwerk in ihrer Heimatstadt. Sowohl die Geschwister des BF1 und auch jene der BF2 (auch wenn zu diesen kein Kontakt bestehen sollte) leben nach wie vor in Bagdad was den Aufbau einer neuen Existenz erheblich erleichtert.

Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf die Beschwerdeführer (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.2.3.).

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Satz der angefochtenen Bescheide)

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht haben, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführer seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch sind die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Satz der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus den folgenden Gründen gegeben:

Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer schlepperunterstützen Einreise im Februar 2016 etwa fünf Jahre und einen Monat in Österreich auf. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar und das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Daneben ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer über ein Familienleben in Österreich. Soweit das Familienleben zwischen BF1, BF2, BF3 und BF4 betroffen ist, greift die Entscheidung jedoch nicht in das Familienleben ein, da alle gemeinsam von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind. Es lebt jedoch auch noch ein älterer Sohn der BF1 und BF2 mit seiner Familie in Österreich und wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt. Ein weiterer Sohn lebt, ebenso wie ein Bruder des BF1, in Deutschland.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B8986/80, EuGRZ 1982, 311), zwischen Eltern und erwachsenen Kindern und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Auch die österreichischen Höchstgerichte vertreten in ständiger Judikatur die Auffassung, dass eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen - auch unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - unter den Schutz des Art 8 Abs 1 EMRK fallen kann, sofern zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu VwGH 17.11.2009, 2007/20/0955 mwH; VfGH 09.06.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR).

Im Hinblick auf die beiden in Österreich und Deutschland lebenden Söhne der BF1 und BF2 sowie den in Deutschland lebenden Bruder des BF1 ist aufgrund des erhobenen Sachverhaltes im Lichte der vorzitierten Judikatur von keinem schützenswerten Familienleben iSd Art 8 EMRK auszugehen. Es bestehen getrennte Haushalte und haben sich im Verfahren auch keine Hinweise auf finanzielle oder anderweitig geartete Abhängigkeitsverhältnisse ergeben. Insoweit sind die Beziehungen der Beschwerdeführer zu dem in Österreich lebenden Sohn der BF1 und BF2 sowie zu dem in Deutschland lebenden Sohn und dem in Deutschland lebenden Bruder im Rahmen ihres Privatlebens zu berücksichtigen.

Der seit Februar 2016 andauernde Aufenthalt der Beschwerdeführer beruht auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen können. Zudem mussten sich - zumindest die volljährigen - Beschwerdeführer schon mit der Abweisung ihrer Asylanträge mit Bescheiden vom 14.07.2017 bzw. 18.07.2017- sohin rund ein Jahr und fünf Monate nach ihrer Einreise - ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein und verliert ein allfälliges Privat- und Familienleben, welches erst nach der Abweisung ihres Asylantrages entstanden ist, dadurch deutlich an Gewicht. Unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK muss zudem nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Verfahrensgegenständlich kommt hinzu, dass BF1 entsprechende Erfahrungen bereits in Schweden machen musste auch die Verfahren seiner vor ihm nach Europa gekommenen erwachsenen Söhne als auch seines Bruders zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen waren.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführer angesichts ihres mehrjährigen Aufenthalts ein Privatleben im Bundesgebiet entwickelt haben, an dessen Aufrechterhaltung sie ein Interesse haben, sei es ihr Engagement bei einer jährlichen Marillenernte oder die Freundschaften der BF2 bis BF4. Jedoch vermögen diese Aspekte nicht zu einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet beitragen, weil es diesen privaten Anknüpfungspunkten im Rahmen einer Gesamtschau an einer maßgeblichen Intensität mangelt, welche ein besonders tiefgreifendes und berücksichtigungswürdiges Privatleben im Bundesgebiet nahelegen würde.

Des Weiteren ist die Integration der Beschwerdeführer zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit die Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt haben um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Auch wenn durchaus Schritte zu einer Integration in Österreich - insbesondere der BF2 – erkennbar sind, fällt doch zunächst auf, dass insbesondere in sprachlicher Hinsicht nur ein äußerst geringes Niveau erreicht wurde. BF1 und BF2 haben in über fünf Jahren nur ein Sprachzertifikat auf Niveau A1 erlangt, BF3 erzielt ein Niveau A2. Alle Beschwerdeführer sind auf staatliche Leistungen angewiesen und weder BF1 noch BF3 haben außergewöhnliche Schritte zur Erlangung einer beruflichen Integration und einer damit verbundenen Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen. Die vorgelegten Einstellzusagen allein, die erst nach der mündlichen Verhandlung ausgestellt worden sind, vermögen eine berücksichtigungswürdige Integration nicht zu belegen (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0277).

Demgegenüber haben die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen sind und den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht haben, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Heimatstadt Bagdad. Sie sind ausreichend gesund, arbeitsfähig und verfügen über Berufserfahrung (BF1 - BF3). Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf ihren Herkunftsstaat besteht sohin nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH, 13.11.2018, Ra 2018/21/0196; VwGH, 21.03.2018, Ra 2017/18/0333 bis 0335) sind im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 BFA-VG bei einer Rückkehrentscheidung, von der Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, überdies „die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder“, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR etwa VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072, Rn. 28, und daran anschließend VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0333 bis 0335, Rn. 13).

Im Hinblick auf den mj. BF4 ist festzuhalten, dass dieser in Bagdad geboren

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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