TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 L519 2150311-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L519 2150323-1/27E

L519 2150311-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerden der 1. XXXX , geb. XXXX , StA Irak und des 2. XXXX , geb. XXXX , StA Irak, beide vertreten durch RA Mag. HALLER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2017, Zlen. 1068445507-150506977 und 1068446101-150507035, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.02.2021, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig sind.

II. Gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF werden XXXX und XXXX Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die leibliche Mutter des mündig minderjährigen Zweitbeschwerdeführers (BF2). Beide Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, der arabischen Volksgruppe zugehörig und sunnitischen Glaubens. Die BF1 ist mittlerweile zum Christentum konverviert.

2. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sich und den Zweitbeschwerdeführer im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 16.05.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF1 für sich und den BF2 bekannt, dass sie aus XXXX stamme und der IS Jugendliche rekrutieren würde. Damit ihren Kindern dies erspart bleiben würde, hätte sie das Land verlassen.

4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die BF1 am 03.08.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , im Beisein einer Dolmetscherin in arabischer Sprache von der zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Zu den Gründen ihrer Antragstellung befragt gab die BF1 an, dass der IS versucht hätte, ihre Söhne zu rekrutieren. Aus diesem Grund wäre die BF1 nach XXXX gezogen, wo es jedoch aufgrund konfessioneller Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten auch nicht besser gewesen wäre. Als der Nachbar getötet worden sei und die BF1 einen Drohbrief einer Miliz erhalten hätte, wäre sie nach XXXX verzogen.

Bezüglich des BF2 wurde ausgeführt, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe hat.

5. Von den BF wurden keine Stellungnahmen zu den aktuellen länderkundlichen Informationen eingebracht.

6. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Begründend führte das Bundesamt aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF1 von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt worden wäre. Es konnte auch sonst keine Bedrohung oder Verfolgung festgestellt werden.

In der Beweiswürdigung wurde diesbezüglich dargelegt, dass die Angaben der Erstbefragung mit denen der Einvernahme vor dem Bundesamt differieren würden. Die vorgebrachte Bedrohung durch Milizen und der Erhalt von Drohbriefen konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Das Bundesamt gehe viel mehr davon aus, dass der Irak aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen verlassen worden wäre.

Im Zuge des Familienverfahrens wurde beim BF2 vom Bundesamt auf die gleichen Gründe verwiesen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, die BF haben keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Den BF sei der Status subsidiär Schutzberechtigter nicht zuzuerkennen, weil keine Bedrohung iSd § 8 AsylG glaubhaft gemacht werden konnte. Auch sonstige, in der Person der BF liegende Merkmale wären diesbezüglich nicht hervorgekommen. Es hätten sich zusammenfassend keine Anhaltspunkte ergeben, dass die BF im Herkunftsstaat mit einer Verletzung der ihnen aus Art 3 EMRK zustehenden Rechte zu rechnen hätten. Den BF sei schließlich auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen.

7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

8. Gegen die den BF am 10.02.2017 zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege ihrer seinerzeitigen rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, in der Sache selbst zu entscheiden und die Bescheide vollinhaltlich zu den Spruchpunkten I. bis IV. aufzuheben, in eventu die angefochtenen Bescheide mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückzuverweisen, jedenfalls jedoch eine mündliche Verhanldung durchzuführen.

Inhaltlich wird angeführt, dass die BF aus wohlbegründeter Furcht aus der Heimat geflohen wären. Die BF hätten zu jeder Zeit des Verfahrens detaillierte Angaben getätigt, die jedoch vom Bundesamt überhaupt nicht in der Entscheidung berücksichtigt worden wären. Zudem wären die Ausführungen der BF glaubwürdig und übereinstimmend. Die BF wären von Schleppern nach Österreich geschleust worden, die dafür verwendeten Reisepässe hätten die Schlepper organisiert, die BF hätten davon keine Kenntnis haben können. Weil die BF schon mehrfach versucht hätten, innerhalb des Iraks den Wohnort zu wechseln, sei auch keine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben. Auch würden die BF als Sunniten einer Bedrohung durch Schiiten ausgesetzt sein. Jedenfalls hätten die BF den Irak aus wirtschaftlichen Gründen nicht verlassen. Auch würden sich die BF in Österreich um außerordentliche Intagration bemühen. Bei einer Rückkehr würde jedenfalls eine unmenschliche Behandlung und Verfolgung gem Art 2 und 3 EMRK drohen.

9. Am 27.12.2018 langte der Scheidungsbeschluss des BG XXXX , Zl. XXXX , ein. Die in XXXX geschossene Ehe der BF1 mit ihrem Gatten XXXX wurde demnach einvernehmlich geschieden.

10. Am 14.01.2019 wurden der BF1 die Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen übermittelt.

11. Mit Eingabe vom 24.02.2019 langte ein Konvolut an Empfehlungsschreiben und Bestätigungen der BF und ärztliche Bestätigungen der BF1 ein.

12. Am 25.02.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF1, samt deren rechtsfreundlicher Vertretung sowie einer Dolmetscherin für die arabische Sprache durchgeführt.

13. Am 31.05.2020 wurde die BF1 in der Pfarre XXXX getauft.

14. Mit Schreiben des BVwG vom 22.10.2020 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen Länderfeststellungen zur asyl- und abschieberelevanten Lage im Irak mit der Einladung übermittelt, binnen zwei Wochen (Einlangen BVwG) eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

15. Mit Eingabe vom 04.11.2020 langte die Stellungnahme zu den Länderfeststellungen der rechtlichen Vertretung ein. Darin wird primär auf die allgemeine Sicherheitslage, die Situation von Frauen und häuslicher Gewalt und Konversion hingewiesen. Weiters wurde ein Sprachdiplom B1 in Vorlage gebracht und mitgeteilt, dass die BF1 einen B1 Kurs für Pflegeberufe der Diakonie XXXX absolviert. Sie habe zudem ausgezeichnete Voraussetzungen zur Ausbildung zur Heimhilfe im städtischen Seniorenheim der Stadt XXXX .

12. Am 03.03.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung (Fortsetzung der Verhandlung vom 25.02.2019) im Beisein der BF1, samt deren rechtsfreundlicher Vertretung sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt.

13. Mit Eingabe vom 18.03.2021 wurde von der rechtlichen Vertretung die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen.

14. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX , sie ist Staatsangehörige des Irak, gehört zur arabischen Volksgruppe und ist nach in Österreich erfolgter Taufe Christin. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren. Sie lebte im Irak mit ihrem Gatten XXXX und den gemeinsamen vier Söhnen XXXX , XXXX , XXXX und XXXX (BF2). Die Ehe wurde in Österreich auf Betreiben der BF1 am 03.10.2018 geschieden. Der BF2 und XXXX wohnen bei der BF1, die beiden anderen Söhne wohnen beim Vater. Die Obsorge hinsichtlich des BF2 wurde beiden Elternteilen zugesprochen. Die Identität der BF1 steht fest.

Die BF1 leidet an chronischem Rheuma, sie hat einen doppelten Bandscheibenvorfall und steht in medizinischer Behandlung. Aufgrund häuslicher Gewalt durch den geschiedenen Gatten wurden zudem eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine mittelgradig depressive Episode diagnostiziert.

Die BF besuchte im Irak zwölf Jahre lang die Schule und machte das Lehramt für Sport. Sie war von 1983 bis 2007 als Sportlehrerin beschäftigt.

Im Herkunftsstaat leben noch ein Bruder und mehrere Tanten der BF1. Der Bruder ist als Beamter in XXXX beschäftigt.

Im Mai verließ die BF1 mit der Familie den Irak legal mit einem Flugzeug und stellte in weiterer Folge nach rechtswidriger Einreise am 16.05.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Zweitbeschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und sunnitischer Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX in XXXX geboren und lebte dort mit seinen Eltern und drei Brüdern bis zur Ausreise. Die Identität des BF2 steht fest.

Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.

Der Zweitbeschwerdeführer besuchte im Irak bis zur Ausreise die Schule. Er verließ im Mai mit seinen Eltern und Brüdern den Irak mit einem Flugzeug und stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise durch seine gesetzliche Vertretung am 16.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF verfügen über irakische Personalausweise im Original.

Die Beschwerdeführer gehören keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatten in ihrem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund ihres Bekenntnisses zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe zu gewärtigen hatten.

Die Beschwerdeführer halten sich seit dem 16.05.2015 durchgehend in Österreich auf und sind strafrechtlich unbescholten.

Die BF1 absolvierte mehrere Deutschkurse. Sie brachte zudem ein ÖIF Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1 in Vorlage. Derzeit absolviert sie eine Ausbildung zur Heimhelferin beim Diakoniewerk XXXX , Schule für Sozialbetreuungsberufe, im Ausmaß von 400 Stunden. Der Kurs endet am 11.02.2022. Zudem besucht die BF1 einen Lehrgang zum Nachholen des erwachsenengerechten Pflichtschulabschlusses, der voraussichtlich Ende März abgeschlossen wird. Eine Bewerbung bei der Senioreneinrichtung der Stadt XXXX als Heimhelferin wurde eingebracht und wird eine Anstellung im Falle des Abschlusses der Ausbildung zur Heimhelferin von der Stadt XXXX befürwortet. Die BF ist im Bewohnerservice der Stadt XXXX und in der Kirche XXXX ehrenamtlich tätig

Der BF2 hat die Polytechnische Schule XXXX am 10.07.2020 positiv abgeschlossen und besucht aktuell die erste Klasse der Bundeshandelsakademie XXXX .

Die BF haben in Österreich außer dem geschiedenen Gatten (Vater des BF2) und drei Söhnen (Brüder des BF2) keine Verwandten und pflegen im Übrigen normale soziale Kontakte. Sie sind für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.

Der Vater und drei Brüder des BF2 stellten in Österreich ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz, die vom Bundesamt abgewiesen wurden und auf Grund erhobener Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind.


2. Beweiswürdigung:

2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.2. Die Feststellungen zur Person der BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, familiäre und private Feststellungen in Heimatland) ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Die Feststellung zur Konversion der BF1 zum christlichen Glauben ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung über die Absolvierung eines zweijährigen Taufkurses, des Taufscheins der Pfarre XXXX und den Angaben der Zeugin XXXX in der mündlichen Verhandlung.

Aufgrund der im Verfahren in Vorlage gebrachten Personalausweise im Original konnte die Identität des BF festgestellt werden.

2.3. Bezüglich des Gesundheitszustandes der BF1 ist anzumerken, dass sich sich dieser aus den vorgelegten Attesten und Befunden ergibt. Der BF2 ist gesund und steht in keiner medizinischen Behandlung. Beide BF leiden an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.

2.4. Dass die BF1 in der Lage ist einer Arbeit nachzugehen und somit auch ihren Lebensunterhalt bestreiten kann, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben und dem Umstand, dass sie nach der Ausbildung zur Heimhelferin, einem Mangelberuf, beim Diakoniewerk XXXX im Ausmaß von 400 Stunden vielversprechende Aussichten hat, von der Senioreneinrichtung der Stadt XXXX übernommen zu werden.

Dass der BF2 die die allgemeine Schulplficht beendet hat, ist dem Abschlusszeugnis der Polytechnischen Schule XXXX zu entnehmen. Von der Bundeshandelsakademie XXXX wurde bestätigt, dass der BF2 aktuell die erste Klasse besucht.

2.5. Der Besuch von Deutschqualifizierungsmaßnahmen und die Absolvierung von diesbezüglichen Prüfungen ist den dementsprechenden Zertifikaten und Aussagen der BF zu entnehmen. Die Angaben der BF und die in diesem Zusammenhang vorgelegten Unterlagen bzgl. der Integration in Österreich werden der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

Die Mitgliedschaft bei Vereinen in Österreich lässt sich anhand der vorgelegten Bestätigungen ableiten und deckt sich mit den Angaben des BF im Verfahren.

Das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises erschließt sich aus den Unterstützungs- bzw. Empfehlungsschreiben.

2.6. Dass die BF in Österreich unbescholten sind, geht aus dem Strafregister der Republik Österreich hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Zu A)

3.2. Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidungen auf Dauer sowie Erteilung von Aufenthaltstiteln

3.2.1. Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

„§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

„§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

„§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2.       bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3.       gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2.       der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU” verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

„§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.“

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

„(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

3.2.2. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide wurden am 18.03.2021 zurückgezogen.

3.2.3. Es liegen keine Umstände vor, dass den BF Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wären.

Es erwies sich der bisherige Aufenthalt der BF im Bundesgebiet lediglich aufgrund der Asylantragstellung als legitimiert und liegt sohin keine Duldung iSd. § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG vor. Die BF waren auch weder Opfer noch Zeuge im Zusammenhang mit Menschenhandel, grenzüberschreitender Prostitution oder dergleichen.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

II.3.2.5. Die BF möchten offensichtlich das künftige Leben in Österreich gestalten und halten sich seit Mai 2015 im Bundesgebiet auf. Die BF1 konvertierte zum christlichen Glauben und wurde am 31.05.2020 nach zweijähriger Vorbereitungszeit in der Pfarre XXXX getauft. Die BF1 ist von ihrem ehemaligen Gatten geschieden und lebt mit dem BF2 und einem weiteren Sohn im gemeinsamen Haushalt zusammen. Beim Ex-Gatten wohnen zwei weitere Söhne. Die Beschwerden des ehemaligen Gatten und der drei gemeinsamen Söhne gegen die negativen Bescheide des Bundesamtes sind ebenfalls beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Von der BF1 wurden mehrere Deutschkurse absolviert, sie legte ein Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds auf dem Sprachniveau B1 vor. Aktuell absolviert sie eine Ausbildung zur Heimhelferin beim Diakoniewerk XXXX , Schule für Sozialbetreuungsberufe, im Ausmaß von 400 Stunden. Der Kurs endet am 11.02.2022. Weiters besucht die BF1 einen Lehrgang zum Nachholen des erwachsenengerechten Pflichtschulabschlusses, der voraussichtlich Ende März abgeschlossen wird. Ein konkretes Datum kann aufgrund der vorherrschenden COVID-19 Situation nicht bestimmt werden. Die BF1 hat sich bei der Senioreneinrichtung der Stadt XXXX beworben und wird eine Anstellung im Falle des Abschlusses der Ausbildung zur Heimhelferin von der Stadt XXXX befürwortet. Die BF ist im Bewohnerservice der Stadt XXXX und in der Kirche XXXX ehrenamtlich tätig

Der BF2 hat die Polytechnische Schule XXXX am 10.07.2020 positiv abgeschlossen und besucht aktuell die erste Klasse der Bundeshandelsakademie XXXX .

Die BF verfügen in Österreich über einen Freundeskreis und pflegen zahlreiche soziale Kontakte mit österreichischen Staatsbürgern. Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

Die Rückkehrentscheidung stellt somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben dar.

3.2.6. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

3.2.7. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der zu berücksichtigenden Kriterien Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

DIe BF sind seit der Asylantragstellung im Mai 2015 in Österreich. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten den Aufenthalt lediglich durch die Stellung unbegründeter Asylanträge vorübergehend legalisieren.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff.).

Zur Gewichtung der zeitlichen Komponente hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2012/18/0027, wie auch in anderen Erkenntnissen auch, wiederholt ausgesprochen, dass ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt - auch dann, wenn die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen ist - den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen kann. Bei einer solchen, dermaßen langen Aufenthaltsdauer wird regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung auszugehen sein. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 2012, Zl. 2010/22/0136, und vom 20. März 2012, Zl. 2011/18/0256, jeweils mwN; zur Rechtsla

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten