TE Bvwg Beschluss 2021/3/23 G313 1409906-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


G313 1311171-3/2E
G313 1317757-3/2E
G313 1409906-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , (BF1), des XXXX , geb. XXXX , (BF2), und der XXXX , (BF3), geb. XXXX , alle BF StA. Nordmazedonien, BF3 gesetzlich vertreten durch ihren Vater BF1 und alle vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2020 (BF1), 04.08.2020 (BF2) und 27.07.2020 (BF3), Zl. XXXX (BF1), XXXX (BF2) und XXXX (BF3) beschlossen:

A)             In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und wird die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)             Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) wurde den Beschwerdeführern (im Folgenden: den BF oder den BF1, BF2 und BF3) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

2. Gegen diese Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Die Beschwerde des BF1 gegen den ihn betreffenden Bescheid vom 21.04.2020 langte am 06.07.2020, die Beschwerde des BF2 gegen den ihn betreffenden Bescheid vom 04.08.2020 langte am 17.09.2020 und die Beschwerde gegen den die BF3 betreffenden Bescheid vom 27.07.2020 langte am 09.09.2020, jeweils samt dazugehörigem Verwaltungsakt, beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF sind Staatsangehörige von Nordmazedonien.

1.2. Der BF1 ist der Vater des im August 2001 geborenen BF2 und der im Juni 2009 geborenen BF3 und der gesetzliche Vertreter der minderjährigen BF3.

1.3. Der BF1 wurde wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Oktober 2014, rechtskräftig mit Juli 2017, strafrechtlich verurteilt (BF1, Zl. 1311171-3, AS 285ff)

1.4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 09.08.2017 wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Beschwerde des BF1 gegen den Bescheid einer NAG-Behörde vom 29.03.2017 als unbegründet abgewiesen, und zwar mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides (vom 29.03.2017) abgeändert wurde und wie folgt zu lauten hatte:

„Gemäß § 41a und 47 NAG werden Ihre Anträge vom 3.5.2011, 13.9.2012, 6.9.2013 und 8.9.2014 (Spruchpunkt 1 des Bescheides vom 29.03.2017, …) abgewiesen.“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 300)

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt abgesprochen:

„1)

a) Das aufgrund Ihres Antrages vom 03.05.2011 auf Ersterteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ geführte und rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes-AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. von Amts wegen wiederaufgenommen. Das Verfahren tritt in den Stand zurück, in dem es sich vor Erteilung der Bewilligung vom 28.9.2011 befunden hat.

b) Das aufgrund Ihres Antrages vom 13.09.2012 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ geführte und rechtskräftig abgeschlossene verfahren wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes-AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. von Amts wegen wiederaufgenommen. Das Verfahren tritt in den Stand zurück, in dem es sich vor Erteilung der Bewilligung vom 29.9.2012 befunden hat.

c) Das aufgrund Ihres Antrages vom 06.09.2013 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ geführte und rechtskräftig abgeschlossene verfahren wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes-AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. von Amts wegen wiederaufgenommen. Das Verfahren tritt in den Stand zurück, in dem es sich vor Erteilung der Bewilligung vom 30.09.2013 befunden hat.

d) Das aufgrund Ihres Antrages vom 08.09.2014 auf Zweckänderung der Bewilligung „Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)“ geführte und rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm § 69 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes-AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. von Amts wegen wiederaufgenommen. Das Verfahren tritt in den Stand zurück, in dem es sich vor Erteilung der Bewilligung vom 12.09.2014 befunden hat.

2)

a) Gemäß §§ 30, 30a NAG iVm § 25 Abs. 3 NAG und § 24 NAG wird gleichzeitig Ihr Antrag vom 03.05.2011 auf Erteilung einer Erstbewilligung für den Zweck „Familienangehöriger“ nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-NAG 2005, BGBl. 100/2005) aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG abgewiesen.

b) Ihre eingebrachten Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträge auf Erteilung weiterer Bewilligungen für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte (plus)“ werden mangels Vorliegens eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich gemäß § 24 NAG abgewiesen.“

Begründend führte die belangte Behörde aus:

„Am (…).01.2001 ehelichten Sie die österreichische Staatsbürgerin (…) vor dem Standesamt (…) und brachten am 11.01.2001 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid (…) vom 09.03.2001 rechtskräftig abgelehnt. (Anmerkung: statt „2001“ war jeweils „2011“ gemeint)

Am 20.04.2011 (ha eingelangt am 03.05.2011) stellten Sie den unter Spruchpunkt 1) lit a genannten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, welcher bewilligt wurde. Ihre Verlängerungsanträge vom 13.09.2012 und vom 06.09.2013 wurden ebenfalls bewilligt. Auch Ihr Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot Karte (plus)“ vom 08.09.2014 wurde genehmigt und Ihnen eine Bewilligung mit dreijähriger Gültigkeit erteilt.

(…)

Für Frau (…) war die Ehe mit Ihnen bereits die vierte Eheschließung. Nachdem auch Ihre beiden Söhne aus erster Ehe Bewilligungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erhalten haben, wurde im November 2015 die Scheidung von Frau (…) eingeleitet. Die Ehe wurde schließlich im März 2014 geschieden. Danach holten Sie auch noch Ihre Tochter (…) nach Österreich.

Nun ehelichten Sie erneute die Kindesmutter, Frau (…) am (…)07.2016. Frau (…) hat am 12.09.2016 einen Erstantrag auf Erteilung einer Bewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft eingebracht.

Da der begründete Verdacht bestand, dass es sich bei Ihrer „Zwischenehe“ mit Frau (…) um eine Aufenthaltsehe gehandelt hat, die lediglich geschlossen wurde um Ihnen einen Aufenthaltstitel mit Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen und so den Nachzug der eigentlichen Familie, Frau (…) und der drei gemeinsamen Kinder, vorzubereiten, wurde die Landespolizeidirektion Wien ersucht, Ihre am (…)01.2011 geschlossene Ehe zu überprüfen. Es folgten umfangreiche Erhebungen und ein Abschlussbericht, in dem im Wesentlichen festgehalten wird, dass unweigerlich vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen ist.

(…)

Ihr Antrag vom 03.05.2011, sowie die Verlängerungsanträge vom 13.09.2012 und 06.09.2013, sowie Ihr Zweckänderungsantrag vom 08.09.2014 werden aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe, was eben einen absoluten Versagungsgrund nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz darstellt, abgewiesen.“

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 30.4.2017 (…)

Am 2.8.2017 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. (…)

Das Verwaltungsgericht hat durch seinen zuständigen Richter erwogen:

(…)

Der Beschwerdeführer ist seit Februar 2006 – mit kurzen Unterbrechungen – mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Er reiste im Februar 2006 nach Österreich ein und stellte am 7.2.2006 einen Asylantrag, welcher lt. Bericht der LPD Wien „am 27.5.2010 negativ beschieden“ wurde. Am 11.1.2011 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf „Familienangehöriger von Österreicher“, welcher mit Bescheid vom 9.3.2911 abgewiesen wurde, da gegen ihn vom Bundesasylamt mit Bescheid eine „Ausweisung erlassen“ wurde. Am 3.5.2011 langte bei der belangten Behörde ein weiterer Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein, in welchem er sich auf seine Ehe mit (…) stützte.

Laut IZR-Auszug verfügte der Beschwerdeführer in folgenden Zeiträumen über folgende Aufenthaltstitel:

?        28.9.11-28.9.12 „Familienangehöriger“

?        29.9.12-29.9.13 „Familienangehöriger“

?        30.9.13-30.9.14 „Familienangehöriger“

?        12.9.14-12.9.17 Rot-Weiß-Rot Karte plus

Am (…)9.1997 heiratete der Beschwerdeführer (…). Am 9.11.2010 folgte die Scheidung. Am 7.1.2011 heiratete der Beschwerdeführer (…) Diese Ehe wurde mit 14.4.2014 geschieden. Am (…).7.2016 heiratete der Beschwerdeführer ein weiteres Mal seine vorgehende Ehefrau (…).

Der Beschwerdeführer hat gemeinsam mit (…) 3 Kinder und zwar (…), geb. (…).9.1999, (…), geb. (…)8.2011 und (…), geb. (…)6.2009. Die Kinder besitzen ebenfalls die Staatsangehörigkeit Mazedoniens.

(…) ist mazedonische Staatsangehörige. Laut Zentralem Melderegister hatte sie von 11.9.2007 bis 29.6.2012, von 17.8. bis 3.11.2016 und seit 7.2.2017 in Wien ihren Hauptwohnsitz. Weitere Meldungen im ZMR scheinen nicht auf. Am 12.9.2016 stellte sie bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und stützte sich dabei auf ihre Ehe mit dem Beschwerdeführer. (…) ist zum zweiten Mal mit dem Beschwerdeführer verheiratet, weitere Ehen bestehen nicht.

(…) wurde in Serbien und Montenegro geboren. Sie besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und war bereits vier Mal verheiratet.

Der Beschwerdeführer und (…) heirateten am (…)1.2011. Diese Eheschließung hatte lediglich den Zweck dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel in Österreich zu verschaffen. Es war zwischen ihnen nicht beabsichtigt ein gemeinsames Familienleben (iS des Art. 8 EMRK) zu führen und wurde ein solches in weiterer Folge auch nicht geführt. (…) lebte auch nach ihrer Eheschließung mit dem Beschwerdeführer bei ihrem ehemaligen Gatten (…) in Wien (…). Der Beschwerdeführer hingegen lebte gemeinsam mit (…) und ihren 3 gemeinsamen Kindern in der Wohnung von (…) in Wien (…).

Mit Urteil des BG (…) wurden der Beschwerdeführer und (…) für schuldig befunden folgendes Vergehen begangen zu haben:

„Die Angeklagten (…) und (…) sind schuldig im Sinne des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. Jänner 2014 und haben

1.) (…) als Österreicherin am (…). Jänner 2011 am Standesamt (…) mit dem Fremden (…) die Ehe geschlossen, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK führen zu wollen, obwohl sie wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung, oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels oder für den Erwerb der Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen will.

2.) (…) zu der unter Punkt 1.) geschilderten tat beigetragen, indem er die Ehe am (…). Jänner 2001 am Standesamt (…) mit (…) schloss und sich in der Folge auf diese Ehe am 11. Jänner 2011 berief und einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger stellte.“

(…)

Rechtlich folgt daraus:

(…)

A.       Zur Wiederaufnahme des Verfahrens

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs.3 AVG ist die amtswegige Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ohne zeitliche Einschränkung zulässig, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

(…)

Dadurch, dass sich der Beschwerdeführer bei seinen Anträgen auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf seine Ehe mit (…), bei der es sich um eine Aufenthaltsehe handelte, stützte, hat die Erteilung der Aufenthaltstitel erschlichen:

Mit dem bei der belangten Behörde am 3.5.2011 eingelangten Erstantrag „auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ als auch bei den Verlängerungsanträgen „Familienangehöriger von Österreicher“, eingelangt am 13.9.2012 und 6.9.2013, stützte sich der Beschwerdeführer auf seine Ehe mit der Österreicherin (…) und hat hierdurch die ihm erteilten Aufenthaltstitel erschlichen.

Mit Antrag vom 8.9.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot Karte plus. Wenngleich zu diesem Zeitpunkt die Aufenthaltsehe mit (…) nicht mehr bestand, liegen auch hinsichtlich dieses Verfahrens die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme vor, da die vorhergehenden Aufenthaltstitel, die Voraussetzung für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels waren, erschlichen wurden. Durch das Stützen auf die Aufenthaltsehe wurde nämlich die positive Erledigung des Erstantrages (und weiterer Verlängerungsanträge) herbeigeführt und war dies Voraussetzung für die Beurteilung des nachfolgenden Verlängerungs- und Zweckänderungsantrages vom 8.9.2014 und für dessen Erfolg. Daraus folgt, dass auch das Verlängerungs- und Zweckänderungsverfahren wiederaufgenommen werden kann (vgl. VwGH vom 19.1.2012, Zl. 2010/22/0031).

B.       Anträge auf Erteilung der Aufenthaltstitel

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Anträge des Beschwerdeführers vom 3.5.2011, 13.9.2012, 6.9.2013 und 8.9.2014 auf Grund des absoluten Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG abzuweisen wären.

Wie der VwH in seinem Erkenntnis vom 26.2.2013, Zl. 2009/22/0091, aussprach, kann § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG nach seinem Wortlaut nur während des Bestehens einer Aufenthaltsehe herangezogen werden. Liegt in dem für das wiederaufgenommene Aufenthaltsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt (dh Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses) keine Aufenthaltsehe mehr vor, kann § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG für die Versagung des Aufenthaltstitels nicht herangezogen werden.

Da die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und (…) zwischenzeitig geschieden wurde, kann zwar die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Aufenthaltsehe, nicht aber die Abweisung des Antrages auf § 11 Abs. 1z. 4 Nag gestützt werden.

Maßgeblich für die neue Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses) im wieder aufgenommenen Verfahren (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 70, Stand 1.4.2009, rdb.at).

Hinsichtlich des beantragten Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ ist gem. § 47 NAG besondere Erteilungsvoraussetzung, dass der Antragsteller Familienangehöriger eines Österreichers oder EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ist. Dies ist beim Beschwerdeführer jedoch nicht der Fall. Der Beschwerdeführer ist mit (…), welche mazedonische (Anmerkung: nunmehr „nordmazedonische“) Staatsangehörige und im Übrigen in Österreich nicht aufenthaltsberechtigt ist, verheiratet. Der Beschwerdeführer erfüllt daher nicht die diesbezügliche besondere Erteilungsvoraussetzung des § 47 NAG. Dies gilt für den Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot Karte plus vom 8.9.2015 (Anmerkung: damit offenbar „08.09.2014“ gemeint) sinngemäß. Auch bezüglich dieses Antrages mangels es am Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 41a NAG.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung bestimmter Erteilungsvoraussetzungen bzw. trotz des Vorliegens bestimmter Erteilungshindernisse erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Zusammenhang mit Erkenntnis vom 19.2.2014, Zl. 2013/22/0177, aus, dass der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 NAG nicht Fälle erfasst, in denen eine besondere Erteilungsvoraussetzung fehlt (vgl. hierzu auch VwGH vom 14.5.2009, Zl. 2008/22/0209).“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 301ff)

1.5. Mit Schreiben des BFA vom 13.02.2018 wurde der rechtlich vertretene BF1 vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt bzw. ihm vorgehalten, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn beabsichtigt sei, und ihm die Möglichkeit gegeben, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung dieser Verständigung eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben und die an ihn gestellten Fragen zu seinen individuellen familiären und privaten Verhältnissen zu beantworten. (BF1, Zl. 1311171-3, AS 331ff)

Mit Schreiben des BFA vom 21.02.2019 wurde der rechtlich vertretene BF1 abermals vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt bzw. ihm vorgehalten, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn beabsichtigt sei, und ihm die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben und die an ihn gestellten Fragen zu seinen individuellen familiären und privaten Verhältnissen zu beantworten. (BF1, Zl. 1311171-3, AS 335ff)

Am 05.11.2019 wurde der BF1 anlässlich der von der belangten Behörde beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, und zwar ohne Dolmetscher in deutscher Sprache.

Die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA fand zwischen dem Leiter der Amtshandlung bzw. Einvernahme (im Folgenden: „LA“) und dem BF1 (im Folgenden: „VP“) auszugsweise wie folgt statt (im Folgenden für die Schule des jüngeren Sohnes des BF1 „eine HTL“, AS 344):

„Stand des Ermittlungsverfahrens:

LA: Sie halten sich ohne gültigen Aufenthaltstitel seit 01.04.2017 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

LA: Seit wann sind Sie in Österreich?

VP: Seit 2006.

LA: Sind Sie dazwischen ausgereist?

VP. Nur für ein paar Tage.

LA: Warum haben Sie keinen Aufenthaltstitel?

VP: Ich hatte Probleme mit der Frau, wir waren dann auch beim Gericht und ich habe auch wieder ein Visum bekommen und 2017 dann nicht mehr, ich weiß aber nicht warum.

LA: Welche Ausbildung haben Sie in Serbien gemacht? Wovon haben Sie gelebt?

VP: Ich habe Kranfahrer im Wifi gelernt.

LA: Machen Sie Angaben zu Ihren persönlichen Verhältnissen.

VP: Ich bin verheiratet und habe 3 Kinder, Sie sind 20, 18 und 10.

LA: Mit wem sind Sie verheiratet?

VP: Mit Frau (…). (…). Sie lebt in Mazedonien, sie möchte zu mir kommen.

LA: Seit wann kennen Sie diese Frau?

VP: Sie ist die Mutter meiner Kinder.

LA: Haben Sie in Österreich Familienangehörige?

VP: Ja einen Bruder in Wien. Meine Kinder sind auch hier, einer ist hier geboren.

(…)

LA. Wovon leben Sie hier in Österreich?

VP: Ich arbeite. (…).

LA: Wie verbringen Sie den Alltag hier in Österreich? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

VP: Momentan Zimmerer. Wenn ich arbeite habe ich nicht viel Zeit, dann schlafe ich nur.

LA: Was machen Sie sonst noch in Ihrer Freizeit?

VP: Ich gehe mit den Kindern in den Park, der ältere Sohn spielt Fußball, da schaun wir auch zu.

(…)

LA: Welche integrativen Schritte haben Sie seit Ihrem Aufenthalt in Österreich gesetzt?

VP: Alles was man muss, ich ging in den Deutschkurs von A1-B1. Mein Anwalt wird die Zeugnisse nachreichen.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Mazedonisch, serbisch und Deutsch. Ich spreche mit den Kindern nur Deutsch.

LA: Sie wurden am 03.08.2015 rechtskräftig wegen Eingehens einer Scheinehe verurteilt?

VP: Was soll ich sagen.

LA: Gestehen Sie die Scheinehe ein?

VP: Für mich war es keine Scheinehe.

LA. Wieso sind Sie jetzt wieder mit der Mutter ihrer Kinder verheiratet?

VP: Ich muss sie wegen den Kindern wieder nehmen.

LA: Warum gehen Sie mit ihren Kindern nicht zurück nach Mazedonien zu Ihrer Frau?

VP: Meine Kinder haben hier die Freunde und der kleine geht auch hier in die Schule. Das Leben meiner Kinder ist hier.

LA. Was machen Ihre älteren Kinder?

VP: Der jüngere ist in einer HTL in der 3. Klasse. Der älteste arbeitet mir mit. (AS 344)

LA: Warum wollen Sie in Österreich bleiben?

VP. Ich und meine Kinder sind integriert. Deswegen.

LA: Sie haben sich ihren Aufenthalt durch die Scheinehe erschlichen?

VP: Für mich war es keine Scheinehe.

LA: Sollte das Verfahren negativ abgeschlossen werden, werden Sie Österreich dann freiwillig verlassen?

VP: Ja, wenn ich muss dann gehe ich freiwillig.

LA: Haben Sie alles verstanden?

VP: Ja.

Entscheidung

Ihre heutigen Angaben wie auch die vorgelegte Stellungnahme werden zur Entscheidungsfindung bei Ihnen und den Verfahren der jüngeren Kinder herangezogen.

(…).“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 342ff)

Der BF1 gab abschließend befragt, ob er noch Fragen habe, Folgendes an:

„Ich habe nur eine Bitte, wenns geht will ich mit die Kinder hier bleiben.“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 344)

In der vorgelegten Stellungnahme des BF1 bzw. seines Rechtsvertreters vom 05.11.2019 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„(…) Am 12.09.2014 wurde der Zweckänderungsantrag des Revisionswerbers auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ – trotz von der MA 35 selbst eingeleiteten Ermittlungen zur Aufenthaltsehe und bereits laufenden Strafverfahren – bewilligt.

Auch seinen Kindern (…), (…) und (…) wurden Aufenthaltstitel erteilt. Die Kinder leben seit 2007 durchgehend in Österreich, die (…) wurde in Österreich geboren.

(…) Bei der nun durchzuführenden Entscheidung ist eine Abwägung der privaten mit den öffentlichen Interessen vorzunehmen.

Hierbei ist insbesondere auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, dass das Magistrat die Aufenthaltstitel zu einem Zeitpunkt erteilte, zu welchen die Familie aufgrund der laufenden Verfahren (Strafverfahren/Aufenthaltsverbotsverfahren) nicht mehr mit einem Verbleib in Österreich rechneten und daher nach der – überraschenden Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen zu Recht davon ausgehen konnten, dass der Aufenthalt in Österreich gesichert sei.

(…) Insbesondere ist auf den nun mehr als zehnjährigen Aufenthalt besonders Bedacht zu nehmen. (…)

Die Familie hat die Zeit in Österreich hingegen genutzt, um sich zu integrieren. (…) wurde in Österreich geboren, die beiden Brüder verbrachten den weitaus größten Teil ihres Lebens in Österreich.

Die Kriterien einer Interessensabwägung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG liegen im hohen Ausmaß vor:

Ziff 1: Bis 2017 war der Aufenthalt rechtmäßig

Ziff 3, 4: Aufgrund des mehr als 10-jährigen Aufenthaltes, der völligen sozialen- und beruflichen Integration liegt ein kaum steigerbares Privat- und Familienleben vor.

Die Sprachkenntnisse der Kinder entsprechen Muttersprachenniveau, der Vater hat ein Sprachdiplom B1 erworben.

Ziff 5: Aufgrund des mehr als zehnjährigen Aufenthaltes in Österreich sind die Bindungen zum Heimatstaat lediglich von geringer Bedeutung.

Ziff 6,7: Neben der Scheineheverurteilung im Jahr 2014 liegen keinerlei Übertretungen der österreichischen Rechtsordnung vor.

Ziff 8: Das zu berücksichtigende Privatleben entstand zu einem Zeitpunkt, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus nicht bewusst sein musste, zumindest nach Erteilung der Aufenthaltstitel im Jahr 2014 konnte die Familie von einem gesicherten Verbleib in Österreich ausgehen.

Aufgrund des nunmehr zehnjährigen Aufenthaltes, der im hohen Ausmaß bestehenden Integration ist aufgrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs davon auszugehen, dass eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig wäre. (…).“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 349f)

1.6. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA wurde den BF1, BF2 und BF3 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

1.6.1. Die den BF1 betreffende Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„(…)

C) Feststellungen

(…)

Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

?        Sie befinden sich laut Aktenlage seit 2006 im Bundesgebiet.

?        Laut Aktenlage besitzen Sie keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet.

Ihr letzter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich wurde von der Magistratsabteilung rechtskräftig zurückgewiesen.

Ihr Erstantrag auf einen Aufenthaltstitel nach NAG wurde in einem Wiederaufnahmeverfahren von der MA 35 abgewiesen.

?        Ihr Aufenthalt ist zweifelsfrei unrechtmäßig in Österreich.

?        Nachdem Ihr Versuch in Österreich als Flüchtling anerkannt zu werden, scheiterte, erschlichen Sie sich einen Aufenthaltstitel durch Eingehen einer Scheinehe.

?        Der Aufenthaltsehe ist als erwiesen anzusehen, zumal Sie rechtskräftig hierfür verurteilt wurden.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

?        In Österreich leben ihre Kinder und ein Bruder von Ihnen. Ihre Kinder befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

?        Sie sind verheiratet und sorgepflichtig für ein Kind.

?        Laut eigenen Angaben gehen Sie in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach. Sie sind nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis für das österreichische Bundesgebiet.

?        Sie stehen in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Personen im Bundesgebiet.

?        Sie sind weder ein Mitglied in einem Verein noch in einer Organisation.

?        In Ihrer Freizeit schlafen Sie laut eigenen Angaben und verbringen Zeit mit Ihren Kindern.

?        Auf Grund Ihrer Verurteilung kann von einer Integration bezogen auf die österreichische Gesellschaft und Kultur nicht ausgegangen werden.“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 349f)

E) Rechtliche Beurteilung

(…)

Spruchpunkt II.:

(…)

In Österreich leben Ihre Kinder und ein Bruder von Ihnen. Ansonsten bestehen keine familiären Bindungen zu Österreich.

Ihre Kinder befinden sich, wie auch Sie, unrechtmäßig im Bundesgebiet und ist in den Verfahren Ihrer Kinder auch mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu rechnen. Sie verfügen im österreichischen Bundesgebiet über keine besonders schützenswerten familiären Beziehungen zu einer zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person. Es ist unzweifelhaft vom Vorliegen eines Familienlebens auszugehen. Es ist unzweifelhaft vom Vorliegen eines Familienlebens auszugehen. Da jedoch durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme alle Familienmitglieder Ihrer Kernfamilie im selben Ausmaß betroffen sind, liegt im Falle der gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat kein rechtswidriger Eingriff in das Familienleben vor.

(…)

Sie befinden sich nun seit ungefähr 14 Jahren im Bundesgebiet. Den überwiegenden Teil befanden Sie sich – unter Vortäuschung falscher Tatsachen – rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie haben sich Ihr Aufenthaltsrecht in Österreich durch das Eingehen einer Scheinehe erschlichen.

Sie beziehen seit Jänner 2020 Arbeitslosengeld und sind somit auch versichert.

Von einer Integration bezogen auf die österreichische Kultur und österreichische Gesellschaft kann bei Ihnen nicht ausgegangen werden.

Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer ist bei Ihnen von einer gewissen Integration auszugehen.

Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese so schützenswert wäre, dass sie einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal Ihr Privatleben in Österreich unter der Vortäuschung falscher Tatsachen entstand.

(…)

Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

Sie befinden sich laut Aktenlage seit 14 Jahren im Bundesgebiet und war ihr Aufenthalt unter Vortäuschung falscher Tatsachen überwiegend rechtmäßig. Sie gingen eine Scheinehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Die Scheinehe ist als erwiesen anzusehen.

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

In Österreich leben Ihre Kinder und ein Bruder von Ihnen. Ihre Kinder befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Zu Österreich bestehen keine beruflichen Bindungen. Wie oben bereits ausführlich dargelegt konnte die Behörde in Ihrem Fall kein so schützenswertes Privatleben feststellen, dass dies einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal es auf Grund vorliegender Erfahrungswerte lebensnah ist, dass Sie während eines so langen Aufenthaltes ein gewisses Privatleben aufgebaut haben.

4.       der Grad der Integration

Sie wiesen keine außerordentlichen integrativen Leistungen vor. Sie sind mit Sicherheit nicht derart integriert, dass eine Rückkehrentscheidung (…) unzulässig wäre.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden

Ihre Gattin befindet sich nach wie vor in Ihrer Heimat.

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit

folgende Verurteilungen scheinen in Ihrem Strafregister auf:

01)      BG (…) vom (…)10.2014 RK (…) 08.2015

§ 12 3. Fall StGB § 117 (1 u 4) FPG

Datum der (letzten) Tat 07.01.2011

Geldstrafe von 90 Tags zu je 4,00 EUR (360,00 EUR) im NEF 45 Tage

Ersatzfreiheitsstrafe

Vollzugsdatum 04.09.2015

?        Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und an sozialem Frieden. Das von Ihnen gezeigte Verhalten ist erst vor kurzem gesetzt und ist aufgrund Ihrer wirtschaftlichen Situation damit zu rechnen. Es muss daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Sie befinden sich unrechtmäßig in Österreich und ist Ihnen dieser Umstand auch bewusst. Ihren bisherigen Aufenthaltstitel haben Sie sich erschlichen.

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Ihr Privat- und Familienleben entstand zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie augenscheinlich rechtmäßig aufhältig waren im Bundesgebiet. Anzumerken ist jedoch, dass Ihre Aufenthaltstitel durch eine Scheinehe erschlichen waren.

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist

Fest steht, dass es zu keiner der Behörde zurechenbaren Verzögerung in Ihren Verfahren kam. Das Verfahren nahm bis zur Entscheidungsfindung eine durchschnittliche Zeit in Anspruch. Weiters ist anzumerken, dass Sie auf keine Verständigungen eine Stellungnahme abgaben und somit bewusst eine Kooperation mit der Behörde vermieden.

Es muss somit davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass dies erforderlich ist, um in Ihnen einen positiven Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken.

Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. (…).“ (BF1, Zl. 1311171-3, AS 411 ff)

1.6.2. Die den BF2 betreffende Entscheidung wurde auszugsweise wie folgt begründet:

„(…)

C) Feststellungen

(…)

Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich

?        Sie befinden sich seit 07.09.2007 im Bundesgebiet.

?        Laut Aktenlage besitzen Sie keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet.

Ihr letzter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich wurde von der Magistratsabteilung rechtskräftig zurückgewiesen.

?        Ihr Aufenthalt ist zweifelsfrei unrechtmäßig in Österreich.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben

?        In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Schwester. Diese befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

?        Sie stehen zu keiner anderen Person in Österreich in einem Abhängigkeitsverhältnis.

?        Sie leben seit ungefähr 13 Jahren in Österreich und ist auf Grund dieses Aufenthalts von einem gewissen Privat- und Familienleben auszugehen. (BF2, Zl. 1317757-3, AS 307f)

(…)

E) Rechtliche Beurteilung

(…)

Spruchpunkt II.:

(…)

In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Schwester. Ansonsten bestehen keine familiären Bindungen zu Österreich.

Ihre Familienangehörigen befinden sich, wie auch Sie, unrechtmäßig im Bundesgebiet und ist in den Verfahren dieser auch mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu rechnen. Sie verfügen im österreichischen Bundesgebiet über keinen besonders schützenswerten familiären Beziehungen zu einer zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person. Da jedoch durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme alle Familienmitglieder Ihrer Kernfamilie im selben Ausmaß betroffen sind, liegt im Falle der gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat kein rechtswidriger Eingriff in das Familienleben vor.

(…)

Sie befinden sich nun seit ungefähr 13 Jahren im Bundesgebiet. Sie verfügen über keinen Versicherungsschutz im Bundesgebiet.

Von einer Integration bezogen auf die österreichische Kultur und österreichische Gesellschaft kann bei Ihnen nicht ausgegangen werden.

Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer ist bei Ihnen von einer gewissen Integration auszugehen.

Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese so schützenswert wäre, dass sie einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal Ihr Privatleben in Österreich unter Vortäuschung falscher Tatsachen entstand. Ihr Vater ging eine Scheinehe ein und erschlich somit seinen eigenen Aufenthaltstitel und auch Ihren. Das Fehlverhalten Ihres Vaters wird jedoch nicht Ihnen zu Lasten gelegt. Sie sind mittlerweile volljährig und somit nicht abhängig von Ihrem Vater, jedoch steht fest, dass Sie keine Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht in Österreich haben.

(…)

Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

Sie befinden sich laut Aktenlage seit ca. 13 Jahren im Bundesgebiet und war ihr Aufenthalt unter Vortäuschung falscher Tatsachen überwiegend rechtmäßig. Ihr Vater ging eine Scheinehe ein, um sich seinen Aufenthaltstitel und auch Ihren zu erschleichen.

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Schwester. Diese befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Zu Österreich bestehen keine beruflichen Bindungen. Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach und besteht auch kein Versicherungsschutz im Bundesgebiet. Wie oben bereits ausführlich dargelegt konnte die Behörde in Ihrem Fall kein so schützenswertes Privatleben feststellen, dass dies einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal es auf Grund vorliegender Erfahrungswerte lebensnah ist, dass Sie während eines so langen Aufenthaltes ein gewisses Privatleben aufgebaut haben.

4.       der Grad der Integration

Sie wiesen keine außerordentlichen integrativen Leistungen vor. Sie sind mit Sicherheit nicht derart integriert, dass eine Rückkehrentscheidung (…) unzulässig wäre. Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer ist von einer gewissen Integration auszugehen.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden

Ihre Mutter befindet sich nach wie vor in Ihrer Heimat.

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit

Sie sind strafrechtlich unbescholten.

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Sie befinden sich unrechtmäßig in Österreich. Ihre bisherigen Aufenthaltstitel wurden durch Ihren Vater erschlichen. Sie verfügten auch über eine temporäre Aufenthaltserlaubnis auf Grund Ihres Verfahrens auf internationalen Schutz.

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Ihr Privat- und Familienleben entstand zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie augenscheinlich rechtmäßig aufhältig waren im Bundesgebiet. Anzumerken ist jedoch, dass Ihre Aufenthaltstitel durch Ihren Vater durch Eingehen einer Scheinehe erschlichen waren.

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist

Fest steht, dass es zu keiner der Behörde zurechenbaren Verzögerung in Ihren Verfahren kam. Das Verfahren nahm bis zur Entscheidungsfindung eine durchschnittliche Zeit in Anspruch. Weiters ist anzumerken, dass Ihr Vater auf keine Verständigung eine Stellungnahme abgab und somit bewusst eine Kooperation mit der Behörde vermied.

Es muss somit davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass dies erforderlich ist, um in Ihnen einen positiven Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken.

Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. (…).“ (BF2, Zl. 1317757-3, AS 326 ff ff)

1.6.3. Die die minderjährige BF3 betreffende Entscheidung wurde auszugsweise wie folgt begründet:

„(…)

C) Feststellungen

(…)

Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich

?        Sie befinden sich seit Ihrer Geburt im Bundesgebiet.

?        Laut Aktenlage besitzen Sie keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet.

Ihr letzter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich wurde von der Magistratsabteilung rechtskräftig zurückgewiesen.

?        Ihr Aufenthalt ist zweifelsfrei unrechtmäßig in Österreich.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben

?        In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Brüder. Diese befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

?        Aufgrund Ihres jungen Alters stehen Sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Ihrem Vater.

?        Sie leben seit Ihrer Geburt in Österreich und ist auf Grund dieses Aufenthalts von einem gewissen Privat- und Familienleben auszugehen. (BF3, Zl. 1409906-3, AS 232f)

(…)

E) Rechtliche Beurteilung

(…)

Spruchpunkt II.:

(…)

In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Brüder. Ansonsten bestehen keine familiären Bindungen zu Österreich.

Ihre Familienangehörigen befinden sich, wie auch Sie, unrechtmäßig im Bundesgebiet und ist in den Verfahren dieser auch mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu rechnen. Sie verfügen im österreichischen Bundesgebiet über keinen besonders schützenswerten familiären Beziehungen zu einer zum dauernden Aufenthalt berechtigten Person. Es ist unzweifelhaft vom Vorliegen eines Familienlebens auszugehen. Da jedoch durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme alle Familienmitglieder Ihrer Kernfamilie im selben Ausmaß betroffen sind, liegt im Falle der gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat kein rechtswidriger Eingriff in das Familienleben vor.

(…)

Sie befinden sich nun seit ungefähr 10 Jahren im Bundesgebiet und sind bei Ihrem Vater mitversichert.

Von einer Integration bezogen auf die österreichische Kultur und österreichische Gesellschaft kann bei Ihnen nicht ausgegangen werden.

Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer ist bei Ihnen von einer gewissen Integration auszugehen.

Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese so schützenswert wäre, dass sie einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal Ihr Privatleben in Österreich unter Vortäuschung falscher Tatsachen entstand. Ihr Vater ging eine Scheinehe ein und erschlich somit seinen eigenen Aufenthaltstitel und auch Ihren. Das Fehlverhalten Ihres Vaters wird jedoch nicht Ihnen zu Lasten gelegt, jedoch ist anzumerken, dass Sie auf Grund Ihres Alters in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Ihrem Vater stehen und somit von seinen Entscheidungen unmittelbar betroffen sind. Somit sind Sie auch von einer zu erwartenden Ausreiseverpflichtung Ihres Vaters direkt betroffen.

(…)

Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

Sie befinden sich laut Aktenlage seit ca. 11 Jahren im Bundesgebiet und war ihr Aufenthalt unter Vortäuschung falscher Tatsachen überwiegend rechtmäßig. Ihr Vater ging eine Scheinehe ein, um sich seinen eigenen Aufenthaltstitel und auch Ihren zu erschleichen.

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

In Österreich leben Ihr Vater und Ihre Brüder. Diese befinden sich genauso wie Sie unrechtmäßig im Bundesgebiet.

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Zu Österreich bestehen keine beruflichen Bindungen. Sie unterliegen der Allgemeinen Schulpflicht in Österreich. Wie oben bereits ausführlich dargelegt konnte die Behörde in Ihrem Fall kein so schützenswertes Privatleben feststellen, dass dies einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde, zumal es auf Grund vorliegender Erfahrungswerte lebensnah ist, dass Sie während eines so langen Aufenthaltes ein gewisses Privatleben aufgebaut haben.

4.       der Grad der Integration

Sie wiesen keine außerordentlichen integrativen Leistungen vor. Sie sind mit Sicherheit nicht derart integriert, dass eine Rückkehrentscheidung (…) unzulässig wäre. Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer ist von einer gewissen Integration auszugehen.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden

Ihre Mutter befindet sich nach wie vor in Ihrer Heimat.

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit

Sie sind strafrechtlich unbescholten.

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Sie befinden sich unrechtmäßig in Österreich. Ihre bisherigen Aufenthaltstitel wurden durch Ihren Vater erschlichen. Sie verfügten auch über eine temporäre Aufenthaltserlaubnis auf Grund Ihres Verfahrens auf internationalen Schutz.

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Ihr Privat- und Familienleben entstand zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie augenscheinlich rechtmäßig aufhältig waren im Bundesgebiet. Anzumerken ist jedoch, dass Ihre Aufenthaltstitel durch Ihren Vater durch Eingehen einer Scheinehe erschlichen waren.

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist

Fest steht, dass es zu keiner der Behörde zurechenbaren Verzögerung in Ihren Verfahren kam. Das Verfahren nahm bis zur Entscheidungsfindung eine durchschnittliche Zeit in Anspruch. Weiters ist anzumerken, dass Ihr Vater auf keine Verständigung eine Stellungnahme abgab und somit bewusst eine Kooperation mit der Behörde vermied.

Es muss somit davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass dies erforderlich ist, um in Ihnen einen positiven Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken.

Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. (…).“ (BF3, Zl. 1409906-3, AS 253 ff ff)

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständlichen – zulässigen und rechtzeitigen – Beschwerden gegen Bescheide des BFA richten, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten