TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/30 G313 2218379-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2021
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Entscheidungsdatum

30.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G313 2218379-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Kroatien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2021 zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei (3) Jahre herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 18.03.2019, wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), und gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt langte mit Beschwerdevorlage-Schreiben vom 02.05.2019 am 06.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

4. Am 03.03.2021 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist kroatischer Staatsangehöriger.

1.2. Er reiste im Jahr 1991 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich ein.

1.3. Nach Antragstellung vom 22.03.1996 wurde dem BF am 02.04.1996 eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck „Familiengemeinschaft mit Fremden“ erteilt.

1.4. Der BF wurde im Bundesgebiet insgesamt dreimal strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

?        Urteil von Jänner 2017, rechtskräftig mit Mai 2017, wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Februar 2019 die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, mit

?        Urteil von Dezember 2018, rechtskräftig mit Dezember 2018, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgift und Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, und mit

?        Urteil von Februar 2019, rechtskräftig mit Februar 2019, wegen Verleumdung, falscher Beweisaussage und versuchter Begünstigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei diese Strafe unter Bedachtnahme auf das rechtskräftige Strafrechtsurteil von Dezember 2018 als Zusatzstrafe verhängt und vom Strafgericht im Juli 2020 beschlossen wurde, den BF am 14.08.2020, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, aus der Freiheitsstrafe zu entlassen.

Gegen Ende November 2019 ist der BF ist in elektronisch überwachten Hausarrest gekommen bzw. hat er die Fußfessel erhalten.

1.4.1. Der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Jänner 2017 lag Folgendes zugrunde:

„Der BF hat zusammen mit einem Mittäter

am 25. April 2015 an einem bestimmten Ort im Bundesgebiet in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken (…) durch das gewaltsame Zu-Boden-Bringen und das Versetzen mehrerer Schläge mit den Händen, sowie von Fußtritten gegen Brust, Rücken und Kopf in Form einer Distorsion der Halswirbelsäule, Prellungen des Brustbeins und des Brustkorbs sowie Abschürfungen im Bereich beider Unterarme am Körper verletzt.“

Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht keinen Umstand erschwerend und die bisherige Unbescholtenheit sowie den Umstand, dass das spätere Tatopfer die beiden Angeklagten im Lokal provozierte, mildernd.

1.4.2. Der zweiten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Dezember 2018 lag Folgendes zugrunde:

„Der BF hat an einem bestimmten und an weiteren Orten des Bundesgebietes vorschriftswidrig Suchtgift

1.       in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Mitte 2015 und Anfang März 2018 insgesamt rund 10,1 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von circa 10% THCA und 0,5 Delta-9-THC an teils bekannte Abnehmer, nämlich an

(…) (zumindest 6 kg),

(…) (1kg) und

(…) (300g),

sowie an teils unbekannte Abnehmer, nämlich an seine Arbeitskollegen (zumindest 2,8 kg) weitergegeben hat;

2.       erworben und besessen, nämlich zwischen Mitte 2015 und Mitte/Ende Juni 2018 Cannabiskraut und Kokain, wobei er die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging.“

Bei der Strafbemessung wurde vom Strafgericht das Geständnis des BF mildernd und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und die Tatbegehung während anhängigen Verfahren erschwerend gewertet.

1.4.3. Der dritten und letzten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Februar 2019 lag Folgendes zugrunde:

„Der BF hat an einem bestimmten Ort im Bundesgebiet

1. vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, nämlich

1.1. am 8. August 2018 im Zuge seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung gegen eine im Urteil namentlich genannte Person vor einem Straflandesgericht;

1.2. am 6. November 2018 im Zuge seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung gegen eine weitere im Urteil namentlich genannte Person vor einem Straflandesgericht;

2. einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen habe, der Verfolgung absichtlich zum Teil zu entziehen versucht, nämlich

2.1. durch die unter Faktum 1.1. im Strafrechtsurteil angeführte Äußerung die unter Punkt 1.1. namentlich genannte Person, die das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall und Abs. 4 Z 3 SMG u.a. begangen habe;

2.2. durch die unter Faktum 1.2. angeführte Äußerung die unter Punkt 1.2. namentlich genannte Person, die das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG u.a. begangen habe;

3. durch die unter Faktum 1.1. angeführte und nachstehende Äußerung, einen anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, teils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung (Faktum 3.2. und 3.3.), falsch verdächtigt habe, obwohl er gewusst habe (§ 5 Abs. 3), dass die Verdächtigung falsch sei, nämlich

3.1. eine bestimmte namentlich genannte Person des Vergehens der Nötigung nach § 105 StGB, durch die Äußerung:

„Über Vorhalt durch die Vorsitzende, dass er bereits Angaben zur Sache gemacht habe und über Befragen, ob diese der Wahrheit entsprochen haben, gibt der Zeuge an: Nein, das nicht gestimmt. …, weil ich durch Nötigung und Gewalt dazu gezwungen wurde.

Über Befragen, welche Gewalt dem Zeugen angetan wurde: Herr (…) wurde am 08.07.2018 von der Polizei einvernommen und am 08.07. hat er mich dann zu sich in den Garten gerufen und als ich zu ihm in den Garten gekommen bin, hat er mit zwei Leuten auf mich gewartet und mir gesagt, dass ich alles auf den Angeklagten schieben soll.

Über Befragen, weshalb (…) Interesse daran hatte, dass der Zeuge alles auf den Angeklagten schiebt: Weil er gewusst hat, dass der Angeklagte schon im Kosovo sitzt und ihm daher sowieso nichts mehr passieren würde. … Aber, das was ich gesagt habe mit den 10 bis 12 Kilogramm, das stimmt nicht. Ich bin dazu genötigt worden. Man hat mich bedroht, man hat meine Familie bedroht.

Über Befragen, wer ihn und seine Familie bedroht hat: Herr (...). ….

Über Befragen, ob (…) den Zeugen angerufen und ihm gesagt hat, dass dieser kommen solle: Ja, er hat mich am 08.07. angerufen und mir gesagt, dass wir uns treffen müssen. Er hat nichts Konkretes gesagt. Ich habe ihm gesagt, ich bin noch in (…) auf der Baustelle und dass ich heute noch arbeite, Freitag und Samstag aber frei habe. Am Donnerstag bin ich dann gegen 18:00 Uhr oder 19:00 Uhr nach (…) gekommen und ich bin zu seinem Garten gefahren. Als ich dann in seinen Garten reingegangen bin, hat er mit zwei Typen auf mich gewartet.

Über Befragen, um wen es sich bei diesen zwei Typen gehandelt hat: Ich kenne sie nicht. …

Über Befragen, was (…) dann zum Zeugen gesagt hat bzw. was diese beiden Männer gemacht haben: Der eine hat mich gegen die Hütte gedrückt und ich habe zwei Watschen kassiert.

Über Befragen, ob der Mann mit der flachen Hand oder der Faust zugeschlagen hat: Mit der flachen Hand. (…) hat mir dann gesagt, was ich aussagen muss.

Über Befragen, was genau (…) dem Zeugen gesagt habe: Er hat sieben bis zehn Kilo zugegeben bei der Polizei und er hat gesagt, er hat es von mir genommen und das wöchentlich 50-100 Gramm und ich soll das auf den Angeklagten schieben, weil der Angeklagte sowieso in Haft ist. Das hat der (…) gewusst. Ich hatte Angst. …

Über Befragen, ob (…) von dem Wert dieser 12,5 kg gesprochen habe bzw. was genau er dem Zeugen gesagt habe, was dieser vor der Polizei aussagen solle: Er hat mir gesagt, er hat bei der Polizei zwischen sieben und zehn Kilo zugegeben und er hat zugegeben, dass er es von mir gekauft hat im Zeitraum 2014 und 2017. Jede Woche – 50-100 Gramm. Und das hat mir die Polizei dann alles aufgerechnet.

Über Befragen, ob (…) also nicht von 12.5 kg gesprochen hat, sondern davon, dass er im Zeitraum von 2014 und 2017 wöchentlich 50-100 Gramm vom Zeugen gekauft habe und der Zeuge dies so der Polizei erzählen solle: Ja genau. …

3.2. GI (…) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB, durch die Äußerung:

„Über Vorhalt, dass er bei der Polizei noch von einem Kilo gesprochen habe: Nein, ein halbes Kilo.

Über Befragen, warum er dann bei der Polizei von einem Kilo gesprochen habe: Nein, es war kein Kilo, es war ein halbes Kilo.

Über Befragen, warum dann ein Kilo protokolliert wurde: Ich habe das Protokoll nicht gelesen. Die Polizei hat die Wörter alle zusammengemischt. Ich habe ihnen auch gesagt, ich habe es nicht durchgelesen, aber unterschrieben.

Über Vorhalt der ON 58 und über Befragen, ob es sich dabei um seine Unterschrift handle: Der Zeuge nimmt Einsicht und gibt an: Ja, das ist meine Unterschrift. Alle meine Wörter hat der Polizist umgedreht.

Die 12,5 kg hat die Polizei hochgerechnet. Ich habe ihnen gesagt, das kann gar nicht möglich sein. …

Über Vorhalt, dass er bei seiner Einvernahme 12,5, kg angegeben habe, bei seiner zweiten Einvernahme er dies bereits relativiert und zwischen sieben und acht Kilo genannt habe: Die Polizei relativiert diese 12,5 kg. Die haben diese Menge hochgerechnet.

Über Vorhalt, dass er bei der Polizei gesagt hat, dass er vom Angeklagten ca. 12,5 kg bekommen hat: Das hat die Polizei gesagt.


Über Vorhalt, dass er auch angegeben habe, dass er ein weiteres Kilo über Vermittlung des Angeklagten erhalten habe und über Befragen, was von dieser Aussage konkret er selbst gemacht hat und was die Polizei hineingeschrieben habe, ohne, dass der Zeuge das gesagt habe: Ich habe der Polizei gesagt … fast gar nichts habe ich eigentlich gesagt. Ich habe nur gesagt, dass das stimmt von 2014 bis 2017. Aber das habe ich nur gesagt, weil mir das der (…; Anmerkung: die unter Punkt 3.1. namentlich genannte Person) gesagt hat.

Über Befragen, was er selbst gesagt habe und was – seiner Meinung nach – die Polizei von sich aus ins Protokoll geschrieben habe: Die Polizei hat alles selbst hineingeschrieben. Die ganze Zahlen 50-100 Gramm. Er hat gesagt, das reicht ihm nicht, er muss mehr haben, das passt nicht zusammen mit den Zahlen. Und was soll ich sagen? Ich habe einfach irgendwas gesagt.

Über weiteren Vorhalt „Ich habe jetzt wirklich intensiv nachgedacht und ich würde sagen, dass ich mir so ca. alle 2,5 Monate beim (…; Anmerkung: d.i die im Strafrechtsurteil unter Punkt 1.1. namentlich genannte Person) jeweils ein Kilogramm Marihuana geholt habe bzw. er es mir eben gebracht hat“: Das stimmt nicht: Das mit „intensiv nachgedacht“ ist alles von der Polizei.

Über Befragen, ob er das so gesagt hat, wie es ihm vorgelesen wurde: Nein, habe ich nicht.

Über Befragen, was davon er nicht gesagt hat: ich habe nicht gesagt, dass ich intensiv nachgedacht habe. Das ist alles Blödsinn, was da steht.


Über Befragen, ob er bei der Polizei von einem Kilo oder von einem halben gesprochen hat: Von einem halben Kilo. Ich habe das bei der Polizei nicht durchgelesen. Er hat das ausgedruckt und ich habe gesagt, ich lese mir das gar nicht durch.

Über Befragen, ob er bei der Polizei von einem halben Kilo gesprochen hat: Ja.

Über Befragen, ob er dabei bleibt, dass der Angeklagte vom Kosovo aus nicht ein Kilo, sondern lediglich ein halbes Kilo vermittelt habe und die Polizei das eine Kilo von sich aus einfach so ins Protokoll geschrieben habe: Ja, richtig.

…“;

3.3. den im Strafrechtsurteil namentlich genannten Richter des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB, durch die Äußerung:

„Über Befragen, ob er dies dem Richter (…) gesagt habe: Ja genau.

Über Befragen durch die öffentliche Anklägerin, was genau der Zeuge dem Haftrichter gesagt habe: Das stimmt alles gar nicht, was ich gesagt habe, aber ich musste es tun.

Über Vorhalt, dass der Zeuge den Angeklagten nach seinen Angaben in seiner polizeilichen Einvernahme mit 12,5 kg belastet habe, weil er Angst vor (…) und dessen Freunden gehabt habe und über Befragen, warum der Zeuge dann im Zuge der Verhängung der Untersuchungshaft vor dem Haftrichter nicht überhaupt gleich gesagt habe, dass es nicht so war, wie er es bei der Polizei ausgesagt habe: Ich habe es dem Haftrichter bei der Haftverhandlung ja eh gesagt, wie es wirklich war.“

…“.

Bei der Strafbemessung dieses Urteils wurde vom Strafgericht das Geständnis des BF mildernd und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und die Tatbegehung während anhängigen Verfahrens erschwerend gewertet.

1.5. Der BF hat in Österreich seine Eltern und Brüder.

Er hat im Bundesgebiet zudem eine Lebensgefährtin, welche er 2014 kennengelernt hat und mit welcher er 2015 eine Beziehung eingegangen ist und abgesehen von Aufenthaltszeiten in Haft seit April 2016 in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, sowie einen mit ihr gemeinsamen im Juli 2020 geborenen, nunmehr rund dreiviertel Jahr alten Sohn.

Der BF lebt mit seiner Lebensgefährtin und dem mit ihr gemeinsamen Sohn in gemeinsamem Haushalt und auch mit seinen Eltern in demselben Wohngebäude, nur in verschiedenen Wohnungen, zusammen.

Er hat in Österreich außerdem eine im November 2008 geborene, nunmehr zwölf Jahre alte Tochter aus erster Ehe, die ihn jedes zweite Wochenende besuchen kommt, im Gegensatz zu seinen Eltern, Brüdern und seiner Lebensgefährtin in der Haftanstalt jedoch nicht besucht hat.

In seinem Herkunftsland Kroatien hat der BF noch eine „knapp 80 Jahre“ alte Großmutter, mit welcher er aufrechten Telefonkontakt hat, und eine Tante und einen Onkel. Die Lebensgefährtin des BF hat in Kroatien ebenso Verwandte.

1.6. Der BF hat in Österreich den Kindergarten, die Volks- und Hauptschule besucht und dann eine Lehre als Universalschweißer absolviert.

Er war im Bundesgebiet im Zeitraum von Jänner bis Februar 2013 gewerblich selbstständig erwerbstätig und bei verschiedenen Dienstgebern unselbstständig erwerbstätig, von September 2004 bis November 2006 Arbeiterlehrling, und ist dann von Juni 2007 bis Juli 2007 einer geringfügigen Beschäftigung und dann in den Zeiträumen von Februar 2008 bis Mai 2008, von Mai 2008 bis Juli 2008, von September 2008 bis März 2009, von September 2009 bis März 2010, von April 2010 bis April 2011, von Mai 2011 bis August 2011, von August 2011 bis Dezember 2011, von Jänner 2012 bis Februar 2012, von März 2012 bis April 2012, von April 2012 bis Dezember 2012, rund zwei Wochen im Jänner 2013, dann von März 2013 bis Mai 2013, von Juni 2013 bis September 2014, von November 2014 bis März 2015, von Juli 2015 bis Jänner 2017, von Februar 2017 bis März 2017, von März 2017 bis April 2017, zwei Wochen im Mai 2017, dann von Juni 2017 bis Februar 2018 und von Februar 2018 bis Juli 2018 diversen Mehrzeitbeschäftigungen nachgegangen und hat während seinen beschäftigungslosen Zeiten Arbeitslosengeld bezogen.

Nunmehr steht er seit 25.11.2019, bis zu seiner bedingten Haftentlassung am 14.08.2020 noch mit Fußfessel, bei dem Arbeitgeber in einem laufenden unbefristeten Arbeitsverhältnis, bei welchem er bereits in den Zeiträumen von Februar 2017 bis März 2017, von März 2017 bis April 2017 und von Februar 2018 bis Juli 2018, sowie in seiner Zeit als Freigänger ab 29.07.2019 über die Justizanstalt beschäftigt war.

Der BF hatte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.03.2021 laut seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben einen Kredit in Höhe von ca. 36.000,- bis 38.000,- Euro, welchen er in Raten von 374,- Euro monatlich zurückzahlt. (VH-Niederschrift, S. 6).

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung am 03.03.2021 befragt nach seinen sonstigen monatlichen Kosten Folgendes glaubhaft an:

„Miete, Anwaltszahlungen. Meine Anwaltszahlungen habe ich noch ca. ein Jahr, also 200,- Euro im Monat. Die Miete beträgt 300,- Euro mit Betriebskosten. Ich zahle 200,- Euro davon und 100,- Euro sind Betriebskosten, diese bezahlt meine Lebensgefährtin.“ (VH-Niederschrift, S. 7)

Die Lebensgefährtin des BF war im Bundesgebiet ab Juni 2017 erwerbstätig, und zwar von Juni 2017 bis September 2019 und von Oktober 2019 bis Mai 2020 beschäftigt, und von August 2018 bis April 2020 geringfügig beschäftigt, bezieht nunmehr seit Juli 2020 Kinderbetreuungsgeld und geht seit Jänner 2021 einer geringfügigen Beschäftigung nach.

1.7. Der BF war zuletzt im Oktober 2020 in Kroatien. Der Grund dafür war, dass er für seinen Sohn Identitätsdokumente – einen Staatsbürgerschaftsnachweis und einen Reisepass – beantragt hat.

1.8. Befragt in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, warum der BF aus seiner Sicht nicht nach Kroatien zurückkehren könne, spreche er doch die kroatische Sprache, gab der BF an:

„Ich habe in Österreich eine Lebensgefährtin und ein Kind aus erster Ehe, die österreichische Staatsbürgerin ist. Weiters meine Arbeit, in der ich auch beruflich aufgestiegen zum Obermonteur bin.“ (VH-Niederschrift, S. 6)

Befragt, ob es sonst einen Grund dafür gebe, gab der BF an:

„Ich habe auch einen Kredit in der Höhe von ca. 36.000,- bis 38.000,- Euro. Diesen zahle ich regelmäßig zurück, auch die Alimente für meine Tochter zahle ich regelmäßig. Außerdem muss ich eine Nachzahlung an Alimenten für die 16 Monate, die ich im Gefängnis war, zusätzlich zahlen.“

Diesbezügliche Unterlagen werden in Kopie vorgelegt und zum Akt genommen, wobei 374,- Euro an Kredit zu zahlen sind.“ (VH-Niederschrift, S. 6)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der unter dem Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2. Die unter Punkt II.1. getroffenen Feststellungen konnten nach der am 03.03.2021 vor dem BVwG mit dem BF durchgeführten mündlichen Verhandlung bzw. nach den das behördliche Ermittlungsverfahren ergänzenden Ermittlungen des BVwG getroffen werden:

2.2.1. Die im Spruch angeführte Identität des BF ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet bzw. zu seiner bisherigen Aufenthaltsdauer wurden aufgrund des diesbezüglich glaubhaften Akteninhalts getroffen.

Dass der BF seit 02.04.1996 im Besitz einer „Aufenthaltsbewilligung“ mit dem Aufenthaltszweck „Familiengemeinschaft mit Fremden“ ist, ergab sich aus einem ihn betreffenden Auszug aus dem „Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister – Auskunft“. Dass die Lebensgefährtin des BF seit 29.05.2018 im Besitz eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck „Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)“ ist, ergab sich aus einem sie betreffenden Auszug aus dem „Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister – Auskunft“.

2.2.3. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF im Bundesgebiet beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Dass der BF der leibliche Vater des im Juli 2020, nunmehr rund ein dreiviertel Jahr alten Sohnes seiner Lebensgefährtin ist, konnte er mit einer vorgelegten Kopie der Geburtsurkunde seines Sohnes von Juli 2020 glaubhaft machen.

Wie aus einer vorgelegten „Beurkundung (Beglaubigung) der Anerkennung der Vaterschaft (§145/147 ABGB)“ ersichtlich, hat der BF die Vaterschaft zum im Juli 2020 geborenen Sohn seiner Lebensgefährtin anerkannt.

Dass der BF und seine Lebensgefährtin in Kroatien noch Verwandte haben bzw. der BF in seinem Herkunftsstaat noch eine knapp 80 Jahre alte Großmutter und eine Tante und einen Onkel hat, ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.03.2021 (VH-Niederschrift, S. 7)

2.2.4. Die Feststellungen zu den rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF im Bundesgebiet beruhen auf einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich ebenso, wie dass der BF am 14.08.2020 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus seiner Strafhaft entlassen worden ist.

Die Feststellungen zu den strafbaren Handlungen des BF, die den rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegen, beruhen auf den diesbezüglichen Strafrechtsurteilen im Verwaltungsakt.

Dass der BF im Zeitraum von 17.07.2018 bis 07.03.2019 regelmäßig von seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und seiner Lebensgefährtin, und mitunter auch von weiteren Verwandten und Bekannten, besucht worden ist, ergab sich aus einer von der belangten Behörde angeforderten von der Justizanstalt am 08.03.2019 erstellten Besucherliste. (AS 367ff)

Der BF war laut Zentralmelderegisterauszug von 14.07.2018 bis 19.02.2019 mit Nebenwohnsitz, von 19.02.2019 bis 01.07.2019 mit Hauptwohnsitz und dann von 01.07.2019 bis 21.11.2019 wieder mit Nebenwohnsitz jeweils in Haft gemeldet.

Der BF sprach in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG davon, am 25.11.2019 die Fußfessel erhalten zu haben (VH-Niederschrift, S. 4). In Zusammenschau mit dem Zentralmelderegisterauszug und der dort eingetragenen letzten (Nebenwohnsitz-) Meldung des BF in Haft bis einschließlich 21.11.2019 und dem übrigen Akteninhalt konnte festgestellt werden, dass der BF gegen Ende November 2019 in elektronisch überwachten Hausarrest gekommen ist bzw. die Fußfessel erhalten hat.

2.2.5. Dass der BF in Österreich den Kindergarten besucht und die Volks- und Hauptschule und dann eine Lehre als Universalschweißer absolviert hat, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF und seiner Lebensgefährtin im Bundesgebiet beruhen auf die sie beide betreffenden AJ WEB – Auskunftsverfahrensauszügen.

Dass das nunmehrige Arbeitsverhältnis des BF unbefristet ist, hat der Arbeitgeber des BF in einer vom BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgelegten „Arbeitsbestätigung“ vom 11.02.2021 ebenso bestätigt wie die auch aus dem AJ WEB Auskunftsverfahren hervorgehenden „Vordienstzeiten“ des BF bei diesem Arbeitgeber in den Zeiträumen von Februar 2017 bis März 2017, von März 2017 bis April 2017 und von Februar 2018 bis Juli 2018. Dieser Arbeitgeber hat laut einem vorgelegtem für den BF abgegebenen „Empfehlungsschreiben“ vom 11.02.2021 den BF ab 29.07.2019 als Freigänger über die Justizanstalt beschäftigt und ihn dann wegen sehr guter Zusammenarbeit mit 25.11.2019 wiedereingestellt, wobei der BF zunächst – bis zur bedingten Haftentlassung am 14.08.2020 – mit Fußfessel beschäftigt war.

Dass der BF zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG eine Kreditsumme in Höhe von „ca. 36.000,- bis 38.000,- Euro“ zurückzuzahlen hatte und davon monatlich 374,- Euro monatlich zurückzuzahlen hat, ergab sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.03.2021 und einem vorgelegten eine Kreditratenzahlung in Höhe von 374,- bescheinigenden Nachweis (VH-Niederschrift, S. 6).

Dass der BF ansonsten von seinem monatlichen Verdienst, welcher sich laut seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auf monatlich „2.300,- Euro brutto ohne Zulagen“ bzw. „ca. 3.500,- Euro netto inklusive Zulagen“ beläuft, monatlich 200,- Euro Miete und noch ca. ein Jahr lang Anwaltszahlungen in Höhe von 200,- Euro zu zahlen hat, konnte der BF mit seinem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ebenso glaubhaft machen wie dass seine Lebensgefährtin monatlich 100,- Euro Betriebskosten zahlt (VH-Niederschrift, S. 7).

Dass die Lebensgefährtin des BF seit Juli 2020 Kinderbetreuungsgeld bezieht, ergibt sich aus dem sie betreffenden AJ WEB Auskunftsverfahrensauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(…)

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.1.2. Der BF fällt aufgrund seiner kroatischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG.

Zur Ermittlung des anzuwendenden Gefährdungsmaßstabes war zunächst festzustellen, ob sich der BF als Unionsbürger zehn Jahre lang im Bundesgebiet aufhält und demzufolge der Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG zur Anwendung kommt, oder nicht.

Die belangte Behörde führte diesbezüglich in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides Folgendes aus:

„Im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 16.01.2014, Rs C-400/12, wurde ausgeführt, dass der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss und vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung des Betroffenen an zurückzurechnen ist.

Weiters wurde im Rahmen der Auslegung des Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 festgestellt, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung durch ein nationales Gericht dazu angetan ist, deutlich zu machen, dass der Betroffene die von der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats in dessen Strafrecht zum Ausdruck gebrachten Werte nicht beachtet. Da der Grad der Integration der Betroffenen die wesentliche Grundlage sowohl für das Daueraufenthaltsrecht als auch für die Regelung zum Schutz vor Ausweisungsmaßnahmen, die beide in der Richtlinie 2004/38 vorgesehen sind, bildet, sind die Gründe, die es rechtfertigen, dass Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke des Erwerbs des Daueraufenthaltsrechts nicht berücksichtigt werden, oder dass sie die Kontinuität des Aufenthalts für die Zwecke dieses Rechtserwerbs unterbrechen, auch bei der Auslegung des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie heranzuziehen.

Daraus folgt, dass Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke der Gewährung des verstärkten Schutzes nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. A der Richtlinie 2004/38 keine Berücksichtigung finden können und dass diese Zeiten die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich unterbrechen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079).

Seit Ihrer Festnahme am 14.07.2018 befinden Sie sich in Haft bzw. Strafhaft, dass Sie vom Landesgericht (…) wegen §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 28a (1) 5. Fall. 28a (4) Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt wurden.

Am (…)02.2019 wurden Sie während Ihrer Strafhaft vom Landesgericht (…) wegen § 297 (1) 1. Fal, § 297 (1) 2. Fall StGB, § 288 (1) StGB, § 15 StGB, § 299 (1) StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bedachtnahme auf LG (…) verurteilt.

Ihre Entlassung ist für den 14.01.2022 vorbereitet.

Bereits im Jahr 2017 wurden Sie vom Landesgericht (…) unter Zahl (…) wegen § 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Dadurch kam es auch zum Abreißen der hier geknüpften Integrationsbande und damit zur Unterbrechung Ihres inzwischen bereits über zehnjährigen Aufenthalts (vgl EuGH 17.04.2018, C-216/17, C-424/16).

Als nächstes war festzustellen, ob Ihnen das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt zukommt. Gem. § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. In diesem Fall sind die fünf Jahre jedoch beginnende ab dem rechtmäßigen Aufenthalt zu rechnen.

Sie sind seit 1991 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Seit 1996 sind Sie im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels „Familiengemeinschaft mit Fremden“.

Seit dem Beitritt zur Europäischen Union von Kroatien am 01.07.2013 gelten Sie als EU-Bürger.

Laut Sozialversicherungsauszug vom 10.01.2019 gingen Sie seit 2004 bis zum 17.07.2018 einer geregelten Beschäftigung nach.

Im Erkenntnis des VwGH vom 13.12.2012, 2012/21/0181, wird dazu ausgeführt, dass bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie bestimmt, dass eine Ausweisung nur aus „schwerwiegenden“ Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Und es muss angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung (arg. A minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG vorgesehene Maßstab – der im abgestuften System der Gefährdungsprognose zwischen jenen nach dem ersten und dem fünfnten Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist – heranzuziehen ist.

Folglich darf gegen Sie nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Diese liegen jedoch bei Ihnen vor.

Wegen dem Vergehen der Körperverletzung wurden Sie 2017 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Im Dezember 2018 wurden Sie wegen Suchtgifthandel und unerlaubten Umgang mit Suchtgiften zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zuletzt 2019 wurden Sie wegen dem Vergehen der falschen Beweisaussage, dem vergehen der Begünstigung, dem vergehen der Verleumdung und dem Verbrechen zu einer unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabes des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ergibt sich alleine schon aus den letzten beiden Verurteilungen.

Folglich darf gegen Sie nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Diese liegen jedoch, wie noch näher ausgeführt werden wird, bei Ihnen vor.

(…).“ (AS 417ff)

Wie aus den zuvor wiedergegebenen Ausführungen der belangen Behörde in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. hervorgehend, hat die belangte Behörde den zwischen dem einfachen Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG und dem erhöhten Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG liegenden Gefährdungsmaßstab nach § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG angewandt, wonach bei einem bereits erworbenen Daueraufenthaltsrecht eine Ausweisung nur zulässig ist, wenn der Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Dass die belangte Behörde inmitten ihrer Prüfung den Satz, die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabes des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ergebe sich alleine schon aus den letzten beiden Verurteilungen, eingefügt habe, wird als offenkundiges Versehen gewertet, hat die belangte Behörde zuvor doch nach Anführung des im gegenständlichen Fall heranzuziehenden Gefährdungsmaßstabes nach § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG auf AS 418 auf AS 419 wiederholt ausgeführt, dass gegen den BF nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf.

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt.

Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt aber Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus „schwerwiegenden“ Gründen“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurde im FPG insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. (VwGH 13.12.2012, Zl. 2012/21/0181)

Bezugnehmend auf die Erteilung des unbefristeten Aufenthaltstitels „Familiengemeinschaft mit Fremden“ am 02.04.1996, die sich ohne große Lücken im Bundesgebiet erstreckende Erwerbstätigkeit des BF und die Fünfjahreslaufzeit beginnend mit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union am 01.07.2013 hat der BF nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet am 01.07.2018 das Recht auf Daueraufenthalt im Bundesgebiet erworben.

Der BF hält sich bereits seit dem Jahr 1991, insgesamt somit bereits rund 30 Jahre lang, in Österreich auf.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe für die Zwecke der Gewährung des verstärkten Schutzes nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. A der RL 2004/38 keine Berücksichtigung finden können und dass diese Zeiten die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich unterbrechen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079).

Die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet als Unionsbürger seit dem Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 beträgt jedenfalls erst sieben Jahre und rund neun Monate und damit weniger als zehn Jahre iSv § 67 Abs. 1 S. 5 FPG, weshalb im gegenständlichen Fall die Prüfung, ob es durch eine Haftstrafe des BF zu einem Abreißen der in Österreich geknüpften Integrationsbande und damit zur Unterbrechung des inzwischen bereits über zehnjährigen Aufenthaltes gekommen ist (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16, C-424/16), oder ob es durch die gegen den BF verhängte Haftstrafe zu keinem Abreißen der Integrationsbande gekommen ist und der einen ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet fordernde erhöhte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG und der verstärkte Schutz nach Art. 28 Abs. 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38 zur Anwendung kommt, entfällt.

Würde man unabhängig vom Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 davon ausgehen, der BF als nunmehriger Unionsbürger halte sich seit 1991 und damit seit rund 30 Jahren in Österreich auf, womit er die in § 67 Abs. 1 S. 5 FPG geforderte zehnjährige Aufenthaltsdauer bei weitem überschreite, würde wegen eines durchgehenden mehr als 25-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vor erster strafrechtlicher Verurteilung im Jahr 2017 auf jeden Fall der erhöhte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG zur Anwendung kommen, ohne dass erst geprüft werden müsste, ob es durch eine gegen den BF verhängte Haftstrafe zu einem Abreißen der in Österreich geknüpften Integrationsbande und damit zu einer Unterbrechung des über zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gekommen ist oder ob dies nicht der Fall ist und der erhöhte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG und der verstärkte Schutz nach Art. 28 Abs. 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38 zur Anwendung gelangt.

Im gegenständlichen Fall wird jedenfalls davon ausgegangen, dass sich der BF erst seit dem Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 sieben Jahre und rund neun Monate und damit insgesamt weniger als zehn Jahre lang als Unionsbürger in Österreich aufhält und seine darüber hinausgehende vor dem Beitritt seines Herkunftsstaates zur EU liegende längere Aufenthaltsdauer zwar nicht bei der Beurteilung, welcher Gefährdungsmaßstab im gegenständlichen Fall anzuwenden ist, berücksichtigt wird, jedoch bei einer nachfolgenden Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen sein wird.

Dass im gegenständlichen Fall bei der Prüfung, welcher Gefährdungsmaßstab zur Anwendung gelangt, nur die seit dem Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 bestehende mehr als siebenjährige Aufenthaltsdauer und nicht auch die vor dem Beitritt Kroatiens zur EU liegende Aufenthaltszeit im Bundesgebiet seit 1991 herangezogen wurde, beruht auf einer Zusammenschau von § 53a Abs. 1 NAG und §§ 66 Abs. 1 FPG, § 67 FPG:

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt.

Die im Folgenden angeführten §§ 66 Abs. 1 FPG und § 67 Abs. 1 FPG sind im FPG dem mit „aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige“ betitelten 4. Abschnitt untergeordnet.

Nach § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass eine Ausweisung gemäß § 66 FPG als Teil eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG gegenüber diesem nicht ein Aliud, sondern ein Minus ist (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Nach § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Genauso wie § 53a Abs. 1 NAG EWR- bzw. Unionsbürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt, das Recht auf Daueraufenthalt nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet erwerben, sie demnach somit bereits zu Beginn der fünfjährigen Laufzeit als Unionsbürger unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt zu sein haben, um nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht erwerben zu können, und folglich bei einer erkannten schwerwiegenden Gefahr iSv § 66 Abs. 1 letzter Satzteil gegen sie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen werden kann, haben sich nach dem über dem einfachen Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG und dem höheren Gefährdungsmaßstab nach § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG liegenden nochmals erhöhten Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG EWR- bzw. Unionsbürger zehn Jahre lang als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, bevor gegen sie bei einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann.

Aus den soeben genannten Bestimmungen wird darauf geschlossen, dass der anzuwendende Gefährdungsmaßstab nur aufgrund der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Unionsbürger und nicht auch aufgrund der Zeit, in welcher sich der nunmehr unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte Unionsbürger vor Beitritt seines Herkunftslandes zur Europäischen Union im Bundesgebiet aufgehalten hat, bestimmt wird.

Da im gegenständlichen Fall der BF das erste Mal im Jahr 2017 nicht zu einer unbedingten, sondern nur zu einer bedingten Freiheitsstrafe strafrechtlich verurteilt wurde und er sich zur Verbüßung der gegen ihn mit zweiter rechtskräftiger strafrechtlichen Verurteilung von Dezember 2018 verhängten unbedingten Freiheitsstrafe erst ab 14.07.2018 in Haft bzw. Strafhaft befunden hat, hat der BF seit dem Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 als Unionsbürger die nach § 53a Abs. 1 NAG geforderte fünfjährige rechtmäßige und ununterbrochene Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet mit Ablauf des 01.07.2018 und damit vor Haftantritt am 14.07.2018 erfüllt und damit ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet erworben. Beim BF handelt es sich seit dem Beitritt seines Herkunftslandes Kroatiens zur Europäischen Union am 01.07.2013 somit um einen EU-Bürger, der im Bundesgebiet im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck „Familiengemeinschaft mit Fremden“ ohne große Lücken bei verschiedenen Dienstgebern einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und sich mit 01.07.2018 fünf Jahre lang rechtmäßig und ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten hat und seither daueraufenthaltsberechtigt iSv § 53a NAG ist.

Hat ein Fremder nach dem Maßstab der Richtlinie 2004/38/EG ein Recht auf Daueraufenthalt erworben, so ist auf ihn der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FrPolG 2005 anzuwenden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0147).

Art. 28 Abs. 2 der RL 2004/38/EG bestimmt, dass bei einem erworbenen Daueraufenthaltsrecht eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf.

Der VwGH sprach diesbezüglich aus, dass es angenommen werden muss, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab – der im abgestuften System der Gefährdungsprognose zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist – heranzuziehen ist.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091)

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilungen des BF weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6. Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Im gegenständlichen Fall wurde der BF im Bundesgebiet insgesamt dreimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

?        Urteil von Jänner 2017, rechtskräftig mit Mai 2017, wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Februar 2019 die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, mit

?        Urteil von Dezember 2018, rechtskräftig mit Dezember 2018, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgift und Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, und mit

?        Urteil von Februar 2019, rechtskräftig mit Februar 2019, wegen Verleumdung, falscher Beweisaussage und versuchter Begünstigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei diese Strafe unter Bedachtnahme auf das rechtskräftige Strafrechtsurteil von Dezember 2018 als Zusatzstrafe verhängt und vom Strafgericht im Juli 2020 beschlossen wurde, den BF am 14.08.2020, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, aus der Freiheitsstrafe zu entlassen.

Der ersten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Jänner 2017 lag Folgendes zugrunde:

„Der BF hat zusammen mit einem Mittäter

am 25. April 2015 an einem bestimmten Ort im Bundesgebiet in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken (…) durch das gewaltsame Zu-Boden-Bringen und das Versetzen mehrerer Schläge mit den Händen, sowie von Fußtritten gegen Brust, Rücken und Kopf in Form einer Distorsion der Halswirbelsäule, Prellungen des Brustbeins und des Brustkorbs sowie Abschürfungen im Bereich beider Unterarme am Körper verletzt.“

Der zum Zeitpunkt dieser strafbaren Handlung 26 Jahre alte BF hat durch diese Straftat gezeigt, grundsätzlich bereit und fähig dazu zu sein, gewaltsam gegen fremde Personen vorzugehen – und dies ohne Rücksicht auf Verluste, wurde doch zusammen mit einem Mittäter das Tatopfer zuerst gewaltsam zu Boden gebracht und dann auf das hilflose Opfer mit Händen eingeschlagen und mit Füßen getreten. Das Opfer hatte angesichts des gewaltsamen Zu-Boden-Bringens und der erhaltenen Schläge und Fußtritte gegen Brust, Rücken und Kopf, „Glück“, aus dieser gewaltsamen Vorgehensweise „nur“ eine „Distorsion der Halswirbelsäule“, ein sogenanntes Schleudertrauma, „Prellungen des Brustbeins und des Brustkorbs sowie Abschürfungen im Bereich beider Unterarme am Körper“ davongetragen zu haben, hätten durch diese gewaltsame Handlungen doch, auch wenn keine absichtlich schwere Körperverletzung stattgefunden hat, schwerere Verletzungen entstehen können.

Der BF sieht den Unrechtsgehalt seiner Tat nicht ein, sieht er sich doch nicht als Täter, der jemanden absichtlich verletzt hat, sondern als Opfer, das in Notwehr gehandelt hat.

Dies geht aus dem folgenden Wortwechsel zwischen der verhandelnden Richterin und dem BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.03.2021 hervor:

„Die VR verweist auf die 3 rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF und die in den Verwaltungsakten einliegenden Strafurteile.

Die erste aus 2017 wegen einer Tat aus 2015 betreffend einer Körperverletzung bedingt auf 3 Monate, wobei die Probezeit 3 Jahre betrug. Mit Urteil des LG (…) vom 29.02.2019 wurde die Probezeit diesbezüglich auf 5 Jahre verlängert. Die zweite Verurteilung erfolgte am 20.12.2018 wegen Suchtmitteldelikte und die dritte Verurteilung erfolgte am 19.02.2019 wegen einer Falschaussage und Verleumdung. Haben Sie dazu etwas zu sagen? Wie ist es dazu gekommen? Sie haben vorher ja ein normales Leben geführt?

BF: Das Ganze hat sich über 2, 3 Jahre durchgezogen. Ich wollte beweisen, dass es Notwehr war. Ich habe aus Notwehr gehandelt, weil er größer und stärker war. Er hat auch begonnen und ich habe mich gewehrt.“ (VH-Niederschrift, S. 4)

Die vorhin geschilderte Straftat war jedoch keine Notwehrhandlung, sondern hat der BF zusammen mit einem weiteren Täter dem Tatopfer absichtlich Verletzungen zugefügt.

Der BF und sein Mittäter wurden wegen dieser Handlung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB angeklagt und dann, weil das Strafgericht keine Absicht des BF und seines Mittäters, dem Tatopfer eine schwere Körperverletzung zuzufügen, feststellen konnte, wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB strafrechtlich verurteilt.

Der BF versuchte zudem in seinem Strafverfahren diese Handlung dadurch zu rechtfertigen, dass er dem Zweitangeklagten nur zur Hilfe gekommen wäre. Während er im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Zuge seiner Beschuldigtenvernehmung noch eingestand, dem Opfer einen Schlag mit der rechten Faust auf dessen linke Gesichtshälfte verpasst zu haben, änderte er seine Verantwortung in der mündlichen Hauptverhandlung vor dem Strafgericht von Oktober 2015 dahingehend ab, dem Opfer nur einen Stoß mit der Hand gegeben zu haben. Bereits wegen dieser massiven Divergenz in seinen Aussagen wertete das Strafgericht die Aussagen des BF als unglaubwürdig. Die Rechtfertigung des BF wurde zudem als bloße Schutzbehauptung angesehen.

Die strafrechtliche Verurteilung des BF wegen der von ihm zusammen mit einem Mittäter begangenen Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe hatte jedenfalls keine abschreckende Wirkung auf den BF, hat er doch während der mit rechtkräftigem Strafrechtsurteil von Mai 2017 dreijährigen Probezeit die seiner zweiten strafrechtlichen Verurteilung von Dezember 2018 zugrundeliegenden Mitte 2015 begangenen strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift fortgesetzt.

„Der BF hat an verschiedenen Orten im Bundesgebiet vorschriftswidrig Suchtgift

1.       in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Mitte 2015 und Anfang März 2018 insgesamt rund 10,1 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von circa 10% THCA und 0,5 Delta-9-THC an teils bekannte Abnehmer, nämlich an

(…) (zumindest 6 kg),

(…) (1kg) und

(…) (300g),

sowie an teils unbekannte Abnehmer, nämlich an seine Arbeitskollegen (zumindest 2,8 kg) weitergegeben hat;

2.       erworben und besessen, nämlich zwischen Mitte 2015 und Mitte/Ende Juni 2018 Cannabiskraut und Kokain, wobei er die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging.“

Wegen dieser strafbaren Handlungen wurde der BF mit Strafrechtsurteil von Dezember 2018 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Hingewiesen wird an dieser Stelle darauf, dass der BF gegen Ende April 2015 zusammen mit einem Mittäter eine Körperverletzung begangen hat, und bereits kurze Zeit darauf Mitte 2015 mit seinen strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift begonnen hat.

Der dritten und letzten strafrechtlichen Verurteilung des BF von Februar 2019 lagen folgende strafbare Handlungen des BF während aufrechter Strafhaft zugrunde:

„Der BF hat an einem bestimmten Ort im Bundesgebiet

1. vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, nämlich

1.1. am 8. August 2018 im Zuge seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung gegen eine im Urteil namentlich genannte Person vor einem Straflandesgericht;

1.2. am 6. November 2018 im Zuge seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung gegen eine weitere im Urteil namentlich genannte Person vor einem Straflandesgericht;

2. einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen habe, der Verfolgung absichtlich zum Teil zu entziehen versucht, nämlich

2.1. durch die unter Faktum 1.1. im Strafrechtsurteil angeführte Äußerung die unter Punkt 1.1. namentlich genannte Person, die das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall und Abs. 4 Z 3 SMG u.a. begangen habe;

2.2. durch die unter Faktum 1.2. angeführte Äußerung die unter Punkt 1.2. namentlich genannte Person,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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