TE Vfgh Beschluss 1995/6/13 B1456/95

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Veröffentlicht am 13.06.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit dem am 10. Mai 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den ihm zuhanden seines gesetzlichen Vertreters am 14. März 1995 zugestellten Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Februar 1995, welcher die Abweisung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung betrifft. Unter einem wird die entsprechende Beschwerde eingebracht, in der die Bescheidaufhebung und - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

II. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Antragsteller wie folgt:

"Nach Zustellung des Bescheids des BMI v. 24.2.1995, GZ: 104.561/3-III/11/94, am 14.3.1995, wandte sich meine Mutter innerhalb der sechswöchigen Frist an das BMI und beantragte eine Abänderung im Sinne meines Antrags. Daraufhin erhielt diese das in Kopie angeschlossene Schreiben des BMI vom 4.4.1995, in welchem auf die Möglichkeit der Beschwerde hingewiesen wurde. Meine Mutter hat dieses Schreiben irrtümlich als neuerlichen Bescheid aufgefaßt und vorsichtshalber ausgehend vom Briefdatum 4.4.1995 als Ablaufdatum der Sechs-Wochen-Frist den 16.5.1995 vorgemerkt.

...

Da sich meine Mutter aber bereits zwei Tage nach der Bescheidzustellung, nämlich am 16.3.1995, an das BMI gewandt hatte, und dessen Antwortschreiben ('Sie haben jedoch die Möglichkeit, innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung dieses Bescheides eine Beschwerde ... zu erheben') mißverständlich ist, sodaß der mir oben geschilderte Irrtum nicht schuldhaft vorwerfbar erscheint bzw. die Fristversäumung nur auf einem Grad minderstem Versehen fußt, ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Der vom Einschreiter geltend gemachte Irrtum über den Fristenlauf ist schon deshalb nicht als solcher Fehler einzustufen, weil der anzufechtende Bescheid den völlig eindeutigen Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts und den Lauf der hiebei einzuhaltenden Frist enthielt. Bleibt ein derartiger Hinweis unverstanden, so obliegt es dem Bescheidadressaten bzw. seinem Vertreter, sich rechtzeitig Kenntnis von der Bedeutung der ihm schriftlich erteilten Rechtsbelehrung zu verschaffen. Dies gilt sinngemäß auch für das im Antrag erwähnte spätere Schreiben des Bundesministers für Inneres.

Der Einschreiter hat es also aus Gründen, die nicht bloß als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sind, verabsäumt, sich über die gegebene Sach- und Rechtslage, insbesondere über den Beginn der einzuhaltenden Beschwerdefrist, näher zu informieren.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

IV. Die unter einem eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen, ohne daß auf den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, einzugehen war. Dementsprechend war der hilfsweise gestellte Antrag auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof abzuweisen.

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1456.1995

Dokumentnummer

JFT_10049387_95B01456_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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