TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/6 W218 2209520-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.04.2021

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W218 2209520-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, bevollmächtigt vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 15.10.2018, Zl. XXXX , wegen § 3 AsylG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 17.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, Staatsangehöriger von Afghanistan, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, mit muslimischem Glaubensbekenntnis, am XXXX geboren und im Bezirk XXXX , Afghanistan wohnhaft gewesen zu sein.

Er habe Afghanistan vor ca. sechs Monaten illegal mit dem PKW und zu Fuß verlassen und sei anschließend schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe Afghanistan verlassen, da ihn die Taliban hätten töten wollen. Diese hätten den Beschwerdeführer verdächtigt, für die afghanische Armee zu spionieren, hätten seine Familie besucht und ihn gesucht. Es sei dem Beschwerdeführer gelungen, sich bei einem Nachbarn zu verstecken, sein Vater sei jedoch getötet worden. Der Beschwerdeführer hätte mit seinem Bruder flüchten können.

3. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.03.2018 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er gesund sei. Im Herkunftsstaat leben ein Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers. Er habe keine Schule besucht, könne aber Paschtu lesen. Der Beschwerdeführer habe seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Die finanzielle Situation sei schlecht gewesen. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob seine Familie noch in der Heimatregion lebe.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, die Taliban hätten seinem Vater vorgeworfen, dass er und seine Söhne für die Kabuler Regierung spionieren würden. Die Taliban hätten seinen Vater eines Nachts mitgenommen und sei die Leiche seines Vaters zwei Tage später auf den Feldern gefunden worden. Die Mutter des Beschwerdeführers hätte diesen und dessen Bruder während der Entführung bei den Nachbarn versteckt. Seine Mutter und sein Onkel hätten beschlossen, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder Afghanistan verlassen müssten.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt wurde und wurde ihm unter Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsbewilligung bis zum 15.10.2019 erteilt.

5. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer und sein Vater beschuldigt worden seien, für die afghanischen Behörde zu spionieren und sei sein Vater bereits von den Taliban getötet worden. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten kurzfristig von der Mutter in Sicherheit gebracht werden können. Die Taliban hätten gedroht, auch den Beschwerdeführer und dessen Bruder zu entführen und hätten diese daher Afghanistan verlassen müssen. Dem Beschwerdeführer drohe daher eine asylrelevante Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur Familie seines Vaters als soziale Gruppe.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 11.03.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, die Muttersprache ist Paschtu. Er lebte bis zur Ausreise in der Provinz Nangarhar. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer besuchte keine Schule. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf; er half seinem Vater in der Landwirtschaft.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht. Der Beschwerdeführer hatte keine Probleme mit den Behörden im Heimatland.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen sind nicht glaubhaft und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die Taliban verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe in diesem Zusammenhang zu befürchten hätte. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan weder unmittelbar noch mittelbar von den Taliban oder von anderen Personen mit dem Tod oder der Ausübung von psychischer oder physischer Gewalt bedroht. Die Taliban haben nicht versucht, den Beschwerdeführer mit Zwang zu rekrutieren. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für seine Ausreise werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer aus den vorgebrachten Gründen weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder durch andere Personen.

Der Beschwerdeführer konnte insgesamt nicht glaubhaft machen, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

1.3. Zur relevanten Situation in Afghanistan:

Hinsichtlich der relevanten Situation in Afghanistan wird zunächst prinzipiell auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde zu Afghanistan verwiesen. Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Bundesverwaltungsgericht keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

Ergänzend wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2020). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen um Provinzhauptstädte herum stationierte Koalitionstruppen - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hauptfestung in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (USDOD 1.7.2020). Die Zahl der Angriffe der Taliban auf staatliche Sicherheitskräfte entsprach dem Niveau der Frühjahrsoffensiven der vergangenen Jahre, auch wenn die Offensive dieses Jahr bisher nicht offiziell erklärt wurde (AA 16.7.2020; vgl. REU 6.10.2020).

Die Umsetzung des US-Taliban-Abkommens, angefochtene Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen, regionale politische Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran, Diskussionen über die Freilassung von Gefangenen, Krieg und die globale Gesundheitskrise COVID-19 haben laut dem Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A) das zweite Quartal 2020 für die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) zum „vielleicht komplexesten und herausforderndsten Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte“ gemacht (SIGAR 30.7.2020).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).

Für den Berichtszeitraum 1.1.2020-30.9.2020 verzeichnete UNAMA 5.939 zivile Opfer. Die Gesamtzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung ist im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um 13% zurückgegangen, das ist der niedrigste Wert seit 2012 (UNAMA 27.10.2020). Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu (SIGAR 30.7.2020).

Die Sicherheitslage bleibt nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurde in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die allesamt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen sind in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gehen die Kämpfe in den Wintermonaten - Ende 2019 und Anfang 2020 - zurück (UNGASC.

Die Sicherheitslage im Jahr 2019

Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mission (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindliche Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020) . Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen - speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen - blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020). Es gab im letzten Jahr (2019) eine Vielzahl von Operationen durch die Sondereinsatzkräfte des Verteidigungsministeriums (1.860) und die Polizei (2.412) sowie hunderte von Operationen durch die Nationale Sicherheitsdirektion (RA KBL 12.10.2020).

Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, denn im Oktober 2019 wurde die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Betrachtet man jedoch das Jahr 2019 in dessen Gesamtheit, so waren scheinbar feindliche Angriffe, seit Anfang des Jahres, im Zuge der laufenden Friedensgespräche zurückgegangen. Nichtsdestotrotz führte ein turbulentes letztes Halbjahr zu einem Anstieg feindlicher Angriffe um 6% bzw. effektiver Angriffe um 4% gegenüber 2018 (SIGAR 30.1.2020).

Zivile Opfer

Für das Jahr 2019 registrierte die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) als Folge des bewaffneten Konflikts 10.392 zivile Opfer (3.403 Tote und 6.989 Verletzte), was einen Rückgang um 5% gegenüber dem Vorjahr, aber auch die niedrigste Anzahl an zivilen Opfern seit dem Jahr 2013 bedeutet. Nachdem die Anzahl der durch ISKP verursachten zivilen Opfer zurückgegangen war, konnte ein Rückgang aller zivilen Opfer registriert werden, wenngleich die Anzahl ziviler Opfer speziell durch Taliban und internationale Streitkräfte zugenommen hatte. Im Laufe des Jahres 2019 war das Gewaltniveau erheblichen Schwankungen unterworfen, was auf Erfolge und Misserfolge im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und den US-Amerikanern zurückzuführen war. In der ersten Jahreshälfte 2019 kam es zu intensiven Luftangriffen durch die internationalen Streitkräfte und Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte - insbesondere der Spezialkräfte des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security Special Forces) (UNAMA 2.2020).

Aufgrund der Suchaktionen der afghanischen Streitkräfte, gab es zur Jahresmitte mehr zivile Opfer durch regierungsfreundliche Truppen als durch regierungsfeindliche Truppen. Das dritte Quartal des Jahres 2019 registrierte die höchste Anzahl an zivilen Opfern seit 2009, was hauptsächlich auf verstärkte Anzahl von Angriffen durch Selbstmordattentäter und IEDs (improvisierte Sprengsätze) der regierungsfeindlichen Seite - insbesondere der Taliban - sowie auf Gewalt in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen zurückzuführen ist. Das vierte Quartal 2019 verzeichnete, im Vergleich zum Jahr 2018, eine geringere Anzahl an zivilen Opfern; wenngleich sich deren Anzahl durch Luftangriffe, Suchoperationen und IEDs seit dem Jahr 2015 auf einem Rekordniveau befand (UNAMA 2.2020).

Die RS-Mission sammelt ebenfalls Informationen zu zivilen Opfern in Afghanistan, die sich gegenüber der Datensammlung der UNAMA unterscheiden, da die RS-Mission Zugang zu einem breiteren Spektrum an forensischen Daten und Quellen hat. Der RS-Mission zufolge, ist im Jahr 2019 die Anzahl ziviler Opfer in den meisten Provinzen (19 von 34) im Vergleich zum Jahr 2018 gestiegen; auch haben sich die Schwerpunkte verschoben. So verzeichneten die Provinzen Kabul und Nangarhar weiterhin die höchste Anzahl ziviler Opfer. Im letzten Quartal schrieb die RS-Mission 91% ziviler Opfer regierungsfeindlichen Kräften zu (29% wurden den Taliban zugeschrieben, 11% ISKP, 4% dem Haqqani-Netzwerk und 47% unbekannten Aufständischen). 4% wurden regierungsnahen/-freundlichen Kräften zugeschrieben (3% der ANDSF und 1% den Koalitionskräften), während 5% anderen oder unbekannten Kräften zugeschrieben wurden. Diese Prozentsätze entsprechen in etwa den RS-Opferzahlen für Anfang 2019. Als Hauptursache für zivile Opfer waren weiterhin improvisierte Sprengsätze (43%), gefolgt von direktem (25%) und indirektem Beschuß (5%) verantwortlich - dies war auch schon zu Beginn des Jahres 2019 der Fall (SIGAR 30.1.2020).

Die erste Hälfte des Jahres 2020 war geprägt von schwankenden Gewaltraten, welche die Zivilbevölkerung in Afghanistan trafen. Die Vereinten Nationen dokumentierten 3.458 zivile Opfer (1.282 Tote und 2.176 Verletzte) für den Zeitraum Jänner bis Ende Juni 2020 (UNAMA27.7.2020)

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 1.7.2020). Das Haqqani-Netzwerk führte von September bis zum Ende des Berichtszeitraums keine HPA in der Hauptstadtregion durch. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD. Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17) (USDOD 12.2019), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019).

Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich fort. Der Großteil der Anschläge richtetet sich gegen die ANDSF und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in Provinz Nangarhar zu einem sogenannten ’green-on-blue-attack’: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens sechs Personen getötet und mehr als zehn verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC. Seit Februar haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriff gegen Koalitionstruppen um Provinzhauptstädte - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden (USDOD 6.2020). Die Taliban setzten außerdem improvisierte Sprengkörper in Selbstmordfahrzeugen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh ein (UNGASC 17.3.2020).

Anschläge gegen Gläubige, Kultstätten und religiöse Minderheiten

Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).

Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dha- ramshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (TN 26.3.2020 vgl.; BBC 25.3.2020, USDOD 6.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haq- qani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 26.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020, USDOD 6.2020).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 12.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 12.2019):

Taliban

Die Taliban positionieren sich selbst als Schattenregierung Afghanistans, und ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprechen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). Die Taliban sind zu einer organisierten politischen Bewegung geworden, die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betreibt (EASO 8.2020c; vgl. USIP 11.2019) und haben sich zu einem lokalen Regierungsakteur im Land entwickelt, indem sie Territorium halten und damit eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften übernehmen (EASO 8.2020c; vgl. USIP 4.2020). Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020).

Das wichtigste offizielle politische Büro der Taliban befindet sich in Katar (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. EASO 8.2020c, UNSC 27.5.2020, AnA 28.7.2020) - Stellvertreter sind der Erste Stellvertreter Sirajuddin Jallaloudine Haqqani (Leiter des Haqqani-Netzwerks) und zwei weitere: Mullah Mohammad Yaqoob [Mullah Mohammad Yaqub Omari] (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020) und Mullah Abdul Ghani Baradar Abdul Ahmad Turk (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Mitte Juni 2020 berichtete das Magazin Foreign Policy, dass Akhundzada und Jallaloudine Haqqani und andere hochrangige Taliban-Führer sich mit dem COVID-19-Virus angesteckt hätten und dass einige von ihnen möglicherweise sogar gestorben seien sowie dass Mullah Mohammad Yaqoob Taliban- und Haqqani-Operationen leiten würde. Die Taliban dementierten diese Berichte (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020, RFE/RL 2.6.2020).

Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018). Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020). Während der US-Taliban-Verhandlungen war die Führung der Taliban in der Lage, die Einheit innerhalb der Basis aufrechtzuerhalten, obwohl sich Spaltungen wegen des Abbruchs der Beziehungen zu Al-Qaida vertieft haben (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Seit Mai 2020 ist eine neue Splittergruppe von hochrangigen Taliban-Dissidenten entstanden, die als Hizb-e Vulayet Islami oder Hezb-e Walayat-e Islami (Islamische Gouverneurspartei oder Islamische Vormundschaftspartei) bekannt ist (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Die Gruppe ist gegen den US-Taliban-Vertrag und hat Verbindungen in den Iran (EASO 8.2020c; vgl. RFE/RL 9.6.2020). Eine gespaltene Führung bei der Umsetzung des US-Taliban-Abkommens und Machtkämpfe innerhalb der Organisation könnten den möglichen Friedensprozess beeinträchtigen (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017).

Die Taliban rekrutieren in der Regel junge Männer aus ländlichen Gemeinden, die arbeitslos sind, eine Ausbildung in Koranschulen haben und ethnisch paschtunisch sind (EASO 8.2020c; vgl. Osman 1.6.2020). Schätzungen der aktiven Kämpfer der Taliban reichen von 40.000 bis 80.000 (EASO 8.2020c; vgl. NYT 12.9.2019) oder 55.000 bis 85.000, wobei diese Zahl durch zusätzliche Vermittler und Nicht-Kämpfer auf bis zu 100.000 ansteigt (EASO 8.2020c; vgl. NYT

UNSC 27.5.2020). Obwohl die Mehrheit der Taliban immer noch Paschtunen sind, gibt es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) innerhalb der Taliban (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll zwölf Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban, Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019; vgl. EASO 8.2020c, UN- SC27.5.2020) und verfügt über Kontakte zu IS (RA KBL 12.10.2020; vgl. EASO 8.2020). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani [auch Sirajuddin Haqqani] (EASO 8.2020c; cf. UNSC 27.5.2020).

Als gefährlichster Arm der Taliban hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019). Das Netzwerk ist vor allem in den südlichen und östlichen Teilen des Landes und in den Provinzen Paktika und Khost aktiv. Sie verfügen jetzt über mehr Macht als in den Vorjahren und führen mehr Operationen durch. Es gibt keine größeren Gegenmaßnahmen der afghanischen Regierung oder der Sicherheitskräfte gegen das Netzwerk (RA KBL 12.10.2020)

Die afghanische Regierung entließ drei führende Mitglieder des Netzwerks im Zuge des Gefangenenaustausch im November 2019 (RA KBL 12.10.2020; vgl. NYT 19.11.2019, BBC. Das Haqqani-Netzwerk ist an den aktuellen Friedensverhandlungen beteiligt (RA KBL 12.10.2020)

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Der IS in Afghanistan bezeichnet sich selbst als Khorasan-Zweig des IS (ISKP). Es ist aber nicht erwiesen, ob er mit dem IS im Irak und in Syrien verbunden ist oder nicht. (RA KBL 12.10.2020). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019) bzw. 4.000 und 5.000 Kämpfern (EASO. Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (VOA 21.5.2019).

Der ISKP geriet in dessen Hochburgen in Ostafghanistan nachhaltig unter Druck (UNGASC 17.3.2020; vgl. RA KBL 12.10.2020), da sich jahrelang die Militäroffensiven der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte auf diese konzentrierten. Auch die Taliban intensivierten in jüngster Zeit ihre Angriffe gegen den ISKP in dieser Region (SIGAR 30.1.2020). So sollen 5.000 Talibankämpfer aus der Provinz Kandahar gekommen sein, um den ISKP in Nangarhar zu bekämpfen (DW 26.2.2020; vgl. MT 27.2.2020). Im November 2019 ist die wichtigste Hochburg des islamischen Staates in Ostafghanistan zusammengebrochen (NYT 2.12.2020; vgl. SIGAR

wobei über 1.400 Kämpfer und Anhänger des ISKP, darunter auch Frauen und Kinder, kapitulierten (EASO 8.2020c; vgl.UNSC 27.5.2020, UNGASC 17.3.2020). Der islamische

Staat soll jedoch weiterhin in den westlichen Gebieten der Provinz Kunar präsent sein (UN- GASC 17.3.2020). Die landesweite Mannstärke des ISKP hat sich seit Anfang 2019 von 3.000 Kämpfern auf zwischen 200 (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020) und 300 Kämpfer reduziert (NYT 2.12.2020).

49 Angriffe werden dem ISKP im Zeitraum 8.11.2019-6.2.2020 zugeschrieben, im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden 194 Vorfälle registriert. Im Berichtszeitraum davor wurden 68 Angriffe registriert (UNGASC 17.3.2020).

Die Macht des ISKP in Afghanistan ist kleiner als jene der Taliban; auch hat er viel Territorium verloren. Der ISKP war bzw. ist nicht Teil der Friedensverhandlungen mit den USA und ist weiterhin in der Lage, tödliche Angriffe durchzuführen (BBC 25.3.2020). Aufgrund des Territoriumsverlustes ist die Rekrutierung und Planung des ISKP stark eingeschränkt (NYT 2.12.2020).

Der ISKP verurteilt die Taliban als 'Abtrünnige’, die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Angesichts der Aufnahme von Gesprächen der Taliban mit den USA predigte der ISKP seine Mission weiterhin als eine reinere Form des Dschihad im Gegensatz zur Öffnung der Taliban für US-Gespräche (EASO 8.2020c; vgl. SaS 10.2.2020). Nach Angaben der UNO zielt ISKP darauf ab, von den Taliban und Al Qaida abtrünnige Rekruten zu gewinnen, insbesondere solche, die sich jeglichen Vereinbarungsgesprächen mit den US-amerikanischen oder afghanischen Regierungen widersetzen (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Am 4.4.2020 verhaftete die Nationale Sicherheitsdirektion Afghanistans (NDS) den IS-Führer in Afghanistan (RA KBL 12.10.2020; vgl. AnA 30.4.2020, HRW 6.4.2020), und laut NDS wurde das Hauptführungs- und Koordinierungsgremium des islamischen Staates eliminiert, aber die Teilnetzwerke existieren noch immer in verschiedenen Bereichen. Die Gruppe ist immer noch aktiv und führt weiterhin Angriffe durch (RA KBL 12.10.2020)

Al-Qaida und mit ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführersind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019). Einer Quelle zufolge hat Al-Qaida weniger Macht als in den letzten Jahren (RA KBL 12.10.2020b). Gemäss UNO-Bericht vom Mai 2020 ist Al-Qaida in 12 Provinzen mit 400-600 Bewaffneten verdeckt aktiv (EASO 8.2020c; vgl. UNSC.

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Zuge des US-Taliban-Abkommen haben die Taliban zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren (NZZ 20.4.2020; vgl. USDOS 29.2.2020, EASO 8.2020).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.7.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2035827/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-jjnd_abschiebungsr elevante_LageJn_derJslamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_16.

pdf, Zugriff 22.10.2020

AAN - Afghanistan Analysts Network (25.6.2020): New World Drug Report: Opium production in Afghanistan remained the same in 2019, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/econom y-development-environment/new-world-drug-report-opium-production-in-afghanistan-remained-t he-same-in-2019/, Zugriff 3.12.2020

AAN - Afghanistan Analysts Network (6.12.2018): One Land, Two Rules (1): Service delivery in insurgentaffected areas, an introduction, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/econom y-development-environment/one-land-two-rules-1-service-delivery-in-insurgent-affected-areas-an -introduction/, Zugriff 23.10.2020

AAN - Afghanistan Analysts Network (1.8.2017): Thematic Dossier XV: Daesh in Afghanistan, https://www.afghanistananalysts.org/publication/aanthematicdossier/thematicdossierxvdaeshinafg hanistan/, Zugriff 23.10.2020

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.11.2014): Messages in Chalk: ‘Islamic State’ haunting Afghanistan?, https://www.afghanistan-analysts.org/en/dossiers/thematic-dossier-xv-daesh-in-af ghanistan/, Zugriff 23.10.2020

AAN - Afghanistan Analysts Network (4.7.2011): The Layha: Calling the Taleban to Account, https: //www.afghanistan-analysts.org/en/special-reports/the-layha-calling-the-taleban-to-account/, Zugriff 23.10.2020

AnA - Anadolu Agency (28.7.2020): Taliban leader urges US to comply with peace deal, https: //www.aa.com.tr/en/americas/taliban-leader-urges-us-to-comply-with-peace-deal/1925033, Zugriff

22.10.2020

AnA - Anadolu Agency (30.4.2020). Who is de facto leader of Daesh/ISIS in Afghanistan?, https: //www.aa.com.tr/en/asia-pacific/who-is-de-facto-leader-of-daesh-isis-in-afghanistan/1824335 , Zugriff 23.10.2020

AJ - Al-Jazeera (26.3.2020): Solidarity for Sikhs after Afghanistan massacre, https://www.aljazeer a.com/news/2020/3/26/solidarity-for-sikhs-after-afghanistan-massacre , Zugriff 23.10.2020

AJ - Al-Jazeera (6.3.2020): Dozens killed in Kabul ceremony attack claimed by ISIL, https://www. aljazeera.com/news/2020/03/kabul-gathering-attended-abdullah-hit-rocket-attack-report-200306 074951081.html , Zugriff 23.10.2020

AP - Associated Press (19.8.2019): A look at the Islamic State affiliate’s rise in Afghanistan, https: //www.apnews.com/add4a393afed4ca798401c5a0958f2c2 , Zugriff 23.10.2020

BBC (1.4.2020): Afghanistan and Taliban begin direct talks with aim of prisoner swap, https://www. bbc.com/news/world-asia-52123951, Zugriff 23.10.2020

BBC (25.3.2020): Afghanistan conflict: Militants in deadly attack on Sikh temple in Kabul, https: //www.bbc.com/news/world-asia-52029571, Zugriff 23.10.2020

BBC (6.3.2020): Kabul attack: Abdullah Abdullah escapes deadly attack, https://www.bbc.com/ne ws/world-asia-51766602 , Zugriff 23.10.2020

BBC (19.11.2019): US and Australian hostages freed in Taliban prisoner swap, https://www.bbc. com/news/world-asia-50471186 , Zugriff 23.10.2020

Bradford, James, T. (2019): Poppies, Politics, and Power. Ithaca: Comell University Press. Liegt im Archiv der Staatendokumentation auf.

BR - Brookings (5.3.2020): The US-Taliban peace deal: A road to nowhere, https://www.brooking s.edu/blog/order-from-chaos/2020/03/05/the-us-taliban-peace-deal-a-road-to-nowhere/, Zugriff

23.10.2020

CRS - Congressional Research Center (12.2.2019): Al-Qaida and Islamic State Affiliates in Afghanistan, https://crsreports.congress.gov/product/pdf/download/IF/IF10604/IF10604.pdf/ , Zugriff

23.10.2020

CTC - Combating Terrorism Center Sentinel (1.2018): Red on Red: Analyzing Afghanistan's IntraInsurgent Violence, https://ctc.usma.edu/wp-content/uploads/2018/01/CTC-Sentinel_Vol11Iss1-1.p df, Zugriff 23.10.2020

DS - Der Standard (11.2.2020): Mindestens fünf Tote nach Selbstmordanschlag in Kabul, https://ww w.derstandard.at/story/2000114411709/mindestens-fuenf-tote-nach-selbstmordanschlag-in-kabul , Zugriff 23.10.2020

DW - Deutsche Welle (26.2.2020): Afghanistan: One district's hope for lasting peace, https://www. dw.com/en/afghanistan-one-districts-hope-for-lasting-peace/a-52545736 , Zugriff 23.10.2020

EASO - European Asylum Support Office (8.2020c): Afghanistan: Anti-Government Elements (AGEs), file:///home/ft5212/Downloads/2020_08_EASO_COI_AFG_Anti-Governement_Ele ments_Report.pdf, Zugriff 23.10.2020

FP - Foreing Policy (9.6.2020): Factional Struggles Emerge in Virus-Afflicted Taliban Top Ranks, https://foreignpolicy.com/2020/06/09/coronavirus-pandemic-taliban-afghanistan-peace-talks/, Zugriff 23.10.2020

HRW - Human Rights Watch (6.4.2020): Afghanistan: Prosecute Head of ISIS-linked Group, https: //www.hrw.org/news/2020/04/06/afghanistan-prosecute-head-isis-linked-group, Zugriff 23.10.2020

LI - Landinfo [Norwegen] (23.8.2017): Afghanistan: Taliban's organization and structure, Landinfo, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406310/1226_1504616422_170824550.pdf, Zugriff 23.10.2020

LI - Landinfo [Norwegen] (29.6.2017): Afghanistan: Recruitment to Taliban, https://www.landinfo.n o/asset/3588/1/3588_1.pdf, Zugriff 23.10.2020

LWJ - Long War Journal (14.8.2019): Taliban promotes its ‘Preparation for Jihad', https://www. longwarjournal.org/archives/2019/08/taliban-promotes-its-preparation-for-jihad.php , Zugriff

23.10.2020

LWJ - Long War Journal (4.12.2017): Taliban touts defection of Islamic State ‘deputy', https://www. longwarjournal.org/archives/2017/12/taliban-touts-defection-of-islamic-state-deputy.php , Zugriff

23.10.2020

LWJ - Long War Journal (5.3.2015): Mapping the emergence of the Islamic State in Afghanistan, https://www.longwarjournal.org/archives/2015/03/mapping-the-emergence-of-the-islamic-state-in- afghanistan.php , Zugriff 23.10.2020

MT - Military Times (27.2.2020): ISIS loses more than half its fighters from US airstrikes and Taliban ground operations, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2020/02/27/isis-loses-more-than-ha lf-its-fighters-from-us-airstrikes-and-taliban-ground-operations/, Zugriff 23.10.2020

NYT - New York Times, The (26.5.2020): How the Taliban Outlasted a Superpower: Tenacity and Carnage, https://www.nytimes.com/2020/05/26/world/asia/taliban-afghanistan-war.html, Zugriff

5.11.2020

NYT - New York Times, The (19.11.2019): Two Western Hostages Are Freed in Afghanistan in Deal With Taliban, https://www.nytimes.com/2019/11/19/world/asia/afghanistan-taliban-prisoner-excha nge-peace-talks.html , Zugriff 23.10.2020

NYT - New York Times, The (12.9.2019): Fact-checking Trump's Statements on Increased Military Strikes in Afghanistan, https://www.nytimes.com/2019/09/12/world/middleeast/fact-checking-trum p-taliban.html , Zugriff 23.10.2020

NYT - New York Times, The (20.8.2019): As Taliban Talk Peace, ISIS Is Ready to Play the Spoiler in Afghanistan, https://www.nytimes.com/2019/08/20/world/asia/isis-afghanistan-peace.html , Zugriff 5.11.2020

NZZ - Neue Züricher Zeitung (20.4.2020): Taliban töten erneut fast 20 Soldaten aus regierungstreuen Kreisen - die neusten Entwicklungen nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Afghanistan, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-neuesten-entwicklungen-im-frieden sprozess-ld.1541939#subtitle-2-was-steht-in-dem-abkommen-second , Zugriff 23.10.2020

ONDCP - Office of National Drug Control Policy (7.2.2020): ONDCP Releases Data on Poppy Cultivation and Potential Opium Production in Afghanistan, https://www.whitehouse.gov/briefin gs-statements/ondcp-releases-data-poppy-cultivation-potential-opium-production-afghanistan/, Zugriff 3.12.2020

Osman, Borham (1.6.2020): Peaceworks - Bourgeois Jihad: Whyyoung, middle-classAfghans join the Islamic State, https://www.usip.org/sites/default/files/2020-06/20200601-pw_162-bourgeois_j ihad_why_young_middle-class_afghans_join_the_islamic_state.pdf, Zugriff 5.11.2020

RA KBL - Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (12.10.2020b): Auskunft per E-Mail

REU - Reuters (6.10.2020): Exclusive: Taliban, Afghan negotiators set ground rules to safeguard peace talks - sources, https://www.reuters.com/article/afghanistan-taliban-talks-exdusive-int-idUS KBN26R1DJ , Zugriff 23.10.2020

REU - Reuters (17.8.2019): Taliban say killing of leader’s brother will not derail U.S. talks, https: //www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/taliban-say-killing-of-leaders-brother-will-not-derail- us-talks-idUSKCN1V70CJ , Zugriff 23.10.2020

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (2.6.2020): Taliban Officials Deny Report That Top Leader Died From Coronavirus, https://www.rferl.org/a/taliban-officials-deny-report-that-top-leade r-died-from-coronavirus/30648768.html, Zugriff 23.10.2020

SAS - Stars and Stripes (10.2.2020): ISIS in Afghanistan was 'obliterated’ but fighters who escaped could stage resurgence, https://www.stripes.com/news/middle-east/isis-in-afghanistan-was-obliter ated-but-fighters-who-escaped-could-stage-resurgence-1.618220, Zugriff 23.10.2020

SIGAR (30.7.2020): SIGAR Quarterly Reports to Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyrep orts/2020-07-30qr.pdf, Zugriff 23.10.2020

SIGAR (30.1.2020): SIGAR Quarterly Reports to Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyrep orts/2020-01-30qr.pdf, Zugriff 23.10.2020

STDOK - Staatendokumentation des BFA (4.11.2019): Grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle 1.1.2018-30.9.2019, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

TD - The Diplomat (2.4.2020): Taliban Ready to Begin Cease-Fires in Virus-Hit Afghan Areas, https://thediplomat.com/2020/04/taliban-ready-to-begin-cease-fires-in-virus-hit-afghan-areas/, Zugriff 5.11.2020

TN - Tolonews (26.3.2020): Sikhs Demand Investigation of Dharamshala Attack, https://tolonews.c om/afghanistan/sikhs-demand-investigation-dharamshala-attack, Zugriff 23.10.2020

TTI - The Times of India (26.3.2020): Child injured in blast near Sikh crematorium in Afghan capital, https://timesofindia.indiatimes.com/world/south-asia/child-injured-in-blast-near-sikh-crematorium- in-afghan-capital/articleshow/74832361.cms , Zugriff 23.10.2020

UNAMA- United Nations Assistance Mission in Afghanistan (27.10.2020): PROTECTION OF CI- VILIANS IN ARMED CONFLICT: THIRD QUARTER REPORT: 1 JANUARYTO 30 SEPTEMBER 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-protection-civilians-armed-conflict-third -quarter-report-1-january-30, Zugriff 5.11.2020

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (27.7.2020): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2020, https://unama.unmissions.o rg/un-urges-parties-prioritize-protection-civilians-and-start-talks , Zugriff 22.10.2020

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2020): Afghanistan Annual Report On Protection Of Civilians In Armed Conflict: 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files /afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2019_-_22_february.pdf, Zugriff 23.10.2020

UNGASC - United Nation General Assembly Secretary General (17.3.2020): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, https://unama.unmissions.org/s ites/default/files/sg_report_on_afghanistan_17_march_2020.pdf, Zugriff 23.10.2020

UNODC - United Nations Office on Drugs and Crime (6.2020): World Drug Report 2020 - Drug Supply, https://wdr.unodc.org/wdr2020/field/WDR20_Booklet_3.pdf, Zugriff 3.12.2020

UNSC - United Nations Security Concil (27.5.2020): Eleventh report of the Analytical Support and Sanctions Monitoring Team submitted pursuant to resolution 2501 (2019) concerning the Taliban, S/2020/415, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E 4FF96FF9%7D/s_2020_415_e.pdf, Zugriff 23.10.2020

UNSC - United Nations Security Council (13.6.2019): Letter dated 10 June 2019 from the Chair of the Security Council Committee established pursuant to resolution 1988 (2011)addressed to the President of the Security Council , https://www.undocs.org/pdf?symbol=en/S/2019/481 , Zugriff

23.10.2020

UNSC - United Nations Security Council (15.1.2019): Letter dated 15 January 2019 from the Chair of the SecurityCouncil Committee pursuant to resolutions 1267 (1999), 1989 (2011)and 2253 (2015)concerning Islamic State in Iraq and the Levant (Da’esh), Al-Qaida and associated individuals, groups, undertakings and entities addressed to the President of the Security Council, https://www.un.org/sc/ctc/wp-content/uploads/2019/02/N1846950_EN.pdf, Zugriff 23.10.2020

USDOD - United States Department of Defense (1.7.2020): Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2020/Jul/01/2002348001/-1/-1/1/ENHANCING_SECURIT Y_AND_STABILITY_IN_AFGHANISTAN.PDF , Zugriff 23.10.2020

USDOD - United States Department of Defence (12.2019): Enhancing Security and Stability in Afghanistan, https://media.defense.gov/2020/Jan/23/2002238296/-1/-1/1/1225-REPORT-DECEM BER-2019.PDF , Zugriff 1.3.2020

USDOS - United States Department of State (29.2.2020): Agreement for Bringing Peace to Afghanistan between the Islamic Emirate of Afghanistan which is not recognized by the United States as a state and is known as the Taliban and the United States of America, https://www.state.gov/wp -content/uploads/2020/02/Agreement-For-Bringing-Peace-to-Afghanistan-02.29.20.pdf, Zugriff

22.10.2020

USIP - United States Institute of Peace (4.2020): Service Delivery in Taliban-Influenced Areas of Afghanistan, Special Reports No. 465, https://www.usip.org/sites/default/files/2020-04/20200430- sr_465-_service_delivery_in_taliban_influenced_areas_of_afghanistan-sr.pdf, Zugriff 23.10.2020

USIP - United States Institute of Peace (11.2019): Howthe Taliban Makes Policy, Peaceworks No. 153, https://www.usip.org/sites/default/files/2019-11/pw_153-insurgent_bureaucracy_how_the_tal iban_makes_policy.pdf, Zugriff 23.10.2020

VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/south-central-asia/islamic-state-afghanistan-growing-bigger-more-dan gerous , Zugriff 5.6.2019

VOJ - Voice of Jihad (o.D.): Islamic Emirate of Afghanistan, http://alemarahenglish.net/, Zugriff

23.10.2020

WP - The Washington Post (9.12.2019): Overwhelmed by opium, https://www.washingtonpost.c om/graphics/2019/investigations/afghanistan-papers/afghanistan-war-opium-poppy-production/ , Zugriff 3.12.2020

WP - The Washington Post (19.8.2019): The Islamic State is far from defeated. Here’s what you need to know about its affiliate in Afghanistan, https://www.washingtonpost.com/world/2019/08/19/ islamic-state-is-far-defeated-heres-what-you-need-know-about-its-affiliate-afghanistan/?noredirec t=on , Zugriff 23.10.2020

Nangarhar

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS Nangarhar o.D.a; vgl. UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA Nangarhar 4.2014). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS Nangarhar o.D.; vgl. OPr Nangarhar 1.2.2017). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara- e-Nur, Deh Bala [auch bezeichnet als Haska Mena; vgl. TBIJ 13.11.2019, VoA 28.6.2019], Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, SherZad, Shinwar und Surkh Rud (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Nangarhar 2019, UNOCHA Nangarhar 4.2014, NPS Nangarhar o.D.) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (NSIA 1.6.2019 vgl. IEC Nangarhar 2019).

Nangarhar ist eine der am dichtest besiedelten Provinzen Afghanistans und das wirtschaftliche Zentrum der Ostregion des Landes (AREU 6.2020). Die National Statistics and Information Aut- hority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung von Nangarhar im Zeitraum 2020/21 auf 1.701.698 Personen; davon 271.867 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS Nangarhar o.D.). Viele Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft aus Jalalabad (EASO 5.8.2020) habenAfghanistan in den letzten Jahrzehnten verlassen (Wire 5.4.2020). Nach einem Angriff auf die Sikh-Gemeinschaft in Kabul im März 2020 kündigte die verbleibend Hindu- und Sikh-Gemeinschaft von Jalalabad an, vollständig in ein anderes Land zu übersiedeln (KP 4.4.2020).

Die Straße von Kabul nach Jalalabad und weiter zum Grenzübergang Torkham mit Pakistan (Dawn 14.12.2019; vgl. MoPW 16.10.2015, Zenger 10.10.2020) ist Teil der Asiatischen Fernstraße AH-1 Tokio-Edirne (ESCAP 8.8.2019) sowie des Autobahnprojektes Peschawar-Kabul-Du- schanbe (Dawn 14.12.2019) und führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Behsud, Rodat, Batikot, Shinwar, Muhmand Dara (UNOCHA Nangarhar 4.2014). In Pakistan soll die Strecke von Peschawar über den Khyber-Pass zur Grenze in Torkham zur Autobahn ausgebaut werden. Auf afghanischer Seite gibt es Stand Dezember 2019 jedoch keine Aktivitäten eines Ausbaus der Strecke Torkham-Kabul (Dawn 14.12.2019).

Der Flughafen Jalalabad wird von der NATO militärisch (USDOD 1.7.2020; vgl. BW 12.7.2020); bei Bedarf auch zivil genutzt, vor allem während der Hadsch nach Mekka (BW 12.7.2020). Das United Nations Humanitarian Air Service (UNHAS), ein Flugbetreiber vorwiegend für Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen, der UN und Diplomaten, fliegt Jalalabad Stand Oktober 2020 zwei Mal wöchentlich von Kabul aus an (WFP/UNHAS 27.9.2020). Linienflüge durch zivile Fluggesellschaften finden Stand 13.11.2020 nicht statt (F24 13.11.2020). Ein neuer Flughafen für die zivile Nutzung soll im Gebiet von Kozkunar errichtet werden. Baubeginn für das 40 Millionen US-Dollar teure Projekt war im Juli 2020, es soll in zwei Jahren abgeschlossen sein (BW 12.7.2020).

An der Fernstraße Kabul-Jalalabad attackieren Aufständische Konvois der Sicherheitskräfte
Im Laufe des Jahres 2019 wurden bei Verkehrsunfällen an dieser Strecke mindestens 45 Personen getötet und ca. 100 Personen verletzt (PAJ 30.12.2019). Die Grenzabfertigung in Torkham geht langsam vor sich (Zenger 10.10.2020). An den Straßen in der Provinz heben die Taliban Steuern ein (AREU 6.2020). Die gebirgige Landschaft ermöglicht auch Aufständischen unkontrollierte Grenzüberquerungen in die ehemaligen Stammesgebiete Pakistans (VOA 28.6.2019; vgl. UNSC 27.5.2020).

Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren

Nangarhar galt als eine der ISKP-Hochburgen Afghanistans (RAND 14.9.2020; vgl. UNSC

Die Stärke des ISKP insbesondere in Nangarhar und den angrenzenden östlichen Provinzen wurde 2019 auf 2.500-4.000 Kämpfer geschätzt (UNSC 13.6.2019; vgl. UNAMA

.Anhaltender Druck der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte (USDOD 1.7.2020; vgl. NYT 2.12.2020, SIGAR 30.1.2020, UNSC 27.5.2020, taz 14.5.2020) und der Taliban (USDOD 1.7.2020; vgl. NYT 2.12.2020, SIGAR 30.1.2020, RAND 14.9.2020, UNSC

PM 23.12.2019, taz 14.5.2020) resultierten in Niederlagen des ISKP im November 2019 in Nangarhar und im März 2020 in Kunar (VoA 12.5.2020; vgl. NYT 2.12.2019; vgl. SIGAR 30.1.2020, UNSC 27.5.2020). Der ISKP musste die Kontrolle von Gebieten in Nangarhar aufgeben (USDOD 1.7.2020; vgl. UNSC 27.5.2020), verfügt aber nach wie vor über ein operatives Netzwerk in Kabul und eine Präsenz im Osten Afghanistans (VoA 12.5.2020; vgl. taz

Zahlreiche hochrangige IS-Mitglieder sind nach der militärischen Niederlage nach Pakistan geflohen (AAN 1.3.2020).

Sowohl die Taliban als auch die Regierungstruppen haben Gebietsgewinne erzielt. Die Regierung kontrolliert nun den größten Teil der Niederungen. Die Taliban wiederum dehnten ihre

Kontrolle auf die abgelegenen, gebirgigen Gebiete der Provinz aus. Regierungstruppen kontrollieren fast vollständig zehn der 22 Distrikte Nangarhars (Behsud, Kama, Dara-ye Nur, Batikot, Kot, Shinwar, Dur Baba, Pachir wa Agam, Achin und Momand Dara). In acht weiteren Distrikten (Gushta, Spinghar, Lalpur, Nazyan, Rodad, Kuz Kunar, Deh Bala und Chaparhar) ist sie stärker vertreten als die Taliban. Die Taliban kontrollieren große Teile von vier Distrikten (Sherzad, Khogyani, Hesarak und Surkhrod). Die übrigen Gebiete werden von den pakistanischen Gruppen Lashkar-e Islam, Tehrik-e Taleban Pakistan und Jabhat ul-Ahrar kontrolliert. Die zivilen Verwaltungen in den Distrikten Sherzad und Hesarak haben ihren Sitz in der Provinzhauptstadt Jalalabad und die Sicherheitskräfte in diesen Distrikten verbleiben weitgehend in den Distriktzentren und den nahe gelegenen Dörfern (AAN 1.3.2020). Während die afghanischen Streitkräfte zuvor nur für kurze Zeit Gebiete vom ISKP räumen konnten, ist es nach November 2019 gelungen, diese Gebiete zu halten und die Rückkehr von ISKP-Kämpfern zu verhindern.

Al Qaida ist in Nangarhar versteckt aktiv. Auch pakistanische Aufständischengruppierungen sind in Nangarhar unter der Schirmherrschaft der Taliban präsent (UNSC 27.5.2020).

In den Distrikten Achin, Khogyani und Sherzad betreiben lokale Gemeinschaften Bürgerwehren. Sie erhalten militärische und logistische Unterstützung von der NDS und den USA und spielten eine wichtige Rolle im Kampf gegen den IS (AAN 1.3.2020). In Nangarhar sind militärische Spezialeinheiten, auch als counter-terrorism pursuit teams bezeichnet, aktiv. Sie werden inoffiziell von der US Central Intelligence Agency (CIA) ausgebildet und beaufsichtigt. Ihnen werden außergerichtliche Tötungen, Massenexekutionen und Folter vorgeworfen, die straflos bleiben. Die in Nangarhar aktive Einheit wird als NDS-02 bezeichnet (HRW 31.10.2019; vgl. WIIPA 21.8.2019).

Auf Regierungsseite befindet sich Nangarhar im Verantwortungsbereich des 201. Afghan National Army (ANA) Corps, das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - East (TAAC-E) untersteht, welche von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird (USDOD

. Internationale Kräfte haben sich aus Teilen Nangarhars im Mai 2020 zurückgezogen und die Verantwortung der ANA übergeben (ST 5.10.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-30.9.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.070 zivile Opfer (356 Tote und 714 Verletzte) in der Provinz Nangarhar. Dies entspricht einem Rückgang von 41% gegenüber 2018. Die Hauptursachen dafür waren improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate), gefolgt von Kämpfen am Boden und Selbstmordangriffen (UNAMA 2.2020).

Nachdem im November 2019 von der Regierung die Zerschlagung des ISKP erklärt wurde, hat die Nationalarmee die Kontrolle über die Distrikte Spin Ghar, Achin, Haska Mina und Shinwari übernommen. Gemäß Angaben von Bewohnern hat sich die Sicherheitslage in diesen Distrikten deutlich verbessert (ST 5.10.2020; vgl. NAT 21.11.2019, Obs 3.12.2019). Berichte aus dem Distrikt Achin besagen, dass nach der Räumung vom ISKP die Infrastruktur weitgehend zerstört war und Gefahr durch Minen und Kampfmittelrückstände bestand (NAT 21.11.2019; vgl. Obs12.2019). Nach der Räumung des Distriktes Khogyani vom ISKP durch die Taliban wurden die Gesundheitseinrichtungen wieder geöffnet (PM 23.12.2019).

Im Jahr 2020 wird die Sicherheitslage in Nangarhar weiterhin als volatil bezeichnet (UNOCHA UNOCHA 2.9.2020, UNOCHA 24.6.2020, KN 10.6.2020). In Jalalabad führen die Sicherheitskräfte Operationen gegen Schläferzellen des IS durch (UNSC 27.5.2020). Angriffe A. in der Stadt Jalalabad, die oftmals dem IS zugeschrieben werden (ACLED 18.8.2020; vgl. RTL 5.8.2020, UNSC 5.8.2020), zeigen, dass die Gruppe immer noch in der Lage ist, komplexe Angriffe durchzuführen (ACLED 18.8.2020; vgl. UNSC 27.5.2020).

Im Oktober 2020 wird von Kämpfen in den Distrikten Sherzad und Khogyani berichtet (UNOCHA

UNOCHA 22.10.2020). Es kommt staatlicherseits zu Luftangriffen gegen die Taliban (ACLED 28.10.2020, PI 15.2.2020) und zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Taliban (PAJ 6.10.2020, AJ 3.10.2020, MENAFN 18.9.2020, AT 7.7.2020). Aufständische führen Angriffe auf zivile Ziele durch (BW 3.9.2020, TN 14.6.2020, NDTV 12.5.2020).

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (1.3.2020): Hitfrom Many Sides 1: Unpicking the recentvictory against the ISKP in Nangrahar, https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/war-and-peac e/hit-from-many-sides-1-unpicking-the-recent-victory-against-the-iskp-in-nangrahar/ , Zugriff

12.11.2020

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.10.2020): Regional Overview: Central Asia and the Caucasus, 18-24 October 2020, https://acleddata.com/2020/10/28/regio nal-overview-central-asia-and-the-caucasus18-24-october-2020/, Zugriff 13.11.2020

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (18.8.2020): Mid-Year Update: 10 Con- flicts to Worry About in 2020 - Afghanistan, https://acleddata.com/2020/08/18/mid-year- update-10-conflicts-to-worry-about-in-2020/#1597759451635-8d69639a-54e5 , Zugriff

13.11.2020

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (o.D.): ACLED Data https://acleddata. com/data-export-tool/, Zugriff 8.10.2020

AJ - Al Jazeera (3.10.2020): Deadly car bomb targets gov’t building in Afghanistan’s Nangarhar, https://www.aljazeera.com/news/2020/10/3/at-least-13-dead-in-suicide-bomb-attack-in-eastern-af ghanistan , Zugriff 13.11.2020

AREU - Afghanistan Research and Evaluation Unit; David Mansfield (6.2020): Mules, Pick-ups and Container Traffic: Cross-Border Production and Trade and the Shaping of the Political Economy of Nangarhar, https://areu.org.af/wp-content/uploads/2020/07/2008E-Mules-Pick-ups-and-Container- Traffic.pdf, Zugriff 12.11.2020

AT - Afghanistan Times (7.7.2020): Local police commander, three companions killed in Nangarhar blast, http://www.afghanistantimes.af/local-police-commander-three-companions-killed-in-nangar har-blast/, Zugriff 13.11.2020

BW - Businessworld (3.9.2020): 3 civilians killed in roadside mine blast in Afghanistan, http://www. businesswor

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten