TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/6 G307 2222139-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2021
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Entscheidungsdatum

06.04.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G307 2222139-1/11E

Im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA: Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2019, Zahl XXXX , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 09.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Anlässlich einer wiederholten Verurteilung des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) wurde dieser mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 04.05.2019, darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Aus diesem Grund wurde er zur Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme und Bekanntgabe seiner persönlichen wie finanziellen Verhältnisse binnen zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens aufgefordert.

2. Mit am 14.03.2019 beim BFA eingelangtem Schreiben gab der BF eine Stellungnahme hiezu ab.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 02.07.2019, wurde gegen diesen gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BiH) gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage betrage (Spruchpunkt III.), sowie gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

4. Mit per E-Mail am 25.07.2019 beim BFA eingebrachtem Schreiben erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung (im Folgenden: RV), der Diakonie Flüchtlingsdient gemeinnützige Gesellschaft mbH, etabliert in 1170 Wien, Beschwerde gegen den oben im Spruch angeführten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden. BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu die gänzliche Behebung des angefochtenen Bescheides, die Behebung des Einreiseverbotes, die Herabsetzung der Befristung des Einreiseverbotes sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

5. Die Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten dort am 08.08.2019 ein.

6. Mit per Telefax am 29.08.2019 beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz brachte der BF diverse Empfehlungsschreiben in Vorlage.

7. Mit Schreiben der Diakonie vom 11.12.2020, wurde dem BVwG mitgeteilt, dass sämtliche ihr im Rahmen der Rechtsberatung gemäß § 52 BFA-VG erteilten Vollmachten in allen anhängigen Verfahren vor dem BVwG mit Ausnahme konkret in einer Beilage genannter Verfahren, mit 31.12.2020 zurückgelegt werden würden.

Das gegenständliche Verfahren wurde in der genannten Beilage nicht angeführt.

8. Am 09.03.2021 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF über Videokonferenz teilnahm und dessen Eltern sowie Schwester als Zeugen einvernommen wurden.

Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, verzichtete jedoch die Entsendung eines Vertreters.

9. Mit E-Mail und Post am 10.03.2021 und 24.03.2021 beim BVwG eingelangten Schreiben gab der BF eine ergänzende Stellungnahme ab und brachte diverse Unterlagen in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist bosnischer Staatsbürger, ledig, kinderlos, gesund und arbeitsfähig.

1.2. Der BF wurde in Österreich geboren und hält sich seit seiner Geburt durchgehend im Bundesgebiet auf. Er hat in Österreich die Pflichtschule absolviert und den Beruf des Stuckateurs wie Trockenausbauers erlernt.

Der BF ist seit 22.11.2012 im Besitz des unbefristeten Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“. Bis dato hat er jedoch keinen Antrag auf Verlängerung des seinen Aufenthalt bescheinigenden und am 22.11.2017 abgelaufenen Dokumentes beantragt.

Der BF ist vermögenslos und weist offene Verbindlichkeiten in Höhe € 4.900,00 auf.

Der BF war von 13.09.2010 bis 24.05.2017 insgesamt rund 50 Monate, wiederholt, unterbrochen durch teils längere Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges, erwerbstätig.

Im Bundesgebiet halten sich die Eltern, XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , ein Bruder, XXXX , geb. XXXX , und eine Schwester, XXXX , geb. XXXX , allesamt bosnische Staatsbürger, sowie Cousins und Cousinen des BF auf. Die Eltern sowie der Bruder des BF sind jeweils im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“.

Im Herkunftsstaat halten sich weiterhin Verwandte des BF auf, zu denen er jedoch keinen Kontakt pflegt.

Der BF ist der bosnischen Sprache nur in Grundzügen mächtig und hielt sich bis dato nie länger als zwei Wochen durchgehend im Herkunftsstaat auf.

Der BF lebte vor seiner letzten Festnahme und aktuellen Haft mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt und kann nach seiner Entlassung aus seiner aktuellen Freiheitsstrafe wieder bei diesen Unterkunft nehmen.

Im Zuge seiner Lehrausbildung ist der BF erstmals mit Drogen in Kontakt geraten und wurde mit 16 suchtmittelabhängig. Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der Straffälligkeit des BF und seiner Sucht.

Der BF hat während seiner aktuellen Freiheitsstrafe den Beruf des Metallarbeiters erlernt und beabsichtigt aktuell die Reifeprüfung nachzuholen.

Der BF zeigt sich hinsichtlich seiner Straftaten einsichtig und reuig, aber auch willig, zukünftig ein straffreies Leben zu führen und seine Sucht zu überwinden.

Der BF hat von XXXX .2018 bis XXXX .2018 eine Suchttherapie und von XXXX .2018 bis XXXX .2019 zudem eine Gewaltpräventionstherapie vollinhaltlich abgeschlossen.

Der BF ist im Besitz einer Einstellungszusage der Firma XXXX , in XXXX , für eine Vollzeitbeschäftigung bei einer monatlichen Brutto-Entlohnung von € 1.815,14.

Der BF weist folgende Verurteilungen in Österreich auf:

1.       BG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2011, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2011, wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagsätzen zu je € 4 (= € 200), wovon 20 Tagsätzen zu je € 4,00 (= € 80) bedingt nachgesehen wurde (Jugendstraftat).

Der BF wurde im Zuge dieser Verurteilung für schuldig befunden er habe, am XXXX .2011 in XXXX , zum Nachteil des P.W. eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Motorradhelm mit Schutzbrille im Wert von € 280,00 mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Als mildernd wurden das Geständnis sowie die Unbescholtenheit gewertet.

2.       LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2012, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2012, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 (1) StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten (Jugendstraftat).

3.       BG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2012, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2013, wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB. Von der Verhängung einer Zusatzstrafe in Bezug auf das Urteil des LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2012 wurde abgesehen (Jugendstraftat).

Darin wurde dem BF angelastet, er habe am XXXX .2012 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit R.S. und J.D. eine fremde bewegliche Sache, nämlich die Verstrebung eines Fensters eines Jugendclubs durch Versetzen von Tritten beschädigt, wodurch ein Schaden in Höhe von € 299,76 entstanden sei.

4.       LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2013, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2013, wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 (1) StGB, des Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB, der schweren Sachbeschädigung gemäß §§ 125, 126 (1) Z 5 StGB, und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (1) 6. Fall SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon 12 Monate bedingt nachgesehen wurden (Junger Erwachsener).

Der BF wurde darin für schuldig befunden, er habe

A.       in XXXX

a.       am XXXX .2013 den Verfügungsberechtigten einer Bäckerei fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Postsendungen entnommen habe, wobei die Vollendung aufgrund keiner für ihn wertvollen Postsendung unterblieben sei;

b.       am XXXX .2013 eine fremde, der öffentlichen Sicherheit dienende Sache, nämlich einen Funkstreifenwagen beschädigt und unbrauchbar gemacht, indem er mit einem Messer die Seitenwand des linken hinteren Reifens durchstoßen habe, wodurch ein Schaden in Höhe von € 275,45 entstanden sei.

B.       in XXXX und anderen Orten

a.       vorschriftswidrig Suchtgift

i.       in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen großteils durch gewinnbringenden Verkauf überlassen bzw. verschafft, indem er einerseits im Zeitraum Oktober/November 2012 bis Anfang Jänner 2013 vom abgesondert verfolgten D.P. in sieben Teilkäufen zu je 100 Gramm insgesamt 700 Gramm Cannabiskraut sehr guter Qualität zum Grammpreis von € 6,50 erworben habe, andererseits von zumindest Mai 2012 bis XXXX .2013 vom abgesondert verfolgten D.K. in zahlreichen Teilkäufen zwischen 0,5 bis 50 Gramm insgesamt zumindest 100 Gramm „Crystal“ (Methamphetamin) sehr guter Qualität zum Grammpreis zwischen € 50,00 bis € 100,00 großteils auf Kommissionsbasis erworben habe, zudem von Spätsommer 2012 bis Mitte April 2013 von den abgesondert verfolgten J.W. und M.S. in Teilankäufen von jeweils ca. 10 Gramm insgesamt ca. 20 Gramm „Crystal“ (Methamphetamin) zum Grammpreis von € 100,00 erworben sowie von Mitte Jänner 2013 bis Mitte April vom abgesondert verfolgten M.W. in Teilankäufen ca. 30 bis 40 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,00 erworben und die gesamten 700 Gramm Cannabiskraut herrührend von P., zumindest 83 bis 95 Gramm „Crytal“ (Methamphetamin) herrührend aus der erhaltenen Gesamtmenge von ca. 120 Gramm sowie eine insgesamt unbekannte Menge Cannabiskraut herrührend von W. von Oktober/November 2012 bis Mai 2013 einer Vielzahl an Abnehmern teils gewinnbringen überlassen habe.

ii.      erworben und bis zum Eigenkonsum besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen habe, indem er

1.       seit zumindest Mitte Juli 2010 bis XXXX .2012 eine unbekannte Menge Marihuana, Speed, Kokain, MDMA und Crystal erworben und bis zum Eigenkonsum besessen habe;

2.       am XXXX .2012 bis zur Sicherstellung durch die Polizeibeamten zumindest 2 Klemmsäckchen mit 1,4 Gramm Mathamphetamin besessen habe;

3.       am XXXX .2012 bis zu Sicherstellung durch die Polizeibeamten zumindest ein Klemmsäckchen mit 0,4 Gramm Crystal besessen habe;

4.       von XXXX .2013 bis Ende April 2013 regelmäßig insgesamt unbekannte Mengen an „Crystal“, teils herrührend von den Ankäufen bei K., W. und S. bzw. von den Genannten sowie E.Ö. unentgeltlich für den jeweiligen Eigenkonsum erworben bzw. erhalten habe;

5.       von XXXX .2012 bis XXXX .2013 regelmäßig unbekannte Mengen Cannabiskraut, teils herrührend von den Ankäufen bei W. bzw. von den abgesondert verfolgten F.L, A.D., N.L.L., M.L. und anderen Bekannten unentgeltlich für den Eigenkonsum erworben bzw. erhalten habe.

b.       am XXXX .2013 versucht, Polizeibeamte mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern, indem er mehrmals versucht habe, eine Sperrkette, die die Beamten gebildet hatten, gewaltsam zu durchbrechen und den in daran hindernden Beamten mit den Worten bedroht habe „Wenn du mich noch einmal angreifst, breche ich dir das Gesicht!“, worauf er festgenommen wurde.

Als mildernd wurden das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren, der teilweise Versuch und die Schadensgutmachung bei der Sachbeschädigung, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, der Tatzeitraum sowie die Tatausführung trotz anhängigen Verfahrens gewertet.

5.       BG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2014, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2014, wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten als junger Erwachsener.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe am XXXX .2014 in XXXX zwei vor einem Lokal abgestellte Kunststoffblumenschüsseln mit den Füßen herunter getreten, mithin eine fremde bewegliche Sache beschädigt, wodurch S.K. ein Schaden in der Höhe von € 30,00 entstand.

Als mildernd wurden das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung, als erschwerend drei einschlägige Vorstrafen sowie der rasche Rückfall gewertet.

6.       LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2015, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2015, wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 (1) StGB und § 83 StGB, des Diebstahls gemäß § 127 STGB, der schweren Sachbeschädigung gemäß §§ 125, 126 (1) Z 7 STGB sowie der Hehlerei gemäß § 164 Abs. 2 StGB.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe

I.       in XXXX nachstehende Sachen, die ein Täter durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen, nämlich jeweils durch Diebstahl, erlangt hat, gekauft und jeweils einem Dritten verschafft, nämlich

a.       im Februar/März 2014 ein Mountainbike unbekannten Wertes, nachdem er es von einem gewissen U. um € 250,00 gekauft und kurze Zeit später an eine unbekannte Person um EUR 450,00 weiterverkauft habe,

b.       im Sommer 2014 ein Mountainbike unbekannten Wertes, indem er es von M.A. um ca. € 80,00 gekauft und an eine unbekannte Person zu einem Preis von € 350,00 weiterverkauft habe;

II.      in XXXX nachgenannte Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich

a.       am XXXX .2014 Verfügungsberechtigten einer Polizeidienststelle ein mobiles Blaulicht im Wert von € 239,70;

b.       im September/Oktober 2014 einer unbekannten Person ein Mountainbike im Wert von ca € 1.200,-

III.    fremde Sachen beschädigt, wobei an den Sachen ein € 3.000,00 übersteigender Schaden in Höhe von € 4.153,60 entstanden sei, und zwar,

a.       am XXXX .2014 in XXXX in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten N-A. A.-N. einen Getränkeautomaten samt Inhalt, indem sie mit den Füßen gegen den Automaten getreten und ihn zweimal umgeworfen hätten, wodurch ein Schaden in Höhe von € 4.017,60 entstanden sei;

b.       am XXXX .2014 in XXXX einen Spielautomaten, eine Halterung für einen Folder und eine Wand, indem er zunächst einen Mistkübel gegen den Automaten getreten, eine Halterung für Folder aus der Wand riss und schließlich einen Kübel mit Wasser auf den Spielautomaten geschüttet habe, wodurch ein Schaden in Höhe von zumindest € 136,- entstanden sei;

IV.      am XXXX .2014 in XXXX nachstehende Personen vorsätzlich am Körper verletzt bzw. zu verletzen versucht, und zwar

a.       A.K. durch den Versuch, ihm einen Kopfstoß zu versetzen, einen Stoß gegen die Brust und Reißen an dessen Daumen in Form einer aufgerissenen Verkrustung am linken Ellenbogen und einer Verschlimmerung einer Verletzung am rechten Daumengelenk;

b.       R.D.B. durch Beißen in den Arm und Fußtritte, wobei es beim Versuch geblieben sei;

V.       am XXXX .2014 in XXXX A.K. und D.G. zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihnen gegenüber äußerte „Das nächste Mal wenn ich euch seh‘, stech‘ ich Euch ab!“.

Als mildernd wurden das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren sowie der teilweise Versuch, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen, 4 einschlägige Vorstrafen, die Tatbegehung während laufendem Verfahren sowie die Tatbegehung während offener Probezeit gewertet.

7.       LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2016, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2016, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 (1) Z 1 erster und zweiter Fall, 27 (2) SMG, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je € 15,- (= € 2.700,-)

Dem BF wurde darin angelastet, er habe in Linz und Traun vorschriftswidrig Suchtgift

A.       von Mitte bis Ende 2014 insgesamt zumindest 3 Gramm Heroin einem anderen, nämlich M.N.A. in mehreren Teilverkäufen zu Grammpreisen von € 60,00 bis € 65,00 überlassen;

B.       von Oktober 2015 bis März 2016 erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen habe, und zwar insgesamt unbekannte Mengen Cannabiskraut bis zum jeweiligen Eigenkonsum.

Als mildernd wurden das Geständnis sowie, dass es sich beim BF um einen jungen Erwachsenen gehandelt habe, als erschwerend drei einschlägige Vorverurteilungen gewertet.

8.       LG XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2017, in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2017, wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß §§ 142 (1), 143 (1) 2. Fall StGB sowie wegen § 50 (1) Z 3 WaffG, zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in XXXX

I.       am XXXX 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem anderen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde, und zwar als unmittelbarer Täter, indem er mit schwarzer Kappe, Sonnenbrille sowie Tuch über Mund und Nase maskiert und mit einer schwarzen Gas-Schreckschusspistole bewaffnet gegen 00:33 Uhr ein Wettlokal mit Hilfe des Mitangeklagten R.S. betreten, mit der Gas-Schreckschusspistole gegen den Kopf der Angestellten N.S.C.S.A. gezielt, dabei auch die Pistole repetiert und S. A. zur Herausgabe einer Geldtasche mit ca. € 3.000,00 bis € 4.000,00 in bar genötigt habe;

II.      am XXXX . und XXXX 2017 (vor, während und nach dem zu Punkt I. dargestellten Raub) wenn auch nur fahrlässig eine Waffe, nämlich die oben erwähnte Gas-Schreckschusspistole, besessen, obwohl ihm dies aufgrund eines Waffenverbotes gemäß § 12 WaffG verboten war.

Als mildernd wurden das reumütige und auch teilweise der Wahrheitsfindung dienende Geständnis, als erschwerend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StGB, das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen sowie das Vorliegen von drei weiteren einschlägigen Vorstrafen gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die genannten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Der BF wurde während folgender Zeiträume in Strafhaft angehalten:

?        vom XXXX .2013 bis XXXX .2013 sowie

?        vom XXXX .2015 bis XXXX .2015

Zudem befindet sich der BF seit XXXX .2017, aktuell in der Justizanstalt XXXX , in Strafhaft.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Insoweit oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsbürgerschaft, Geburt in Österreich, Gesundheitszustand, Schulbesuch in Österreich, Erlernen des Berufes des Stuckateurs und Trockenausbauers, Familienstand, Kinderlosigkeit sowie familiären Anknüpfungspunkten in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde.

Die Ausstellung von unbefristeten Aufenthaltstiteln an den BF und seine Eltern sowie seinen Bruder beruht auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Diesem kann zudem entnommen werden, dass das den Aufenthaltstitel des BF bescheinigende Dokument am 22.11.2017 abgelaufen und der BF bis dato keinen Verlängerungsantrag gestellt hat, was der BF in der mündlichen Verhandlung auch bestätigte.

Die Verurteilungen des BF in Österreich samt den jeweiligen näheren Ausführungen sowie die Feststellungen, dass der BF die genannten Straftaten begangen und die jeweils beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat, folgen dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer jeweiligen Ausfertigung der oben näher ausgeführten Strafurteile.

Die Ausübung der oben angeführten Erwerbstätigkeiten des BF sowie dessen wiederholter Bezug von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges und ergibt sich die Erwerbsfähigkeit des BF aus seinem oben festgestellten Gesundheitszustand sowie seinen in Österreich ausgeübten Erwerbstätigkeiten.

Den Abschluss einer weiteren Ausbildung zum Metallarbeiter während der aktuellen Haft sowie der Wille, die Reifeprüfung nachzuholen, folgen dem glaubwürdigen Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung und konnte der BF zudem den Besitz der oben genannten Einstellungszusage durch Vorlage einer Ablichtung derselben belegen (siehe Verhandlungsprotokoll).

Der seit der Geburt andauerende, durchgehende Aufenthalt des BF in Österreich beruht auf dem widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF im gesamten Verfahren bis hin zur mündlichen Verhandlung. Zudem wurden die Angaben des BF durch die Aussagen seiner Eltern in der mündlichen Verhandlung insofern bestätigt, als diese ebenfalls vorbrachten, dass der BF seit seiner Geburt durchgehend in Österreich aufhältig sei. Ferner haben der BF und seine Eltern in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend angegeben, dass er Zeit seines Lebens niemals eine längere Zeit in BiH verbracht habe und keine berücksichtigungswürdigen Bezugspunkte im Herkunftsstaat mehr bestünden.

Die Vermögenlosigkeit sowie das Vorliegen offener Verbindlichkeiten wurden vom BF in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig eingestanden. Die mäßigen Bosnisch- bzw. Serbokroatisch-Kenntnisse des BF wurden von den Eltern sowie der Schwester des BF in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Dass der BF bis zu seiner aktuellen Festnahme im selben Haushalt mit seinen Eltern gelebt hat, konnte durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ermittelt werden und wurde dies vom BF in der mündlichen Verhandlung behauptet. Den übereinstimmenden Angaben des BF mit jenen seiner Eltern folgt ferner die Feststellung, dass der BF nach seiner Entlassung wieder im elterlichen Haushalt leben kann.

Die Anhaltungen des BF in Justizanstalten konnte durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ermittelt werden.

Letztlich beruhen die obigen Feststellungen zur Einsicht und Reue des BF, zur Absicht des BF die Matura nachholen zu wollen, zu seiner Sucht, deren Kausalität in Bezug auf die Straffälligkeit des BF und deren Bekämpfung sowie zur Absicht, sein Leben ändern zu wollen, auf dem glaubwürdigen konkreten Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung.

Besuch und Abschluss einer Sucht- und Gewaltpräventionstherapie beruhen auf der Vorlage entsprechender Bestätigungen des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Suben (siehe OZ 10).

2.2.2. Der BF vermittelte während der gesamten mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck. Er war in der Lage, die ihm gestellten Fragen zügig und ohne Umschweife konkret zu beantworten und decken seine Angaben einander mit jenen seiner als Zeugen einvernommenen Eltern und der Schwester. Zudem konnte das erkennende Gericht sich einen persönlichen Eindruck vom BF im Zuge der mündlichen Verhandlung machen. Dieser hat seine Suchtproblematik und deren Zusammenhang mit seiner Straffälligkeit überzeugend und nachvollziehbar, aber auch seine Reue sowie seinen Willen, in Zukunft ein straffreies Leben führen zu wollen, vorgebracht. Ferner hat der BF nachvollziehbar darlegen können, er habe erst seit seiner nunmehrigen längeren Suchtmittel-Abstinenz in aufrechter langjähriger Strafhaft klare Gedanken fassen und sich mit seinen Taten auseinandersetzen können. Dies habe letztlich auch dazu geführt, dass er sich von seinem früheren, einen negativen Einfluss auf ihn ausübenden sozialen Umfeld distanziert habe und nunmehr seine Selbstständigkeit anstrebe, was er letztlich durch den Abschluss einer weiteren Berufsausbildung, die Absolvierung Berufsreifeprüfung sowie Bemühungen, eine neue Anstellung zu erlangen, untermauert hat.

Anhaltspunkte, dass der BF oder die als Zeugen einvernommenen Angehörigen die Unwahrheit vorgerbacht hätten, konnten letztlich nicht festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jemand der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, ein Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist als Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist aufgrund seiner bosnischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehöriger iSd. § 4 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2.       wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3.       wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4.       wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5.       wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6.       den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7.       bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8.       eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9.       an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln“ betitelte § 20 NAG lautet:

„§ 20. (1) Befristete Aufenthaltstitel sind für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde jeweils eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde

1.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat und

2.       in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,

es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.

(3) Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45) sind in Österreich unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

(4) Ein Aufenthaltstitel nach Abs. 3 erlischt, wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten, wenn er dies der Behörde vorher mitgeteilt hat. Liegt ein berechtigtes Interesse des Fremden vor, hat die Behörde auf Antrag festzustellen, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist. Der Nachweis des Aufenthalts im EWR-Gebiet obliegt dem Fremden.

(4a) Abweichend von Abs. 4 erster Satz erlischt der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, der einem Inhaber eines Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ oder dessen Familienangehörigen erteilt wurde erst, wenn sich der Fremde länger als 24 aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält.

(5) Abs. 4 gilt nicht für Inhaber eines Aufenthaltstitels Daueraufenthalt – EU, wenn

1.       sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Elternteil Österreicher ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, oder

2.       sein Ehegatte, eingetragener Partner oder Elternteil Österreicher ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik liegt und

er die beabsichtigte Aufgabe der Niederlassung (§ 2 Abs. 2) der Behörde vorher mitgeteilt hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Z 1 oder 2 hat der Fremde nachzuweisen. Der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ ist auch nach Aufgabe der Niederlassung auf Antrag zu verlängern.“

„Personen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügen, kommt nach § 20 Abs. 3 NAG 2005 in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokumentes - ein unbefristetes Niederlassungsrecht zu (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024). Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist in diesem Fall am Maßstab des § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 zu prüfen, wobei sich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auch noch aus § 9 BFA-VG 2014 ergeben.“ (vgl. VwGH 29,05,2018, Ra 2018/21/0067).

3.1.3.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 NAG kann, insbesondere im Lichte der oben zitierten Judikatur des VwGH, nicht entnommen werden, dass ein einmal erteilter unbefristeter Aufenthaltstitel aufgrund versäumter Antragstellung auf Verlängerung des diesen bescheinigenden Dokumentes erlischt. Vielmehr kann ein solcher Verlängerungsantrag gemäß § 20 Abs. 3 NAG auch nach Ablauf der Gültigkeit des besagten Dokumentes erfolgreich gestellt werden.

In Ermangelung der Verwirklichung der in § 20 Abs. 3, 4 und 4a NAG genannten Tatbestände und bis dato nicht erfolgter Aufenthaltstitel-Aberkennung durch die zuständige NAG-Behörde ist der BF, ungeachtet der unterlassenen Antragstellung auf Verlängerung der den Aufenthaltstitel des BF bescheinigenden Dokumentes (Karte), im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ und hält sich somit rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Das Bundesamt hat die Rückkehrentscheidung daher dem Grunde nach zu Recht auf § 52 Abs. 5 FPG gestützt.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

3.1.4. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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