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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1996, Zl. 4.337.250/5-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. August 1996 die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Mazedonien, der am 20. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. April 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Mai 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen wurde, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Die belangte Behörde ging dabei von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, welcher vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird:
Der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 27. April 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er sei nie Mitglied der kommunistischen Partei oder einer anderen politischen Organisation gewesen. Er habe sich nie politisch betätigt und sei auch keinen politischen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Kosovo-Albaner, deswegen und auch wegen seines Religionsbekenntnisses aber nicht verfolgt worden. Von Juni 1991 bis 9. Dezember 1991 habe er an der Front in Vukovar und Osijek gekämpft. Am 9. Dezember 1991 sei er durch eine Mine leichten Grades verletzt und zur stationären Behandlung in das Spital von Novi Sad gebracht worden. Am 14. Dezember 1991 sei es ihm gelungen, sich aus dem Krankenhaus zu entfernen. Anschließend habe er sich bei Freunden in Ljubljana versteckt gehalten und zur Ausreise entschlossen, weil er nicht mehr an die Front hätte geschickt werden wollen. Es sei doch unverständlich, daß man auf Landsleute zu schießen und sich gegenseitig umzubringen hätte. Dies habe er gehaßt und sei außerdem aus Furcht um sein eigenes Leben dann ausgereist.
In der Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Mai 1992 habe er ersucht, sein Asylansuchen nochmals sorgfältig zu prüfen und diesem stattzugeben, weil er wegen seiner politischen Überzeugungen in seinem Herkunftsland Jugoslawien verfolgt worden sei. Er habe sodann das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt und um einen positiven Abschluß seines Asylverfahrens ersucht.
Die Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Februar 1994 abgewiesen worden. Dagegen habe er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, welcher mit Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, Zl. 94/01/0483, diesen Bescheid aufgehoben habe (die belangte Behörde hatte angenommen, der Beschwerdeführer wäre in Slowenien und Kroatien vor Verfolgung sicher gewesen; die Aufhebung erfolgte wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).
Die belangte Behörde erließ daraufhin im fortgesetzten Verfahren den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie legte die erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde und führte aus, daß gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen habe. Eine der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 enthaltenen Voraussetzungen für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens treffe nicht zu, weshalb auf das über die erstinstanzlichen Angaben hinausgehende Berufungsvorbringen (daß er wegen seiner politischen Überzeugungen in seiner Heimat verfolgt worden sei) nicht Bedacht zu nehmen sei.
Rechtlich folge aus dem festgestellten Sachverhalt, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 darstelle, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei, weil die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlichen Pflichten dienten. In diesem Sinne stelle die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar, weshalb eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als solche keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 darstelle. Die Beweggründe des Beschwerdeführers, der von ihm geforderten Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, seien asylrechtlich insoferne unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung bzw. auch mit einer eventuellen gerichtlichen Bestrafung seiner Person eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre.
Die dagegen erhobene Beschwerde hat folgende Begründung:
"Richtig ist, daß als zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die "begründete Furcht" vor Verfolgung" nach ständiger Rechtssprechung vorliegen muß.
Gerade aber diese Furcht vor Verfolgung hat die belangte Behörde nicht richtig eingeschätzt, da ich sehr wohl angegeben habe, daß ich aus den im Gesetz genannten Gründen, nämlich wegen meiner politischen Überzeugungen, Furcht davor hatte, in meiner Heimat verfolgt zu werden.
Diesbezüglich hätte sich auch die belangte Behörde näher mit meinem Vorbringen in der Niederschrift vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27.4.1992 auseinanderzusetzen gehabt, in der ich schon angegeben habe, daß ich befürchte deshalb verfolgt zu werden, da ich nicht mehr an Kriegshandlungen teilnehmen wollte.
Es stellt einen allgemein bekannten Umstand dar, daß mazedonische Staatsangehörige wie ich wegen ihrer Volkszugehörigkeit im seinerzeitigen Jugoslawien verfolgt wurden.
Die belangte Behörde hätte daher, hätte sie diese Umstände ausreichend gewürdigt, zum Ergebnis kommen müssen, daß ich Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes bin und ist daher der bekämpfte Bescheid rechtswidrig."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der belangten Behörde ist zunächst insoweit beizupflichten, als die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß eine dem Asylwerber wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen gegen diese schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen verhängt würde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat zwar seiner Beschwerdebehauptung zufolge bei seiner Ersteinvernahme Ausführungen, die auf das Vorliegen von in der Aufforderung, sich zum Militärdienst zu melden, liegenden Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden, gemacht. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß die von ihm behauptete, aus der Desertion herrührende Verfolgung vom jugoslawischen Staat ausginge, er sich aber als mazedonischer Staatsangehöriger bezeichnet. Der ehemalige jugoslawische Teilstaat Mazedonien hat sich am 15. September 1991 als unabhängiger Staat zur Republik Mazedonien erklärt. Damit geht das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer werde als mazedonischer Staatsangehöriger im seinerzeitigen Jugoslawien verfolgt, ins Leere, weil damit die Verfolgung nicht von seinem Heimatstaat ausginge. Eine ihm drohende anderweitige Verfolgung ist aus seinen Angaben nicht ableitbar.
Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996011192.X00Im RIS seit
20.11.2000