Entscheidungsdatum
07.04.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W159 2135549-2/6E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Serbien, gegen Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt V. ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Serbien und Angehöriger der Volksgruppe der Roma, hielt sich bereits in den 1990-er-Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er wurde in der Folge nach Straffälligkeit nach dem Suchtmittelgesetz mehrfach in seinen Herkunftsstaat abgeschoben bzw. ist freiwillig wieder ausgereist.
Am 14.08.2013 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2016 zur Zahl XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde, eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, festgestellt wurde, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht zuerkannt.
Die dagegen fristgerecht gegen alle Spruchteile erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2016, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des Amts der Wiener Landesregierung vom 05.01.2018, Zahl XXXX wurde der Antrag vom 09.11.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck Familienangehöriger nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG wegen unzulässiger Inlandsantragstellung und des Fehlens des erforderlichen Nachweises von Kenntnissen der deutschen Sprache auf Niveau A1 sowie wegen Verstoßes gegen öffentliche Interessen abgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16.07.2019, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.
Mit schriftlichem Parteiengehör vom 02.06.2020 zur Zahl XXXX wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien dem Beschwerdeführer schriftlich Parteiengehör zu seinem Privat- und Familienleben eingeräumt. Mit E-Mail vom 19.06.2020 machte der Beschwerdeführer von seiner Möglichkeit zur Stellungahme Gebrauch und gab an, dass er am 15.04.2010 nach Österreich zuletzt eingereist sei. Seine gesundheitliche Situation sei schlecht, da er an mehreren Krankheiten leide (Befunde wurden jedoch nicht vorgelegt). Er habe die Volks- und Hauptschule in Serbien besucht und sei mit XXXX , geboren XXXX , welche österreichische Staatsbürgerin sei, verheiratet und habe erwachsene Kinder XXXX , geboren XXXX und XXXX , geboren XXXX . Diese seien wohl serbische Staatsbürger, verfügten aber über einen Daueraufenthalt EU, weiters wären auch noch sechs Enkelkinder, welche teilweise österreichische und teilweise serbische Staatsbürger wären, in Österreich aufhältig. Er verfüge derzeit über kein Einkommen und keine Beschäftigung, sei jedoch bei seiner Gattin mitversichert. Diese habe auch eine Gemeindewohnung. Er sei sehr krank und benötige die Unterstützung seiner Ehegattin. In Serbien habe er keine Existenz bzw. Unterkunft.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 24.06.2020, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt II. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei, unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, unter Spruchpunkt V. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchpunkt VI. ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Nach Darstellung des Verfahrensganges wurden Feststelllungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage im Herkunftsstaat getroffen. Nach beweiswürdigenden Ausführungen wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass keine der Voraussetzungen des § 57 im vorliegenden Fall vorliegen. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer seit 12.06.2013 in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet sei, die zulässige visumsfreie Aufenthaltsdauer betrage jedoch nur 90 Tage innerhalb von 180 Tagen. Der Bescheidadressat sei illegal, rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig und sei ihm dies bewusst. Er führe wohl ein Familienleben mit seiner Frau, die österreichische Staatsbürgerin sei, ein außergewöhnliches Abhängigkeitsverhältnis könne jedoch nicht festgestellt werden und könnte Kontakt auch durch elektronische Kommunikation aufrecht erhalten werden, auch mit seinen erwachsenen Kindern. Er könnte auch sein Familienleben in Serbien, einem sicheren Drittstaat, fortsetzen. Aufgrund der offensichtlichen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sei des Schutz des Familienlebens obsolet. Der Beschwerdeführer sei überdies nicht erwerbstätig und unzureichend integriert und habe auch keinen Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache in Vorlage gebracht. Da er den überwiegenden Teil seines Lebens in seiner Heimat verbracht habe, könne davon ausgegangen werden, dass seine Bindungen zum Heimatstaat größer seine als jene zu Österreich. Im Strafregister scheine wohl keine Verurteilung auf, aber sein langjähriger Aufenthalt in Österreich sei überwiegend rechtswidrig gewesen. Eine Rückkehrentscheidung sei daher im Interesse eines geordneten Fremdenwesens zulässig. Zu Spruchpunkt III. wurde nochmals darauf hingewiesen, dass Serbien ein sicherer Herkunftsstaat sei und dass die elementare sowie die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet sei. Auch die aktuelle COVID-19-Pandemie erfordere nicht die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung und gebe es auch Starthilfeprogramme in Serbien. Bei Rückkehr würde er daher nicht in eine aussichtlose Lage im Sinne des Art. 3 EMRK geraten, sodass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei, sei keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen (Spruchpunkt IV). Im vorliegenden Fall sei die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich (Spruchpunkt V). Zu Spruchpunkt VI. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht habe nachweisen können und resultiere aus der Mittellosigkeit die Gefahr der illegalen Beschaffung der Mitte zum Unterhalt. Auch liege eine massive Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes und eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, sodass ein Einreiseverbot in der angegebenen Länge zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Adressat, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , fristgerecht gegen alle Spruchteile Beschwerde und stellte auch einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Darin wurde vorgebracht, dass er sich durchgehend seit 2010 in Österreich aufhalte und seit 38 Jahren mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX verheiratet sei, seine gesamte Familie lebe in Österreich, auch sein Sohn und seine Tochter mit ihrer Familie. Seine Deutschkenntnisse seien sehr gut und wäre ihm daher ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (?) zu erteilen gewesen. Was das Einreiseverbot betreffe, das sich lediglich darauf beziehe, dass sein Unterhalt nicht gesichert sei, wurde vorgebracht, dass er von seinem Sohn XXXX unterstützt werde und er auch einen Rechtsanspruch auf finanzielle Zuwendung von Seiten seiner Frau aufgrund des Eherechtes habe. Seine Frau beziehe derzeit eine Unterstützung vom AMS von knapp 1.000,-- Euro und verfüge über eine Gemeindewohnung. Er sei bei seiner Frau mitversichert. Es könne daher keine Rede davon sein, dass er sich in einer finanziellen Notlage befinde. Er beantrage ausdrücklich die Einvernahme seiner Ehefrau und seines Sohnes als Zeugen. Im Übrigen sei er nicht reisefähig, leide unter Bluthochdruck, Panikattacken, Hepatitis B, schweren Schlafstörungen, Reflux und Depressionen, wobei die Hypertonie nicht behandelbar sei. Vorgelegt wurde ein Schreiben des AMS hinsichtlich Arbeitslosengeld für seine Ehefrau sowie ein Dienstzettel über geringfügige Beschäftigung seiner Ehefrau, weiters ein fachärztlicher Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, XXXX , wonach der Beschwerdeführer seit vielen Jahren unter Panikattacken und Episoden depressiver Symptomatik leide, weiters unter arterieller Hypertonie und obstruktiver Schlafapnoe; weiters wurde eine Bestätigung über Mitversicherung bei seiner Ehefrau durch die österreichische Gesundheitskasse, eine Arbeits- und Gehaltsbestätigung des Sohnes XXXX bei der Firma XXXX sowie ein (aufschiebend bedingter) Dienstvertrag mit der Firma XXXX , ein Mietvertrag von XXXX der Ehefrau sowie ein Befundbericht der Gruppenpraxis für Innere Medizin und Kardiologie XXXX , wo als weitere Diagnosen Hepatitis B und gastroösophageale Refluxkrankheit aufscheinen, vorgelegt.
Am 25.03.2021 wurde der gegenständliche Verfahrensakt (nach Abnahme der seinerzeit zuständigen Richterin) dem nunmehr zuständigen Einzelrichter zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die obigen Darlegungen im Verfahrensgang werden zu Feststellungen erhoben.
Der Verfahrensgang und damit die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der belangten Behörde.
Die gesetzlichen Bestimmungen im BFA-VG zu Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde lauten wie folgt:
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“
Der VwGH hat zu § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung vor dem FrÄG 2017 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass dieser das BVwG dazu verpflichtet, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde mit (Teil-)Erkenntnis zu entscheiden und zwar sowohl über die Zuerkennung als auch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014; 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 30.06.2917, Fr 2017/18/0026; 20.09.2017, Ra 2017/19/0284; 19.10.2017, Ra 2017/18/0278; 29.11.2017, Ro 2017/18/0002; 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).
Das Bundesverwaltungsgericht deutet § 18 Abs. 5 BFA-VG in der Fassung des FrÄG 2017 so, dass es bei Vorliegen einer Beschwerde in der Hauptsache auch von einer Beschwerde gegen den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auszugehen hat und dass es (im Sinne der vorzitierten Judikatur des VwGH) diese – sowohl im Fall der Bestätigung dieser Aberkennung als auch im Fall einer Abänderung iSd. Zuerkennung aufschiebender Wirkung – innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist mit Erkenntnis zu erledigen hat (vgl. dazu näher BVwG 10.04.2018, W230 2190973-1, mwN).
Einer Auslegung, wonach nur mehr die Zuerkennung aufschiebender Wirkung innerhalb einer Woche erfolgen müsste, eine förmliche Bestätigung der Aberkennung hingegen durch formlosen Aktenvermerk ersetzt werden dürfte (und allenfalls erst mit Fristsetzungsantrag herbeigeführt werden müsste) kann hier nicht gefolgt werden (anderer Auffassung: Eberhard/Ranacher/Weinhandl, ZfV 2018, 99; Urban in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, 138 ff.).
Gegen eine solche Auslegung spräche gegen die in Art. 47 GRC grundgelegte Waffengleichheit zwischen der Behörde und dem Beschwerdeführer (dazu mwN bereits BVwG 26.11.2014, I402 2014142-1 sowie die ausdrückliche Betonung der Waffengleichheit [égalité des armes] in Rn 61 des zu einschlägigen Fragen der Asylverfahrensrichtlinie ergangenen Urteils des EuGH vom 19.06.2018, Rs. C-181/16, Gnandi). Es besteht keine Waffengleichheit, wenn im Kontext des Streits um die aufschiebende Wirkung – also bei für beide Seiten herrschender Gefahr im Verzug – eine Partei im Unterliegensfall sofort eine Entscheidung erhält, die sie mit Revision beim VwGH anfechten kann, während die andere Partei im Unterliegensfall erst einen Fristsetzungsantrag einlegen müsste, um allenfalls eine Entscheidung zu erlangen, die sie mit Revision anfechten könnte (siehe auch BVwG vom 21.08.2018 W230 2203544-1/5E).
Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
Im vorliegenden Fall war es dem nunmehr zuständigen Einzelrichter nicht möglich, innerhalb einer Woche über die Frage der aufschiebenden Wirkung zu erteilen, weil ihm dieser Akt erst wesentlich später zugeteilt wurde, eine Entscheidung mittels Teilerkenntnis ist jedoch auch nach Ablauf dieser Frist vorzunehmen (in diesem Sinne auch VwGH vom 19.06.2017, Fr 2017/190023-0024).
Der Beschwerdeführer macht – zumindest implizit – ein reales Risiko einer Verletzung der zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen sowohl des Art. 3 als auch des Art. 8 EMRK geltend, bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um „vertretbare Behauptungen“ handelt.
Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde den Sachverhalt (und die Beweiswürdigung) nicht bloß unsubstantiiert bestritten, sondern diesbezüglich ein konkretes und substantiiertes Vorbringen erstattet und die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unter persönlicher Befragung des Beschwerdeführers und Einvernahme von Zeugen beantragt.
Der VwGH führt hinsichtlich der Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BVA-VG in ständiger Judikatur dazu wie folgt aus:
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur und des Beschwerdevorbringens erscheint im vorliegenden Fall eine mündliche Beschwerdeverhandlung erforderlich.
Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der Spruchpunkt V. ersatzlos zu beheben. Durch die Behebung des angefochtenen Spruchpunkt V. kommt der Beschwerde somit ex lege aufschiebende Wirkung zu. Somit war es nicht mehr erforderlich, ausdrücklich der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen oder ausdrücklich über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden, zumal ein solcher Antrag gar nicht zulässig ist (VwGH vom 13.12.2017, Ra 2017/19/003).
Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung ersatzlose Behebung TeilerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2135549.2.00Im RIS seit
18.06.2021Zuletzt aktualisiert am
18.06.2021