TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/7 W123 2240675-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.04.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch


W123 2240675-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2021, Zl. 302329910/191259730, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.09.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und weiterer strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Jahren verurteilt.

2. Am 26.01.2021 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

3. Mit Schreiben vom 03.02.2021 übermittelte der Beschwerdeführer eine (handschriftliche) Stellungnahme und brachte darin insbesondere vor, dass er gesund sei und sein am 11.10.2010 geborener Sohn in Österreich lebe, für den er die Obsorge habe.

4. Mit dem oben im Spruch zitierten Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

5. Mit Schriftsatz vom 19.03.2021 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde und brachte zusammenfassend vor, dass die belangte Behörde das Recht auf Parteiengehör verletzt habe, da keine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgt sei. Ferner leide der Beschwerdeführer an einer Herzerkrankung und sei diesem im Jahr 2017 ein Stent eingesetzt worden. Der Beschwerdeführer sei daher auf ärztliche Kontrolle und Medikamente angewiesen, weshalb eine Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich sei, zumal er dort keine entsprechende notwendige medizinische Versorgung erhalten würde. Zudem verfüge der Beschwerdeführer aufgrund seines etwa 17-Jährigen Aufenthaltes in Österreich und aufgrund der Beziehung zu seinen in Österreich lebenden sonstigen Familienangehörigen über ein schützenwertes Privatleben.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest.

1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.09.2020, Zl. XXXX , (rechtskräftig am selben Tag) wurde der Beschwerdeführer wegen

?        dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs. 1 und Abs. 3 erster und vierter Fall, 15 StGB,

?        dem Vergehen der Blutschande nach §§ 15, 211 Abs. 1 StGB,

?        dem Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB,

?        dem Verbrechen der Vergewaltigung nach 201 Abs. 1 StGB idF BGBl 2013/116,

?        dem Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB,

?        dem Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB,

?        dem Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs. 1 und 3 StGB,

?        dem Vergehen der Kuppelei nach §§ 15, 213 Abs. 1 StGB,

?        dem Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs. 1 Z 2, Abs. 3 zweiter Fall StGB,

?        dem Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG

in Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs. 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Jahren verurteilt.

In den Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise (vgl. Seite 14 von 24):

„Der Angeklagte war im Tatzeitpunkt in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Beim Angeklagten besteht zwar eine psychische Störung, nämlich eine schwerwiegende pädophile Erkrankung mit heterosexueller Ausrichtung, die jedoch im konkreten Fall nicht zu einer Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit führte. Sämtliche oben beschriebenen Handlungen setzte der Angeklagte aus dem Antrieb dieser psychischen Erkrankung, die auf einer seelisch/geistigen Abartigkeit höheren Grades beruht. Es ist aufgrund der Person und des Zustandes des Angeklagten sowie der Art der gegenständlichen Taten, die nicht nur eine massive sexuelle Komponente beinhalten, sondern auch völlige Empathielosigkeit hinsichtlich seiner Töchter und der unter seiner Aufsicht stehenden XXXX aufzeigen, höchst wahrscheinlich, dass der Angeklagte unter Einfluss seiner seelisch/geistigen Abartigkeit höheren Grades als Folge seiner Erkrankung weitere pädosexuelle Handlungen mit sicherlich auch schweren Folgen für die Opfer wie vor allem schwere Missbräuche an anderen Unmündigen oder Vergewaltigungen, sohin weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen wird, die mit den Gegenständlichen hinsichtlich Art und Schweregrad zumindest gleich zu halten sind.“

1.3. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der von ihm begangenen Straftaten und seines Persönlichkeitsbildes als schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen.

1.4. Der Beschwerdeführer ist in Bosnien geboren und aufgewachsen. Er besuchte acht Jahre die Grundschule sowie drei Jahre die Berufsschule zur Ausbildung als Schlosser. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist sorgepflichtig gegenüber seinem in Österreich lebenden minderjährigen Sohn.

Der Beschwerdeführer ist seit 16.08.2004 im Bundesgebiet gemeldet und erhielt erstmals am 08.04.2005 einen Aufenthaltstitel. Am 08.03.2010, verlängert am 20.02.2015, wurde dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ ausgestellt. Der Beschwerdeführer war in Österreich als Brandschutzmonteur und Berufskraftfahrer tätig. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Stent Ausweises. Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.5. Der Beschwerdeführer befindet sich gegenwärtig im Strafvollzug einer österreichischen Justizanstalt.

1.6. Der Beschwerdeführer brachte nicht vor, dass ihm in Bosnien eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes ist er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts in Bosnien in der Lage. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und beherrscht die Sprache seines Herkunftsstaates.

Bosnien und Herzegowina gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verfahrensaktes der belangten Behörde. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Erwerbstätigkeit (AJ-WEB-Auskunftsverfahren) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aufgrund seines Reisepasses.

2.2. Die Feststellungen zu seinem Leben in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 03.02.2021, dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.09.2020 sowie den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

2.3. Laut Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist dem Beschwerdeführer mehrfacher (teils schwerer) sexueller Missbrauch von Unmündigen, unter anderem mit seinen beiden Töchtern, vorzuwerfen. Trotz seiner psychischen Störung handelte der Beschwerdeführer vorsätzlich. Bei sämtlichen beschriebenen Tathandlungen war dem Beschwerdeführer „völlig bewusst“, dass es sich um seine minderjährigen Töchter gehandelt habe. Es war dem Beschwerdeführer zudem „völlig bewusst“, dass er an unmündigen Minderjährigen geschlechtliche Handlungen vorgenommen habe (vgl. Seite 11 von 24 des Urteils; AS 31).

Insbesondere aufgrund der Annahme des Gerichtes, dass es „höchst wahrscheinlich“ sei, dass der Beschwerdeführer weitere strafbare Handlungen „mit schweren Folgen begehen“ werde, die mit den gegenständlichen vergleichbar wären (vgl. Seite 14 von 24 des Urteils; AS 31), ist die Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, dass sich durch einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet „zwingend“ eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergebe (vgl. AS 109).

2.4. Entgegen den Behauptungen im Beschwerdeschriftsatz wurde seitens der belangten Behörde das Recht auf Parteiengehör nicht verletzt, da dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt wurde, ein schriftliches Vorbringen zu erstatten. Demzufolge erstattete der Beschwerdeführer auch eine Stellungnahme (vgl. AS 75).

Soweit im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer „aufgrund der Beziehung zu seinen in Österreich lebenden sonstigen Familienangehörigen über ein schützenswertes Privatleben“ verfüge (vgl. AS 181), ist anzumerken, dass Beschwerdeführer seine Straftaten ungeachtet der Tatsache, für einen minderjährigen Sohn obsorgepflichtig zu sein, ausführte. Der Beschwerdeführer nahm somit eine mögliche Trennung von seinem minderjährigen Sohn durch die Begehung der Verbrechen bewusst in Kauf. Abgesehen davon ist anzuführen, dass in Österreich die Gattin des Beschwerdeführers (und Mutter des Sohnes) lebt und insoweit den Beschwerdeführer als Familienmitglied „ersetzen“ kann. Der Beschwerdeführer kann zudem den Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Familie über Telefon und Internet regelmäßig aufrechterhalten.

Soweit im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer an einer Herzerkrankung leide und auf Medikamente angewiesen sei, weshalb eine Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich sei, ist zum einen auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers hinzuweisen, in der dieser selbst angab, „gesund“ zu sein (vgl. AS 75). Zum anderen verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid (vgl. insbesondere Punkt 2., Medizinische Versorgung, AS 99 ff). Daraus geht hervor, dass im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eine Krankenversicherung besteht und die medizinische Versorgung gewährleistet ist. Im Beschwerdeschriftsatz wurde zudem nicht schlüssig dargelegt, warum der Umstand einer Stent-Operation (offenbar) automatisch dazu führt, dass eine Rückkehr nach Bosnien für den Beschwerdeführer nicht mehr möglich wäre.

2.5. Der Beschwerdeführer hat schließlich im Verfahren keine konkreten Rückkehrbefürchtungen bezogen auf Bosnien geäußert. Bosnien und Herzegowina gilt aufgrund der Ermächtigung nach § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG laut § 1 Z 1 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, als sicherer Herkunftsstaat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Rückkehrentscheidung)

3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

3.1.2. Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und es kann grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN). Diese Rechtsprechungslinie betraf allerdings nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001). In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit steht die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Fremde, selbst wenn sie - anders als im vorliegenden Fall - Ehegatten österreichischer Staatsbürger sind, nicht in Frage (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0249 mwN).

Aufenthaltsbeendigende Maßnahmen sind aber auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen, wobei die "Zehn-Jahres-Grenze" in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rolle spielt, wenn einem Fremden kein erhebliches strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Hierbei kommt es ebenso auf den Zeitpunkt und der Art des jeweiligen Fehlverhaltens sowie das seither erfolgte Wohlverhalten an (vgl. VwGH 03.09.2015, Zl. 2015/21/0121; aber auch VwGH 10.11.2015, Zl. 2015/19/0001).

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer seit August 2004 in Österreich aufrecht gemeldet ist, über einen EU-Daueraufenthaltstitel verfügt und für seinen minderjährigen Sohn obsorgepflichtig ist; ferner nicht, dass der Beschwerdeführer mehrere Jahre in Beschäftigung bei verschiedene Firmen stand.

Dem steht jedoch seine 12-jährige Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und weiterer strafbarer Handlungen gegenüber, somit ein Fall von „gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Aufenthaltsbeendigung von straffällig gewordenen Ausländern gilt grundsätzlich als legitimes Interesse eines Aufenthaltsstaates. Im Fall des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass es sich bei den von ihm begangenen Straftaten um besonders „grausame“ Verbrechen gegen unmündige Personen handelte, der Strafrahmen – trotz der bisherigen Unbescholtenheit – sehr hoch ausfiel und die Einweisung des Beschwerdeführers in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB notwendig war.

Insgesamt hat sohin die Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen ergeben, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die durch den Aufenthalt des schwer straffällig gewordenen Beschwerdeführers gefährdet sind, schwerer wiegen als die Auswirkungen der Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafrechtlich relevanter Delikte gegenüber (vgl. VwGH vom 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365; vom 03.05.2005, Zl. 2005/18/0076 und vom 09.09.2014, Zl. 2013/22/0246). Nicht unberücksichtigt zu lassen ist auch die höchstgerichtliche Entscheidung, wonach die sich, in den der rechtskräftigen Verurteilung des Fremden zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, manifestierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen von solchem Gewicht ist, dass zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art 8 Abs. 2 EMRK) die tangierten privaten und familiären Interessen des Fremden zurückzustehen haben (vgl. VwGH vom 03.03.1994, Zl. 94/18/0021). Ebenso steht dem persönlichen Interesse das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesem gewichtigen öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH vom 12.03.2002, Zl. 98/18/0260 und vom 18.01.2005, Zl. 2004/18/0365).

Bei einer Zusammenschau überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen, wobei dem unrechtmäßigen Aufenthalt und der strafrechtlichen Verurteilung besonderes Gewicht zukommt.

3.1.4. Im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich das gewichtige öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

3.1.5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides insoweit gemäß § 52 Abs. 5 FPG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. (Abschiebung)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren, wie beweiswürdigend dargelegt, kein konkretes Vorbringen hinsichtlich einer im Herkunftsstaat befürchteten Verletzung in relevanten Grundrechten (insb. Art. 3 EMRK) erstattet. Sowohl unter Beachtung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, als auch der allgemeinen Sicherheits- und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat ergab sich kein Hinweis auf eine dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat potentiell drohende Gefährdung in den hier relevanten Grundrechten. Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina ist überdies zu berücksichtigen, dass gemäß § 1 Z 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, Bosnien und Herzegowina als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Erregers besteht unter Zugrundelegung der Entwicklungen auch im Herkunftsland keine derartige Situation, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt. Sowohl im Hinblick auf sein Alter als auch seinen Gesundheitszustand liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach der Beschwerdeführer bei einer allfälligen COVID-19 Infektion einer Risikogruppe für einen schwerwiegenden Verlauf angehören würde. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer aktuell eine Strafhaft im Bundesgebiet verbüßt.

Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (Einreiseverbot)

3.3.1. Gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat nach der Ziffer 1 erster Fall insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt worden ist.

Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

3.3.2. Die belangte Behörde erließ gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung ein unbefristetes Einreiseverbot und stützte es auf § 53 Abs. 3 Z 5 FPG.

Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn dieses anführt, dass angesichts der Verurteilung bzw. des dieser Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG (Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren) erfüllt sind und dieses Verhalten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Im gegenständlichen Fall ist nochmals darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, somit in einem äußerst sensiblen Bereich des Strafrechts, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt wurde und höchste Wiederholungsgefahr besteht. Daraus folgt, dass das von der belangten Behörde verhängte unbefristete Einreiseverbot gerechtfertigt und notwendig ist, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr und somit eine Wiederholung der dargelegten strafbaren Handlungen zu verhindern.

Daran vermögen auch Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz nichts ändern, zumal diese auf die besondere Schwere der vom Beschwerdeführer ausgeübten Verbrechen überhaupt nicht eingegangen sind.

Eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK wurde bereits oben unter Punkt 3.1.3.des gegenständlichen Erkenntnisses durchgeführt; ebenso wurde dargelegt, welchen öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet entgegensteht.

Letztlich bestand für die belangte Behörde auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs. 1 FPG (arg: „kann") von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, liegt doch nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG bei einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Verurteilung eines Fremden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren die Voraussetzung für die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes eindeutig vor.

Angesichts seines schwerwiegenden Fehlverhaltens besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, das von der belangten Behörde festgesetzte unbefristete Einreiseverbot abzuändern und kann sohin die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes angesichts der Gefährlichkeitsprognose und der Interessensabwägung nicht als rechtswidrig erachtet werden.

3.3.3. Daher war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. (Frist und aufschiebende Wirkung)

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gegenständlich wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.

Somit sprach die belangte Behörde zu Recht aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und war die Beschwerde in diesem Punkt spruchgemäß abzuweisen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss.

Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung – ungeachtet des Parteienantrages – unterbleiben konnte.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Gefährlichkeitsprognose Gesundheitszustand Interessenabwägung medizinische Versorgung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat soziale Verhältnisse Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W123.2240675.1.00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten